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Von den Katholiken gehasst, kritisiert, aber auch gewürdigt.Dieses Buch nähert sich Martin Luther über seine Begegnungen mit "Katholiken". Das "Katholische" meint hier keine Konfessionsbezeichnung, sondern einen "Lebenszusammenhang". Denn Luther war geprägt von antiken und mittelalterlichen Theologen wie Johannes Tauler und Johann von Staupitz. Er selbst begegnete hochrangigen katholischen Theologen seiner Zeit, darunter dem berühmten Johannes Eck. Schließlich wurde Luther von Katholiken in den 500 Jahren seit der Reformation ganz unterschiedlich aufgenommen.Das Buch zeichnet die…mehr

Produktbeschreibung
Von den Katholiken gehasst, kritisiert, aber auch gewürdigt.Dieses Buch nähert sich Martin Luther über seine Begegnungen mit "Katholiken". Das "Katholische" meint hier keine Konfessionsbezeichnung, sondern einen "Lebenszusammenhang". Denn Luther war geprägt von antiken und mittelalterlichen Theologen wie Johannes Tauler und Johann von Staupitz. Er selbst begegnete hochrangigen katholischen Theologen seiner Zeit, darunter dem berühmten Johannes Eck. Schließlich wurde Luther von Katholiken in den 500 Jahren seit der Reformation ganz unterschiedlich aufgenommen.Das Buch zeichnet die "katholischen" Prägungen, Begegnungen und Rezeptionen Luthers in einem ideengeschichtlichen Bogen nach - vom Kirchenvater Augustin im 4. Jahrhundert bis zum 2014 verstorbenen katholischen Theologen Otto Hermann Pesch. Auf diese Weise wird Luthers Biographie anders geschrieben, nämlich orientiert an seiner geistigen Herkunft, an den theologischen Diskursen und Kontroversen seiner Zeit und an seiner Wahrnehmung.
Autorenporträt
Daniela Blum ist akademische Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte an der Eberhard Karls-Universität Tübingen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.08.2016

Man hätte halt doch mehr miteinander reden müssen
Die Ökumene im Blick: Daniela Blum und Kardinal Walter Kasper nähern sich Luther von katholischer Seite

Katholische Lutherbücher liest man heutzutage kaum, um Neues über Luther zu erfahren. Interessanter sind sie als Pegel für den Wasserstand der Ökumene und als Belege dafür, was katholischen Theologen momentan als katholisch gilt. Zwei Publikationen, die pünktlich vor dem Reformationsjubiläum 2017 erschienen sind, bestätigen diese Regel.

War Luther "katholisch"? Mit dieser Frage beginnt die junge Tübinger Kirchenhistorikerin Daniela Blum ihr Buch, das Luther in Beziehung zu Personen stellt, "die sich in unterschiedlicher Weise als katholisch gesehen haben". Zu ihnen gehören Theologen des Altertums und des Mittelalters, von denen Luthers Denken beeinflusst wurde, neben Zeitgenossen, mit denen er literarisch und persönlich befasst war, und Nachgeborene, die sich mit ihm auseinandergesetzt haben.

In den ersten beiden Teilen gelingt es der Autorin recht geschickt, im Spiegel der Begegnungen Biographie und Kernthemen Luthers nachzuzeichnen. Staupitz lehrte ihn die Hingabe an die Barmherzigkeit Gottes, Tauler die gelassene Gewissheit in geistlicher Bedrängnis, Bernhard von Clairvaux die Liebe zum Gekreuzigten, Augustinus das Vertrauen auf Gottes Gnade jenseits aller Werkgerechtigkeit. Es ist das religiöse, ja mystische Anliegen Luthers, das hier in den Vordergrund gerückt wird. Über den spätscholastischen Doktor der Theologie spricht Blum vor allem im Kapitel über Thomas von Aquin. Aber Thomas hat, wie die Verfasserin weiß, Luthers Denken bestenfalls mittelbar erreicht. "Ich stamme aus Ockhams Schule", sagte der Reformator von sich selbst, und deren späte Repräsentanten, wie Gabriel Biel, standen ihm näher als die großen Magistri des dreizehnten Jahrhunderts.

Ein eigenes Kapitel über die Prägungen Luthers durch die via moderna vermisst man in Blums Darstellung. Es hätte helfen können, Luthers Invektiven gegen "die" Scholastik etwas kritischer zu beurteilen. In ihrer Schilderung der Auseinandersetzungen mit Tetzel, Prierias, Cajetan und Eck zeichnet die Verfasserin Luther vor allem als den durch römische Verketzerungen Getriebenen, der am Ende auf einen Weg geriet, der ursprünglich nicht intendiert war.

Bei allem Bemühen um historische Distanz sind Blums Sympathien für die Position Luthers unverkennbar, der auch in direkten Zitaten weit häufiger zu Wort kommt als seine Gegner. Die These, dass der Bruch mit Rom eher die tragische Folge gegenseitiger Missverständnisse und verpasster Dialoge als die unvermeidliche Konsequenz theologischer Grunddifferenzen darstellte, bleibt das Schibboleth einer ökumenisch positionierten katholischen Lutherinterpretation.

Sehr selektiv wird die Darstellung der Verfasserin im abschließenden Teil zur Rezeption Luthers in nachreformatorischer Zeit. Vom ersten, für die Folgezeit maßgeblichen Kommentator Johannes Cochlaeus, der Luther noch persönlich erlebt hat, wird ein großer Sprung ins neunzehnte Jahrhundert zu Ignaz von Döllinger gemacht, dessen Bewertung der Reformation sich parallel zu seiner fortschreitenden Entfremdung von der papalistischen Kirche wandelte. Der Dominikaner Heinrich Denifle und sein zeitweiser Ordensbruder Otto Hermann Pesch markieren extreme Pole des katholischen Lutherbildes im zwanzigsten Jahrhundert. Bei Verfolgung sehr unterschiedlicher Interessen haben beide einen Beitrag zur Wiederentdeckung der mittelalterlichen Wurzeln des reformatorischen Denkens geleistet.

Am Schluss des Buches wird noch einmal die Ausgangsfrage gestellt: War Luther katholisch? Eine klare Antwort bekommt der Leser nicht, gerade weil die Verfasserin ein eher existentiell als inhaltlich konturiertes Verständnis des "Katholischen", als "Lebenszusammenhang", zugrunde legt. So erweist sich ihr griffiger Buchtitel am Ende als Fährte, die ins Ungewisse historischer Kontextualisierungen führt. Ganz ohne Dogmatik geht es wohl doch nicht.

Kardinal Walter Kasper stimmt in seinem zum Büchlein erweiterten Vortragstext mit Blum in der Bewertungsperspektive weithin überein. Nicht "Reformator", sondern "Reform-Katholik" sei Luther ursprünglich gewesen, wie Franz von Assisi ein Mann der Neuevangelisierung, dessen Impulse in Rom auf polemische Verweigerung trafen. Heiliggesprochen wird der Augustiner aus Wittenberg damit nicht; auch problematische Aspekte und Wirkungen seines Auftretens kommen zur Sprache. Hatten ältere katholische Biographen Luther gerne als Urheber des neuzeitlichen Subjektivismus gescholten, legt Kasper Wert auf die Feststellung, dass auch Katholiken unter die Begründer eines zukunftsweisenden Freiheitsdenkens zu rechnen sind, während Luther ihm in mancher Hinsicht fern stand.

Die Veränderung des katholischen Lutherbildes, so wird deutlich, ist untrennbar verbunden mit dem Abschied vom Antimodernismus. Und natürlich mit der Hinwendung zur Ökumene, auf deren heutige Optionen Kaspers hauptsächliches Interesse gerichtet ist. Luther selbst, betont der Kardinal, war kein Ökumeniker, und das unausgeschöpfte Potential seiner Schriften für die Lösung der noch immer kontroversen Einzelfragen dürfte überschaubar sein. Stattdessen möchte Kasper an Luthers Grundintuitionen anknüpfen: "beim Evangelium von der Gnade und Barmherzigkeit Gottes und dem Ruf zur Umkehr".

Das eröffnet weite Perspektiven, bleibt aber zugleich unscharf. Aufmerken lässt die Tatsache, dass sich Kasper die von Papst Franziskus verwendete Formel einer "versöhnten Verschiedenheit" zu eigen macht, die in der ökumenischen Diskussion seit längerem präsent ist. Allerdings kann auch sie mit sehr unterschiedlichen konkreten Inhalten gefüllt werden. Der argentinische Pontifex scheint nach dem zunehmenden Versanden der theorieintensiven Ausschussökumene auf ein begegnungsorientiertes Modell zu setzen, in dem Gesten der Versöhnung wichtiger sind als die forcierte Suche nach theologischen Konsensen. Ob ein "katholischer Polyeder", wie er Kasper vorschwebt, jemals aufnahmefähig genug sein kann, um das seit Luthers Zeiten in unzählige Rinnsale auseinandergeflossene Taufwasser zu einer Einheit zusammenzuführen, die diesen Namen wirklich verdient, vermag niemand zu sagen. Der Kardinal baut vorerst auf christlichen Mut, Geduld, wechselseitige Lernbereitschaft und die Möglichkeiten des Heiligen Geistes. Es bleibt also Stoff für neue katholische Lutherbücher - das nächste Jubiläum und der nächste Papst kommen bestimmt.

THOMAS MARSCHLER

Daniela Blum:

"Der katholische Luther". Begegnungen, Prägungen, Rezeptionen.

Ferdinand Schöningh Verlag, Paderborn 2016. 221 S., br., 24,90 [Euro].

Walter Kardinal Kasper:

"Martin Luther". Eine

ökumenische Perspektive.

Patmos Verlag, Ostfildern 2016. 94 S., geb., 8,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Gleich zwei katholische Lutherbücher kann Rezensent Thomas Marschler annoncieren, um dann doch festzustellen: Viel Neues über Luther erfährt der Leser nicht. Ähnlich wie Kardinal Walter Kasper bewertet auch die Tübinger Kirchenhistorikerin Daniela Blum Luther weniger als Reformator denn als "Reform-Katholiken". Zwar gelinge es Blum, Luthers Biografie und seine Kernthemen anhand von Auseinandersetzungen etwa mit Augustinus oder Thomas von Aquin nachzuzeichnen; vor allem aber vermisst der Rezensent Ausführungen zu Luthers Prägung durch die "via moderna". Auch die Sympathien für Luther, der in diesem Band stärker als seine Gegner zitiert wird, erscheinen dem Rezensenten zu einseitig. Insgesamt hätte sich Marschler weniger Selektivität und mehr historische Distanz gewünscht, auch ihr Verständnis des "Katholischen" erscheint ihm zu wenig "inhaltlich konturiert".

© Perlentaucher Medien GmbH