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Ulrich de Maizière war einer der herausragenden Generale der Bonner Republik. Sein Wirken bestimmte die Bundeswehr über Jahrzehnte maßgeblich. Als Soldat diente de Maizière in unterschiedlichen politischen Systemen des 20. Jahrhunderts. De Maizières Werdegang in Reichswehr und Wehrmacht findet in dieser politischen Biogrpahie ebenso Beachtung wie die damit verbundene Ausbildung und Prägung sowie seine Erfahrungen mit Krieg, Tod und Not. Der Schwerpunkt des Bandes liegt auf der Zeit in der Bundesrepublik, in der de Maizière den Aufbau und die ersten Jahrzehnte der Bundeswehr von Anfang an…mehr

Produktbeschreibung
Ulrich de Maizière war einer der herausragenden Generale der Bonner Republik. Sein Wirken bestimmte die Bundeswehr über Jahrzehnte maßgeblich. Als Soldat diente de Maizière in unterschiedlichen politischen Systemen des 20. Jahrhunderts. De Maizières Werdegang in Reichswehr und Wehrmacht findet in dieser politischen Biogrpahie ebenso Beachtung wie die damit verbundene Ausbildung und Prägung sowie seine Erfahrungen mit Krieg, Tod und Not. Der Schwerpunkt des Bandes liegt auf der Zeit in der Bundesrepublik, in der de Maizière den Aufbau und die ersten Jahrzehnte der Bundeswehr von Anfang an begleitete, zuletzt als Generalinspekteur.

Oberstleutnant John Zimmermann, geboren 1968, ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Militärgeschichtlichen Forschungsamts, Potsdam, und Lehrbeauftragter an der Universität Potsdam
Autorenporträt
Oberstleutnant John Zimmermann, geboren 1968, ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Militärgeschichtlichen Forschungsamts, Potsdam, und Lehrbeauftragter an der Universität Potsdam
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.05.2012

Gehorchenwollen und Dienenkönnen
Für Ulrich de Maizière, den Generalinspekteur der Jahre 1966 bis 1972, stand die Pflicht immer an oberster Stelle

Ein delikater Auftrag für Oberstleutnant John Zimmermann. Dabei war am Beginn seiner Arbeit nicht vorherzusehen, dass der Wissenschaftler des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes am Ende die Biographie des bis heute angesehensten Generalinspekteurs der Bundeswehr und zugleich des Vaters des derzeitigen Bundesministers der Verteidigung vorlegen kann. Entsprechende Aufmerksamkeit dürfte der exzellenten und materialreichen Studie zuteil werden, die am 24. Februar 2012 auf der Bonner Hardthöhe aus Anlass des 100. Geburtstags von Ulrich de Maizière vorgestellt wurde.

Seit 1930 Soldat, erlebte de Maizière als Oberstleutnant im Frühjahr 1945 aus nächster Nähe den Untergang Hitlers und der Wehrmacht in leitender Funktion im Generalstab des Heeres und danach beim militärischen Stab der letzten Reichsregierung unter Großadmiral Karl Dönitz. Nach dessen Absetzung kam er am 23. Mai 1945 für mehr als zwei Jahre in britische Kriegsgefangenschaft. Nach einer Ausbildung zum Buch- und Musikalienhändler zählte er von 1951 an gemeinsam mit Wolf Graf von Baudissin und Johann Adolf Graf von Kielmansegg zu den maßgebenden Persönlichkeiten, die den Aufbau der Bundeswehr prägten. Der intellektuell wirkende hervorragende Klavierspieler galt als "musischer Diplomat Adenauers". Er war Kommandeur der Schule für Innere Führung in Koblenz und der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg, für 22 Monate Inspekteur des Heeres und vom 25. August 1966 bis 31. März 1972 - während der Kanzlerschaften von Ludwig Erhard (CDU), Kurt Georg Kiesinger (CDU) und Willy Brandt (SPD) - Generalinspekteur.

Thematischer Dauerbrenner seiner Bundeswehrzeit war das Verhältnis der neuen Streitkräfte zur Wehrmacht. So beschwerte sich der 1894 geborene Gerhard Matzky - zu Wehrmachtzeiten General der Infanterie, in der Bundesrepublik Inspekteur des Bundesgrenzschutzes und anschließend Kommandierender General des I. Korps (bis 1960) - in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des "Verbands Deutscher Soldaten" (VDS) 1964 bei de Maizière, "der krampfhafte Versuch, auf keinen Fall die wie auch immer gelagerten Praktiken der Wehrmacht zu übernehmen", habe "viel renitentes Blut gemacht; heißt das doch nichts weniger als: alles das, was bisher in gutem Glauben und mit Hingabe an die Sache gemacht wurde, ist falsch gewesen". Am Rand der Textpassage Matzkys, seines ehemaligen Lagerältesten aus der Kriegsgefangenschaft, vermerkte der Heeresinspekteur: "nein". Dazu meint jetzt Biograph Zimmermann: "Auch für ihn überwogen die Gemeinsamkeiten mit den ehemaligen Soldaten, zu denen er selbst gehörte."

Bei den Kriegsveteranen klang - so Zimmermann - kontinuierlich mit, "im ,Dritten Reich' politisch instrumentalisiert und in der Bundesrepublik dafür diffamiert worden zu sein". Auch de Maizières Haltung zum 20. Juli 1944 sei "ambivalent" gewesen. Anlässlich einer Straßenumbenennung in unmittelbarerer Nähe der Führungsakademie in Hamburg - Pikartenstraße in Graf-Stauffenberg-Straße - erklärte er am 31. Januar 1964, die "Männer des 20. Juli" hätten "uns das ,Gott mehr Gehorchenwollen als den Menschen' vorgemacht". Ein halbes Jahr später wies er darauf hin, dass im deutschen Widerstand "der Generalstab eine besondere Stellung eingenommen und besondere Blutopfer gebracht" habe; darunter seien "gute Freunde" von ihn gewesen. Bei einem Festakt in Bonn 1966 sprach er von "158 Männern", die im Zusammenhang mit dem Attentat auf Hitler "hingerichtet wurden, selbst ihrem Leben ein Ende gesetzt haben oder auf andere Weise umgekommen sind"; 78 von ihnen hätten die Uniform der Wehrmacht getragen, "allein 20 waren Generale".

Der erste Traditionserlass für die Bundeswehr, im Juli 1965 herausgegeben von Verteidigungsminister Kai-Uwe von Hassel (CDU), würdigte ausdrücklich die Widerstandskämpfer, bezog jedoch keine klare Stellung zur Wehrmacht im Ganzen. Vielmehr begnügte man sich mit allgemeinen Phrasen zur Pflege kameradschaftlicher Beziehungen zu Veteranen, verbunden mit der Hoffnung auf die Bildung einer bundeswehreigenen Tradition. Hier erinnert Zimmermann an ein Traditionstreffen von Abordnungen aller Panzer- und Panzergrenadierdivisionen anlässlich des Volkstrauertages Mitte November 1965 in Munsterlager, als de Maizière den Veteranen den Traditionserlass erläuterte - "damit alle sehen, welche Möglichkeiten wir haben und wo uns Grenzen gesetzt sind", wie er in jenen Tagen in einem Brief bekannte. Er habe sich "auch persönlich in diese Gemeinschaft" eingeordnet, "für die offenbar von außen Grenzen gesetzt worden waren. Seine Gratwanderung zeigte sich am Beispiel des üblichen Großen Zapfenstreiches zu Ehren der ,alten Kameraden', der dem dienstältesten Offizier der Bundeswehr, in diesem Fall also de Maizière als Inspekteur des Heeres, gemeldet wurde. Wie jedes Jahr trat dazu der anwesende dienstälteste Offizier der Wehrmacht zur Ehrung der alten Panzer- und Panzergrenadierdivisionen neben ihn. Dabei handelte es sich mit dem Generalobersten a. D. Hoth immerhin um einen verurteilten Kriegsverbrecher. Gleichwohl schätzte ihn de Maizière persönlich sehr."

Gegenüber ehemaligen Generälen der Wehrmacht habe de Maizière "ein teilweise virtuos ausbalanciertes Verhältnis zwischen Nähe und Distanz" bevorzugt: "Sie sollten ihn als einen der ihren wahrnehmen, ohne dass er dadurch vereinnahmt oder gar instrumentalisiert werden konnte. Zusammen mit seiner öffentlichen Wahrnehmung als Reformer sicherte er auf diese Weise seine Position nach allen Seiten ab." Vor der Führungsakademie in Hamburg würdigte er im Herbst 1969 den anwesenden Ehrengast Franz Halder "für alle, die ihn kannten", als "letzten großen Chef des Generalstabs des Heeres Schlieffenscher und Seecktscher Prägung, im nationalen Denken geprägt, ein integrer, umfassend gebildeter Offizier, ein operativer Denker, der Handwerk und Kunst militärischer Führung souverän beherrschte, Typus und Exponent des ,Korps', aus dem er hervorwuchs". Kein Wort fiel darüber, dass Halder bis Ende 1942 ein gehorsames, den Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion mittragendes Werkzeug Hitlers gewesen war.

Langfristig habe de Maizière an dem von Graf Baudissin entworfenen Leitbild des Offiziers, besonders des Generalstabsoffizier, festgehalten, trotz seiner mitunter problematischen Verbindung zur deutschen Vergangenheit. Und auch im internen Kampf in der Bundeswehr zwischen Reformern und Traditionalisten vermittelte er: "Während der Graf mit seinen Positionen immer wieder in die Defensive geriet, verknüpfe de Maizière dessen postherorisches Leitbild des militärischen Vorgesetzten mit den tradierten Führerpersönlichkeiten der jüngeren deutschen Militärgeschichte." De Maizières Vorbild blieb Adolf Heusinger, bis 1945 Chef der Operationsabteilung und von 1957 bis 1961 Generalinspekteur.

Als ranghöchster Soldat war de Maizière gegen eine Berufsarmee, die im Kontext der Diskussionen um Wehrgerechtigkeit vorgeschlagen wurde. Sein Fazit von 1968 lautete: "Berufsheer heißt mehr Geld an Betriebskosten und verkleinerter Umfang, vielleicht vergrößerte Wirksamkeit." Einem solchen Zugewinn von "manchen fachlichen, beruflichen Vorteilen" stellte er "die Gefahr der Isolierung der Streitkräfte vom Leben des Volkes" gegenüber. Sein größtes Verdienst um die Bundeswehr sieht Zimmermann darin, dass der Vier-Sterne-General Ende der sechziger Jahre "in der Stunde des offensichtlichen Generalangriffs auf das Konzept der Inneren Führung standhaft" blieb.

Die eigene "Mitverantwortung" aus der Zeit des Nationalsozialismus habe de Maizière nur akzeptiert "aufgrund des Respekts, den ihm die nachmaligen Verschwörer des 20. Juli 1944 um Mertz von Quirnheim und vor allen Dingen Stauffenberg abgenötigt hatten. Sie waren ihm als Vorgesetzte und Kameraden beispielhaft in ihrer Dienstauffassung erschienen und wurden hierdurch für ihn glaubwürdig." De Maizières eigene Versetzung vom Generalstab an die Front 1943 war auch "eine Flucht vor der Entscheidung, sich möglicherweise gegen die Widerständler zu stellen". Er habe sich auf das soldatische Handwerk konzentriert. "Alles Weitere lag, so seine Überzeugung, außerhalb des von ihm zu verantwortenden Bereiches. Bei der Erfüllung seiner Aufgaben jedoch kannte er keine Grenzen; hierfür setzte er sich mit seinem Leben ein und dies bis zum Ende des Krieges." Hitlers verbrecherische Kriegführung habe er "vollständig" ausgeblendet.

Laut Zimmermann glaubten die meisten Weltkriegsteilnehmer von sich selbst, in der Wehrmacht im Großen und Ganzen korrekt gehandelt zu haben; deshalb übernahmen die neuen Streitkräfte "allzu viel von dem, was die alten ausgemacht hatte". Letztlich sei de Maizière der Ansicht gewesen, "Wehrmacht abzüglich nationalsozialistischer Beeinflussung und modifiziert um die Innere Führung genügten, um neue Schlagkraft und Effektivität zu entwickeln". Sogar als Generalinspekteur habe er die These vertreten, die Masse der deutschen Soldaten habe in der Zeit des Nationalsozialismus nach bestem Wissen und Gewissen ihre Pflicht erfüllt: "Wie andernorts setzte er auf Einbindung statt Ausgrenzung, stellte die Gemeinsamkeiten in den Vordergrund und versuchte einen tragfähigen Kompromiss zu erreichen; wenn nicht für die junge Bundeswehr, dann sollten die Veteranen wenigstens nicht gegen sie agieren."

Sein besonderes Talent habe im Wahrnehmen und Zusammenführen auch konträrer Strömungen gelegen, in der pragmatischen Orientierung am Machbaren: "Jeder, der bereit ist, von außen vorgegebene Grenzen hinzunehmen und darin die Begrenzung des eigenen Handelns anerkennt, setzt sich der Gefahr der Willfährigkeit aus. Der Staatsbürger in Uniform hat indes die ihm gestellte Aufgabe zu hinterfragen und gegebenenfalls Konsequenzen zu ziehen. Letzten Endes besteht eben darin der Unterschied zwischen dem Staatsdiener und dem Staatsbürger", räumt der strenge Autor ein. De Maizières Lebensweg zeige, wie schwierig es für Soldaten sein könne, "die Balance zu halten zwischen Dienen und der rechten Erfüllung der Pflicht".

RAINER BLASIUS

John Zimmermann: Ulrich de Maizière. General der Bonner Republik 1912 bis 2006. Oldenbourg Verlag, München 2012. 534 S., 34,80 [Euro]

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rainer Blasius setzt sich in seiner Rezension nicht mit Form und Aufbau der Biografie über den "angesehenen" Generalinspekteur der Bundeswehr Ulrich de Maizière auseinander. Stattdessen widmet er sich dem Problem der Vergangenheitsbewältigung, der Rolle de Maizières im Nationalsozialismus und seinem Umgang damit. Die exzellente und materialreiche Arbeit, erklärt er, streiche die Verdienste de Maizières um den Aufbau der Bundeswehr heraus. Der Autor John Zimmermann zeige jedoch nicht zuletzt, wie schwer die Balance ist zwischen Pflichterfüllung und Dienen.

© Perlentaucher Medien GmbH
"exzellente und materialreiche Studie" Rainer Blasius in: FAZ, 14.5.2012

"Der Historiker John Zimmermann vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt in Potsdam zeichnet in der kenntnisreichen, sorgfältig recherchierten Biografie den militärischen Werdegang de Maizières akribisch nach. Nicht nur wegen seines 100. Geburtstags, sondern auch wegen seiner herausragenden Rolle als einer der "Väter der Bundeswehr" bot er sich für eine gründliche Betrachtung an." Deutschlandfunk

"Mit seiner Biografie über Ulrich de Mazière macht John Zimmermann einen Anfang, eine Lücke in der historischen Forschung zu schließen, nämlich die Kontinuitäten und Brüche zwischen Wehrmacht und Bundeswehr an einzelnen Personen nachzuzeichnen; eine interessante Lektüre, insbesondere für Leser mit ausgeprägtem militärgeschichtlichen Interesse." Deutschlandradio Kultur, 20.02.2012