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Die Bayerischen Motorenwerke repräsentierten ein Schlüsselunternehmen der nationalsozialistischen Rüstungs- und Kriegswirtschaft. Mit der Forcierung der Aufrüstung 1936 wurde aus dem diversifizierten Konzern ein fast völlig auf die Produktion von Flugzeugmotoren ausgerichtetes Unternehmen. Die Geschichte des BMW-Konzerns in der NS-Zeit ist daher die Geschichte eines zunehmenden Verstrickungsprozesses mit dem NS-Regime und seiner Verbrechen, an dessen Ende der gezielte Einsatz von ZwangsarbeiterInnen und KZ-Häftlingen stand. Und es ist die Geschichte einer Deformation des Unternehmens, die sich…mehr

Produktbeschreibung
Die Bayerischen Motorenwerke repräsentierten ein Schlüsselunternehmen der nationalsozialistischen Rüstungs- und Kriegswirtschaft. Mit der Forcierung der Aufrüstung 1936 wurde aus dem diversifizierten Konzern ein fast völlig auf die Produktion von Flugzeugmotoren ausgerichtetes Unternehmen. Die Geschichte des BMW-Konzerns in der NS-Zeit ist daher die Geschichte eines zunehmenden Verstrickungsprozesses mit dem NS-Regime und seiner Verbrechen, an dessen Ende der gezielte Einsatz von ZwangsarbeiterInnen und KZ-Häftlingen stand. Und es ist die Geschichte einer Deformation des Unternehmens, die sich nicht nur auf die Organisation, Produktion und die Unternehmensfunktionen erstreckte, sondern die auch die in und für das Unternehmen arbeitenden Menschen, insbesondere die führenden Manager, erfasste. Diese Entwicklungen werden in der vorliegenden Studie in ihren unterschiedlichen Facetten und Aspekten nachgezeichnet und analysiert.
Vier ausführliche Zeitzeugeninterviews mit ehemaligen ZwangsarbeiterInnen runden den Band ab.
Autorenporträt
Constanze Werner, geboren 1967, ist Historikerin und Leiterin des Oberammergau Museums.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 17.01.2006

Erinnerung in der Sackgasse
Kriegswirtschaft und Zwangsarbeit bei BMW
Als Daimler-Benz 1986 eine Untersuchung über Zwangsarbeit in den eigenen Unternehmen in Auftrag gab, um auf der Grundlage der Forschungsergebnisse über Entschädigungszahlungen zu entscheiden, sah man sich bei BMW „in Zugzwang“. „Wie BMW sich verhalten wird, ist noch nicht diskutiert worden“, erklärte ein Sprecher auf Anfrage. Erst ein gutes Jahrzehnt später entschloss sich BMW zu einer Beteiligung am Entschädigungsfonds für Zwangsarbeit im NS-Staat, den die Bundesregierung gemeinsam mit der deutschen Wirtschaft gegründet hatte. Erste Zahlungen leistete BMW 2001. Nahezu sechs Jahrzehnte nach dem Krieg gab es allerdings nicht mehr viele, die in den Genuss dieser Entschädigungszahlungen kommen konnten.
Nun liegt eine von MTU Aero Engines (der Rechtsnachfolgerin der BMW Flugmotorenbau GmbH) und der BMW Group in Auftrag gegebene Untersuchung „Kriegswirtschaft und Zwangsarbeit bei BMW“ vor. Die Historikerin Constanze Werner hat die Studie, mit der sie auch promoviert hat, in fünfjähriger Arbeit erstellt. Ein dreiköpfiger wissenschaftlicher Beirat begleitete und betreute sie dabei.
Auf gut 400 Seiten wird das Thema faktenreich und dokumentengesättigt aufbereitet. Der Einführung über den Umbau des Betriebs zu einem Rüstungskonzern in den Jahren 1933-1939 folgt der zentrale Teil der Studie über die Kriegsjahre: „Die Krise als Dauerzustand“. Den Abschluss bildet die Schilderung des „beschwerlichen Aufbruchs zur Neugründung“.
Obwohl die Herausarbeitung der Verstrickung der Flugmotorenindustrie in die verbrecherische NS-Politik zu den erklärten Zielen der Autorin gehört, wird davon wenig deutlich. Die Darstellung ist von grundsätzlicher Sympathie für die Motive der Firmenleitung durchdrungen. Mit der Errichtung eines KZ-Außenlagers in Allach erhoffte sich der BMW-Vorstand, so die Autorin, „einen Ausweg aus dem Dilemma der Arbeitskräfteversorgung“. Den Ingenieuren wird für ihr Durchhalten bis zum bitteren Ende eine „Mischung aus technologischem Ehrgeiz und Naivität“ zugebilligt.
Ihre Bemühungen um einen reibungslosen Ablauf der Produktion werden immer wieder durch das Reichsluftfahrtministerium und später durch Albert Speers Reichsministerium für Rüstung und Kriegsproduktion konterkariert. Es wird beklagt, dass das Schicksal der vielen namenlosen Belegschaftsangehörigen, der Kriegsgefangenen, Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge kaum dokumentiert ist und oft nur „mühsam und schlaglichtartig“ sichtbar gemacht werden kann. Die verschiedenen Gruppen, die unter äußerst unterschiedlichen Bedingungen lebten, werden meist in einem Atemzug genannt. Drei Interviews, die die Autorin mit ehemaligen Zwangsarbeitern geführt hat, vermitteln nur wenig von der damaligen Realität.
Das größte Versäumnis der Studie besteht jedoch darin, den fundamentalen Unterschied der Lebens- und Arbeitssituation der KZ-Häftlinge zu allen anderen „Belegschaftsangehörigen“ nicht deutlich zu machen. Mit der Einrichtung von KZ-Außenlagern war ein Sklavenreservoir für die Industrie geschaffen worden. Es genügt heute nicht mehr darauf zu verweisen, dass die Subunternehmer von BMW für die mörderischen Arbeitsbedingungen in den Baukommandos verantwortlich waren, oder dass die meisten Übergriffe und Grausamkeiten „sich nicht während der Arbeitszeit, sondern außerhalb des Werkes in dem von der SS bewachten und beherrschten Häftlingslager (ereigneten)“.
Es wird erwähnt, dass das Unternehmen zwischen drei und sechs Reichsmark pro Tag und Häftling an die SS abführte, aber der Leser erfährt nicht, dass die Häftlinge keinen Pfennig davon zu Gesicht bekamen. „Der einzige formale Vorwurf, jenseits aller bestehenden moralischen Verantwortlichkeiten, die man dem BMW-Vorstand machen könnte, war, dass das Unternehmen im Zuge der allgemeinen Auflösungserscheinungen im März und April 1945 die Löhne für den KZ-Häftlingseinsatz nicht mehr bezahlte“, schreibt Frau Werner.
Die dramatische Geschichte des Allacher KZ, das die Gefangenen ab März 1943 selbst errichteten, und in dem Folter und Hinrichtungen an der Tagesordnung waren, wird dem Leser erzählt. Die Kranken und Arbeitsunfähigen wurden ins Hauptlager zurückgeschickt, was oft einem Todesurteil gleichkam. BMW erhielt neue Arbeitskräfte. Am 30. April 1945 wurden im Lager Allach mehr als 10 000 KZ-Überlebende von US-Truppen befreit, nachdem drei Tage zuvor noch Tausende auf einen Fußmarsch in Richtung Alpen geschickt worden waren.
Die Autorin hat den Finger nicht in die wirklich offene Wunde der Firmengeschichte gelegt. Deshalb klingt der Klappentext, nach dem die Unternehmen mit dieser Publikation „ihren Weg des gemeinsamen Erinnerns“ fortsetzen, ein wenig hohl.
BARBARA DISTEL
CONSTANZE WERNER: Kriegswirtschaft und Zwangsarbeit bei BMW. Oldenbourg Verlag, München. 447 Seiten, 39,80 Euro.
Zwangsarbeiter bei der Flugzeugmotoren-Fertigung von BMW: im Vordergrund ein mit „SU“ gekennzeichneter sowjetischer Gefangener.
Foto: BMW-Archiv
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Durchaus kritisch betrachtet Rezensentin Barbara Distel diese Studie über "Kriegswirtschaft und Zwangsarbeit bei BMW", die die Historikerin Constanze Werner im Auftrag der MTU Aero Engines und der BMW Group verfasst hat. Zwar billigt sie der Autorin zu, ihr Thema prinzipiell "faktenreich und dokumentengesättigt" aufgearbeitet zu haben. Aber die Verstrickung BMWs in die verbrecherische NS-Politik, deren Herausarbeitung ja zu den erklärten Zielen der Studie gehört, wird nach Ansicht Distels zu "wenig deutlich". Die Darstellung erscheint ihr zudem von "grundsätzlicher Sympathie für die Motive der Firmenleitung durchdrungen". Von der damaligen Realität der Zwangsarbeit vermittle die Autorin nur wenig. Das größte Manko von Werners Arbeit aber sieht Distel darin, den fundamentalen Unterschied der Lebens- und Arbeitssituation der KZ-Häftlinge zu den anderen Angestellten und Arbeitern nicht "deutlich" zu machen. So kommt sie zu dem Schluss, dass Autorin den Finger nicht in die "wirklich offene Wunde der Firmengeschichte" gelegt habe.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.08.2006

Eine Frage der Unternehmenskultur?
Wie die Bayerischen Motoren Werke während des Zweiten Weltkriegs die Zwangsarbeiter behandelten

Die Bayerischen Motoren Werke zählen heute zu den bekanntesten Automobil- und Motorradherstellern der Welt. Das war nicht immer so. Bis 1945 führte der Automobilbau bei den Münchenern ein Schattendasein. Neben Junkers und Daimler-Benz gehörte das Unternehmen zu den führenden Herstellern von Flugmotoren. Der schrittweise Rückzug aus diesem Kerngeschäft erfolgte parallel zum Auf- und Ausbau der Motorrad- und Automobilproduktion seit 1949 beziehungsweise 1953. Seinen Abschluß fand er 1965, als die Flugmotoren- und Triebwerkaktivitäten endgültig in der MAN-Turbo GmbH aufgingen, die wiederum 1969 mit Daimler-Benz die Motoren- und Turbinen-Union München GmbH (MTU) aus der Taufe hoben.

Diese Geschichte erklärt, warum die MTU Aero Engines GmbH 1999 zwei Historikerinnen damit beauftragte, dem Problemkomplex Kriegswirtschaft und Zwangsarbeit bei BMW auf den Grund zu gehen. Die Münchener BMW Group beteiligt sich seit 2001 an dem Projekt. Jetzt liegen Constanze Werners Ergebnisse im ersten Band der neuen Reihe "Perspektiven. Schriftenreihe der BMW Group - Konzernarchiv" vor. Ausdrücklich betonen die "auftraggebenden Firmen", der Autorin "inhaltlich keinerlei Vorgaben oder Einschränkungen auferlegt" zu haben. Ein Wissenschaftlicher Beirat, dem mit Mark Spoerer einer der Pioniere der Zwangsarbeiterforschung in Deutschland angehört, hielt diesen Aspekt im Auge.

So ist eine Untersuchung entstanden, die hohen Ansprüchen genügt und einen gewichtigen Beitrag nicht nur zum Thema Kriegswirtschaft und Zwangsarbeit liefert. Das liegt unter anderem an der ausgezeichneten Quellenauswertung: Frau Werner hat für ihre Studie neben den Archiven von BMW und MTU zwei Dutzend staatliche und kommunale Archive des In- und Auslands durchforstet und außerdem in Deutschland, der Tschechischen Republik, Polen und der Ukraine Interviews mit ehemaligen Zwangsarbeitern geführt, von denen einige im Anhang wiedergegeben sind. Herausgekommen ist die Geschichte einer "Deformation, . . . die sich nicht nur auf die Organisation, Produktion und die Unternehmensfunktionen erstreckte, sondern die auch die in und für das Unternehmen arbeitenden Menschen, insbesondere die führenden Manager erfaßte". Im Nachzeichnen dieses Prozesses liegt eine besondere Stärke der Untersuchung. Die Autorin belegt, wie sehr auch BMW von "Chaos und Improvisation" der nationalsozialistischen Kriegswirtschaft geprägt worden ist. "Die Folge war die Zersplitterung der werksinternen Fertigungsabläufe, begleitet von absurden Irrfahrten von Menschen und Maschinen" sowie Kapazitätsengpässen in einigen Werken, Überkapazitäten in anderen. Das alles geschah vor dem Hintergrund eklatanten Rohstoffmangels, kaum zu erfüllender Produktionsvorgaben, unausgereifter Technologien, nicht serienreifer Produkte und nicht zuletzt: "eines massiven Arbeitskräfteproblems."

So gesehen kann der immense Bedarf an Arbeitskräften nicht überraschen. Die Vorgaben des Reichsluftfahrtministeriums vor Augen, die Konkurrenz im Visier und die Zukunft des Unternehmens im Blick nahm man, was man bekommen konnte: Ostarbeiter, Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene, SS-Strafgefangene und KZ-Häftlinge. Allein im Werk München II in Allach, das als ",Zwangsarbeiter-Werk' aus dem Boden gestampft" wurde, waren 1944 von gut 17 300 Arbeitern 67 Prozent Ausländer, vor allem Zwangsarbeiter aus etwa 30 Ländern. In dieser Hinsicht ist die Entwicklung bei BMW ein typisches Beispiel für die deutsche Rüstungsindustrie in der Zeit des "Dritten Reiches".

Aber es gab auch Unterschiede. Sieht man einmal von den Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit der Untertageverlagerung ganzer Produktionsbereiche in der Endphase des Krieges ab, "wurden die ZwangsarbeiterInnen bei BMW zweifellos besser behandelt als bei Daimler-Benz und anderen deutschen Rüstungsunternehmen". So nutzte das Management seine guten Verbindungen und intervenierte bei den zuständigen Stellen nicht selten mit Erfolg, um zum Beispiel die Unterkunfts- und Ernährungsverhältnisse der KZ-Arbeiter zu verbessern. Dahinter standen zwar weniger humanitäre als vielmehr pragmatische Erwägungen - aber immerhin. Übergriffe, Strafen und Schläge waren in aller Regel nicht von oben angeordnet, sondern "hingen sehr von einzelnen Personen", also von Werksleitern oder Meistern ab. Auch hier bestätigt die Untersuchung andernorts gemachte Beobachtungen. Das gilt schließlich für ein Thema, das im allgemeinen eher selten in den Horizont wissenschaftlicher Analysen rückt: die Unternehmenskultur. Soweit sich das auf der Basis bislang vorliegender Ergebnisse generalisieren läßt, bestand zwischen der Kultur eines Unternehmens und seiner Einstellung zu den Auswüchsen nationalsozialistischer Rüstungs- und Kriegswirtschaft ein Bedingungsverhältnis.

Bei BMW fiel schon 1933 mit der nationalsozialistischen Machtübernahme die Entscheidung, sich in den Dienst des Regimes zu stellen. Damit öffnete die Unternehmensführung, ohne das zunächst zu wollen oder auch nur zu ahnen, einem "tiefgreifenden Veränderungsprozess" Tür und Tor: "Was BMW gegenüber den Herausforderungen und Pressionen des NS-Regimes so anfällig gemacht hatte, war letztendlich eine nur schwach ausgebildete Unternehmenskultur." Nicht nur war der Konzern "von seiner Identität her im Grunde mit dem Stammwerk in Milbertshofen gleichzusetzen", weil die Fusionen und Erweiterungen nie verarbeitet und verkraftet wurden. Es fehlte auch - und zum Teil ebendeshalb - "die Solidarität und die Verbundenheit oder zumindest die Verständigung über gemeinsame Unternehmens- und Konzerninteressen auf seiten des Führungspersonals". Im Umkehrschluß könnte das bedeuten, daß Betriebe mit einer ausgeprägten Unternehmenskultur sogar unter den Bedingungen von Kriegswirtschaft und Zwangsarbeit ein anderes Profil erkennen lassen müßten als Konzerne wie BMW. Damit rücken vor allem Familienunternehmen ins Blickfeld der Forschung.

GREGOR SCHÖLLGEN

Constanze Werner: Kriegswirtschaft und Zwangsarbeit bei BMW. Im Auftrag von MTU Aero Engines und BMW Group. R. Oldenbourg Verlag, München 2005. X und 447 S., 39,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"So ist eine Untersuchung entstanden, die hohen Ansprüchen genügt und einen gewichtigen Beitrag nicht nur zum Thema Kriegswirtschaft und Zwangsarbeit liefert. Das liegt unter anderem an der ausgezeichneten Quellenauswertung." Gregor Schöllgen in der FAZ, 10.8.2006.