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»Diese mal witzige, mal tieftraurige Flaneurin dabei zu begleiten, wie sie nach jedem Fünkchen Erfahrung sucht, ist ein Erlebnis, das man nicht so schnell vergisst.« Alina Herbing. Sankt Petersburg zu Beginn der Nullerjahre, mehr Jahrtausendwende geht nicht: mit einem Auge schielt die Stadt in die mondäne zaristische Vergangenheit, mit dem anderen ins turbokapitalisierte Europa und Amerika. Immer neue Designerboutiquen eröffnen auf dem Newski Prospekt, während die Märkte von chinesischen Billigkopien geflutet werden. Auch Lubotschka steht an einem Wendepunkt: sie macht ihren Schulabschluss,…mehr

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Produktbeschreibung
»Diese mal witzige, mal tieftraurige Flaneurin dabei zu begleiten, wie sie nach jedem Fünkchen Erfahrung sucht, ist ein Erlebnis, das man nicht so schnell vergisst.« Alina Herbing. Sankt Petersburg zu Beginn der Nullerjahre, mehr Jahrtausendwende geht nicht: mit einem Auge schielt die Stadt in die mondäne zaristische Vergangenheit, mit dem anderen ins turbokapitalisierte Europa und Amerika. Immer neue Designerboutiquen eröffnen auf dem Newski Prospekt, während die Märkte von chinesischen Billigkopien geflutet werden. Auch Lubotschka steht an einem Wendepunkt: sie macht ihren Schulabschluss, sie wird 18 - und sie wird die geliebte Stadt mit ihrer Mutter gen Deutschland verlassen müssen. Aber nicht, ohne vorher ihr zartes Leben im großen Stil vor der anmutigen Stadtkulisse von Newa und Fontanka zu verschwenden. »Lubotschka« ist ein Roman über das Abschweifen, die Jugend und die Heimat, erzählt in einem unnachahmlichen Sound zwischen Tradition und Moderne. »Kraftvoll, sprachgewaltig, in die Haut schneidend - ein mitreißender Debütroman zwischen Abgrund und Aufbruch.« Kevin Kuhn
Autorenporträt
Luba Goldberg-Kuznetsova ist 1982 in Leningrad geboren. Sie studierte in Düsseldorf und Kyoto Philosophie und Modernes Japan, außerdem Literarisches Schreiben in Hildesheim. Mit ihren YouTube-Interviews vom Ingeborg-Bachmann-Preis 2015 sorgte sie im deutschsprachigen Literaturbetrieb für Aufsehen. Um diese drehen zu können, hat sie das Radfahren gelernt. »Lubotschka« ist ihr erster Roman. Sie lebt in Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.04.2019

Monotone Maniküre
Der Lack ist ab: Das Debüt "Lubotschka" von Luba Goldberg-Kuznetsova pflegt Society-Realismus

Es geht recht vielversprechend los. "Wovon wollt ihr denn dort eigentlich leben?" Das ist der erste Satz, eine Frage, die auf die bevorstehende Emigration zielt und die Olesja ihrer Freundin stellt, der knapp achtzehnjährigen Ich-Erzählerin. Sie und ihre Mutter wollen 2001 Petersburg Richtung Dortmund verlassen. Doch warum, ist auch nach gut zweihundert Seiten Lektüre nicht klar. Sind sie Fans von Gorbatschow und wollen in einem Land leben, das ihm verfallen ist? Geht es um die Currywurst? Hat die Mutter ihr Herz in Heidelberg verloren?

Immerhin weiß die Ich-Erzählerin halbwegs Antwort auf die Frage nach dem Lebensunterhalt. "Mama sagt, dass das eine Einladung ist. Also müssen wir für nichts zahlen." Ob das eine Persiflage auf das Klischee der "Einwanderung in die Sozialsysteme" sein soll oder denkungsartlicher Offenbarungseid, bleibt offen. Mutter wie Tochter scheinen nichts über die Bundesrepublik zu wissen, dies obwohl die Tochter ein elitäres Internat besucht und Klassenbeste ist. Die einzige Vorbereitung auf den Umzug besteht im Erwerb eines Wörterbuchs und dem Packen ihrer Sachen. Immerhin gibt die bevorstehende Auswanderung der Protagonistin im zweiten Teil des Romans Anlass, fotogerecht zu leiden, weil sie ihre Heimat verlassen muss. Die erste Hälfte ist dem Erwerb eines Seidenkleids für die Abschlussfeier an der Schule und Schminkproblemen vorbehalten. Auch die Nagelfeile ist in diesem Roman ein ubiquitäres Utensil.

Akribische Alltagsbeschreibungen machen ihn aus. Erstaunlicherweise fügen sie sich nicht zu einem Bild der damaligen Zeit zusammen. Irina Denezkina, geboren 1981 und damit nur ein Jahr älter als Goldberg-Kuznetsova, hat in den nuller Jahren einen Erzählband vorgelegt, der auf Deutsch unter dem Titel "Komm" erschienen ist. Diese Texte schneiden gleichsam live mit, was in "Lubotschka" in der Rückschau geschildert wird, und machen damit auf das erschreckendste klar, dass der Roman nichts aus seiner Perspektive zieht, geschweige denn etwas bietet, das über penible Anleitungen für kosmetische Prozeduren hinauswiese.

Geht es um eine Mitschülerin, heißt es: "Vor dem Abendessen im Internat zum Beispiel schminkt sie sich vorher im Schlafsaal immer die Lippen nach vor dem Spiegel und föhnt und besprüht ihre Haare mit dem Haarlack nach." Die junge Frau ist zudem ein echtes Ass in Maniküre - "sogar schlechter billiger Nagellack macht ihr nichts aus. Sie verdünnt ihn mit Nagellackentferner und trägt Schicht für Schicht auf, bis es aussieht wie in einem Salon" -, versiert im Umgang mit "geliehenen Rosenholzstäbchen und echten Glasnagelfeilen, Unterlack und Überlack, Pflegeöl für die Cuticula, um ihre Nägel zu machen, und heimlich auch meine".

Das sprachliche Desaster des Romans liegt jedoch in der Gestaltung der Ich-Erzählerin, die nie versteht, "wie Leute ernsthafte Schwierigkeiten mit dem Stoff haben können", wie sie "eine Russisch-Regel nicht verstehen konnten". Die Erzählerin spricht im Roman kein Deutsch, von einer Sprachgemengelage kann also keine Rede sein, ihre Sprache ist als Russisch zu lesen. Warum dann ein solches Deutsch? Da hängt die junge Frau ihre Jacke über den "Stromrechner", hat "seit Kindergarten" gelernt, Petersburg zu lieben, und zieht "durch ganz Newski". Ihre Freundin "holt ihre große transparente Kosmetiktasche aus dem abgenutzten Paket mit einer luxuriösen grauen Perserkatze drauf". Weil es hier nicht um postalische Sendungen geht, gibt es zu "Paket" die Anmerkung: "Einkaufstüten aus Plastik. Es gibt einen Kult um den Paket. Alle tragen Pakets zu allen Gelegenheiten mit sich herum." Gelegenheiten und Kult werden selbstverständlich noch ausgeführt. Die Figur also, die so authentisch sein soll, ist es gerade in ihrer Sprache nicht.

Der sozialistische Realismus ist ja nicht nur an seinen ideologischen Vorgaben gescheitert, sondern - und vielleicht sogar in erster Linie - ästhetisch. Monotone Fließbandarbeit nicht monoton darzustellen, verlangt nach hoher Kunst. Gleiches gilt für monotone Maniküre. Mit Authentizität allein kommt man hier nicht weiter. Der Society-Realismus ist wohl doch keine so gute Idee. Kleider machen womöglich Leute, aber keine Romane.

CHRISTIANE PÖHLMANN.

Luba Goldberg-Kuznetsova: "Lubotschka". Roman.

Aufbau Verlag, Berlin 2019. 214 S., geb., 22,- [Euro].

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»Goldberg-Kuznetsova erzählt all diese Ereignisse, wie man einen Kaugummi kaut, mal ist er süß, mal klebrig, mal bleibt er in den Zähnen hängen, mal lässt sie eine Blase knallen. Aber immer schmeckt er.« Cicero 20190829