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Sonja wartet auf ihre jüngere Schwester Ilse. Sie hätte längst zu Hause sein sollen. In Oslo fällt der erste Schnee. Plötzlich klopft es an der Tür. Draußen stehen drei Polizisten. Es ist das Jahr 1942.
Der preisgekrönte Roman »Beinahe Herbst« handelt vom Schicksal der jüdischen Familie Stern im okkupierten Norwegen, von der Kraft der ersten großen Liebe, vom Hoffen und Verlieren, von kleinen Zufällen und großen Träumen.

Produktbeschreibung
Sonja wartet auf ihre jüngere Schwester Ilse. Sie hätte längst zu Hause sein sollen. In Oslo fällt der erste Schnee. Plötzlich klopft es an der Tür. Draußen stehen drei Polizisten. Es ist das Jahr 1942.

Der preisgekrönte Roman »Beinahe Herbst« handelt vom Schicksal der jüdischen Familie Stern im okkupierten Norwegen, von der Kraft der ersten großen Liebe, vom Hoffen und Verlieren, von kleinen Zufällen und großen Träumen.
Autorenporträt
Marianne Kaurin, geboren 1974, studierte am Norwegischen Kinderbuchinstitut in Oslo.2012 debütierte sie mit ihrem Jugendroman ¿Beinahe Herbst¿, für den sie großartige Kritiken und zwei der wichtigsten Jugendliteraturpreise des Landes erhielt.Die Autorin wohnt mit ihrer Familie in Oslo.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 30.12.2019

Widerstand gegen das Verstummen
Das Leben in Norwegen während des Krieges und der deutschen Besatzung.
Eine junge Jüdin erzählt ihre Geschichte bis hin zur Flucht aus dem Land
VON FRANZISKA AUGSTEIN
Ilse ist ein Teenager und verknallt; ob Herrmann die Liebe ihres Lebens ist, wird sich noch zeigen. In dieser Stimmung benehmen Teenager sich nicht unbedingt vernünftiger als Erwachsene. Ihr Freund Herrmann seinerseits ist in Ilse verknallt. Beide, wie es unter jungen Leuten vorkommt, sind zu ängstlich-scheu, einander zu gestehen, was sie füreinander empfinden. Die Geschichte spielt in Oslo zur Zeit des Zweiten Weltkriegs. 1940 hatten die Deutschen Norwegen eingenommen. Auch dort zogen die Nazis – mit Bertolt Brechts „Ballade vom Baum und den Ästen“ gesagt – die Stiefel aus. Frühmorgens aber zogen sie die Stiefel wieder an, nämlich um unliebsame Elemente abzuholen und abzutransportieren. Zu denen zählt als erster in Ilses Familie ihr Vater.
Marianne Kaurins bewegend-schöne Erzählung handelt vom Zweiten Weltkrieg und von Auschwitz. Die Vernichtung der Juden, der Sinti und Roma und anderer wird heutzutage in der Schule erörtert. Das kann für junge Leute ebenso peinlich sein wie der Sexualkundeunterricht. Man meint da zu wissen, worum es geht („vergasen“), und empfindet weitere Information als unerwünschte Belehrung. Gedenkstättenleiter können ein trauriges Lied davon singen: Wie Schüler, was sie sehen, nicht an sich herankommen lassen wollen und erbarmungslos-gemeine Witze reißen.
„Beinahe Herbst“ ist nicht belehrend. Die Autorin erzählt vom normalen Leben in Oslo. Dass Ilses Familie jüdisch ist, wird erst deutlich, als zu Hause ein siebenarmiger Leuchter aufgestellt wird. Der ist aber nicht aus Silber, bloß aus Messing: Etwas besseres konnte Ilses Vater, ein Schneidermeister, sich nicht leisten. Erst mittels der Beschreibung der Wohnungen wird klar: Die Leute leben einfach. Die Wohnung von Ilses Familie umfasst eine Stube und ein Schlafzimmer. Die Eltern richten in der Stube abends ihr Bett her; die Mädchen schlafen im Schlafzimmer. In der Wohnung oben drüber ist es andersherum.
Was der etwas ältere Herrmann seiner Ilse nicht sagen kann: Angeblich beginnt er eine Ausbildung als Kunstmaler; in Wahrheit ist er aber im norwegischen Widerstand aktiv. Auch seinen Eltern kann Herrmann das nicht sagen, der Vater – ein Arbeiter von Ehre – findet seinen Sohn verachtenswert. Was der Schneider Ilse und seiner Familie nicht sagen kann: Dass er morgens ganz früh aus dem Haus geht, um vor Öffnung des Geschäfts die Nazi-Schmierereien am Laden abzuputzen. Was der Taxifahrer, der in Ilses Haus wohnt, nicht sagen kann: dass er von der NS-Besatzung eingeteilt wurde, Juden abzuholen. Ilses Mutter spürt das Ungesagte. Nachdem ihr Mann von den Nazis abgeholt wurde, spricht sie nicht mehr.
Die Geschichte ist packend. Wie konnten Norweger den jüdischen Mitbürgern ins sichere Schweden helfen? Was wird aus Ilses Familie? Letztlich ist das Buch aber viel mehr als ein zeitgeschichtlicher Roman, es handelt von Menschen und ihren Gefühlen. Die Sprachlosigkeit ist es, worum alles sich dreht. Welche Leser wären nicht schon einmal stumm geblieben, weil sie zu beschämt, zu angewidert, zu stolz, zu vorsichtig oder so sehr verliebt gewesen sind? Dagmar Mißfeldts Übersetzung ist fein – mit Ausnahme von zwei Formulierungen: Wenn jemand staunt, dann kommt es nur in Übersetzungen vor, dass der Frau „die Kinnlade runterfällt“. Und lachen, so dass er sich „auf die Schenkel klopft“, tut ein Mann im Wirtshaus; von einer zarten Mutter zu Hause würde auch eine Ilse das nicht erwarten.
Marianne Kaurin:
Beinahe Herbst.
Aus dem Norwegischen
von Dagmar Mißfeld.
Arctis Verlag,
Hamburg 2019.
224 Seiten, 16 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.01.2020

Wenn man sich vor dem Nachbarn fürchten muss
Marianne Kaurin und Maja Lunde erzählen von der Judenverfolgung in Norwegen unter deutscher Besatzung

Wenn man verliebt ist, hat man vor allem eine Sorge: Wird man auch zurückgeliebt? Ist man klug, lustig, hübsch genug? Und wenn man nur noch daran denkt, ist der Rest der Welt fern. Ilse ist fünfzehn und wartet auf Hermann, mit dem sie zum Kino verabredet ist. Doch Hermann wird nicht kommen. Nicht, weil er Ilse nicht mag. Oder weil mit einem anderen Mädchen ins Kino gegangen wäre. Sondern weil es das Jahr 1942 ist und Norwegen von den Nationalsozialisten besetzt. Seitdem ist nichts wie zuvor.

Gerade einmal fünfundsiebzig Jahre sind seit dem Zweiten Weltkrieg und der Befreiung von Auschwitz vergangen. Keine allzu lange Zeit, könnte man sagen, aber für einen jungen Menschen gleicht diese Zeit einer Ewigkeit. Das Besondere an Literatur ist zum Glück, dass sie uns auch jetzt, Jahre später, in Zeiten zurückbringen kann, die vergangen sind. Uns, wenn sie gut ist, mitfühlen und nicht vergessen lässt, was damals geschah. Marianne Kaurin und Maja Lunde erzählen in ihren Büchern von der Zeit der deutschen Besatzung in Norwegen.

Kaurins Debütroman "Beinahe Herbst" handelt vom Schicksal der jüdischen Familie Stern. Doch das ist nur die halbe Geschichte. Denn eigentlich ist "Beinahe Herbst" die Chronik eines Mehrfamilienhauses in Zeiten der NS-Diktatur. Der Roman erzählt nicht nur von den Opfern, sondern auch von denen, die mitmachen, sowie von denen, die Widerstand leisten.

Sehen wir anfangs noch alles aus der Perspektive der fünfzehnjährigen Ilse, kommen nach und nach auch die anderen Figuren zu Wort - der Vater, die Schwester, ein Nachbar und auch Hermann. Jeder von ihnen nimmt die Situation auf seine Weise wahr: Während der Vater vor Sorge um die politische Zukunft vergeht und versucht, all das von seinen Töchtern fernzuhalten, sind diese mit ihrem eigenen Leben beschäftigt. Der ersten Liebe und der beruflichen Zukunft.

Gerade das Alltägliche, das Kaurin beschreibt, macht die Unbegreiflichkeit der Nazi-Verbrechen deutlich. Eine Familie, in der man sich wiederfindet, mit Geschwisterstreitereien und den Sorgen des Erwachsenwerdens, diese Familie wird von einem Tag auf den anderen ohne Grund verhaftet. Man versteht, warum die Sterns sich nicht rechtzeitig auf den Weg machen, Norwegen nicht wie so viele andere in Richtung Schweden verlassen: Sie können nicht glauben, dass der Hass und die Angst immer engere Kreise ziehen, dass die alten Nachbarn sie verraten könnten und so aus einem gemeinschaftlichen Zuhause eine Bedrohung wird.

Kaurin beschreibt mit drastischen Worten, wie die Nazis morden und quälen: "Der alte Mann versuchte, so gut er konnte, es so zu machen wie die anderen, die Jüngeren, aber es ging nicht schnell genug, es war nicht so, wie es sein sollte. Er ein Krüppel, ein Abschaum, die Wachmänner bekamen von seinem Anblick nicht genug, von den unbeholfenen Bewegungen, was für ein Vergnügen, was für eine Vorstellung."

Maja Lundes "Über die Grenze" ist hingegen eine Geschichte des Überlebens und der Freundschaft. Sie erzählt nicht vom Alltag, sondern von der Flucht und von einem sehr starken Mädchen. Die zehnjährige Gerda entdeckt, dass im Keller ihres Zuhauses zwei jüdische Kinder versteckt sind. Als eines Nachts Polizisten vor der Tür stehen und Gerdas Eltern verhaften, fasst sie einen Entschluss: Sie überredet ihren älteren Bruder Otto, Daniel und Sarah zu helfen und sie über die Grenze nach Schweden zu bringen.

Lunde, die in Deutschland vor allem für "Die Geschichte der Bienen" bekannt ist, erzählt eine spannende Abenteuergeschichte: Auf der Flucht vor Dypvik, dem Vater von Ottos Freund Johann, der Mitglied der NS, der Nationalen Sammlung, ist, wissen weder Figuren noch Leser, wer helfen wird und wer ein Verräter ist.

Doch abgesehen von dieser Spannung, hat "Über die Grenze" nichts von der Wucht von Kaurins Roman. Zwischendurch fallen die Wörter "Nazi" und "Jude", doch dienen sie eher dazu, die Geschichte mit Dramatik zu unterlegen, als von der tatsächlichen Verfolgung während der Besatzung zu erzählen. Da wird kurz ein erklärender Absatz eingeschoben: "WIR, Sarah und ich, sind auf der Flucht vor den Nazis. Ganz in echt! Weil wir nicht mehr in Norwegen wohnen dürfen oder nicht mehr leben dürfen wie normale Menschen!" Besonders subtil ist das nicht.

Im Gegensatz zu den ersten Kapiteln der Geschichte, in denen Lunde beschreibt, wie Gerda Verdacht schöpft, während ihre Eltern weiterhin versuchen, ihr Geheimnis im Keller zu verbergen. Die davon erzählen, dass Otto nicht mehr mit Johann spielen darf, seinem einzigen Verbündeten auf dem Schulhof.

Um zu verdeutlichen, was Verfolgung, Unterdrückung und Mord wirklich bedeuten, um mitfühlen zu lassen, muss man zeigen was eine Diktatur mit Freundschaften, Familien, der ganzen Gesellschaft macht. Maja Lunde gelingt das zumindest zu Anfang ihrer Geschichte, Marianne Kaurin in ihrem gesamten Roman: Das Bild eines Vaters, der morgens früher als alle anderen aufsteht, um die Beleidigungen am Fenster wegzuwischen, damit seine Töchter sie nicht sehen, ist so viel stärker als jeder erklärende Vortrag. Gerda muss nicht sagen, dass Daniel ein normaler Junge ist. Es reicht, es zu zeigen. So viel kann man Kindern, die lesen, schon zutrauen.

ANNA VOLLMER.

Marianne Kaurin: "Beinahe Herbst". Roman.

Aus dem Norwegischen von Dagmar Mißfeldt. Arctis Verlag, Zürich 2019. 224 S., geb., 16,- [Euro].

Ab 14,- J.

Maja Lunde: "Über die Grenze". Roman.

Aus dem Norwegischen von Antje Subey-Cramer. Bilder von Regina Kehn. Urachhaus, Stuttgart 2019. 192 S., geb., 16,- [Euro].

Ab 9 J.

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»Gerade das Alltägliche, das Kaurin beschreibt, macht die Unbegreiflichkeit der Nazi-Verbrechen deutlich.« Frankfurter Allgemeine Zeitung