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Es spricht der Chor der gläubigen Bürger. Doch kaum fängt einer an zu reden, da fällt ihm der andere schon ins Wort ... Aus einer langen Recherche im religiösen Leben unserer Städte ist ein Text entstanden, der für die vielen Stimmen unserer Wirklichkeit einen ebenso analytischen wie poetischen Resonanzraum schafft.Es spricht der Chor der gläubigen Bürger. Doch kaum fängt einer an zu reden, da fällt ihm der andere schon ins Wort. Der Chor findet keine gemeinsame Sprache und doch ist es ein Chor, der ein Gegenüber kennt: die Ungläubigen. Globalisierung, Migration und der gleichzeitige Verlust…mehr

Produktbeschreibung
Es spricht der Chor der gläubigen Bürger. Doch kaum fängt einer an zu reden, da fällt ihm der andere schon ins Wort ... Aus einer langen Recherche im religiösen Leben unserer Städte ist ein Text entstanden, der für die vielen Stimmen unserer Wirklichkeit einen ebenso analytischen wie poetischen Resonanzraum schafft.Es spricht der Chor der gläubigen Bürger. Doch kaum fängt einer an zu reden, da fällt ihm der andere schon ins Wort. Der Chor findet keine gemeinsame Sprache und doch ist es ein Chor, der ein Gegenüber kennt: die Ungläubigen. Globalisierung, Migration und der gleichzeitige Verlust religiöser Bindungen haben aus unseren Städten Orte der Vielfalt gemacht, religiöse Megacities. Aber was glauben die Menschen? Glauben sie, dass ihr Glaube Privatsache ist? Glauben die Menschen, dass ihr Glaube politisch ist? Glauben sie an die Freiheit der Andersdenkenden, an eine bessere Welt? Wie beeinflussen sie das soziale und politische Leben der Stadt? Welche Erwartungen haben die Gläubigen an Demokratie und Rechtsstaat?Es erzählen die gläubigen und ungläubigen Bürger der Städte - der Bruder, der Sozialarbeiter, der DHL-Bote, die Lehrerin, die Journalistin. Sie erzählen Leilas Geschichte. Doch kaum endet die Erzählung des einen, beginnt die der anderen. Das soziale Leben findet eine gemeinsame Sprache - es geht um renitente Jugendliche, um soziales Engagement, um Einwanderung, um Heimat, um falsche und echte Bilder und den Traum vom wahren Leben. Was glauben die Menschen politisch? Lassen sie den anderen ihre Freiheit? Arbeiten sie für eine bessere Welt? Wie beeinflussen sie das soziale und politische Leben der Stadt? Aus einer langen Recherche im religiösen Leben unserer Städte ist ein Text entstanden, der für die vielen Stimmen der Wirklichkeit einen analytischen wie poetischen Resonanzraum schafft.
Autorenporträt
Björn Bicker wurde 1972 geboren und studierte Literaturwissenschaft, Philosophie und Allgemeine Rhetorik in Tübingen und Wien. Danach arbeitete er am Wiener Burgtheater. Von 2001 bis 2009 war er als Dramaturg an den Münchner Kammerspielen engagiert. Seit 2009 arbeitet er als freier Autor, Künstler und Kurator. Er schreibt Prosa, Theaterstücke, Hörspiele und Essays und hat viel beachtete theatrale Stadtprojekte auf der Grenze zwischen künstlerischer und politischer Praxis entwickelt, die sich mit Gegenwart und Zukunft der europäischen Einwanderungsgesellschaft beschäftigen. Im Verlag Antje Kunstmann erschienen 2009 sein Buch "ILLEGAL. Wir sind viele, wir sind da", 2013 sein Roman "WAS WIR ERBEN" und 2016 "WAS GLAUBT IHR DENN. Urban Prayers". Björn Bicker lebt in München.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Philipp Bovermann scheint begeistert von Björn Bickers Theaterstück über die verschiedenen Erscheinungsformen des Glaubens als Lesefassung. Erweitert mit Fotos und Recherchedokumenten, erscheint Bovermann der Text beim Lesen als ökumenisches Gebet, als Möglichkeit der Ökumene aus dem Geist des Palavers. Dass die Stimmen, die um Essensverbote kreisen, Steuern oder Kindererziehung, ort- und personenlos bleiben, kann Bovermann verkraften. Alles wird eins im zwischenmenschlichen Gespräch, scheint für ihn die Lehre zu sein, die das Buch vermittelt. Und sie gefällt ihm.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.05.2016

Das Palaver-Prinzip
Nach seinem Theaterstück „Urban Prayers“ setzt Björn Bicker die Erforschung
der religiösen Innenwelten Deutschlands in Buchform fort
VON PHILIPP BOVERMANN
Den Sprengstoff formuliert Björn Bicker erst im Nachwort. Gemessen an den Mitgliederzahlen der großen Volkskirchen leben, schreibt er, mittlerweile in München mehr Nicht-Christen als Christen. In religiöser Hinsicht ist die christlich-abendländische Mehrheitsgesellschaft einem Nebeneinander von Parallelgesellschaften gewichen, auch anderswo. Aus der Perspektive, die in diesem Zusammenhang gern von deren „Aufeinanderprallen“ oder von „Gemengelagen“ redet, ist das in der Tat Zündstoff. Deshalb lässt Bicker in „Was glaubt ihr denn – Urban Prayers“ zunächst die miteinander sprechen, die das angeblich nicht können.
  „Wir atmen./ Wir kämpfen./ Wir kämpfen für Toleranz./ Wir nicht./ Wir beten./ Wir laden durch./ Innerlich./ Ganz konkret./ Wir beten einfach./ Unser ganzes Leben ist ein Gebet./ Unseres nicht.“ Es spricht der „Chor der Gläubigen“. 2013 bildete er den dramaturgischen Kern des Theaterstücks „Urban Prayers“, das Bicker, unter der Regie des damaligen Intendanten Johan Simons, an den Münchner Kammerspielen aufführte. Gespielt wurde es nicht nur im Theaterhaus, sondern auch in den Andachtsräumen von sieben Münchner Religionsgemeinschaften. Mit „Was glaubt ihr denn“ wird dieser Chor-Text nun in erweiterter Form publiziert.
  Im Nachwort „Wir sind viele“ beschreibt Bicker diese Reihe von Gastspielen durch das spirituelle Ausland vor der eigenen Haustür als Ergebnis langer, aber erkenntnisreicher Auseinandersetzungen mit den unterschiedlichen religiösen Intimsphären. Der „Chor“ lässt sich vor diesem Hintergrund als Kondensat oder als sprechende Schnittstelle all dieser Unterredungen mit und zwischen den Gläubigen verstehen. Er dokumentiert, zusammen mit einer Reihe von Fotografien, Bickers Recherchereise durch das vielfältige religiöse Leben Münchens.
  Wer jeweils spricht, wann und wo gesprochen wird, bleibt offen. In „Urban Prayers“ trugen fünf Schauspieler als menschliche Relais den Text vor, entkoppelt von ihrer körperlichen Einheit auf der Bühne, auch die Wechsel der Sprecherpositionen wurden nicht kenntlich gemacht. So erzeugten sie nur durch Reden einen virtuellen Raum, in dem alles frei durcheinander- schwebt. In „Was glaubt ihr denn“ stehen die einzelnen Sätze und Satzpartikel nun einfach zeilenweise untereinander.
  Es geht um Essensverbote und um Kindererziehung, um Steuern, die Zahl Sieben, München, „City of God“, darum, dass der Mensch kein Ding ist, ob man sich zumindest darauf einigen könne, immer wieder die Frage: Was glaubt ihr denn? Der Glaube kennt hier viele Gesichter, auch das des Unglaubens. Es bleibt ein ökumenisches Gebet – oder vielmehr das Gebet der Ökumene – ohne Weihrauch, ohne Suren-Rezitationen. Ein Bekenntnis ohne Bekennende. Es bleibt, im Buch, die Sprache.
  Das derzeit vielerorts vorangetriebene Projekt, den geschützten Raum des Theaters zu verlassen, wird hier mit der Druckerpresse weiterbetrieben. Seinen emotionalen Höhepunkt fand das zugrunde liegende Projekt beim gemeinsamen Fastenbrechen in den Kammerspielen. Das Theater bildete die letzte „geweihte“ Spielstätte, es war gerade Ramadan. Die Tonabteilung des Hauses übertrug den Gebetsruf per Lautsprecher in die Nachbarschaft. Bei dieser finalen Veranstaltung traten vierzig Gläubige aller Religionen in einem neunstündigen Redemarathon auf. Das Pendant im Buch liefern kurze, konventionelle Erzählpassagen, in denen sich ballonartig konsistente Situationen aus dem Chor herausbilden. Darin dürfen einige der zuvor anonymen Stimmen ihre Geschichten breiter entwickeln.
  Dies allerdings über die Vermittlung von fünf säkularen Erzählerfiguren, die auf gläubige Mitmenschen treffen. Dadurch wird eine schwierige Entscheidung des Autors gegen eine andere in Stellung gebracht: Einerseits lässt der Chor der Gläubigen keine Außenperspektive auf ihn zu – auch dem säkularen Zweifel wird der Status einer Religion bescheinigt. Auf der rhetorischen Ebene vollzieht sich das durch die Aushöhlung des Unterschieds zwischen „glauben“ im Sinne von „meinen“, „vermuten“ und religiösem „glauben“, schon in der ersten Zeile: „Was glaubt ihr denn./ Wer wir sind.“ Andererseits ist es auch nicht unproblematischer, wenn in den Erzählpassagen anstatt der Identität von Zweifel und Religion umgekehrt eine dialogische Beziehung zwischen den säkularen Erzählern und den Figuren gläubiger Menschen etabliert wird.
  In allen fünf Erzählern spricht immer dieselbe Stimme – und immer drückt sich diese Dialogizität als eine Sehnsucht nach religiöser Innigkeit aus. Die Gläubigen hingegen bekommen eine Art Welpen-Bonus. Da ist die „kleine“ Schwester, die beim Schimpfen über die herzlose westliche Gesellschaft plötzlich besonders „schön“ wird. Der turbantragende Sikh, der ein weinendes Mädchen durch seine aus verborgener Quelle ihm zufließende Kraft beruhigen kann. Der hochintelligente afrikanische Pastor, der mit geheimnisvollem Lächeln in den Kampf gegen die westliche emotionale Verwahrlosung zieht.
  Da ist es wieder, „dieses verdammte Kolonialismus-Ding“, von dem im Buch immer wieder die Rede ist, wenn der gläubige Fremde erkoren wird zum Vitalisierungspool gegen unsere „verschimmelte Demokratie“, in den Worten des besagten Pastors. Dieser erzählt vom „Palaver-Prinzip“, einer vorkolonialen afrikanischen Sozialtechnik, die man als Bickers implizite Poetologie lesen kann: Wenn es ein Problem gibt, wird geredet, „bis es eine Lösung gibt, mit der alle leben können. Tagelang, wenn es sein muss“ – das Prinzip radikaler Basisdemokratie als Korrektiv zur instrumentellen Vernunft des Kapitalismus, der immerhin genau das ins Werk setzt, was die Religionen immer schon versprochen haben: Alles wird eins.
  Jürgen Habermas beschreibt in „Nachmetaphysisches Denken II“, wie auch die einheimischen Konfessionen durch die Auseinandersetzung mit immigrierenden Religionsgemeinschaften belebt werden. Bicker zitiert die Stelle und liefert mit seinem Buch, wie zum Exempel, die romanhaft-subjektive Innenseite zur Sprache des Kollektivs im Theater, den auktorialen Blick auf diese Gläubigen anstatt ihrer selbst in Fleisch und Blut.
  Beim „Palaver-Prinzip“ geht es nicht um Sprache, um Literatur, sondern darum, miteinander zu sprechen. „Was glaubt ihr denn“ hingegen öffnet, eher unfreiwillig, den Blick auf die Grenze des Palavers: Religionen sind nicht nur Ausdruck kultureller Lebensformen, die sich restlos in einem vielstimmigen Chor vereinen lassen, sondern auch Verheißung unhinterfragbarer Innerlichkeitserfahrungen, über die sich nur schweigen lässt. Sind beide voneinander ablösbar? Und ist das überhaupt ein Problem?
Björn Bicker: Was glaubt ihr denn – Urban Prayers. Verlag Antje Kunstmann, München 2016. 272 Seiten, 24,95 Euro. E-Book: 21,99 Euro.
Das Gebet der Ökumene kommt
ohne Weihrauch und ohne
Suren-Rezitationen aus
Mit geheimnisvollem Lächeln
kämpft der afrikanische Pastor
gegen westliche Verwahrlosung
„Urban Prayers“, Juli 2013: Gemeinsames Fastenbrechen im Theater, veranstaltet von den Münchner Kammerspielen und dem Muslimrat München.
Foto: Robert Haas
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