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Ginover statt Artus, Jeschute statt Parzival: Wir lernen sie endlich kennen, die Frauen der mittelhochdeutschen Romane um 1200, nicht als bloßes Beiwerk, nicht als Nebenfiguren - die Frauen spielen die Hauptrolle und Rolf Vollmann stellt sie uns vor. Mit erzählerischer Leichtigkeit führt Rolf Vollmann uns ein in die Sagenwelten von Artus & Co., schleust sich selbst ein unter die Protagonistinnen, kommentiert das Geschehen - und macht uns das Mittelalter gegenwärtig: Denn auch dort wurde »gebruncht« - aber vor allem begehrt, geliebt und intrigiert. Parzival und Artus, Willehalm und Lancelot -…mehr

Produktbeschreibung
Ginover statt Artus, Jeschute statt Parzival: Wir lernen sie endlich kennen, die Frauen der mittelhochdeutschen Romane um 1200, nicht als bloßes Beiwerk, nicht als Nebenfiguren - die Frauen spielen die Hauptrolle und Rolf Vollmann stellt sie uns vor. Mit erzählerischer Leichtigkeit führt Rolf Vollmann uns ein in die Sagenwelten von Artus & Co., schleust sich selbst ein unter die Protagonistinnen, kommentiert das Geschehen - und macht uns das Mittelalter gegenwärtig: Denn auch dort wurde »gebruncht« - aber vor allem begehrt, geliebt und intrigiert. Parzival und Artus, Willehalm und Lancelot - diese Helden und Hauptfiguren der mittelalterlichen Sagen kennen fast alle. Um die Kenntnis der großen Frauen, die nicht einfach nur an deren Seite standen, ist es schlechter bestellt: Ginover (oder Guinevere) mag noch zusammen mit Artus und Lancelot genannt werden, doch Jeschute und Sigune aus Wolframs Parzival sind nur noch wenigen vertraut. An diesen mittelhochdeutschmodernen Geschlechterverhältnissen rüttelt Rolf Vollmann: Frauen sind die Zentren der berühmten Geschichten. Da gibt es die junge Lavinia, die sich brennend für Eneas interessiert, obwohl ihre Mutter sie deshalb lieber tot sähe; die Königin Ginover, mitsamt Ehemann Artus und Geliebtem Lancelot; die junge Seglerin Sigune, eine Frau aus der Gralssippe, die mit ihrem toten Geliebten in den Armen in einer Linde sitzt, eine Verwandte Parzivals; die schöne Enite, die bei Hartmann von Aue ihren Mann wieder auf Trab bringen muss, der faul geworden ist, kaum hat er sie geheiratet; die hübsche Jeschute, über die der ganz junge Parzival, nachdem er seine verwitwete Mutter Herzeloyde verlassen hat, geradezu in seiner Tölpelhaftigkeit stolpert, worauf ihr Mann die Unschuldige als Nackte durchs Land reiten lässt. Forsch, eigensinnig, manchmal unbarmherzig, immer schön - so stellt Vollmann uns das weibliche Personal des Mittelalterromans vor. Anders als Eschenbach, Hartmann von Aue und alle übrigen anonymen Autoren, die hauptsächlich an den männlichen Helden interessiert waren - späte Gerechtigkeit, die Vollmann lustvoll, mit dem Geschichtenmaterial spielend, vor uns ausbreitet. Keine Seminarlektüre, sondern vergnügliche, heitere Stunden der Muße schenkt uns Rolf Vollmann.
Autorenporträt
Rolf Vollmann, 1934 geboren, lebt in Tübingen. Von ihm erschienen: "Das Tolle neben dem Schönen. Jean Paul" (1975), "Winter-Wanderschaft", ein Buch über Nietzsche (1978), "Die Reise um die Welt, ein Kinderbuch" (1980), "Shakespeares Arche, Ein Alphabet von Mord und Schönheit" (1988) sowie der Klassiker unter den "Roman-Navigatoren": "Die wunderbaren Falschmünzer" (1997).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.03.2020

Parzivals leicht wirrer Übermut

Artus und kein Ende: Rolf Vollmann liest mittelalterliche Romane und findet in ihnen eine Welt von hoher Schönheit und zeitlosem Witz.

Von Tilman Spreckelsen

In einer schönen Sommernacht besucht Gawein, Neffe und Lieblingsritter von König Artus, seinen Freund Iwein auf dessen Burg. Die hat Iwein unlängst dem König Askalun abgenommen, den er erschlug und dessen Witwe Laudine er geheiratet hat. Nun sitzen die Ritter zusammen und leeren den Weinkeller des Toten, bedient von der schönen Mirena, die vom Schwarzen Meer hierher gelangt ist. Gawein erzählt Iwein von ihrem gemeinsamen Freund Erec, wie der sich in großer Not mit der schönen, aber ebenfalls notleidenden Enite zusammengetan hat, als Turniersieger einen strahlenden Aufstieg am Hof von König Artus erlebte und dann über Enite alle Pflichten als Herrscher vergaß, bis das Paar aufs Neue in Schande geriet.

So eine Szene in Rolf Vollmanns Buch "Frauenkatalog 1200, in zehn Bildern", das dieser Tage erscheint, und wer in der Artus-Epik bewandert ist, erkennt die Situation wieder. Mit dem Unterschied, dass in der Vorlage, dem "Iwein" des Hartmann von Aue, die Szene nur eine knappe Episode ist - Gawein warnt den Ritter Iwein vor einem ähnlichen Schicksal, der Freund solle also nicht zu Hause bei seiner schönen Frau Laudine hocken, sich nicht "verligen", sondern rittergemäß in die Welt hinausziehen und sich im Kampf bewähren.

Bei Vollmann aber erwächst aus dieser Warnung eine Nacherzählung des gesamten Erec-Stoffes, mit der hübschen Pointe, dass Iwein unterdessen einschläft, wohl weil er dem Wein zu sehr zugesprochen hat, und Gawein und Mirena tragen ihn ins Bett. Die Nacht aber ist viel zu schön, Mirena möchte wissen, wie es mit Erec weitergegangen ist, und so erzählt Gawein vom letzten großen Abenteuer, das Erec besteht: Er erlöst einen Ritter aus langjähriger Liebesgefangenschaft, indem er ihn im Zweikampf besiegt.

Der Tübinger Autor Rolf Vollmann, Jahrgang 1934, hat sich einen Namen als ebenso gelehrter wie mitreißender Ausleger und Nacherzähler literarischer Werke gemacht, allen voran mit seinem "Roman-Verführer" unter dem Titel "Die wunderbaren Falschmünzer" oder auch mit dem Kompendium "Shakespeares Arche", einer Art erzähltes Lexikon der Stücke und Figuren des englischen Autors.

Mit dem "Frauenkatalog" knüpft Vollmann nach langer Pause in gewisser Weise daran an. In einer ausgedehnten Begehung des fiktiven Reichs von König Artus werden Szenen und Konstellationen aus den mittelalterlichen Romanen "Erec", "Iwein", "Parzival", "Titurel" und "Willehalm", aus dem "Eneasroman" und dem "Prosalancelot" beleuchtet, allerdings als ein Tableau, das auch entlegene Dinge erzählend miteinander verknüpft, das die Stoffe auflöst und neu zusammensetzt und an die Stelle isolierter Beobachtungen den mäandernden Überblick setzt.

"Geschichten erzählen hören, das ist ihr Ding und wie für sie erfunden, die schöne Ginover, Königin im Artusland" - so hebt sie an, Rolf Vollmanns Neudichtung des schönsten und wirkmächtigsten mittelalterlichen Mythos. Tatsächlich geht es ums Erzählen, das ist der rote Faden des Buches, ob nun explizit durch Kommentare des Erzählers ("Es ist wie fast immer, Erklären bringt nichts, man kann, man soll wohl doch nur erzählen", heißt es einmal) oder dargestellt am Beispiel der Figuren: "Veldeke sagt, nicht daran war Dido gelegen, was Eneas ihr erzählte, sondern dass ers tat." Und aus Wolframs "Titurel"-Fragment übernimmt Vollmann die Lesewut der Sigune, die um der Fortsetzung einer unterbrochenen Lektüre willen sogar ihren Liebsten in den Tod schickt.

Solche und andere Beispiele zeigen, dass Vollmann sich mit seinem klaren Blick auf das Erzählen an sich fest auf dem Boden der Artus-Welt befindet, dass er sensibel aufnimmt und für den eigenen Text nutzbar macht, was er in den Vorlagen antrifft. Das gilt noch mehr für seinen Stil, der etwa Wiederholungen glücklich zur Vertiefung und Erweiterung des bereits Erzählten einsetzt, oder wenn er, darin vor allem Wolfram ähnlich, angeregt von dem, was er erzählt, abschweift und auf seine eigenen Lebensumstände zu sprechen kommt. So flicht auch Vollmanns Erzähler ein, was die Rittergeschichten mit ihm selbst zu tun haben, wie sie Erinnerungen wecken etwa an die Flucht aus dem Osten in den letzten Wochen des Zweiten Weltkriegs (im gelähmten Großvater spiegelt sich Anchises, der Vater des Eneas, in Heinrich von Veldekes "Eneasroman") oder an jüngste Reisen durch Frankreich auf der Suche nach Zeugnissen der Zeit, in der Hartmanns oder Wolframs Werke entstanden sind. Und auch das Stilmittel der eingestreuten Sentenzen übernimmt er, nur dass Vollmanns Erzähler einen zögernden, fragenden Ton anschlägt, als ob uns in den achthundert Jahren seitdem die Sicherheit abhandengekommen wäre.

Dabei gelingen ihm hübsche Charakterisierungen, etwa des jungen Parzival - "im Ton des leicht wirren Übermuts, den wir von ihm schon kennen" -, er springt locker von Erec zu Parzival und weiter zum Falkenlied des Kürenberger. Vollmann wirft die Chronologie gern um, beweist damit Gespür für mittelalterliches Erzählen, in dem die Zeit eher eine Fläche bildet als einen Strahl, und führt elegant und beiläufig zu den Schönheiten des Mittelhochdeutschen, indem er Zitate in Originalsprache in seinen Text webt. Und das Misstrauen, das er dem Gral und der Gralssuche entgegenbringt, ist auf der Ebene der Geschichten nur zu berechtigt.

Seine Mirena aber lässt er beim Abschied zu Gawein sagen: "Wenn du dann gehst, komm wieder mit neuen Geschichten, ich glaub, das kannst du unbesorgt versprechen." Darauf möchte man wetten.

Rolf Vollmann: "Frauenkatalog 1200, in zehn Bildern".

Die Andere Bibliothek, Berlin 2020. 300 S., geb., 44,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.07.2020

Der Ritter und sein Weib
Heldische Fantasie um 1200: Rolf Vollmann verlebendigt Bildungswissen
Das Mittelalter lebt – zumindest am Herrenstammtisch, wo betagte Leser sich im Angedenken ihrer jugendlichen Leselust der Artusromane erinnern und jener Helden, die noch Männer waren. Schwärmen dürfen sie da von Lancelot, der, zunächst allerdings nur ein „Submarineknabe“, mit Parzival nicht hätte Schritt halten können, denn Parzival, so begeistert sich einer der Herren, „war wirklich, und dann wars auch Lancelot, ein anderer Bursche als dieser gelackte Tristan, von dem man sonst wunderwas erzählte“.
In diesem Ton eines Seniors, der sich seines Bildungswissens freut und dieses durch die saloppe Sprache, mit der er davon spricht, verjüngt, gibt sich Rolf Vollmann seiner Erinnerung an die Lektüren der mittelalterlichen Heldenepen hin, der Werke Hartmanns von Aue oder Wolframs von Eschenbach und deren großen Figuren, Erec, Iwein, Gawan, Parzival. Die heldische Fantasie des 12. und 13. Jahrhunderts aufersteht in Vollmanns „Frauenkatalog“ in der saloppen, gelegentlich schwäbisch gefärbten Umgangssprache der unheldischen Jugend von heute. Die höfischen Reimpaarverse der mittelhochdeutschen Originaltexte, die außer professionellen Germanisten niemand mehr lesen mag, übersetzt der Erzähler in eine möglichst anspruchslose Gegenwartssprache.
Vollmann ist ein Bildungsbürger, der in diesem Buch keiner sein will. Er hat das Mittelalter und seine Literatur studiert, kennt jede Miene seiner Helden, jede Rüstung, jedes Schwert und jedes Pferd, doch liegt ihm nichts ferner, als nun den Gustav Schwab zu spielen, der dieses Wissen popularisiert für einen Leserkreis, der zwar an Bildung noch glaubt, zu bequem jedoch ist, sich selbst einer Lektüre der befremdlichen Versepen zu unterziehen.
Solche Hilfen hat Vollmann schon mehrfach dem gebildeten Bürger geleistet, da er die Romane der neueren Weltliteratur in Erzählung zusammenfasste in jenem Bestseller etwa mit dem bestechenden Titel „Die wunderbaren Falschmünzer, ein Romanverführer“ oder in einem weiteren, einem „Roman-Navigator“, in dem er zweihundert „Lieblingsromane“ der Weltliteratur bespricht.
Diese Werke und auch das neueste Buch über die mittelalterlichen Heldenepen wollen aber vor allem eigenständige literarische Werke des Autors Rolf Vollmann sein. In seinem jüngsten Buch zitiert er die großen Mythen des Mittelalters, aber nicht, um sie bekannt zu machen, auch nicht, um sie umzugestalten. Vielmehr drückt seine Erzählung die eigenen Einstellungen, seine Wertschätzung, seine Skepsis und vor allem sein Amüsement diesen seltsamen Stoffen gegenüber aus. Diese Bücher können zwar als Romanführer genutzt werden, sind aber eigentlich Konfessionen einer leidenschaftlichen Leserseele.
Nützlich oder zumindest genüsslich soll dieser „Frauenkatalog“ schließlich nun doch sein, so zumindest redet es sich der Verfasser ein. Dem Leser allerdings wird eher schwindelig von all den Heldengeschichten, die da durcheinander fliegen, in denen es, wie immer in den mittelalterlichen Versepen und bei diesen Übergrößen von Mann, um Kampf geht, um Schwerterklirren und Sturz vom Pferd, wie etwa bei „Hartmann, dem von Aue, du kennst ihn glaub ich auch, er ist einer von unsrer Community“.
Mit Frauen hat diese Community und auch Vollmanns „Frauenkatalog“ nicht allzu viel zu tun, wenngleich jedem Helden ein Weib zugeordnet ist, mit dem der Ritter sich auf seine Art kämpfend beschäftigt. Wenn also der Titel des Buches nicht der eines Rattenfängers ist, der kalkuliert, dass Leser heute vor allem Frauen sind und diese am liebsten etwas von und über Frauen lesen, dann könnte man ihn geradezu als Wink auf eine versteckte aufklärerische Absicht des Buches verstehen. Sollte etwa das Schmunzeln, mit dem der Autor erzählt, ein leiser Spott sein auf diese wie auf alle Literatur, die Heldenträume auskostet, Schrecken, Niederlagen, Tod verherrlicht, um immer wieder dem Glanz der Sieger zu huldigen; sollte die übertriebene Munterkeit, mit der fabuliert wird, die vorsichtige Verachtung einer Literatur gegenüber ausdrücken, die den Leser in eine Über-Wirklichkeit führt und verführt?
Immerhin ist die Wirkung dieser Fantasien durchaus nicht, wie der Wissenschaftler und Mediävist trauernd feststellen müsste, untergegangen. Was Vollmann nachzeichnet, das sind, so deutet er gelegentlich an, „Bilder, die wir alle aus Wildwestfilmen kennen“ und die auch sonst genug noch in der populären Kultur herumspuken.
Damit wäre denn, so könnte der erzählwütige und den modischen Slang auskostende Autor meinen, den lesenden Frauen und vielleicht auch manchem aufklärungsbedürftigen Mann klargemacht, dass, was sie an Literatur ernst nehmen, vom Versepos angefangen bis hin zum Filmepos, nichts anderes ist als Männerfantasie. Der saloppe Ton des Erzählers würde, so gesehen, den gebildeten Ernst infrage stellen, der als Pflicht zelebriert, was nie etwas anderes wollte, als Spaß zu machen.
In der Tat: So muss Rolf Vollmann seinen Katalog männlicher Heldentaten gedacht haben, und diese Aufklärung wäre löblich, wenn nur er selbst sich ihr nicht allzu freudig hingäbe, wenn er seinen Aufklärungsauftrag nur nicht mit gar so viel Behäbigkeit genösse.
HANNELORE SCHLAFFER
Nachgezeichnet werden
„Bilder, die wir alle
aus Wildwestfilmen kennen“
Rolf Vollmann: Frauenkatalog 1200 in zehn Bildern. Einleitung von Justin Vollmann.
Die Andere Bibliothek, Berlin 2020. 344 Seiten, 44 Euro.
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"(Die)Erzählung (drückt Vollmanns) Einstellungen, seine Wertschätzung, seine Skepsis und vor allem sein Amüsement diesen seltsamen Stoffen gegenüber aus. Diese Bücher können zwar als Romanführer genutzt werden, sind aber eigentlich Konfessionen einer leidenschaftlichen Leserseele." Hannelore Schaffler Süddeutsche Zeitung 20200701