24,00 €
inkl. MwSt.
Versandkostenfrei*
Sofort lieferbar
payback
0 °P sammeln
  • Gebundenes Buch

1 Kundenbewertung

Ein Jahrhundertleben: die Biographie zum 100. Geburtstag der großen Widerstandskämpferin Freya von Moltke zählt zu den herausragenden Persönlichkeiten des Widerstands gegen den Nationalsozialismus. Gemeinsam mit ihrem Mann Helmuth James bildete sie den Kern des berühmten «Kreisauer Kreises». Nach dem Krieg hat sie das Vermächtnis der Kreisauer mit neuem Leben erfüllt und damit nicht zuletzt maßgeblich zur deutsch-polnischen Aussöhnung beigetragen. Auf der Grundlage zahlreicher Gespräche und bisher nicht beachteter Quellen zeichnet Sylke Tempel das Porträt dieser beeindrucken-den, mutigen Frau.…mehr

Produktbeschreibung
Ein Jahrhundertleben: die Biographie zum 100. Geburtstag der großen Widerstandskämpferin
Freya von Moltke zählt zu den herausragenden Persönlichkeiten des Widerstands gegen den Nationalsozialismus. Gemeinsam mit ihrem Mann Helmuth James bildete sie den Kern des berühmten «Kreisauer Kreises». Nach dem Krieg hat sie das Vermächtnis der Kreisauer mit neuem Leben erfüllt und damit nicht zuletzt maßgeblich zur deutsch-polnischen Aussöhnung beigetragen. Auf der Grundlage zahlreicher Gespräche und bisher nicht beachteter Quellen zeichnet Sylke Tempel das Porträt dieser beeindrucken-den, mutigen Frau. Ein glänzend geschriebenes Lebenspanorama - und zugleich eine Zeitreise durch ein Jahrhundert deutscher Geschichte.
Autorenporträt
Sylke Tempel, geboren 1963 in Bayreuth, studierte Geschichte, Politische Wissenschaften und Judaistik. Nach ihrer Promotion wurde sie Nahostkorrespondentin der 'Woche', später Redakteurin der 'Jüdischen Allgemeinen'. Ab 2008 war sie Chefredakteurin der Zeitschrift 'Internationale Politik'. Zahlreiche Buchveröffentlichungen, darunter 'Israel. Reise durch ein altes, neues Land' (2008) und 'Die Tagesschau: Das große Deutschlandbuch' (2010). Am 5. Oktober 2017 kam Sylke Tempel bei einem durch den Orkan Xavier verursachten Unfall in Berlin ums Leben.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.02.2011

„Ich trug Dich so fest bei mir. Das war sehr schön zu fühlen.“
Bewegende Zeugnisse hoher Gesinnung: Freya von Moltke im posthum erschienenen Gefängnis-Briefwechsel mit ihrem Mann und in zwei neuen Biographien
„Wie fest trage ich Dich bei mir, mein Herz, ganz ganz fest und mit der felsenfesten Sicherheit, daß daran auch Dein Tod nichts ändern kann. Das hat mich der liebe Gott, und hast auch Du, mein Herz, gelehrt.“ So schreibt Freya von Moltke am 23. Januar 1945. Doch der Mann, an den diese Worte gerichtet sind, wird den Brief nicht mehr erhalten. Helmuth James von Moltke wird zur selben Stunde in Berlin-Plötzensee ermordet. Am Morgen hat ihn der Tegeler Gefängnispfarrer, Harald Poelchau, noch gesehen; als der Geistliche mittags vorbeikommt, ist die Zelle leer.
Helmuth James von Moltke (1907- 1945) ist eine der beeindruckendsten Gestalten des deutschen Widerstands gegen das Naziregime. Er ist der Begründer des Kreisauer Kreises – benannt nach Moltkes Heimatgut Kreisau, wo er und seine Mitverschwörer Pläne für ein besseres Deutschland nach Hitler entwerfen. Als Sachverständiger für Kriegs- und Völkerrecht im Amt Ausland/Abwehr des Oberkommandos der Wehrmacht (OKW) in Berlin rettet er ungezählte Menschenleben, indem er sich gegen Geiselerschießungen und andere Verbrechen einsetzt. Im Januar 1944 wird er verhaftet, nachdem er den Diplomaten Otto Carl Kiep am Telefon vor der Gestapo gewarnt hat. Seltsamerweise weiß diese von den Kreisauern gar nichts. Erst nach dem Attentat des 20. Juli 1944 gegen Hitler finden die Häscher auch heraus, was dort in Kreisau besprochen wurde. Vor dem „Volksgerichtshof“ wird er zum Tode verurteilt.
Freya von Moltke, 1911 als Tochter der Kölner Bankiersfamilie Deichmann geboren, tippt die Kreisauer Protokolle auf der Schreibmaschine, ihr Mann teilte alle Geheimnisse mit ihr. Dann, im Januar 1944, erhält sie den Anruf, den sie immer gefürchtet hatte: „Helmuth ist verreist“, sagt ein Vertrauter, das Code-Wort für den schlimmsten Fall: Sie haben Helmuth erwischt.
Schon Helmuth James von Moltkes 1988 veröffentlichte „Briefe an Freya“ und seine Briefe und Tagebücher aus der Haft („Im Land der Gottlosen“, 2009) sind Zeugnisse hoher Gesinnung. Zwei Briefe hat die Witwe gleich nach dem Krieg veröffentlicht. Manche Worte Moltkes wurden so zum vielzitierten Epitaph eines Aufstands des Gewissens: Er habe „nicht als Protestant, nicht als Großgrundbesitzer, nicht als Adliger, nicht als Preuße, nicht als Deutscher“ vor Gericht gestanden, „sondern als Christ, und als gar nichts anderes“. Und doch ist die neue, jetzt erschienene Edition die beeindruckendste von allen. Die Briefe waren meist unbekannt, es sind die geheimen Botschaften des Paars – Verschwörer, Eheleute, Liebende –, die Pfarrer Poelchau, ein weniger bekannter Held des Widerstandes, unter Lebensgefahr zwischen dem Gefängnis Berlin-Tegel und der Freiheit hin- und herschmuggelte. Freya von Moltke, die am Neujahrstag 2010 starb, hat die Veröffentlichung des Schriftwechsels zu ihren Lebzeiten nicht gewollt – er war zu intim, zu persönlich, zu sehr an Wunden rührend, die nie verheilten. Sie hatte aber die Größe, eine posthume Edition zu gestatten – glücklicherweise.
Es sind Briefe, verfasst in hoffnungsloser Situation, die doch voller Hoffnung sind: auf ein anderes, besseres Deutschland, auf ein Ende der Staat gewordenen Unmenschlichkeit – und ein wenig auch auf das Unmögliche, auf ein Wunder, nämlich die Rettung Moltkes. Doch es sollte nicht sein. Vier Tage nach Moltkes Tod befreite die Rote Armee das Vernichtungslager Auschwitz, im Westen stand die deutsche Front kurz vor dem Kollaps. Aber die Bosheit, Rache an seinen Feinden zu nehmen, die besaß das sterbende Regime noch. Obwohl Freya von Moltke, die auf freiem Fuß geblieben war, alles versuchte, Gnade für ihren Mann zu erwirken – es war vergebens.
Diese Briefe enthalten manches Politische, es spricht aus ihnen das oftmals naive, manchmal weltfremde Denken der Kreisauer, aber auch die Kraft des Geistes, die manche Menschen Widerstand leisten ließ, den so viele andere nicht wagten. Noch mehr aber sind es Dokumente einer großen Liebe, die beiden wiederum erst die Kraft zum Widerstand gab. Am 26. Oktober 1944 schreibt Helmuth von Moltke an seine Frau: „Heute im Halbschlaf hatte ich einen merkwürdigen Gedanken. Ich kam zur Hinrichtung nach Plötzensee, und da sagt der Henker: ,Wie soll ich denn den linken alleine hinrichten ohne den rechten; das geht ja nicht‘. Und als man mich ansah, da warst Du an meiner rechten Seite angewachsen, wie die Siamesischen Zwillinge, so dass eine Hinrichtung unmöglich war.“
Durchdrungen sind die Briefe von einer tiefen protestantischen Gläubigkeit: „In mir war die große Furcht, ich könnte trotz allem nicht würdig sein, aber ich war mir dann ganz klar; zum Gedächtnis des Todes Christi, in der Bereitschaft, seinen Weg als den einzigen wirklichen Weg zu Gott zu erkennen, und durch seine Hilfe, das auf uns zu nehmen, was er uns bescheiden hat“, schreibt Freya am 29. November 1944 an ihren Mann.
Beschieden war ihr ein außergewöhnliches Leben von der Widerstandskämpferin bis zur Wegbereiterin der deutsch-polnischen Versöhnung. Diesem Leben widmen sich jetzt gleich zwei Biographien, verfasst von der Historikerin Frauke Geyken und der Chefredakteurin der Zeitschrift Internationale Politik, Sylke Tempel. Deren Buch ist literarischer, Frauke Geykens ausführlicher, reich mit Bildern versehen und mit ausführlichem Quellenapparat. Es ist lebendig, einfühlsam und spart nicht mit Sympathie für die Hauptperson. Dabei hatte Frauke Geyken gewaltiges Pech: Nachdem es ihr mühsam gelungen war, die greise Widerstandskämpferin zu bewegen, an dem Projekt mitzuwirken, starb Freya von Moltke wenige Wochen vor dem geplanten Treffen. Am Beispiel ihrer Heldin lässt die Autorin den Frauen des Widerstands späte Gerechtigkeit widerfahren. Die meisten von ihnen blieben nach 1945 als Witwen zurück, deren traurige wie tapfere Geschichte in der vergesslichen Nachkriegsgesellschaft zu wenige hören wollten. Erika Canaris, die Witwe des ermordeten Chefs der Abwehr, schrieb noch 1958 bitter: „Für uns gibt’s doch nur eines: Schild an die Haustür ,Hier wohnen Verräter‘.“ Als nach langen Kämpfen der Widerstand gegen Hitler geradezu zum historischen Bezugspunkt der Bundesrepublik wurde, galt das Interesse den Männern, die man als die eigentlich Handelnden betrachtete.
Doch die Frauen waren direkt beteiligt, „wir gehörten stark dazu“, wie Freya von Moltke 1992 erklärte. Einfühlsam schreibt Sylke Tempel: „Nicht einen Augenblick lang hat Freya ihn daran zweifeln lassen, dass sie mittrug, was er tat“, durch die „Entscheidung des bewussten Mittragens hatte sie auch ihre eigene Freiheit gefunden“. Geyken nennt, zu Recht, die Frauen „die Verbündeten ihrer Männer“. Durch „ihr Mitwissen wurden sie zu Mitverschwörerinnen. Die Last der bedrückenden konspirativen Arbeit gegen das Terrorregime konnte auf zwei Schultern verteilt werden.“
Der deutsche Widerstand, gerade innerhalb der staatlichen Institutionen wie der Wehrmacht, war eine einsame, noch dazu vom Glück verlassene Angelegenheit. Er wurde getragen von Zweiflern, Humanisten, Gläubigen; sie konnten das Regime nicht schlagen, das gelang erst den Heeren der künftigen Weltmächte, der USA und der Sowjetunion. Aber gerade darum, in dieser Einsamkeit, ist das Zeugnis von Menschen wie Freya und Helmuth James von Moltke so bedeutsam – und rührt bis heute ans Herz.
Am Morgen seines Todestags hat er ihr den letzten Brief geschrieben; er endet mit dem Satz: „Ich trug Dich so fest bei mir. Das war sehr schön zu fühlen.“
JOACHIM KÄPPNER
HELMUTH JAMES UND FREYA VON MOLTKE: Abschiedsbriefe. Gefängnis Tegel September 1944-Januar 1945. Herausgegeben von Helmuth Caspar von Moltke und Ulrike von Moltke. Verlag C. H. Beck, München 2011. 608 Seiten, 29,95 Euro.
FRAUKE GEYKEN: Freya von Moltke. Ein Jahrhundertleben 1911-2010. C. H. Beck, München 2011. 287 S., 19,95 Euro.
SYLKE TEMPEL: Freya von Moltke. Ein Leben. Ein Jahrhundert. Rowohlt Berlin, Berlin 2011. 221 Seiten, 19,95 Euro.
Aufstand des Gewissens und
Kraft der Liebe: Dieses Paar des
Widerstands rührt uns bis heute
Freya von Moltke (links) überlebte ihren 1945 hingerichteten Mann Helmuth James von Moltke um 55 Jahre. Fotos: Martin Lengemann/Intro:, SZ-Photo
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.03.2011

Eine Frau mit Bedeutung

Das Leben der Freya Gräfin von Moltke war geprägt von innerer Unabhängigkeit. Zum 100. Geburtstag am 29. März liegen eine süffig geschriebene und eine akribisch recherchierte Biographie vor.

Von Karina Urbach

Zwei Frauen begeben sich auf die Suche nach einer dritten. Da es sich bei der Gesuchten um eine veritable Heldin handelt, könnte dies leicht zu einer hagiographischen Irrfahrt werden. Doch Frauke Geyken und Sylke Tempel kämpfen in ihren Biographien über Freya von Moltke tapfer gegen diese Versuchung an. Ihr Untersuchungsobjekt gibt postum die Methodik vor - da Freya selbst jegliches Pathos ablehnte, treffen auch ihre Biographinnen fast immer den richtigen Ton. Bis kurz vor ihrem Tod 2010 war sie "nur" die Ehefrau von Helmuth James Graf von Moltke. Von der Öffentlichkeit wurde sie als ewige Witwe wahrgenommen, doch sie war alles andere als eine "Frau ohne Bedeutung". Das lag vor allem an ihrer geerdeten Lebenseinstellung und dem früh gefassten Entschluss, sich von nichts erschüttern zu lassen.

Als ihr Vater Carl Theodor Deichmann 1931 seine Bank samt Privatvermögen verlor, kommentierte die Tochter dies lapidar mit den Worten "ich heiratete als armes Mädchen". Dass sie sich nie als arm empfand, machte sie resistent gegen allerlei Versuchungen. Helmuth James von Moltke nannte die wichtigste Eigenschaft seiner Frau eine "Stabilität, die sie von Hause aus hat". Freya war weder eine besonders gute Juristin noch eine herausragende Schönheit - aber sie hatte eine unwiderstehlich starke Persönlichkeit: "Ich bin ja für die Menschen gemacht, weil ich so gut lieben kann", urteilte sie über sich selbst. Ihre überbordende Großzügigkeit führte dazu, dass sie als 24-Jährige allein das Moltkesche Gut Kreisau managen musste und nebenher für das Wohl unzähliger Hausgäste sorgte, die selten abreisen wollten. Ihr Mann arbeitete unterdessen als Anwalt in Berlin und vertraute auf ihren Führungsstil.

Als sie nach Kriegsbeginn 1939 zu sparsam wurde, zog er sie damit auf, dass die gehorteten Marmeladenvorräte eines Tages den späteren Besitzern Kreisaus viel Freude bereiten würden. Mit dem Einzug von polnischen oder russischen Nacheigentümern rechneten beide fest, und Helmuth James erfand 1942 einen fiktiven Herrn Serpuchow, der die Kreisauer Marmeladenbrote schätzen würde. Da das Moltke-Paar auf den Zusammenbruch der nationalsozialistischen Herrschaft hoffte, diskutierten sie schon seit Januar 1940 Pläne für eine bessere Nachkriegsgesellschaft. Die wissenschaftliche Literatur über den Kreisauer Kreis will nicht enden. Sowohl die süffige Biographie von Sylke Tempel wie auch Frauke Geykens akribisch recherchiertes Porträt interessieren sich nur am Rande dafür. Das ist das einzige Manko der Bücher. Zwar hat die perfekte Gastgeberin Freya bei den Zusammenkünften des Kreisauer Kreises nur den Kaffee eingeschenkt, aber sie bezog sich später immer wieder auf die Ideen ihres Mannes.

Besonders stark sind beide Biographinnen dann wieder, wenn es ans Sterben geht. Das liegt natürlich auch an den wunderbaren Briefen, die Freya und Helmuth James einander geschrieben haben. Moltke wurde sieben Monate vor dem 20. Juli verhaftet, und für einige Zeit gab es die Hoffnung, er könnte freikommen. Als dem Paar die Aussichtslosigkeit der Situation klar wurde, hatten sie ein halbes Jahr Zeit, voneinander Abschied zu nehmen. Sie taten es auf bewundernswerte Weise. Ihre Korrespondenz zeigt keine Larmoyanz, sondern absolute Klarheit über die letzten Dinge. Es sind kluge, manchmal sogar komische Briefe, und es ist ganz klar, dass hier zwei Menschen symbiotisch geworden sind und der eine im anderen weiterleben würde. Diese Intensität erklärt auch, warum Freya von Moltke auf die Hinrichtung ihres Mannes gefasst reagierte und zu keinem Zeitpunkt in eine Trauerspirale verfiel. Sie wusste, was nun ihre Aufgabe war.

Es gab für Freya ein Leben nach 1945 - und dies ist ein Punkt, der bisher wenig Aufmerksamkeit bekommen hat. Welche Probleme die Angehörigen des Widerstands - im Gegensatz zu den Familien von NS-Größen - in den fünfziger Jahren hatten, ist eine eigene Geschichte. Die schiere Existenz der überlebenden Widerständler und ihrer Familien war eine unangenehme Erinnerung daran, dass man sich im "Dritten Reich" auch anders verhalten konnte. Noch 1956 lehnten über 50 Prozent der Deutschen es ab, eine Schule nach dem Hitler-Attentäter Claus von Stauffenberg benennen zu lassen. Die traurige Ironie war, dass aus der langsamen Anerkennung des Widerstandes in Deutschland wiederum ein Politikum wurde. Der englische Historiker Donald Watt urteilte Ende der sechziger Jahre in seinen Vorlesungen, deutsche Widerständler seien eine zu vernachlässigende Gruppe gewesen, die von der Bundesrepublik als Propagandainstrument benutzt würde, um die "guten Deutschen" zu zeigen. Es ist folglich nicht überraschend, dass Freya ein ambivalentes Verhältnis zu Historikern entwickelte. Zwar arbeitete sie mit dem Briten Michael Balfour, einem alten Freund ihres Mannes, gerne zusammen; Gerhard Ritter und Hans Rothfels fehlte aber ihrer Meinung nach das Gefühl für die Menschen, die hinter den Ideen standen.

Ihr eigenes Leben blieb weiterhin von großer innerer Unabhängigkeit geprägt. Sie wurde eine "Weltbürgerin auf drei Kontinenten". 1947 ging sie mit ihren zwei Söhnen nach Südafrika, wo sie sich für Behinderte engagierte. Sie verließ das Land, kurz bevor die Apartheidspolitik verschärft wurde. Doch Deutschland erschien ihr weiterhin zu eng, und als sie den ehemaligen Lehrer ihres Mannes, den Soziologen und Kulturphilosophen Eugen Rosenstock-Huessey, wiedertraf, stellte sie zu ihrer eigenen Überraschung fest, dass sie sich noch einmal verlieben konnte. Die beiden lebten bis zu seinem Tod 1973 zusammen in Vermont.

Freya von Moltke hätte nun den Rest ihres Lebens damit verbringen können, um zwei berühmte Männer zu trauern, aber das Revolutionsjahr 1989 bewahrte sie davor. Zuerst kam ein Anruf von Bundeskanzler Kohl, der mit ihr nach Kreisau reisen wollte. Die Matriarchin der Familie Moltke bestand jedoch auf einer polnischen Einladung - und die kam postwendend. 1990 wurde sie Ehrenvorsitzende der "Stiftung Kreisau für Europäische Verständigung", 1998 konnte die Internationale Jugendbegegnungsstätte Kreisau eröffnet werden. Dank eines Computers, den sie zum 90. Geburtstag geschenkt bekam, wurde sie zur engagierten Ehrenvorsitzenden. Das neue Kreisau steht heute für die Idee eines "permanenten Dialogs" zwischen Polen und Deutschen. Sich auf einen Dialog mit Freya von Moltke einzulassen, hat sich auf jeden Fall gelohnt.

Sylke Tempel: Freya von Moltke. Ein Leben. Ein Jahrhundert.

Rowohlt Verlag, Berlin 2011. 224 S., 19,95 [Euro].

Frauke Geyken: Freya von Moltke. Ein Jahrhundertleben 1911-2010.

C. H. Beck Verlag, München 2011. 287 S., 19,95[Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Im wesentlichen ist Karina Urbachs Doppelbesprechung zweier neuer Freya-von-Moltke-Biografien (die andere ist von Frauke Geyken) eine Schilderung des außergewöhnlichen Lebens einer Frau, die zunächst einmal vor allem als Ehefrau und Witwe bekannt ist: die nämlich des von den Nazis hingerichteten Widerstandskämpfers Helmuth James Graf von Moltke. Beide Biografien betonen allerdings die große "Unabhängigkeit", die Freya von Moltke zeit ihres langen Lebens bewies, ihre "unwiderstehlich starke Persönlichkeit". Sylke Tempels Buch wird dabei als "süffig" gelobt, als einzigen Mangel beurteilt die Rezensentin, dass die Zusamenhänge des Kreisauer Kreises etwas zu kurz kommen.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Sylke Tempels Biografie wird dieser starken Frau gerecht ... ein frisch skizziertes, farbiges Lebensbild." Der Tagesspiegel