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Drei Filme, drei Geschichten - eine Filmgeschichte.
Diese Geschichte des Films ist vollkommen anders. Statt chronologisch Hunderte von Produktionen abzuhandeln, zeigt Michaela Krützen die sich verändernden Grundprinzipien des filmischen Erzählens anhand von nur drei Titeln auf: »Casablanca«, »L'Année dernière à Marienbad« und »Eternal Sunshine of the Spotless Mind«. Anschaulich arbeitet sie an konkreten Szenen die Besonderheiten von drei grundlegenden Epochen heraus: Klassik, Moderne und Nachmoderne. Grundlage des Vergleichs ist ein Katalog von 16 Merkmalen, die diese Erzählweisen…mehr

Produktbeschreibung
Drei Filme, drei Geschichten - eine Filmgeschichte.

Diese Geschichte des Films ist vollkommen anders. Statt chronologisch Hunderte von Produktionen abzuhandeln, zeigt Michaela Krützen die sich verändernden Grundprinzipien des filmischen Erzählens anhand von nur drei Titeln auf: »Casablanca«, »L'Année dernière à Marienbad« und »Eternal Sunshine of the Spotless Mind«. Anschaulich arbeitet sie an konkreten Szenen die Besonderheiten von drei grundlegenden Epochen heraus: Klassik, Moderne und Nachmoderne. Grundlage des Vergleichs ist ein Katalog von 16 Merkmalen, die diese Erzählweisen kennzeichnen. So entsteht eine neue Filmgeschichte - kompakt, verständlich und originell.
Autorenporträt
Michaela Krützen, geboren 1964 in Aachen, ist seit 2001 Professorin für Kommunikations- und Medienwissenschaft an der Hochschule für Fernsehen und Film in München. Im Fischer Verlag sind zuletzt erschienen ¿Dramaturgien des Films. Das etwas andere Hollywood¿ (2010), ¿Väter, Engel, Kannibalen. Figuren des Hollywoodkinos¿ (2007), ¿Was ist Pop?¿ (Hg., 2004) sowie ¿Dramaturgien des Films. Wie Hollywood erzählt¿ (2003).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.07.2015

Es wäre mir eine Ära, mit Ihnen ins Kino zu gehen

Humphrey Bogart soll sich daran erinnern, dass ein Kuss auch nur ein Kuss ist: Michaela Krützen hat mit "Klassik, Moderne, Nachmoderne" eine reiche Typenlehre des Kinos geschaffen.

Wahrnehmen, sagen die Forscher, sei Unterscheiden und Vergleichen. Forschung aber beginnt, wo jemand die Unterscheidungen und Vergleiche, die das Wahrnehmen ausmachen, ihrerseits miteinander vergleicht und voneinander unterscheidet. Manchmal stellt sich dann heraus, dass die Wahrnehmung allzu Verschiedenes zusammengeworfen und allzu Ähnliches gewaltsam getrennt hat.

Die Kommunikations- und Medienwissenschaftlerin Michaela Krützen hat Filmbetrachtungen veröffentlicht, die ihre Kriterien so sicher bei der Hand haben, dass man sagen darf, hier werde mit Augen und Ohren gedacht, nicht nur wahrgenommen. Für ihr neues Buch "Klassik, Moderne, Nachmoderne" hat sie drei Filme verglichen und unterschieden: erstens "Casablanca" (1942) von Michael Curtiz (Humphrey Bogart kriegt Ingrid Bergman nicht rum, weil es ihm letztlich nicht so arg drauf ankommt), zweitens "L'Année dernière à Marienbad" (1961) von Alain Resnais (Giorgi Albertazzi kriegt Delphine Seyrig mehr oder weniger rum, weil die Struktur von Raum, Zeit und Drama sie mürbe macht) und drittens "Eternal Sunshine of the Spotless Mind" (2004) von Michel Gondry (Jim Carrey kriegt Kate Winslet rum, weil die von der Hirnforschung bereitgestellte Technologie des gegenseitigen Vergessens total versagt).

Krützens Vorsatz bei den sehr ausführlichen, dabei jedoch nie in Haarspalterei abgleitenden Analysen dieser drei Werke ist eine nach kino-ästhetischen Epochen gegliederte Typentheorie: Jeder Film soll für eine Ära in der Abfolge Klassik-Moderne-Nachmoderne stehen und deren Eignung dartun, dem Medium einen genealogischen Erklärmaßstab zu setzen. Das Buch ist also weder rein werkorientiert-monographisch angelegt wie etwa der großartig blickweitende Entwurf "The Sight of Death" (2006) von T. J. Clarke, der aus einem einzigen Gemälde eine komplette Schaulehre der Malerei zieht, noch wirft es einen herrischen Blick aus dem Himmel der Abstraktion aufs Wuseln des Konkreten wie etwa Michel Chions erbarmungslose Behauptungsdampfwalze "Un art sonore, le cinéma" (2003), die im Dienste der steilen These, die Filmkunst sei am besten als sicht- wie hörbare Zeitkunst, ja als eine Art Musik zu verstehen, beim Abarbeiten der Werkarchive einfach alle Einzelheiten plattmacht, die sich diesem gewagten Postulat nicht unterwerfen wollen.

Weil sie die Filme mindestens so ernst nimmt wie das genealogische Prisma, durch das sie auf sie blickt, gelingt es Michaela Krützen, ihr Drei-Stufen-Konzept sogar etwas plausibler wirken zu lassen, als es in Wahrheit wohl sein dürfte. "Casablanca" handelt als "klassischer" Film vom Erinnerten, ist also stofforientiert - passt. "Marienbad" handelt als "moderner" Film von seinen eigenen (und überhaupt jeglichen) Erzählweisen, ist also methodenzentriert wie etwa moderne Gedichte, die "aus Wörtern" gemacht sind statt aus Ideen (Mallarmé) - passt auch. Und "Eternal Sunshine" springt als in ungewöhnlichem Ausmaß "geschriebenes", nämlich stets vor allem als Arbeit des Drehbuchautors Charlie Kaufman rezipiertes Werk mit Stoffen und Darstellungsformen schließlich um wie mit ineinander überführbaren Parametern: Was eben noch Formelement war, etwa als Rückblende, kann im nächsten Moment Inhaltselement werden, wenn Rückblenden zum Beispiel Löcher kriegen, weil es um Maschinen geht, die unser Erinnerungsvermögen zerstören können.

Triftig erscheint die Drei-Stufen-Treppenlogik bei Krützen vor allem deshalb, weil sie nicht, wie etwa Chion in seinem "Film als Klangkunst"-Wälzer, mit Spezifika wedelt, als wären Analogieschlüsse und passende Puzzlestücke schon Beweisführungen. Den größten, dümmsten und ärgerlichsten Fehler gegenwärtiger Kulturwissenschaften, nämlich dass diese nicht unterscheiden können zwischen einerseits Korrelationen und andererseits Sinnverknüpfungen, begeht sie nie. Wenn sie ein A und ein B sieht, dann weiß sie, dass ihr das nicht automatisch die Lizenz gibt, A mittels B zu "erklären" oder umgekehrt.

Statt also etwa Details, die sie in einem "modernen" Werk erkennt, in einem anderen einfach wiederzufinden und dann den Kurzschluss zu ziehen, das zweite Werk könne ja wohl nur ebenfalls "modern" sein, formuliert sie einen klaren Katalog von Kriterien und spielt dann mit offenen Karten.

Man wird dennoch fragen dürfen, ob es nicht richtiger gewesen wäre, die drei Großgruppen gleich als strukturelle und funktionale Schubladen auszuweisen statt als Epochen. Schließlich sagt sie doch selbst, dass die je nachfolgende Epoche "kein Fortschritt, sondern eine Option" ist. Wäre das anders, würde das Benennungsschema zu Absurditäten wie der Ernennung von Orson Welles zum "nachmodernen" Regisseur führen. Modern in Krützens Sinn war der Film außerdem spätestens seit dem Star- und Studiosystem, weil das Publikum das Filmische am Film, das industriell Fiktionale, schon damals goutierte. Und "vormoderne" Formen, die ihre Medieneigenschaften nicht kennen wollen, haben in allen Künsten nach wie vor ihr Massenpublikum (man lese nur mal die Amazon-Bestsellerlisten). Krützens Auseinandersetzungen mit den drei Beispielfilmen aber sind so reich, dass die Zweifel an der Grundidee daneben verblassen.

Das Buch ist also klüger, als sein Titel nahelegt; und dieser Titel ist ja auch beileibe nicht dumm - er müsste eben vom Genealogischen ins Operative übersetzt werden, um komplett aufzugehen. Das Liebespaar Unterschied und Vergleich hat großes Glück in diesem Buch: Die beiden kriegen einander.

DIETMAR DATH

Michaela Krützen: "Klassik, Moderne, Nachmoderne". Eine Filmgeschichte.

S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2015. 832 S., Abb., geb., 34,- [Euro].

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Ein wirklich moderner und reizvoller Text Günter H. Jekubzik Aachener Zeitung 20150801