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Frankreich, Sommer 1940. Ein Jude aus Brünn kämpft freiwillig als Soldat gegen Hitler. Für die Freiheit. Für seine verlorene tschechische Heimat. Für das "Andere Deutschland" und seine Kultur - er ist Exilautor. Fritz Beers Erzählungen - entstanden ab 1941 - zeigen Alltag inmitten der Katastrophe. Die meisten spielen hinter der Front und spiegeln das Aufeinandertreffen von Zivilisten und Soldaten, Franzosen und Fremden, Besiegten und Besatzern, die 1945 zu Verlierern werden. Es geht, zeitlos aktuell, um Mut und Feigheit, Liebe und Verrat, um Schuld, Rache und Versöhnung, um Verantwortung und die Freiheit zur individuellen Entscheidung.…mehr

Produktbeschreibung
Frankreich, Sommer 1940. Ein Jude aus Brünn kämpft freiwillig als Soldat gegen Hitler. Für die Freiheit. Für seine verlorene tschechische Heimat. Für das "Andere Deutschland" und seine Kultur - er ist Exilautor. Fritz Beers Erzählungen - entstanden ab 1941 - zeigen Alltag inmitten der Katastrophe. Die meisten spielen hinter der Front und spiegeln das Aufeinandertreffen von Zivilisten und Soldaten, Franzosen und Fremden, Besiegten und Besatzern, die 1945 zu Verlierern werden. Es geht, zeitlos aktuell, um Mut und Feigheit, Liebe und Verrat, um Schuld, Rache und Versöhnung, um Verantwortung und die Freiheit zur individuellen Entscheidung.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.06.2012

Blitzkrieg oder Cézanne
Fritz Beers Erzählungen über das Leben als Soldat

Sommer 1940: Martin, ein tschechischer Soldat, der für Frankreich kämpft, ist auf der Flucht vor den siegreichen Deutschen gen Süden. In einem abgelegenen Bauernhof findet er Nachtquartier und Verpflegung. Der Krieg ist hier weit weg, trotz der durchreisenden Flüchtlinge und deutscher Bomberangriffe. "Auf welcher Seite kämpfen die Tschechen?", wird er von den Bauern gefragt, die ihn gern als Arbeitskraft behalten würden. Vor den Deutschen fürchtet man sich hier nicht: "Wir sind Bauern. Uns braucht jeder." Doch selbst die schöne Bauerntochter Micheline und die Aussicht auf ihr Erbe können Martin nicht in dieser archaischen Welt halten: "Der große Krieg hatte erst begonnen und es gab für ihn noch keinen Frieden. Noch lange, sehr lange nicht."

Mit solch miniaturhaften Skizzen entwerfen die Erzählungen von Fritz Beer ein Bild des Zweiten Weltkriegs, das man so noch nicht gelesen hat. Der autobiographische Hintergrund der Texte ist so prägend wie gänzlich außergewöhnlich. Fritz Beer kämpfte als deutscher Jude aus Brünn freiwillig mit der tschechoslowakischen Auslandsarmee unter französischem Oberkommando gegen Hitlerdeutschland. Dass dies eine Konstellation ist, die Fragen nach Identität und Zugehörigkeit geradezu aufdrängt, ist evident und hat seine Texte geprägt.

Drei Zeitabschnitte stehen im Fokus der Erzählungen. Da gibt es zum einen die Zeit des Wartens, als zwar der Krieg erklärt ist, es an der Front aber ruhig bleibt und man im Hinterland auf den Einsatz wartet. Da ist zum Zweiten die Zeit des Blitzkrieges, der hier fast gänzlich unter der Perspektive der überstürzten Massenflucht erscheint. Und da ist schließlich die Zeit der Rückeroberung nach der Landung in der Normandie, als man sich einen erbitterten Kampf um verbliebene Stellungen liefert und die innerfranzösische Abrechnung, die Zuordnung zu Kollaboration oder Résistance, beginnt. Die Erzählungen nehmen hier stets einen vermittelnden Standpunkt ein, zeigen und plausibilisieren Gefühle des Hasses und der Gewaltbereitschaft, um dennoch fast trotzig eine Sehnsucht nach Humanität zu behaupten - und sei es nur in der Schlusspointe.

Es sind gänzlich unheldische Texte und Figuren, die Fritz Beer vorführt. In ihnen ist viel von Angst, Feigheit und Versagen die Rede. Der Wille zum Kampf gegen Hitler steht in diametralem Gegensatz zur unsoldatischen Persönlichkeit vieler Protagonisten, die Überzeugung, auf der richtigen Seite zu kämpfen, im Missverhältnis zur oft stümperhaften Kriegsführung. Weder die Freiwilligenverbände noch die Kampfbereitschaft Frankreichs erscheinen in sonderlich schmeichelhaftem Licht. "Man kann nicht beides haben, Cézanne oder Degas und eine Blitzkrieg-Armee", heißt es in einer fast schon melancholischen Passage mit Blick auf die versteckten Kunstschätze Frankreichs.

Sprachlich und kompositorisch brauchen die inhaltlich frischen Erzählungen den Vergleich mit großen Namen wie Böll und Borchert, die die deutsche Kurzgeschichte nach dem Krieg geprägt haben, nicht zu scheuen. Nur der letzte Text, "Lücken zwischen den Namen", erst 2001 entstanden, bleibt trotz der bewegenden Thematik seltsam nichtssagend und leer. Er zeigt, dass die Erzählungen von ihrer Zeitprägung leben, die sich nicht künstlich nachholen lässt.

THOMAS MEISSNER

Fritz Beer: "Das Haus an der Brücke". Erzählungen.

Hrsg. von Christoph Haacker. Arco Verlag, Wuppertal 2011. 183 S., geb., 24,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Ganz von ihrer Zeit geprägt und dennoch frisch findet Thomas Meissner diese Erzählungen des einst unter alliierter Führung gegen Hitler kämpfenden deutschen Juden Fritz Beer. Sie fügen sich zu einem Bild des Zweiten Weltkriegs, das Meissner so noch nicht gelesen hat, miniatur-, skizzenhaft und gänzlich unheroisch. Stattdessen manchmal melancholisch und von einer Hoffnung auf Humanität sowie von dem Wunsch einer verständigen Vermittlung von Hass und Gewalt geprägt. Kompositorisch verortet Meissner die Texte zwischen Böll und Borchert und in die Tradition der deutschen Kurzgeschichte nach dem Krieg.

© Perlentaucher Medien GmbH