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Welche Rolle soll und kann die Religion im gesellschaftlichen Leben spielen? Wo sind ihre Grenzen, was lässt sich beweisen, was ist menschgemachtes, manipulatives Märchen? Der französische Philosoph Voltaire (1694-1778) schrieb unnachgiebig für religiöse Toleranz, aber auch unerbittlich gegen die Religion und ihren Herrschaftsanspruch. Endlich versammelt nun ein Band alle fünf Katechismen Voltaires, in denen er das Thema der Religion auf Erden auslotet - zwei von ihnen erstmals in deutscher Übersetzung.Die Gattung Katechismus, in der die Glaubensinhalte einer Konfession in Frage und Antwort…mehr

Produktbeschreibung
Welche Rolle soll und kann die Religion im gesellschaftlichen Leben spielen? Wo sind ihre Grenzen, was lässt sich beweisen, was ist menschgemachtes, manipulatives Märchen? Der französische Philosoph Voltaire (1694-1778) schrieb unnachgiebig für religiöse Toleranz, aber auch unerbittlich gegen die Religion und ihren Herrschaftsanspruch. Endlich versammelt nun ein Band alle fünf Katechismen Voltaires, in denen er das Thema der Religion auf Erden auslotet - zwei von ihnen erstmals in deutscher Übersetzung.Die Gattung Katechismus, in der die Glaubensinhalte einer Konfession in Frage und Antwort fixiert sind, wird von Voltaire völlig auf den Kopf gestellt. In den prägnanten Dialogen zeigt sich Voltaires Ausnahmetalent, scharfe Kritik und schwere Grundsatzfragen unterhaltsam zu erzählen, pointenreich, voller Ironie. Die Gespräche spielen im alten China, in Aleppo oder Japan, die Figuren sind skeptische Prinzen, angehende Pfarrer oder weltweise Gärtner. Voltaire spricht sich vehement gegen religiösen Fanatismus und Parteienhass, gegen Verfolgung von Andersdenkenden, gegen klerikalen Machtmissbrauch und Aberglauben aus. Aber er meißelt in den fünf Katechismen seine Religionskritik nicht in Stein, sondern öffnet durch Witz und Lebendigkeit Raum für eigenes Nachdenken, das sich von Autoritäten löst.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Friedrich Vollhardt liest aus den hier versammelten fünf Katechismen Voltaires in neuer Übersetzung von Tobias Roth einen nicht zu unterschätzenden Diskussionsstand zu Voltaires Zeiten in Sachen Toleranz heraus. Voltaires parodistischer Zugang zu geistlicher Unterweisung und seine Seitenblicke auf China, Indien und die Türkei machen für Vollhardt die Kritik des Autors an der europäischen Verbindung zwischen religiöser Indoktrination und Macht bzw. Fanatismus besonders deutlich. Allerdings erkennt der Rezensent auch die Schwächen von Voltaires Aufklärung. Anders als etwa Lessing gesteht er anderen Positionen keinen Wahrheitsanspruch zu, so Vollhardt.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.10.2021

Sie werden vor Grauen zittern
Die fünf Katechismen Voltaires über Religion

Nachdem im vergangenen Jahr Voltaires "Philosophisches Taschenwörterbuch" erstmals vollständig in einer deutschen Übersetzung vorgelegt wurde (F.A.Z. vom 20. November 2020), ist nun eine Sammlung seiner "Katechismen" erschienen. Der Band folgt einer Ausgabe von Voltaires Tragödie "Der Fanatismus oder Mohammed", die ebenfalls im Verlag Das kulturelle Gedächtnis (F.A.Z. vom 29. Dezember 2017) in einer neuen Übertragung veröffentlicht wurde.

Ob ein Theater die Aufführung des Stücks, das Goethe für die Weimarer Hofbühne bearbeitet hat, heute wagen würde? Allein die Frage zeigt, dass man sich keinen Illusionen hingeben darf, was die Religionskritik der europäischen Aufklärung zur Überwindung der Glaubenskonflikte in der Gegenwart beitragen kann. Umso wichtiger ist es, daran zu erinnern, welchen Stand die Diskussion zur Durchsetzung von Toleranz bereits in der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts erreicht hatte.

Voltaire hat gleich fünf solcher Katechismen publiziert, mit denen er die Formen der geistlichen Unterweisung parodiert, wie sie die kirchlichen Lehrämter für sich in Anspruch nehmen. Darunter finden sich ein "Chinesischer" und ein "Japanischer Katechismus", Vertreter weiterer Kulturen und Religionen kommen hinzu. In den exotischen Ländern erzähle man sich außergewöhnliche Begebenheiten und glaube an abwegige Dinge, etwa dass Buddha "in Gestalt eines weißen Elefanten erschienen ist". Darin unterscheiden sich die fremden Völker natürlich nicht von der jüdisch-christlichen Tradition: "Welche Religion hat denn nicht ihre Wunder?"

Die innere Beziehung zwischen religiöser Indoktrination und der Ausübung von Macht wird im Vergleich der Kulturen aufgedeckt, wobei sich die Verbindung von Fanatismus und Betrug in der Geschichte Europas besonders abschreckend zeige: "Als die ersten Dogmen sich festzusetzen beginnen, stützen die Christen diese Dogmen auf untergeschobene Bücher; (. . .) sie fälschen Geschichten und Wunder, deren Absurdität sich mit Händen greifen lässt." Das Ziel dieser "Betrügereien" sei ein despotischer Herrschaftsanspruch: "Lesen Sie nur die Geschichte der christlichen Kirche, Sie werden vor Grauen erzittern und das Menschengeschlecht beweinen."

Voltaires Bibel- und Kirchenkritik rechtfertigt sich aus der Einsicht, dass unser Erkenntnisvermögen begrenzt ist: "Ich weiß, dass ich aus der Tiefe meines Nichts heraus nicht das Wesen aller Wesen zu hinterfragen habe." Wer behauptet, mehr über diese Geheimnisse zu wissen, gehöre zu den Scharlatanen. Dieser Warnung folgt ein Appell an die religiöse Toleranz, denn "dass diejenigen, die solchen Träumereien anhängen, es wagen, diejenigen zu verfolgen, die nicht daran glauben, das ist das Schreckliche".

Doch wie lässt sich dem herrschenden Glaubenszwang wirkungsvoll begegnen? Einerseits durch eine Polemik, die sich gegen die Dogmen der religiösen Überlieferungen richtet, andererseits durch den Versuch einer Verständigung über die Prinzipien einer Vernunftreligion und universal gültigen Moral. Dass Hoffnung auf einen solchen Fortschritt bestehe, sollen in den Katechismen auftretende Chinesen, Inder und Türken erweisen, die sich für vernünftige Argumente zugänglich zeigen.

Seine eigene Konfession hat Voltaire einem Kosmopoliten in den Mund legt: "Ich bete Gott an. Ich bemühe mich, gerecht zu sein, und versuche, mir Bildung anzueignen." Dass ein Streit über diese Annahmen entstehen könnte, erschien ihm kaum denkbar. Damit werden die Grenzen seines Programms erkennbar, das - wie Rainer Forst gezeigt hat - "eines der Abschaffung der Intoleranz und der Etablierung einer vernünftigen Religion" ist, hinter das die Begründung der Toleranz zurücktritt.

Voltaires aufklärerische Katechese nimmt "Exklusionen der Vernunft" in Kauf, sie achtet weder auf gesellschaftliche Gepflogenheiten noch auf den Wahrheitsanspruch anderer Positionen. Das unterscheidet ihn vom Toleranzdenken Gotthold Ephraim Lessings, der die Frage nach den Glaubensdifferenzen beantwortetet, indem er die religiösen Selbstbeschreibungen des Menschen als historisch kontingent und zugleich als einen in kulturelle Traditionen eingebundenen Deutungsakt zu verstehen versuchte, der Orientierung zu geben vermag. FRIEDRICH VOLLHARDT

Voltaire: "Gegen den Herrschaftsanspruch der Religionen". Die fünf Katechismen.

Aus dem Französischen von Tobias Roth. Verlag Das kulturelle Gedächtnis, Berlin 2021. 144 S., geb., 14,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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