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Anna Mayr war noch ein Kind und schon arbeitslos. Sie ließ die Armut hinter sich, doch den meisten gelingt das nicht - und das ist so gewollt. Dieses Buch zeigt, warum.
Faul. Ungebildet. Desinteressiert. Selber schuld. Als Kind von zwei Langzeitarbeitslosen weiß Anna Mayr, wie falsch solche Vorurteile sind - was sie nicht davor schützte, dass ein Leben auf Hartz IV ein Leben mit Geldsorgen ist und dem Gefühl, nicht dazuzugehören. Früher schämte sie sich, dass ihre Eltern keine Jobs haben. Heute weiß sie, dass unsere Gesellschaft Menschen wie sie braucht: als drohendes Bild des Elends, damit…mehr

Produktbeschreibung
Anna Mayr war noch ein Kind und schon arbeitslos. Sie ließ die Armut hinter sich, doch den meisten gelingt das nicht - und das ist so gewollt. Dieses Buch zeigt, warum.

Faul. Ungebildet. Desinteressiert. Selber schuld. Als Kind von zwei Langzeitarbeitslosen weiß Anna Mayr, wie falsch solche Vorurteile sind - was sie nicht davor schützte, dass ein Leben auf Hartz IV ein Leben mit Geldsorgen ist und dem Gefühl, nicht dazuzugehören. Früher schämte sie sich, dass ihre Eltern keine Jobs haben. Heute weiß sie, dass unsere Gesellschaft Menschen wie sie braucht: als drohendes Bild des Elends, damit alle anderen wissen, dass sie das Richtige tun, nämlich arbeiten. In ihrem kämpferischen, thesenstarken Buch zeigt Mayr, warum wir die Geschichte der Arbeit neu denken müssen: als Geschichte der Arbeitslosigkeit. Und wie eine Welt aussehen könnte, in der wir die Elenden nicht mehr brauchen, um unseren Leben Sinn zu geben.
Autorenporträt
Anna Mayr wurde 1993 in einer Mittelstadt am östlichen Rand des Ruhrgebiets geboren. Sie studierte Geographie und Literatur in Köln, schrieb für eine Boulevardzeitung, arbeitete als Deutschlehrerin, lernte an der Deutschen Journalistenschule in München, landete dann beim ZEIT-Magazin. Heute ist sie Redakteurin im Politik-Ressort der ZEIT und lebt in Berlin. Bei Hanser Berlin erschienen von ihr Die Elenden (2020) über Armut und Arbeitslosigkeit und zuletzt Geld spielt keine Rolle (2023).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.08.2020

Aufsteigerinnen sind nicht erwünscht?
Die eigene Biographie als Fundament der Anklage: Anna Mayr empört sich über Arbeitslosigkeit und Armut in Deutschland

Jedes fünfte Kind in Deutschland lebt in Armut. Das gilt als bedauerlich - sichtbarer Protest dagegen rührt sich kaum. Auf die Straße treibt die Empörten heute der Klimawandel, die Überforderung durch Zuwanderung oder der gewaltsame Tod eines schwarzen Bürgers der Vereinigten Staaten, aber nicht die Nöte armer Kinder aus Hartz-IV-Familien. Anna Mayr macht das wütend. Darum hat sie ein Buch geschrieben, das der Gesellschaft schon im Untertitel die Anklage ins Gesicht schleudert, sie verachte die Arbeitslosen und brauche sie dennoch. Auch wenn Mayr mit ihrer Wut sicher nicht allein ist - kein Schüler wird am "Freitag gegen Hartz IV" den Unterricht schwänzen, und die Greta Thunberg des Armutsprotestes wird Mayr mit ihrem Pamphlet auch nicht. Ist es überhaupt lesenswert?

Dagegen spricht zunächst viel. "Die Elenden" hat haarsträubende Lücken. Vielleicht ist Wut die Lizenz zum Weglassen, aber für jemand, der ein ganzes Buch über Arbeitslose schreibt, interessiert sich Mayr erstaunlich wenig für das Wissen, das diese Gesellschaft über Arbeitslosigkeit zusammengetragen hat. Etwa die Befunde der soziologischen Arbeitsmarktforschung - anscheinend irrelevant. Regionale Unterschiede in der Ausprägung von Erwerbslosigkeit, Langzeit- versus Kurzzeitarbeitslosigkeit, die hohe Zahl offener Stellen, der Nachwuchsmangel in den Ausbildungsberufen, überhaupt das ganze Thema Bildung als bestes Mittel gegen Arbeitslosigkeit - vor Mayrs Wut verblasst das alles zum Hintergrundgrau der Systemkonformität.

Sie hat sich einige arbeitsmarktpolitische Grundkenntnisse angelesen. Dass ihr Thema aber spätestens seit John Rawls auch als Gegenstand der politischen Philosophie diskutiert werden müsste, scheint Mayr entgangen zu sein. Dann kann man wohl über den Begriff der Chancengleichheit schreiben, er sei "bescheuert", Bildung sei "nett", aber ändere nichts, und da das "System" insgesamt "Mist" sei, sollten wir alle - aber vor allem die SPD - unsere Furcht vor dem Sozialismus ablegen. Das sei schließlich "nur ein Wort".

Mayr, Jahrgang 1993 und Redakteurin beim "Zeit-Magazin", legitimiert ihre Anklage mit ihrer Biographie. Sie schreibt über sich, über ihre Herkunft aus einer Hartz-IV-Familie, also aus selbsterlebter Armut. Sie habe selbst zu den "Aussätzigen, dem Abschaum und Abfall" der Erwerbsgesellschaft gehört. Allerdings hat sie den "Aufstieg" geschafft. Anerkennung will sich Mayr mit ihrem Buch aber nicht erschreiben, vielmehr versucht sie sich an dem Nachweis, dass die Aufsteigerin eine Gestalt sei, die diese Gesellschaft gar nicht "will": "Meine Eltern", klagt sie, "mussten" arbeitslos sein, Mayr "musste" darunter leiden. Aber die Gesellschaft, das "System", brauchte sie als "abschreckendes Beispiel".

Die Schwäche eines so selbstbezogenen Schreibens, das die Gesellschaft vom Ich aus erklären will, ist seine unvermeidbare Selbstgerechtigkeit. Das eigene Leiden kann nicht irren. Wer Mayrs Standpunkt nicht teilt, das Persönliche spreche wahrer als die Befunde der Arbeitsmarktforschung und die Wirtschaft lasse sich noch aus dem Wollen finsterer Mächte erklären, kann sich den Unfug sparen, den er dann in diesem Buch zuhauf finden wird. Und natürlich ist Mayrs Herkunftsgeschichte eine Apologie. Entsprechend schwächeln ihre Kindheitsschilderungen unter dem Joch der Armut da, wo sie Rührung vermitteln will und dann doch in Rührseligkeit verfällt. Auch warum die Eltern - Vater Tischler mit Abitur, Mutter Punkerin mit Philosophiestudium - anscheinend schon immer arbeitslos waren, bleibt im Dunkeln. Dass bei ihr Erwerbslosigkeit als widerfahrendes Schicksal erscheint, kann einer Autorin egal sein, die Armut nicht erklären muss (sie ist schließlich von mächtigen Akteuren gewollt), sondern mit der Forderung nach ihrer Abschaffung überzeugen will.

Triftig sind gleichwohl jene Abschnitte, in denen Mayr eine dichte Beschreibung einer Kindheit in Armut liefert. Wie sie weh tut, wie sie prägt und abstempelt: Bei Mayr sind es tatsächliche Erfahrungen, während andere - besonders Journalisten und Politiker - oft nur über etwas reden, das sie nicht erlebt haben. Mayr verfügt über die literarischen Mittel, ihrer Herkunft Würde zu geben. Nur führt das unweigerlich zum eigentlichen Dilemma des sozialen Aufsteigers: Was wiegt mehr, der Stolz auf den eigenen Aufstieg oder der Selbstvorwurf des Verrats an der Herkunft?

Man könnte darin auch das Dilemma von Mayrs Text sehen: Seine stärksten Passagen verführen den Leser zur Anerkennung für den gelungenen Aufstieg der Autorin und für das, was sie aus dieser Lebensleistung macht - gutes biographisches Schreiben. Mayr ist keine zerrissene Person, sondern eine junge Autorin mit Mut zur Selbstentblößung. Die ist subtil, im eigentlichen Sinne radikal. Sie nimmt den Leser für Mayr ein. Nur wütend macht sie nicht.

Aber Mayr ist trotz ihrer Wut dann doch keine Revoluzzerin. Sie ruft am Ende ihres Buchs nicht zum Umsturz auf, sondern nur zur Erhöhung des Hartz-IV-Regelsatzes auf 764 Euro im Monat. Pro Person. "Gegen Armut hilft nur Geld", schreibt Mayr. Darüber, immerhin, kann man streiten.

GERALD WAGNER

Anna Mayr: "Die Elenden". Warum unsere Gesellschaft Arbeitslose verachtet und sie dennoch braucht.

Hanser Berlin Verlag, Berlin 2020. 208 S., geb., 20,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Gerald Wagner hat nichts gegen die "echten" Erfahrungen der Armut, die Anna Mayr in ihrem Buch schildert. Das ist besser als nur vom Hörensagen darüber zu schreiben, findet er. Allerdings gerät der Autorin der Rückblick in die eigene Hartz-V-Kindheit mitunter zu selbstgerecht, apologetisch, ja rührselig, kritisiert er. Dass die Autorin "es geschafft" hat, aber nicht um Anerkennung buhlt, stellt Wagner gleichwohl fest. Was den Rezensenten an Mayrs Buch wirklich auf die Palme bringt, ist dies: Eine Lückenhaftigkeit, die weder soziologische Arbeitsmarktforschung noch politische Philosophie noch regionale Unterschiede bei der Arbeitslosigkeit in Betracht zieht. Der Rest wirkt immerhin angelesen, schimpft Wagner.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Eine geradezu energische und entschiedene Streitschrift gegen Bedrückung und Scham, Trauer und Peinlichkeit. ... Das Erzählerische und das Reflektierte halten sich die Waage, Vor allem versteht es die Autorin, die Ebenen geschickt ineinander zu verweben." Franz Schandl, Die Presse, 21.11.20

"Eine Journalistin schreibt über Arbeitslosigkeit und Klassenfragen, weil ihr der ganze Zeichenpolitik-Quatsch nicht mehr reicht." Lars Weisbrod, Die Zeit, 19.11.20

"Ein Buch, das zum Umdenken einlädt." Thomas Böhm, radioeins, 25.10.20

"Anna Mayr vollbringt es, weder die Armut zu romantisieren, noch einen Blick von oben herab zu etablieren. Ein Text ohne Samthandschuhe, dafür mit kurzen, prägnanten Sätzen ... Mit ihrem Buch zeigt Anna Mayr wie das funktionieren kann, das Schreiben im Kapitalismus." Leonie Ziem, Kreuzer, 14.10.20

"Mayr beschreibt anschaulich und gut lesbar, wie Arbeitslose in allen gesellschaftlichen Bereichen ausgegrenzt werden und welche körperlichen, ökonomischen und kulturellen Nachteile für sie daraus entstehen. ... Ein aufrührendes und thesenstarkes Buch." Christopher Wimmer, Die Tageszeitung, 13.10.20

"Ein analytisches, ein politisches, aber auch ein sehr persönliches Buch aus der Perspektive derjenigen, die beide Welten kennt: die der Abgehängten und die der Arrivierten." Hilka Sinning, NDR Kultur, 24.08.20

"Hier schreibt eine Journalistin mit einem wundersamen Klassenstolz gegen den Hass auf 'die da unten' an ... Anna Mayrs Furor ist wichtig inmitten eines politischen und medialen Palavers voll Gratismut, das Solidarität predigt und soziale Kälte lebt." Christian Baron, der Freitag, 20.08.20

"Mayr schafft es, die Kritik an unserem Verhältnis zu Arbeit und Arbeitslosigkeit mit der Perspektive einer Generation zu verknüpfen, die mit Hartz IV aufgewachsen ist. ... Seine Kraft entfaltet das Buch dort, wo Mayr unseren Blick auf und unser Reden über Arbeitslose seziert - und allen, die in ihrer eigenen Biographie eine Aufstiegsgeschichte lesen wollen, eine Absage erteilt. ... Ein wichtiges Buch. " Timo Stukenberg, Deutschlandfunk Andruck, 17.08.20

"Anna Mayrs Buch ist aufrüttelnd. Es verändert unseren Blick. Und bestätigt: Menschenwürde ist unteilbar. Sie gilt für alle, auch für Arbeitslose." Hilka Sinning, Das Erste TTT, 26.07.20
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