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Während Ava Garcia um ihr inneres Gleichgewicht ringt und um die Entscheidung, ihr ungeborenes Kind zu behalten oder nicht, kämpft Paul Faber um ihre Liebe und eine gemeinsame Zukunft. Angesiedelt im Nordwesten Schottlands sowie am Bodensee erzählt »Wild wie die Wellen des Meeres« die vielschichtige Beziehung zwischen den beiden Liebenden. Anna Stern folgt der Familiengeschichte von Ava Garcia bis weit in die Vergangenheit, parallel dazu schildert sie die Gegenwart von Paul Faber. Stern gelingt ein beeindruckender Roman über den Umgang mit Trauer, die Präsenz der Vergangenheit und die trügerische Authentizität von Erinnerungen.…mehr

Produktbeschreibung
Während Ava Garcia um ihr inneres Gleichgewicht ringt und um die Entscheidung, ihr ungeborenes Kind zu behalten oder nicht, kämpft Paul Faber um ihre Liebe und eine gemeinsame Zukunft. Angesiedelt im Nordwesten Schottlands sowie am Bodensee erzählt »Wild wie die Wellen des Meeres« die vielschichtige Beziehung zwischen den beiden Liebenden. Anna Stern folgt der Familiengeschichte von Ava Garcia bis weit in die Vergangenheit, parallel dazu schildert sie die Gegenwart von Paul Faber. Stern gelingt ein beeindruckender Roman über den Umgang mit Trauer, die Präsenz der Vergangenheit und die trügerische Authentizität von Erinnerungen.
Autorenporträt
Anna Stern, geboren 1990 in Rorschach. Doktoriert und schreibt in Zürich. Zuletzt erschienen: »Beim Auftauchen der Himmel« (2017, Erzählungen, lectorbooks). »Der Gutachter« (2016, Roman, Salis). »Schneestill« (2014, Roman, Salis). 2018: 3sat-Preis, Tage der deutschsprachigen Literatur, Klagenfurt. Förderpreis der St. Gallischen Kulturstiftung. www.annastern.ch
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.04.2019

Nicht einmal im Krankenhaus ist man vor den Geistern sicher
Im Ideenpalast: Anna Sterns Roman "Wild wie die Wellen des Meeres" erzählt seine Liebesgeschichte mit hochvirtuosen Mitteln

Im ersten Teil dieses Romans wird immer wieder rückwärts, im zweiten konsequent vorwärts erzählt. Anna Stern, eine noch nicht einmal dreißigjährige Schriftstellerin aus Rorschach (wo die Handlung ihres neues Buchs teilweise angesiedelt ist), weiß mit Originalität zu überraschen, obwohl der Titel des Romans, "Wild wie die Wellen des Meeres", höchsten Kitschverdacht erweckt. Aber das Pathos der alliterierenden und assonanten Benennung dieses Buchs ist schon ein erster Trick: Ja, hier geht es durchaus um große Gefühle, denn "wild", das meint natürlich just diese, besonders die der jungen Schweizer Biologin Ava, die im Mittelpunkt des Ganzen steht, obwohl sie zur Überbrückung einer Krise ihrer Liebe zu dem ein paar Jahre älteren Polizisten Paul an die äußerste europäische Peripherie geht, ins schottische Hochland, um dort auf einer ornithologischen Station Vögel zu beobachten. Trauer im Herzen und im Leib das gemeinsame Kind - das hätte Rosamunde Pilcher nicht besser beginnen können. Aber Anna Stern macht etwas ganz anderes daraus.

Man kommt nicht umhin, die Geschichte der von den Herausforderungen einer dräuenden bürgerlich-familiären Existenz verwirrten und in den Naturschutz geflüchteten Ava mit Antje Ravic Strubels Roman "Sturz der Tage in die Nacht" von 2011 zu vergleichen, dessen Heldin sich zur Vogelbeobachtung nach Bornholm zurückzog. Oder mit T. C. Boyles "Wenn das Schlachten vorbei ist" von 2012, das vom vergeblichen Versuch erzählt, auf einigen der kalifornischen Küste vorgelagerten Inseln die Vogelwelt durch Ausrottung aller durch Menschenwerk dahingelangten Säugetiere zu retten. Jeweils spiegeln sich in der Bedrohung der Vögel die persönlichen Bredouillen der Menschen, die sie schützen wollen. Bei Anna Sterns neuem Roman ist das nicht anders. Was sie indes von Boyle unterscheidet, ist der völlige Verzicht auf Ironie zugunsten einer geradezu verstörenden Ernsthaftigkeit bei der Schilderung der Gefühle des zentralen Liebespaars. Was sie von Strubel unterscheidet, ist der Verzicht auf jegliche Thematisierung der Fragwürdigkeit sexueller Identität. Wo zwei sich lieben - und das tun Ava und Paul trotz aller Anfechtungen -, braucht es gar keine Zweifel anderer Art. "Wild wie die Wellen des Meeres" ist insofern ein vollkommen unzeitgemäßer Roman, wild wie die Werke des viktorianischen Zeitalters. Schon die gemächliche Weise, wie sich Ava nach Schottland begibt, mit Zügen in tagelanger Anreise, evoziert ähnliche Szenen aus Klassikern der englischen Literatur.

Wie gut Anna Stern zu erzählen versteht, das bewies vor zwei Jahren ihr Erzählungsband "Beim Auftauchen der Himmel", während die beiden früheren Romane "Schneestill" und "Der Gutachter" ihre Geschichten zugunsten eines bisweilen forcierten Schreibstils vernachlässigten. In "Wild wie die Wellen des Meeres" werden nun die Stärken der mikroskopischen Persönlichkeitsstudien aus den Erzählungen fortgesetzt - unvergesslich etwa das Porträt der geschwätzigen Dolores, die Ava auf der Fahrt nach Glasgow kennenlernt und danach keine Rolle mehr für die Romanhandlung spielt, dafür eine umso größere in unserer Erinnerung an das Geschehen. Und die Konstruktion ist diesmal so geschickt angelegt, dass das stilistische Raffinement ein Bündnis mit dem Erzählten eingeht.

Natürlich erhöht die partielle Rückwärtserzählung der ersten Hälfte die Spannung darauf, wie Ava in die Situation gekommen ist, die ihr gleich zu Beginn den Weg in die schottische Abgeschiedenheit nahelegt. Und die immer weiter zurückgreifenden Erinnerungen an ihre Liebe zu Paul lassen nicht nur diese Paarbildung begreifen, sondern auch die Lebensumstände einer früh traumatisierten Frau, deren Familie im Gegensatz zu derjenigen Pauls in die Schweiz zugezogen sein muss. Dass sie es ist, die nun auszieht, das Land verlässt, wird so zur Konsequenz einer soziologischen Ungleichheit, die nie explizit thematisiert, aber dem Geschehen inhärent ist.

Gleichzeitig überrascht Anna Stern immer dann wieder, wenn man glaubt, die Psychologie ihrer Figuren durchschaut zu haben, und sei es nur auf Grundlage so naheliegender Attribute wie etwa Pauls Polizistendaseins. Doch selbst diese Berufswahl verdankt sich Avas Einfluss. Und dann schaltet Anna Stern Gespräche zwischen den beiden Liebenden ein, und daraus werden die eigentlichen Fragen deutlich, die Paul umtreiben: "Gibt es einen freien Willen. Bestimmt unsere Vergangenheit, wohin wir uns in Zukunft bewegen. Sind Körper und Bewusstsein unabhängig voneinander. Wie funktioniert Altruismus." Natürlich finden alle diese Fragen, die später im Buch sogar noch einmal wiederholt werden, Beantwortung im Roman. Nicht als Moralabwägung, sondern als vorgelebtes Exempel.

Dadurch, dass Anna Stern auf die Kennzeichnung wörtlicher Rede im Text verzichtet, macht sie die Lektüre nicht leicht, aber die Untrennbarkeit der beiden Hauptfiguren wird dadurch in ihren Unterhaltungen noch deutlicher. Der gleichen Struktur gehorcht die Durchmischung von Realität und Phantasma, die Ava zunehmend erfährt, bis sie am Ende des Romans, nach einem Unfall im Krankenhaus liegend, eine veritable Geistererscheinung erlebt. Wie auch in den beiden unterschiedlichen Augenfarben von Ava schon David Bowie eine Wiedergeburt erlebt hat, wenn auch nur in unserer Phantasie; im Roman selbst gibt es dafür nur Zeichen an der Wand: Poster, Fotos.

Anna Stern hat ohnehin auch alle Mittel postmoderner Romane parat: Pop-Anspielungen, Alltagstonfall, dann wieder höchstes Pathos, integrierte Abbildungen, nicht wenige davon privater Herkunft aus dem Umfeld der Autorin, typographische Extravaganzen und Metafiktion wie etwa in jener Passage, als Ava das Antiquariat eines jungen Schotten besucht, in den sie sich verlieben wird, und eine regelrechte Buchschwärmerei einsetzt, jeweils im Roman Satz für Satz voneinander abgesetzt: "Geschichten zwischen Buchdeckeln. Wortreiche Wörterreiche. Weltenwolken. Ideenpaläste. Die Vorstellung, dass ein Buch auch die Geschichte all jener zu erzählen vermag, die es je gelesen haben." Ungefähr so empfindet man die Lektüre dieses Romans selbst.

ANDREAS PLATTHAUS

Anna Stern: "Wild wie die Wellen des Meeres". Roman.

Salis Verlag, Zürich 2019. 320 S., Abb., geb., 24,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Nicht vom "Rosamunde-Pilcher"-Titel abschrecken lassen, warnt Rezensent Andreas Platthaus, der Anna Sterns Roman für ein Meisterwerk hält - und im Vergleich zu Antje Ravic Strubels Roman "Sturz der Tage in die Nacht" und T. C. Boyles "Wenn das Schlachten vorbei ist" liest. Denn hier wie dort spiegeln die AutorInnen die privaten Krisen ihrer Helden in der Bedrohung der Vögel, die sie schützen wollen, erklärt der Kritiker, der Stern im Gegensatz zu Strubel und Boyle allerdings eine "verstörende Ernsthaftigkeit" attestiert. Mehr noch: Wenn die Autorin ihre Heldin Ava ganz behutsam in die schottische Abgeschiedenheit führt, fühlt sich der Rezensent an Werke des viktorianischen Zeitalters erinnert. Wie Stern darüber hinaus die Persönlichkeiten ihrer Figuren unter dem Mikroskop zerlegt und den Leser immer wieder mit überraschenden Wendungen in die Irre führt, hat Platthaus beeindruckt. "Pop-Anspielungen", "Pathos", "typografische Extravaganzen" und "Metafiktionen" zeigen dem Rezensenten außerdem, wie gut die Autorin postmodernes Erzählen beherrscht. Und Sterns "Wortreiche Wörterreiche. Weltenwolken" und "Ideenpaläste" vergisst Platthaus ohnehin nicht mehr.

© Perlentaucher Medien GmbH