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Der gebürtige Berliner Gershom Scholem (1897 - 1982), der 1923 nach Jerusalem emigrierte, wurde einer breiteren Öffentlichkeit zunächst hauptsächlich als der Freund und Nachlaßverwalter Walter Benjamins, als Schüler, Verehrer und Antipode Martin Bubers und als Kritiker Franz Rosenzweigs bekannt. Erst in den letzten Jahrzehnten wurde die ungewöhnliche Breite und Tiefe seines Denkens zunehmend als herausragender Beitrag zur europäischen Geistesgeschichte erkannt. Heute gilt Scholem als einer der führenden Intellektuellen Westeuropas und Amerikas und einer der wichtigsten Juden des 20.…mehr

Produktbeschreibung
Der gebürtige Berliner Gershom Scholem (1897 - 1982), der 1923 nach Jerusalem emigrierte, wurde einer breiteren Öffentlichkeit zunächst hauptsächlich als der Freund und Nachlaßverwalter Walter Benjamins, als Schüler, Verehrer und Antipode Martin Bubers und als Kritiker Franz Rosenzweigs bekannt. Erst in den letzten Jahrzehnten wurde die ungewöhnliche Breite und Tiefe seines Denkens zunehmend als herausragender Beitrag zur europäischen Geistesgeschichte erkannt. Heute gilt Scholem als einer der führenden Intellektuellen Westeuropas und Amerikas und einer der wichtigsten Juden des 20. Jahrhunderts überhaupt.

Im Zentrum von Scholems schier unüberschaubaren Veröffentlichungen stand die Erforschung der als Kabbala bezeichneten jüdischen Mystik und mittelalterlichen Esoterik. Erst durch seine kritische Erfassung und Untersuchung der Quellen wurde es möglich, diese reichen, geheimnisvollen und versunkenen Traditionen jüdischer Geschichte zu entschlüsseln. Aus der Fülle seiner Publikationen ragt das Buch über "Ursprung und Anfänge der Kabbala" (1948 auf Hebräisch erschienen) heraus, das Scholem im persönlichen Gespräch als sein Hauptwerk bezeichnete.

Die Neuauflage dieses Klassikers wird durch ein Geleitwort von Ernst Ludwig Ehrlich eröffnet, dessen persönlicher Verbindung zu Scholem und unermüdlichem Einsatz es zu verdanken ist, daß Scholems Werk 1962 überhaupt in einer deutschen Ausgabe erscheinen konnte. In einem ausführlichen Nachwort würdigt Joseph Dan, Schüler und Nachfolger Scholems auf dem Lehrstuhl für jüdische Mystik an der Hebräischen Universität von Jerusalem, Scholems epochalen Beitrag zur kritischen Erforschung der jüdischen Mystik.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.02.2002

Unversteinerte Worte
Heute vor zwanzig Jahren starb Gershom Scholem, der große Erforscher der Kabbala
Vor vierzig Jahren erschien Gershom Scholems Buch „Ursprung und Anfänge der Kabbala”. Das Werk des Professors für jüdische Mystik an der Hebräischen Universität Jerusalem war keine Übersetzung aus dem Hebräischen, denn Scholem hat diese Studien auf deutsch geschrieben, für eine deutsche Leserschaft und für einen deutschen Verlag, obwohl Scholem (1897 bis 1982) ab 1939 vorwiegend auf Hebräisch geschrieben hatte. Zwar hatte er seit 1949 regelmäßig Vorträge auf Deutsch gehalten – aber nicht in Deutschland, sondern auf den „Eranos”-Konferenzen in der Schweiz. Diese wurden vom Zürcher Rhein-Verlag publiziert, ebenso wie die deutsche Fassung von Scholems „Die jüdische Mystik in ihren Hauptströmungen”.
Für die deutsche Fassung – das Buch ist bis heute nicht ins Hebräische übersetzt worden – hatte Scholem ein kurzes Vorwort geschrieben, in dem es heißt: „Zwischen dem deutschen und dem jüdischen Volk ist in den Jahren der Katastrophe und Vernichtung ein Abgrund entstanden, über dessen im vollen Sinne des Wortes blutigen Ernst sich hinwegtäuschen zu wollen vergeblich wäre. Wenn dieses Buch erst jetzt auf deutsch erscheint, so hängt das mit diesem Stand der Dinge zusammen. ... Ein jüdischer Autor kann von sich aus gewiss nicht viel tun, um diese Situation zu ändern, aber er kann Materialien und Instrumente liefern, ja vielleicht auch Einsichten, die bei einer möglich werdenden Aussprache belangvoll werden könnten.”
Als „Ursprung und Anfänge der Kabbala” 1962 in Berlin erschien, fehlten solche Sätze, Scholem kam sofort zur Sache. Das ist um so erstaunlicher, als es 1962 eigentlich gar keine Forscher in Deutschland gab, die sich mit der Kabbala ernsthaft beschäftigten, während die englische Leserschaft (die „Major Trends” wurden 1941, 1946, 1954 und 1955 gedruckt) darauf wartete, die Anfänge der Kabbala behandelt zu sehen, weil Scholem in den „Hauptströmungen” nicht darüber berichtet hatte. Auch die hebräische Leserschaft hätte eigentlich ein Anrecht auf Scholems ausführliche Behandlung des Themas gehabt, hatte dieser doch zuerst im Jahr 1949 auf Hebräisch über den „Anfang der Kabbala 1150-1250” geschrieben. Nein, Scholem wollte auf Deutsch schreiben, und er übersetzte seine Studie von 1949 auch nicht, sondern konzipierte das Buch ganz neu. Die Forschungen seines vierzigjährigen Studiums der Kabbala deutsch resümierend.
Scholem sagt nicht offen, warum er „Ursprung und Anfänge der Kabbala” auf Deutsch geschrieben hat, aber einer der Gründe scheint zu sein, dass er mit den Forschungen in Israel auf Hebräisch nicht einverstanden war. Drei Jahre nach Erscheinen von „Major Trends” geißelte er 1944 die Wissenschaft vom Judentum in Israel mit scharfen Worten: „Nach der Leere der Assimilation (der deutschen Wissenschaft des Judentums) kommt eine andere, die der großsprecherischen nationalen Phrase. Statt des religiösen Predigtstils und der religiösen Rhetorik haben wir einen nationalen Predigtstil und eine nationale Rhetorik in der Wissenschaft kultiviert.” Israelische Autoren kommen in den Anmerkungen des Buches von 1962 fast nicht vor.
Das erste Kapitel hat die Überschrift „Die Lage der Forschung – Die Auffassungen von Graetz und Neumark”. Heinrich Graetz und David Neumark haben auf Deutsch um die Jahrhundertwende geschrieben. An älteren Forschern werden auch Adolf Jellinek, Moritz Steinschneider und David Kaufmann genannt – genau diejenigen Forscher der deutschen Wissenschaft vom Judentum, aus deren Kreis, so Scholem 1944, „kein einziges originäres, lebendiges und unversteinertes Wort über die jüdische Religion kam, kein Wort, in dessen Knochen nicht die Fäulnis der Leere aufgestiegen wäre
und an dem nicht der Wurm der Apologetik genagt hätte.”
Scholem wendet sich mit seinem deutschen Buch von 1962 – es war das Jahr, in dem in Jerusalem Adolf Eichmann gehängt wurde – dennoch wieder diesen Gelehrten zu, ernsthaft und unpolemisch setzt er sich mit ihnen auseinander. Für Scholem war 1962 die zionistische Wissenschaft gescheitert. Die deutsche Wissenschaft des Judentums zwischen 1850 und 1900 wird dadurch jedoch nicht aufgewertet, denn Scholem hält diesen Gelehrten entgegen, „dass die kabbalistische Bewegung im Judentum adäquat nicht in den Kategorien der Philosophiegeschichte dargestellt werden kann, sondern nur in denen der Religionsgeschichte.”
Es seien ausschließlich religiöse Motive gewesen, die die Entwicklung der Kabbala bestimmt hätten. Und das führt Scholem dann aus, souverän, gelehrt, spannend. Im Nachwort informiert Joseph Dan, Professor für Kabbala-Studien an der Hebräischen Universität Jerusalem, zwar über die Entstehungsgeschichte des Buches, den heutigen Stand der Forschung zu dem Thema behandelt er jedoch nur insofern, als er seine eigenen Publikationen betrifft. Dan verweist auf neun seiner eigenen Arbeiten; die Schriften des heute intimsten Kenners der Kabbala, Moshe Idel, werden nicht erwähnt, denn Idel ist ein ernsthafter Kritiker Scholems. So ist die Beschreibung des Forschungsstandes etwas einseitig.
Doch das schmälert nicht den intellektuellen Genuss, den die schwierige Lektüre von Scholems Untersuchungen bietet. Das Buch ist auch heute noch die einzig
ernst zu nehmende Studie zu dem Ursprung und den Anfängen der Kabbala. Und darum muss sie gelesen werden.
FRIEDRICH NIEWÖHNER
GERSHOM SCHOLEM: Ursprung und Anfänge der Kabbala. Mit einem Geleitwort von Ernst L. Ehrlich und einem Nachwort von Joseph Dan. 2. Auflage, Walter de Gruyter Verlag, Berlin u. New York 2001. 452 Seiten, 29,95 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Vierzig Jahre nach seinem ersten Erscheinen bringt der De Gruyter-Verlag Scholems "Ursprung und Anfänge der Kabbala" neu heraus. Friedrich Niewöhner erklärt in seiner respektvollen Kritik noch einmal die komplizierte Geschichte des Buchs, das ursprünglich in deutsch geschrieben war und nie ins Hebräische übersetzt wurde, obwohl Scholem nach seiner Emigration nach Israel eigentlich nur noch auf Hebräisch publizierte. Einer der Gründe für diese Sprach-Entscheidung dürfte nach Niewöhner darin liegen, dass Scholem mit der israelischen Kabbala-Forschung nicht einverstanden gewesen sei - vielleicht wollte er das in Israel nicht so bekannt machen. Ausführlich setze sich Scholem in dem Buch mit der deutschen Kabbala-Forschung des 19. Jahrhunderts auseinander, die er an anderer Stelle scharf kritisiert habe, merkt Niewöhner an. Im vorliegenden Buch sei Scholems Haltung zwar kritisch, aber nicht mehr polemisch. Sein Haupteinwand sei, dass die Kabbala in die Religions-, nicht in die Philosophiegeschichte gehöre. Im Nachwort Joseph Dans vermisst Niewöhner einen Hinweis auf den wichtigen heutigen Kabbala-Forscher Moshe Idel - er vermutet hier ein politisches Motiv, denn Idel ist ein Scholem-Kritiker. Abschließend schwärmt Niewöhner vom "intellektuellen Genuss", das die Lektüre dieses nicht einfach zu lesenden Buches bis heute gewähre.

© Perlentaucher Medien GmbH…mehr