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In den Jahren 1904 und 1905, also vor nunmehr 100 Jahren, veröffentlichte Max Weber seine inzwischen weltberühmte Studie "Die protestantische Ethik und der 'Geist' des Kapitalismus" als Aufsatz in zwei Folgen. Dieser löste unmittelbar nach Erscheinen die erste Kontroverse und später eine Flut von Sekundärliteratur aus. Viele Reaktionen auf die Studie, positive und negative, beruhen freilich auch darauf, daß Text und Kontext mißverstanden wurden. 100 Jahre danach ist die Diskussion um die Studie so lebendig wie eh und je. Für die Autoren der Beiträge in diesem Band war das Jubiläum Anlaß,…mehr

Produktbeschreibung
In den Jahren 1904 und 1905, also vor nunmehr 100 Jahren, veröffentlichte Max Weber seine inzwischen weltberühmte Studie "Die protestantische Ethik und der 'Geist' des Kapitalismus" als Aufsatz in zwei Folgen. Dieser löste unmittelbar nach Erscheinen die erste Kontroverse und später eine Flut von Sekundärliteratur aus. Viele Reaktionen auf die Studie, positive und negative, beruhen freilich auch darauf, daß Text und Kontext mißverstanden wurden. 100 Jahre danach ist die Diskussion um die Studie so lebendig wie eh und je. Für die Autoren der Beiträge in diesem Band war das Jubiläum Anlaß, abermals - hoffentlich mit frischem Blick - Text und Kontext zu bedenken. Mehr als sonst wurde dabei auch der Einfluß des Heidelberger Gelehrtenmilieus auf die Konzeption der Studie geprüft. Insbesondere interessierte das Verhältnis von Max Weber und Ernst Troeltsch, die in dieser Phase ihres Schaffens durch eine 'Fachmenschenfreundschaft' eng verbunden waren. Die Beiträge dieses Bandes entstammen einem Symposium, das im Frühjahr 2004 stattfand und an dem Weber- und Troeltsch-Forscher teilnahmen.
Autorenporträt
Geboren 1948; Studium der Ev. Theologie, Philosophie und Geschichte in Wuppertal, Tübingen und München; 1978 Promotion; 1986 Habilitation; Prof. em. für Systematische Theologie und Ethik an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Ludwigs-Maximilian-Universität München.

ist emeritierter Professor für Soziologie an der Universität Heidelberg und geschäftsführender Herausgeber der Max Weber-Gesamtausgabe.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.07.2005

Man beachte auch die Speisenfolge

Jubiläen haben ihre Tücken. Einerseits erzeugen sie Aufmerksamkeit, andererseits sind sie vom Kalender abhängig und nicht vom Gang der Sache. Ein runder Geburtstag zwingt zu Reaktionen, auch wenn es vielleicht nicht viel Neues zu sagen gibt.

Dem vorliegenden Band, der Beiträge eines Symposiums zur hundertsten Wiederkehr des Erscheinens von Max Webers Protestantismusschrift versammelt, ist dies auf doppelte Weise anzumerken ("Asketischer Protestantismus und der ,Geist' des modernen Kapitalismus". Max Weber und Ernst Troeltsch. Herausgegeben von Wolfgang Schluchter und Friedrich Wilhelm Graf. Mohr Siebeck Verlag, Tübingen 2005. 311 S., br., 49,- [Euro]). Die Verlegenheit wird einmal dadurch deutlich, daß die Beschäftigung mit dem zu würdigenden Text am Rande steht. Nur zwei Beiträge (Hartmut Lehmann und Wolfgang Schluchter) befassen sich primär mit ihm, und obwohl dies klug und differenziert geschieht, präsentieren sie doch keine neuen Einsichten. Allenfalls indirekte Bezüge finden sich in den Beiträgen von Guenther Roth und Jean-Pierre Grossein über Max Webers Amerika-Reise und die Rezeption der Protestantischen Ethik in Frankreich. Das zweite Indiz für ein Jubiläumsdilemma ist, daß man eine großzügige Hilfe bei der Troeltsch-Forschung sucht, die in den letzten Jahren, dank der Arbeit an der Ernst-Troeltsch-Gesamtausgabe, einen starken Auftrieb erfahren hat. In der Sache kann man das rechtfertigen, jedenfalls wenn man bedenkt, daß schon bei den Zeitgenossen die Rede von der "Weber-Troeltsch-These" war, so daß ein verweberter Troeltsch so botmäßig erscheint wie ein vertroeltscher Weber.

Die innovativeren Beiträge kommen denn auch aus dieser Richtung. Gangolf Hübinger arbeitet pointiert die Unterschiede heraus, die zwischen Webers juristisch-ökonomischer Perspektive und Troeltschs theologisch-philosophischem Geschichtsdenken bestehen. Darüber hinaus entwickelt er die These einer doppelten Historik bei Troeltsch: einer "Heidelberger Historik", die kantianisch und mit Max Weber um Begriffskritik und Tatsachengliederung zentriert sei; und einer "Berliner Historik", die antikantianisch und gegen Weber gerichtet sei. Die Zuspitzung des Gegensatzes zwischen Weber und Troeltsch auf Begriffe wie "Kampf" und "Synthese" ist sicherlich richtig; daß allerdings die Kategorie "Kompromiß" eher bei Troeltsch als bei Weber zu finden sei, läßt sich nur behaupten, wenn man die politische Theorie Webers, insbesondere sein Verständnis von Parlamentarismus, ausblendet. Dieser Vorbehalt richtet sich auch gegen die Darlegung der politischen Semantik Troeltschs und Webers durch Friedrich Wilhelm Graf, der den Gegensatz auf die Formel "Wertkonflikt oder Kultursynthese" bringt. Davon abgesehen überzeugt dieser Beitrag insbesondere durch den Nachweis, daß die beiden Heidelberger Forscher das Thema Protestantismus zeitgleich erschlossen, so daß die Abhängigkeitserklärungen und Prioritätsvermutungen, wie sie für die ältere Literatur typisch sind, obsolet geworden sind.

Um Gemeinsamkeiten zwischen Weber und Troeltsch geht es, unter Einbeziehung anderer Teilnehmer an der Protestantismusdebatte im weitesten Sinne, auch in den Beiträgen von Friedemann Voigt und Eckart Otto. Voigt zeigt, wie sich das theoretische Instrumentarium zu einer angemessenen Erschließung der Kulturbedeutung von Religion fortschreitend verfeinert - von den ersten Schritten bei Eberhard Gothein und Werner Sombart über Georg Simmel und Georg Jellinek bis hin zu Weber und Troeltsch. Otto, der sich freilich mehr mit dem Anfangspunkt des okzidentalen Entzauberungsprozesses in der hebräischen Prophetie befaßt als mit dessen Endpunkt im asketischen Protestantismus, kommt zu dem Ergebnis, es gehe Weber um die Transformation materieller und ideeller Interessen durch die Wirkung von zu Weltbildern verdichteter Ideen, Troeltsch dagegen gehe es um die Herauslösung der Ideen aus ihrem ursprünglichen sozialen Kontext. Auch durch die Einbeziehung der Debatte zwischen Hermann Cohen und Troeltsch (wobei Otto letzteren gegen wohlfeile Antisemitismusvorwürfe verteidigt), gehört dieser reich dokumentierte, mitunter allerdings auch überbordende Beitrag zu den Höhepunkten des Bandes.

Ebenfalls dazu zählt die umfangreiche Studie Hubert Treibers, die sich mit Weber und Troeltsch mittelbar, als Mitgliedern des legendären Heidelberger Eranos-Kreises, befaßt, eines religionswissenschaftlichen Zirkels, dessen Themenfolge und dazugehörende Veröffentlichungen in einem ausführlichen Anhang vorgestellt werden. Der Beitrag gibt zum einen eine soziologische Analyse dieses eigenartigen "Freundeskreises mit vereinsmäßiger Satzung", die auch an scheinbar trivialen Aspekten wie Sitzordnung und Speisenfolge nicht vorübergeht, zum andern eine minutiöse Ausleuchtung der inhaltlichen Impulse, die von den Schülern Hermann Useners (immerhin fast die Hälfte des Mitgliederstammes) in diesen Zirkel eingebracht wurden.

Dabei wird klar, wie fern Weber, trotz mancher Anleihen bei Useners Götternamen, dessen Auffassungen in erkenntnistheoretischer und methodischer Hinsicht gestanden hat. Auch der wissenschaftliche Austausch zwischen Weber und Troeltsch vollzog sich Treibers Recherchen zufolge nicht primär im Eranos, so daß man dessen Bedeutung für beide Forscher eher auf sozial-kommunikativer als auf sachlicher Ebene anzusetzen hat. Bemerkenswerterweise ist Troeltsch gar nicht anwesend, als Weber im Februar 1905 über den zweiten Teil seiner Protestantismusstudie referiert.

Daß Texte wie die von Treiber und Otto, die für ein eigenes Buch zu kurz und für eine Zeitschrift zu lang sind, auf diese Weise ihr Publikum finden können, ist ein Argument für die oft geschmähte Form des Sammelbandes im allgemeinen und für diesen Band im besonderen.

STEFAN BREUER

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.01.2006

Im Bann der Religionsgeschichte
Heidelberger Dauerdebatten: Max Weber und Ernst Troeltsch
Es ist 100 Jahre her, dass Weber seinen sensationellen Nachweis führte, dass der protestantische Puritanismus einen entscheidenden Anteil an der Herausbildung der kapitalistischen Wirtschaftsform hatte. Andere waren bereits zuvor auf die offensichtlichen Zusammenhänge zwischen den ersten Zentren dieser Wirtschaftsform und der puritanischen Konfession aufmerksam geworden. Weber aber blieb es vorbehalten, eine Erklärung dafür vorzulegen: die rastlose Arbeit des seines Heils nicht mehr gewissen Puritaners. Erstaunlich für einen Mann, der sich selber als religiös unbegabt betrachtete.
Die Herausgeber zweier Großeditionen: nämlich der Werke von Weber und von Troeltsch, der Soziologe Wolfgang Schluchter und der Theologe Friedrich Wilhelm Graf, stellen in diesem Band Beiträge vor, die den Verwurzelungen dieser überraschenden Aufwertung von Religionsgeschichte im Intellektuellenmilieu insbesondere Heidelbergs nachgehen. Aufschlussreich ist die Vereinigung des „Eranos”, über die Hubert Treiber umfassend informiert. Die angesehensten Heidelberger Professoren der Archäologie, Geschichtswissenschaft, Rechtswissenschaft, Ökonomie, klassischen Philologie, Kunstwissenschaft, Philosophie, Theologie hielten es für geboten, extra eine Vereinigung zu gründen, die keine andere Aufgabe hatte, als die Mitglieder über Neuentdeckungen und Publikationen in der Religionswissenschaft zu informieren. Für so wichtig hielten sie die Treffen, dass die Mitglieder sich mit ihrer Unterschrift verpflichten mussten, nur bei „triftigsten Gründen” den Zusammenkünften fernzubleiben. Der Altphilologe in diesem Kreis, Albrecht Dietrich, litt sogar darunter, dass seine brennendsten Interessen der Religionsgeschichte gehörten. Wenn weiterhin jede seiner neuen Publikationen als Beweis dafür genommen werde, dass er nicht Philologe, sondern Religionshistoriker sei, dann wisse er sich nicht anders zu raten, als seine Professur niederzulegen.
Ohne Gewissheit
In diesem Verein trug nicht nur Weber, sondern auch Troeltsch vor. In dauerndem Austausch und verdeckter Rivalität arbeiteten beide an der These, dass die moderne Kultur in Kontinuität mit der Religionsgeschichte stehe. In Deutschland, in dem keine Revolution im Namen einer höheren Vernunft die Bande zur Vergangenheit gekappt hatte, mussten die Mächte der Moderne aus anderen Quellen genährt worden sein. Den Triebkräften des Religiösen wurde dabei besonderes Gewicht beigemessen.
Troeltsch führte die moderne Konzeption von Individualität auf einen spezifischen Strang der Geschichte des Christentums zurück. Die zeitgenössische Emanzipation einer Religionswissenschaft von der Theologie erleichterte das Vorhaben, die Gegenwart im Lichte der Religionsgeschichte zu studieren und so besser zu begreifen. Viele waren damals von der Religionsgeschichte wie besessen. Es war dies auch eine Folge der Einsicht, dass die Werte, an denen menschliches Leben orientiert ist, selber historisch geworden sind und dass es jenseits der Praxis keine Instanz gibt, die es gestattet, diese Werte überhaupt zu identifizieren. Der Zwiespalt zwischen Geschichtlichkeit und Wertbindung geht durch unser aller heutiges Denken und niemand kann sich ihm entziehen, sagte Troeltsch am Grab des Juristen Jellinek, der die Entstehung der Menschenrechte aus einer spezifisch protestantischen Theologie hergeleitet hatte. Der Theologe und der Jurist kämpfen mit denselben Aporien, fügte er hinzu.
Aus den Heidelberger Dauerdebatten gingen die noch heute faszinierende Versuche hervor, eine Kulturwissenschaft zu begründen, die den Bezug des Handelns auf Werte zum Thema macht, ohne zugleich über diese Werte ein Urteil zu fällen. Besonders energisch ging Weber dabei ans Werk, um beides - Relevanz und Objektivität - in einer einzigen Methodologie zusammenzubringen.
Troeltsch und Weber sahen im Protestantismus keine behagliche Kultur des Bürgertums, sondern eine asketische Ethik, die durch ihre Verneinung der vorgefundenen traditionellen Ordnungen einer der Motoren der modernen Kultur war. Doch sollten sich die Wege beider später trennen. Ernst Troeltsch vertiefte die Sicht, dass die verschiedenen Werte in der Gegenwart zu einer Kultursynthese zusammenkommen. Die kulturelle Wirklichkeit, in der wir stehen und die durch scharfe Gegensätze charakterisiert ist, gibt uns letztlich auch wiederum Halt.
Zu dieser kulturellen Wirklichkeit rechnete Troeltsch die Prophetie des Alten Testaments. Ob aber auch das nachbiblische Judentum dazu gehört, wurde Gegenstand einer Auseinandersetzung mit dem jüdischen Philosophen Hermann Cohen. Troeltsch verneinte es. Weber wiederum arbeitete mit Hilfe der Religionsgeschichte heraus, dass es keine definitive Gewissheit über die verbindlichen Werte menschlichen Handelns geben kann. Er kannte keine andere Begründung der Werte als die, dass Handelnde die vorhandenen Optionen und Alternativen erkennen, um dann mit ihrer ganzen Existenz die getroffene Wahl zu verantworten.
HANS G. KIPPENBERG
WOLFGANG SCHLUCHTER, FRIEDRICH WILHELM GRAF (Hg.): Asketischer Protestantismus und der „Geist” des modernen Kapitalismus. Max Weber und Ernst Troeltsch. Mohr Siebeck, Tübingen 2005. 311 Seiten. 49 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

In diesem Band begegnen sich zwei große Autoren, Klassiker des frühen 20. Jahrhunderts, Kombattanten der Wissenschaft zunächst, dann gingen ihre Wege auseinander. Herausgegeben ist der Band von Wolfgang Schluchter, der die große Max-Weber-Edition verantwortet und von Friedrich Wilhelm Graf, der die Werke Ernst Troeltsch ediert. Es ist auch die Begegnung von Soziologie und Religionswissenschaft, aber nicht als Verbindung von etwas Getrenntem, sondern als Diskussion um Prioritäten in enger Nachbarschaft. Max Weber war es, der den Kapitalismus aus dem Geist des Protestantismus erklärte. Enrst Troeltsch beharrte auf der Möglichkeit der Kultursynthese in der Gegenwart der Religionstradition. Max Weber verneinte, dass es "definitive Gewissheit über die verbindlichen Werte des menschlichen Handelns" geben könne. Der Rezensent Hans G. Kippenberg konzentriert sich auf einen Aufsatz von Hubert Treiber, der die Geschichte und das Argumentationsmilieu der bedeutenden Heidelberger Professorenvereinigung "Eranos" rekonstruiert. Darüber, wer hier warum gegen wen Stellung bezog, ist in der Rezension etwas zu erfahren. Der Sammelband als solcher gibt dem Rezensenten zu keiner expliziten Kritik Anlass.

© Perlentaucher Medien GmbH