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Die Zeit des Booms waren die fünfziger bis siebziger Jahre, die Jahrzehnte einer stabilen Nachkriegsordnung, die mit dem Marshallplan 1947 eingeleitet wurde und im wirtschaftlichen Wandel seit 1973 an ihr Ende kam. Grundlegende Veränderungen gingen von der Wirtschaft aus und hatten ihre Wirkung auf die politischen und sozialen Leitvorstellungen in den westeuropäischen Ländern. Das Gesellschaftsmodell der Boom-Epoche wandelte sich mit hoher Dynamik. Dieses komplexe Geschehen stellt einen Strukturbruch in der Entwicklung der Bundesrepublik und Westeuropas seit dem Zweiten Weltkrieg dar. Das…mehr

Produktbeschreibung
Die Zeit des Booms waren die fünfziger bis siebziger Jahre, die Jahrzehnte einer stabilen Nachkriegsordnung, die mit dem Marshallplan 1947 eingeleitet wurde und im wirtschaftlichen Wandel seit 1973 an ihr Ende kam. Grundlegende Veränderungen gingen von der Wirtschaft aus und hatten ihre Wirkung auf die politischen und sozialen Leitvorstellungen in den westeuropäischen Ländern. Das Gesellschaftsmodell der Boom-Epoche wandelte sich mit hoher Dynamik. Dieses komplexe Geschehen stellt einen Strukturbruch in der Entwicklung der Bundesrepublik und Westeuropas seit dem Zweiten Weltkrieg dar. Das Nebeneinander von Kontinuität und Bruch in Strukturen und Mentalitäten ist das Kennzeichen einer neuen Epoche in der europäischen Geschichte.Das Buch rückt Querverbindungen und Wechselwirkungen zwischen den funktional getrennten Bereichen von Politik, Ökonomie, Bildung, Wissenschaft und Religion in den Mittelpunkt. Sie entfaltet für die gegenwartsnahe Zeitgeschichte ein Forschungsprogramm, das um die Problemkreise von Mobilität, industrieller Produktion, Wissensgesellschaft, Konsum und ideellen Ordnungsmustern zentriert ist. Wichtige Themen sind die Veränderung der Geschlechterordnung und der Trend zur Androgynisierung, die neuen Erwartungshorizonte und die Sinnsuche in einer virtualisierten Welt, die Zeitdiagnosen der Sozialphilosophie und der öffentlichen Meinung. Am Ende steht die Reflexion über den Wandel politischer Leitbegriffe wie »Fortschritt«, »Modernisierung« oder »Nationalstaat«. Das Historische Buch 2009 bei H-Soz-u-Kult: Ausgezeichnet mit dem 1. Rang in der Kategorie Zeitgeschichte und dem 4. Rang in der Kategorie Publikumspreis.
Autorenporträt
Dr. Lutz Raphael ist Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Trier.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.03.2009

Auf Zäsurensuche
Perspektiven für die zeitgeschichtliche Forschung

Die Gliederung der Vergangenheit in überschaubare Epochen, Perioden oder Zeitalter ist so alt wie die Befassung mit Geschichte überhaupt. Dabei ist jede Einteilung angesichts der Kontinuität des historischen Geschehens im Grunde unhistorisch, weist doch ein erkennbarer Faden über alle Zäsuren, Revolutionen und Kulturbrüche hinweg zurück in die Vergangenheit. Dennoch ist die Segmentierung in historische Prozesse ein ebenso notwendiges wie sinnvolles historisches Verfahren, um das riesige Arsenal geschichtlichen Wissens in überschaubare Abschnitte zu zerlegen. Die seit Christoph Cellarius (1634-1707) überkommene und in der Geschichtswissenschaft noch weitgehend gängige Epochengliederung in Altertum, Mittelalter und Neuzeit ist längst differenziert, verfeinert und nicht zuletzt um den Begriff Zeitgeschichte erweitert worden.

Hat noch Hans Rothfels die Grenzlinie zur Zeitgeschichte mit dem Ersten Weltkrieg gezogen, so verstehen die Autoren dieses Bändchens unter Zeitgeschichte die Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg, die sie wiederum einteilen in eine "Zeit des Booms", einer stabilen Nachkriegsordnung mit politökonomischen Normen und kulturellen Orientierungsmustern, die in den siebziger Jahren endete, und eine Epoche nach 1970, die sie als eine Phase des Übergangs "nach dem Boom" bezeichnen, als einen Strukturbruch, der sozialen Wandel von revolutionärer Qualität mit sich gebracht habe. Dies ist das Thema des Essays. In der Tat werden - jedenfalls in der deutschen Historiographie - die frühen siebziger Jahre aufgrund der ersten Ölkrise und ihrer Folgen auf die wirtschafts- und sozialpolitischen Bedingungen als Einschnitt gesehen. Unter anderen Aspekten einschneidender waren jedoch sicherlich die Folgen der weltpolitischen Zäsur von 1989/91.

Nach der Darstellung der Entstehung der Nachkriegsordnung werden in Kapitel 1 Elemente des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandels im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts bis hin zum Durchbruch der Mikroelektronik beschrieben. In Kapitel 2 werden politik- und sozialwissenschaftliche Diagnosen dieses Wandels, insbesondere die Theorien und Methoden angloamerikanischer Sozialwissenschaftler und Sozialphilosophen vorgestellt, die beträchtlichen Einfluss auf die Geschichtswissenschaft ausgeübt haben, ob es sich um die Suche nach einem dritten Weg jenseits des traditionellen politischen Links-rechts-Gegensatzes oder um die Abkehr der überkommenen Dichotomie von Bourgeoisie und Proletariat handelt. Auch werden die Globalisierung und die grundlegenden Veränderungen nach dem Ende des Ost-West-Konflikts angesprochen. Ihre Auswirkungen auf die politische Agenda, auf das internationale Staatensystem, auf die Wirtschafts- und Finanzmärkte oder ihre sozialen Folgen für den Einzelnen, etwa die sich seit den achtziger Jahren öffnende Schere bei der Einkommensentwicklung, werden allerdings nicht vertieft. Ob also die Sozialwissenschaften, "ein wesentlicher Bestandteil der Nachkriegsordnung Westeuropas" (sic!), tatsächlich so erkenntnisleitend sind, bei all ihrer Bedeutung für Öffentlichkeit, Politik und Administration, darf mit einem Fragezeichen versehen werden.

Zu Recht wird deshalb in Kapitel 3 bei der Frage, welche zeithistorischen Perspektiven sich aus der Sozialstaatsforschung ergeben, festgestellt, dass die Ordnungsentwürfe der Trendprognostiker und Auguren schnell veralten. Skepsis sei ihnen gegenüber also angebracht, da Vergangenheit in ihren Entwürfen nicht vorkäme und Kontinuitäten jenseits der diagnostizierten Brüche bestehen blieben. So ganz kann man sich bei der Lektüre der zeitdiagnostischen Strukturanalysen des Eindrucks nicht erwehren, dass hier Geschichte ohne Menschen behandelt wird.

Wie die Autoren eingangs betonen, sind ihre bedenkenswerten Überlegungen, welche Themen sich für die Zeitgeschichte nach dem Boom jenseits der bereits etablierten Gebiete anbieten, vorläufiger Natur: Industrieunternehmen und industrielle Produktion, Infrastrukturen der Wissensgesellschaft, Konsum, Konsumgesellschaft, Konsumentengesellschaft, Geschlechterordnungen und Körperbilder, Sinnsuche in neuen Erwartungshorizonten, Umbrüche in der Zeitdiagnose, Wandel von Leitbegriffen.

Naturgemäß können derartige Vorschläge nicht das zukünftige Spektrum historischer Forschungen prognostizieren. Insofern sind solche Desiderate nur als Anregungen zu verstehen. Da zur Zeit der Abfassung des Essays die Folgen der Wetten auf Wetten des globalen, seit den achtziger Jahren sich entwickelnden Finanzmarktkapitalismus auf Wirtschaft, Politik und Gesellschaft nicht absehbar waren, bleibt abzuwarten, ob sich nicht auch andere Perspektiven für die zeitgeschichtliche Forschung ergeben werden.

GÜNTER BUCHSTAB

Anselm Doering-Manteuffel/Lutz Raphael: Nach dem Boom. Perspektiven auf die Zeitgeschichte seit 1970. Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2008. 140 S., 15,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 30.11.2009

Chance des zweiten Blicks
Eine Analyse der Erschütterungen der Industriegesellschaft
Eine Erinnerungsorgie geht in diesen Wochen zu Ende: die Jubiläen von Grundgesetz, Gründung der Bundesrepublik und dem Fall der Mauer, auch der Ausrufung der ersten Demokratie auf deutschem Boden, der Weimarer Republik. Das Buch der Historiker Anselm Doering-Manteuffel und Lutz Raphael liest sich streckenweise als eine Art Gegenerzählung zu den Dienstjubiläumsfeiern der Republik. Es richtet seinen Blick auf langfristige Veränderungen, auf soziale, kulturelle und wirtschaftliche Umbrüche seit den siebziger Jahren – eine Zeitgeschichte „nach dem Boom”, wie die beiden ihre wegweisende Arbeit überschreiben.
Der Charme dieser klugen Studie liegt denn auch in ihrer nüchternen und pointierten Analyse, die die Geschichte der Bundesrepublik einbettet in die säkularen Trends moderner Industriegesellschaften Westeuropas. Sie gehen davon aus, dass Deutschland und seine westlichen Nachbarn seit dem Ende des Wirtschaftsbooms Mitte der siebziger Jahre einen „Strukturbruch” und einen sozialen Wandel von „revolutionärer Qualität” in allen gesellschaftlichen Bereichen erlebt haben – mit Folgen bis in die unmittelbare Gegenwart.
Als während der Kanzlerschaft Helmut Schmidts die dreißigjährige Hochkonjunktur einbrach, bedeutete dies das Ende eines industriellen Ordnungsmodells, dessen Konturen sich nach 1945 herausgebildet hatten. Der Fordismus dominierte die Industriegesellschaften. Seine Grundlage waren die standardisierte Massenproduktion, die Annahme stetig steigender Nachfrage und die gewerkschaftlich erkämpften Lohnzuwächse, die dafür sorgten, dass Einkommenssteigerungen mit den Unternehmensgewinnen zumindest etwas Schritt hielten. Es war dieser Kompromiss von Kapital, Staat und Arbeit, der mit den Grundstein für den Erfolg des westdeutschen Sozialstaates gelegt und die Nachkriegsepoche zu einem „goldenen Zeitalter” machte, wie es der britische Historiker Eric Hobsbawm einmal genannt hat.
Mitte der siebziger Jahre begann jene „dritte industrielle Revolution”, an der der Ostblock schließlich zerbrechen sollte, und der in Westeuropa die Fundamente des Konsensliberalismus unterspülte. Ganze Industriebranchen brachen ein, Bergbau, Stahl- und Textilindustrie kamen in die Krise, Massenarbeitslosigkeit war nicht mehr nur ein Gespenst von gestern, sondern die neue Realität. Auf einmal war von der „Krise der Arbeitsgesellschaft” und dem „Ende der Arbeit” die Rede. Begleitet war die tiefe Erschütterung des globalen Wirtschafts- und Finanzsystems vom Auftreten neuer Akteure, allen voran von Konkurrenten aus Asien, die auf den Markt drängten. Gleichzeitig hatte eine neue ideologische Wunderwaffe ihren Siegeszug angetreten, der sich insbesondere die Regierungen der USA und Großbritanniens bemächtigten: der Neoliberalismus, der versprach, die maroden Ökonomien der Welt und die „überregulierten” Wohlfahrtsstaaten umzukrempeln. Dass dieses Modell angesichts der gegenwärtigen Finanzkrise nun selbst „Geschichte” geworden ist, macht die Lektüre des Buches nur um so spannender.
Doering-Manteuffel und Raphael haben ihre Chance des „zweiten Blicks” als Historiker genutzt und plädieren für eine Zeitgeschichte, die nicht vor Epochen- oder Disziplingrenzen haltmacht, sondern ihren Impuls stark aus der Gegenwart bezieht. Sie nehmen damit eine Anregung von Hans Günter Hockerts ernst und öffnen die lange etwas verstaubte und politiklastige Zeitgeschichte für brennende Fragen der Gegenwart: für den Wandel der Industrie- und Arbeitskultur, die Veränderung der Konsumwelt, die Rückkehr der Armut oder den Siegeszug der „Wissensgesellschaft”. Sie interessiert, was die Sozialwissenschaften dazu zu sagen haben. Und sie versuchen zugleich, die Entstehung großer, zeitgeistiger Schlagworte wie das der „Risikogesellschaft” zu historisieren.
Ihr Buch lebt von der gelungenen Synthese und der klaren Argumentation. Sympathisch ist, dass sich die beiden Historiker aus Tübingen und Trier einer frisch renovierten Sozialgeschichte öffnen, die sich traut, wieder nach neuen und alten Ungleichheiten, nach Unterschichten, Klassenstrukturen und der Herrschaft im Industriebetrieb zu fragen. Das mochte eine Zeitlang altmodisch sein, hat aber angesichts wachsender Arbeitslosigkeit und veränderter Erwerbstrukturen politische Sprengkraft. Über einige Prioritäten und Akzente wird man streiten können: In jedem Fall ist dieses Buch im Jahr des ultimativen Gedenktaumels aber einer der anregendsten Beiträge. DIETMAR SÜSS
ANSELM DOERING-MANTEUFFEL/LUTZ RAPHAEL: Nach dem Boom. Perspektiven auf die Zeitgeschichte seit 1970. Vandenhoeck & Ruprecht, München 2008. 140 Seiten, 15,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Dass die beiden Autoren Anselm Doering-Manteuffel und Lutz Raphael mit diesem Buch Zeitgeschichte schreiben, hält Günter Buchstab für unwahrscheinlich. Nicht viel mehr als eine Anregung zum Verständnis von Nachkriegsordnung, Übergangsphase und Strukturbruch nach 1970 erkennt er in den hier vorgeschlagenen Perspektiven. Dabei kann er mit der Darstellung des Wandels und der entsprechenden politik- und sozialwissenschaftlichen Diagnoseversuche aus dem angloamerikanischen Raum durchaus etwas anfangen, findet er die Ausführungen zur Globalisierung und zur Zäsur von 1989/91 erkenntnisfördernd. Vermisst hat Buchstab allerdings eine genauere Beschäftigung mit den politischen, den wirtschaftlichen und vor allem den sozialen Folgen. Der Mensch, meint er, kommt in dieser Zeitgeschichte leider nicht vor.

© Perlentaucher Medien GmbH