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Betty Rosenfeld (Stuttgart, 23. März 1907 - Auschwitz, 1942) wächst in einem liberal-religiösen Elternhaus auf. Schon in ihrer Jugend, die sie beim «Deutsch-jüdischen Wanderbund Kameraden» und bei der «Demokratischen Jugend» verbringt, ist sie beseelt von hohen Idealen. Als Jugendliche verehrt sie Walter Rathenau. An der «Marxistischen Arbeiterschule» in Stuttgart besucht sie den Unterricht von Friedrich Wolf und Kurt Hager. Schließlich tippt sie für den kommunistischen Untergrund von Stuttgart Flugblätter gegen die neuen Machthaber in Berlin. Im Gegensatz zu anderen SozialistInnen mit…mehr

Produktbeschreibung
Betty Rosenfeld (Stuttgart, 23. März 1907 - Auschwitz, 1942) wächst in einem liberal-religiösen Elternhaus auf. Schon in ihrer Jugend, die sie beim «Deutsch-jüdischen Wanderbund Kameraden» und bei der «Demokratischen Jugend» verbringt, ist sie beseelt von hohen Idealen. Als Jugendliche verehrt sie Walter Rathenau. An der «Marxistischen Arbeiterschule» in Stuttgart besucht sie den Unterricht von Friedrich Wolf und Kurt Hager. Schließlich tippt sie für den kommunistischen Untergrund von Stuttgart Flugblätter gegen die neuen Machthaber in Berlin. Im Gegensatz zu anderen SozialistInnen mit jüdischen Wurzeln trägt sie aber den jüdischen Kalender weiter in ihrem Herzen und tritt nie aus ihrer Religionsgemeinschaft aus. Sie wandert nach Palästina aus, wo sie den antifaschistischen Impuls und die Gesinnungsgenossen, mit denen sie für «die Sache» kämpfte, vermisst.Bald wird sie neben der Fotoreporterin Gerda Taro die einzige Frau aus Stuttgart sein, die ihr Leben für die Zweite Spanische Republik riskiert. Nach ihrem Freiwilligeneinsatz beim Sanitätsdienst der Internationalen Brigaden beginnt eine mehrjährige Odyssee als unerwünschter Flüchtling durch Frankreich, die am Ende auf ihre Auslieferung, Deportation und Ermordung hinausläuft. Jetzt ist es an der Zeit, ihren Einsatz für die Freiheit in Buchform einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen und ihr tragisches Schicksal zu würdigen. Mit kritischer Sympathie folgt Michael Uhl Betty Rosenfeld durch sämtliche Lebensabschnitteund zeichnet auf breiter Quellengrundlage und in einfachem Erzählstil das bewegende Portrait einer ungewöhnlichen und mutigen Frau.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensentin Stefanie Schüler-Springorum hält den Atem an. So nah kommt Michael Uhl seiner Figur, der Spanienkämpferin, der in Auschwitz ermordeten deutschen Jüdin Betty Rosenfeld. Dem Autor gelingt es laut Rezensentin, die Geschichte des Holocaust und des Kampfes gegen den Faschismus beeindruckend anhand einer Einzelbiografie und aus konsequent weiblicher Perspektive zu erzählen. Die Rechercheleistung des Autors scheint der Rezensentin enorm, genau und akribisch. Der Subjektivismus der Erzählung ist Programm, erkennt sie, und gerade dadurch wird der Autor den Menschen, ihren Haltungen und Hoffnungen gerecht.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.09.2022

Solche Geschichten
kennen wir
Michael Uhls brillante Biografie von Betty Rosenfeld
Ich vermute, es war keine Absicht – oder vielleicht doch? So oder so hat Michael Uhl uns allen mal eben die singulären Elemente des Holocaust und seine Verwobenheit mit anderen Verfolgungen historisch ausbuchstabiert, als gäbe es keine theoretischen Grabenkämpfe und keine erbitterten Debatten über dieses Thema. Er tut dies am Beispiel „einer Biografie“, die in Wahrheit ein Familien- und Freundschaftspanorama über den halben Globus spannt.
Die Geschichte der Betty Rosenfeld ist schnell erzählt und hat sich so und anders tausendfach zugetragen: Eine junge deutsche Jüdin, Jahrgang 1907, aus bürgerlich-liberalem Elternhaus, gebildet und gut ausgebildet, erst jüdisch aktiv bei den „Kameraden“, dann politisch bei den Kommunisten, rettet sich nach Palästina, meldet sich freiwillig, um in Spanien als Krankenschwester für die Republik zu kämpfen, wird in Frankreich interniert und schließlich in Auschwitz ermordet. Ihrer jüngsten, in die USA geflohenen Schwester gelingt es nicht mehr, sie und die in Stuttgart verbliebene dritte Schwester, Mutter und Tante zu retten.
Solche Geschichten kennen wir, aus Geschichtsbüchern und Autobiografien, aus Romanen und Filmen: sie verweben die Lebenswelt des deutsch-jüdischen Bürgertums in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit seinen Generations- und Politkonflikten und lokale Topografien (hier: Stuttgart bzw. der deutsche Südwesten) mit den Schauplätzen des großen Krieges gegen den europäischen Faschismus, in Spanien und Palästina, in West- und Osteuropa. Man kennt die Stationen der Verfolgung in Deutschland, den Kampf um Visa und Durchreiseerlaubnisse, um Geld und Kontakte, und wir haben schon oft dramatische Geschichten des Zufalls gehört, durch die die einen sich in letzter Minute retten konnten und die anderen eben nicht. Oft wird dann gesagt, man wolle den Toten auf diese Weise „ein Denkmal setzen“ oder an ihr „tragisches Schicksal“ erinnern, in diesem Fall das einer „mutigen Frau“.
Michael Uhls Buch ist all dies auch, aber eben zugleich so viel mehr – denn der Autor ist auf eine sehr sympathische Weise manisch: Der Umfang seiner Recherche ist schlicht atemberaubend, er begnügt sich nicht mit dem ohnehin schon außergewöhnlich dichten Briefnachlass der Familie Rosenfeld, sondern interessiert sich zudem für alles und jeden, die irgendwann und -wo ihren Weg kreuzten, auch wenn sie nicht so prominent sind wie Friedrich Wolf oder Dora Benjamin-Schaul. Das Personenregister ist gar nicht umfangreicher als in anderen Büchern zu diesen Themen, aber hinter fast jedem Namen stehen eigene biografische Recherchen, die in den Text eingearbeitet werden. Der Autor ist, dies sei nebenbei angemerkt, ein Wiederholungstäter: Er hat mit seiner Dissertation vor vielen Jahren das beste Buch vorgelegt, was je zur deutschen Geschichte der Interbrigaden im Spanischen Bürgerkrieg geschrieben worden ist, ähnlich umfangreich und genau akribisch recherchiert. Es ist schon ein bisschen amüsant, dass er jenes wirklich brillante Werk im Vorwort als „trockenes Buch für hartgesottene Leser“ bezeichnet.
Aber vermutlich erklärt dies auch den neuen Duktus seines zweiten Buches, dem zahlreiche Leser und Leserinnen, ob hartgesotten oder nicht, ebenfalls zu wünschen sind. Damals verblieb Uhl im Duktus der Qualifikationsarbeit – was vermutlich hilfreich war angesichts der Dramen und Deutungskämpfe der Linken im 20. Jahrhunderts, die er distanziert, aber immer ausgewogen nachzeichnete.
Für Betty Rosenfeld, ihre Familie und Freunde nun wechselt er die Blickrichtung, er geht so nah dran, wie es die überlieferten Dokumente und Fotos erlauben und manchmal auch ein wenig darüber hinaus: Er wollte ein bewusst subjektives Buch schreiben, eines, das den Menschen gerecht wird, ihren Haltungen und Erwartungen, Hoffnungen und Verzagtheiten.
Und es ist diese sehr kleinteilige, eng an den handelnden Personen entlanggeschriebene Perspektive, die dreierlei deutlich macht: Seine Erzählung führt gleichsam plastisch vor Augen, was es bedeutet, wenn man, wie es von jüngeren Historikerinnen schon länger eingefordert wird, die Geschichte der jüdischen Reaktionen auf die NS-Verfolgung konsequent aus dem Zeithorizont der Akteure heraus schreibt, wenn man also die Spannung zwischen dem Koselleck’schen „Erfahrungsraum“ und „Erwartungshorizont“ ernst nimmt, so ernst, dass einem an vielen Stellen der Atem stockt. Zudem ist es das erste Buch, dass dies nolens volens aus weiblicher Sicht erzählt: Betty Rosenfeld hatte nun einmal zwei Schwestern, als Krankenschwester in Spanien und Internierte lebte sie jahrelang nur mit Frauen zusammen, deren Schicksale dementsprechend sehr viel Raum einnehmen in einem Umfeld, das sonst vor allem von den Biografien der Kämpfer und Widerstandshelden dominiert wird. Und schließlich hat Michael Uhl die verflochtene Geschichte des Kampfes gegen den Faschismus geschrieben, der Verfolgung von Jüdinnen, Kommunistinnen und Behinderten im Deutschland der Dreißigerjahre und schließlich des Furors des Krieges und Mordens, dem alle drei Gruppen erlagen, wenngleich in unterschiedlicher Konsequenz. Eindrücklich wird noch einmal deutlich, von wie viel Zufällen für alle – egal wo in Europa – die Rettung abhing, aber auch, mit welcher Unerbittlichkeit das NS-Deutschland in Gestalt seiner Bürokraten und Nachbarinnen zwei über siebzigjährige Frauen ihres Hab und Gutes beraubte, um sie schließlich bis nach Ostpolen zu verschleppen und dort nackt in einer Gaskammer zu ermorden.
Michael Uhl hat mehr getan, als Betty Rosenfeld und ihren ermordeten Verwandten und Freunden ein Denkmal zu setzen. Er hat uns noch einmal die ganze gottverdammte jüdisch-europäisch-linksradikale Geschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vor Augen geführt – und deshalb lohnt es sich, alle 600 Seiten zu lesen, in aller Detailfreude und Kleinteiligkeit: Denn danach hat man noch einmal besser verstanden, was man eigentlich schon längst zu wissen glaubte.
STEFANIE SCHÜLER-SPRINGORUM
Was man längst zu
wissen glaubte, versteht man
hier noch einmal neu
Betty Rosenfeld auf einem Pariser Polizeibild.
Foto:Schmetterling Verlag 
Michael Uhl: Betty Rosenfeld. Zwischen Davidstern und roter Fahne. Biografie. Schmetterling-Verlag, Stuttgart 2022.
672 Seiten, 40 Euro.
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Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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