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'Komm mir nicht mit deinen Klischees'Susanne tröstet sich immer mit der Vorstellung vom Leben mit einem Mann, mit dem sie nur kurz zusammen war. Ein unkompliziertes, ein konkretes Leben, mit Zeit für Liebkosungen, sie gehen zur Arbeit, haben Kinder. Und es ist kein Verbrechen, von Familienfesten zu träumen ... Doch diese Vorstellung mündet stets in ein schreckliches Schlussbild: Sie sieht sich selbst weinen angesichts all dieses Glücks, in dem es so gar keinen Zweifel gibt. Ein einziges Mal hatte sie zu ihm gesagt: 'Kim, ich verlasse dich, ich weiß nicht, ob ich dich liebe.' - 'Komm mir nicht…mehr

Produktbeschreibung
'Komm mir nicht mit deinen Klischees'Susanne tröstet sich immer mit der Vorstellung vom Leben mit einem Mann, mit dem sie nur kurz zusammen war. Ein unkompliziertes, ein konkretes Leben, mit Zeit für Liebkosungen, sie gehen zur Arbeit, haben Kinder. Und es ist kein Verbrechen, von Familienfesten zu träumen ... Doch diese Vorstellung mündet stets in ein schreckliches Schlussbild: Sie sieht sich selbst weinen angesichts all dieses Glücks, in dem es so gar keinen Zweifel gibt. Ein einziges Mal hatte sie zu ihm gesagt: 'Kim, ich verlasse dich, ich weiß nicht, ob ich dich liebe.' - 'Komm mir nicht mit deinen Klischees', hatte er geantwortet, und das war wohl auch der Grund, weshalb sie blieb.
Autorenporträt
Helle Helle, geboren 1965, debütierte 1993 mit Eksempel på liv (Beispiele von Leben). Es folgten u. a. die Romane Hus og hjem (1999; Haus und Heim. Deutsch von Verena Reichel) und Forestillingen om et ukompliceret liv med en mand (2002). 2008 erschien Ned til hundene (Zu den Hunden) und 2011 ihr neuster Roman Dette burde skrives i nutid (In der Gegenwart zu schreiben). 2005 wurde sie mit dem Dänischen Kritikerpreis, 2009 mit dem Per-Olov-Enquist-Preis ausgezeichnet. Helle Helle gilt als eine der coolsten dänischen Autorinnen, in ihrem Heimatland sind ihre Bücher Bestseller. Bislang erschienen: Rødby - Puttgarden. Roman. 2010.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Vorsicht vor der Oberfläche, warnt Sandra Kerschbaumer, die in den Texten der dänischen Autorin Helle Helle das Unbehagen darunter spürt. So unspektakulär und detailliert sich die Autorin mit den alltäglichen Realitäten befasst (hier etwa die Großküche eines Krankenhauses, in der die Protagonistin arbeitet), mit Kaffee und Einkauf und Verkehrsmitteln, erläutert Kerschbaumer den Dreh des Textes, so gut erschließt sich für den aktiven, aufmerksamen Leser das Innenleben der Figuren, psychische Räume. Dass die Autorin damit auf subtile Art Gesellschaftskritik übt, Geschlechterrollen und Sehnsüchte thematisiert, weiß die Rezensentin zu schätzen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.06.2012

Liebe, Tod und Putzteufel
Kühl, klar, komisch: Ein Krankenhaus-Roman der dänischen Erfolgsautorin Helle Helle
Krankenhäuser sind gute Orte für Geschichten, das weiß man seit den Fernsehserien „Emergency Room“ oder „Dr. House“. In der abgezirkelten Enge eines Krankenzimmers geht es um das große Ganze, um Leben und Tod, und um diejenigen, die sich dazwischen abmühen. Auch die 1965 geborene Autorin Helle Helle lässt ihren Roman „Die Vorstellung von einem unkomplizierten Leben mit einem Mann“ über weite Strecken in einem Krankenhaus spielen. Das ist allerdings, wie schon der Titel vermuten lässt, kein Ort der Heroen, sondern der subtilen Komik. „Eines Tages betrat Ester zufällig den Spülraum auf der Geburtsstation und sah dort einen Mutterkuchen auf der Waage liegen. Er wog fünfhundertfünfzig Gramm.“ Lebenserhaltende Funktionen erfüllen Helles Figuren Susanne und Ester dennoch. Die eine kocht im Krankenhaus, die andere putzt. Erst die Aufenthaltsräume und Patientenzimmer, dann die Flure, jeden auf dieselbe Art, „in einer Art liegender Achter“.
Präzise seziert Helle Helle den Alltag im Krankenhaus aus der Sicht derer, die ihn am Laufen halten. Die banalen Gespräche während der Rauchpause oder im Schwesternzimmer, die Gedanken, die sich Ester macht, wenn sie die Bäder putzt. „Sie hatte ständig Angst, irgendwelche Fleischstückchen zu finden. Was daher kam, dass sie einmal ein solches unter einem Waschbecken gefunden hatte. Es war gelblich gewesen und hatte sie an das zusammengebundene Ende einer Wurst erinnert.“ Es sind Sätze wie diese, die Helles Roman auszeichnen. Um den Ekel des Todes und die Komische am Leben einzufangen, bedarf es keiner großen Worte und heldenhaften Charaktere. Es reicht, den Blick auf die richtigen Details zu lenken.
Als Meisterin der Beiläufigkeit ist die dänische Bestsellerautorin Helle Helle (die aus ihrem Vornamen und dem Nachnamen einer Verwandten ihr markantes Autorenpseudonym bastelte) inzwischen auch in Deutschland bekannt. Im vergangenen Jahr erschien ihr Roman „Rødby – Puttgarden“, der das ereignisarme Leben zweier Parfümverkäuferinnen auf einem Fährschiff zu einer Parabel über Bewegung und Stillstand verdichtete. Auch „Die Vorstellung von einem unkomplizierten Leben mit einem Mann“, im Original 2002 erschienen, nun auch bei uns in der passgenauen Übersetzung von Flora Fink, verschränkt zwei Frauenschicksale. Das von Ester, die ein Kind von einem gewissen Luffe erwartet, der allerdings in eine andere verliebt ist und nicht weiß, was er will. Und das von Susanne, deren Freund Schriftsteller werden will, aber ebenfalls nicht aus den Puschen kommt. Deshalb muss Susanne erst im Krankenhaus und später bei Privatleuten putzen, um den Lebensunterhalt zu verdienen.
Die beiden Frauen leben zusammen, seit die hochschwangere Ester bei Susanne vor ihrem schluffigen Luffe Zuflucht gesucht hat. Sie kochen, essen, duschen, föhnen sich die Haare, warten, bis bei Ester die Wehen einsetzen und sie ins Krankenhaus muss. Sie reden darüber, wer welche Einkäufe bezahlt, hin und wieder stellt sich Susanne eine Beziehung mit einem Mann vor, den sie früher einmal gekannt hatte. „Es war ein unkompliziertes und konkretes Leben.“
Sonst passiert nicht viel. Dafür wird in dem Roman ständig geputzt. Seitenlang beschreibt Helle Helle, wie Ester mit dem Wischmop durch Räume und Flure fährt oder wie Susanne Fettspritzer hinter dem Kühlschrank beseitigt. Putzen stellt sich bei Helle als das Banalste und das Anmaßendste dar, was ein Mensch tun kann. Wenn man schon keine Ordnung in die Abgründe des Lebens bekommen kann, so ist es zumindest hinter dem Küchenschrank sauber.
So reiht Helle Helle ein kleines Detail an das andere, einen knappen Dialog an den nächsten: „Sie langweilt sich, sie braucht jemanden zum Reden. (. . .) – Man kann doch keinen Mann haben, der Luffe heißt, sagte Kim. – Willst du sie dafür verurteilen? Sie kann ja wohl nichts dafür, dass er so heißt.“ Helles Stil ist schlicht und klar wie ein Stuhl von Arne Jacobsen, und schlicht und klar ist auch, wozu sich die vielen Details am Ende zusammensetzen: zu einer Geschichte über das Werden und das Vergehen.
VERENA MAYER
HELLE HELLE: Die Vorstellung von einem unkomplizierten Leben mit einem Mann. Roman. Aus dem Dänischen von Flora Fink. Dörlemann Verlag, Zürich 2012. 222 Seiten, 19,90 Euro.
Die Männer kommen nicht aus
den Puschen – und der Alltag
wird präzise seziert
Keine Angst vor dunklen Räumen: Die dänische Autorin Helle Helle Foto: Jens Kalaene/dpa
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.08.2012

Was soll man nur aus sich machen?

In Dänemark gilt Helle Helle als Vertreterin einer Generation, die einen Überdruss am Leben im Wohlfahrtsstaat empfindet. In ihrem neuen Roman drückt sie das wieder auf beklemmende Weise aus.

Die Romane von Helle Helle sind eine sachliche Angelegenheit. Das zeigen schon die Titel ihrer bisher auf Deutsch erschienenen Bücher: "Haus und Heim" und "Rødby - Puttgarden". Es gibt wohl keine unspektakulärere Fährverbindung auf der Welt als die zwischen Fehmarn und Lolland, der dänischen Insel, auf der die 47 Jahre alte Autorin mit dem bürgerlichen Namen Helle Olsen aufwuchs. Und gerade für das Unspektakuläre, Unprätentiöse, das Alltägliche und Naheliegende interessiert sich die in ihrer Heimat beliebte und hochgepriesene Autorin, die in guter skandinavischer Tradition fiktive Welten entwirft, die der Realität sehr nahe kommen.

Die jüngste Romanübersetzung führt uns mit Susanne, der Hauptfigur, durch die Flure und in die Großküche eines Krankenhauses, in die Arbeitswelt derer, die die Zimmer putzen und den Abwasch erledigen. "Die meisten hängten die Gummihandschuhe mit der Innenseite nach außen auf. Das gehörte zum Ersten, was sie hier gelernt hatte." Der Leser hat den Beschreibungen der Vorgänge in der unteren dänischen Mittelschicht bis ins Detail zu folgen: "Es gab dafür eine Technik, die sie alle anwendeten. Wenn ein Handschuh innen nass war, zog man ihn aus, setzte an, die Innenseite nach außen zu stülpen, klemmte den Handschuh beim Handgelenk zusammen und schwang ihn durch die Luft, bis er sich von selbst mit Luft füllte und die Innenseite sich nach außen kehrte. Und so hängte man ihn am Wagen zum Trocknen auf." Ähnlich präzise gestalten sich der Feierabend, der Kaffee im Einkaufszentrum, die Fahrt mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Helle Helle hat großes Vertrauen in die welterschließende Kraft der Oberflächenbeschreibung.

Auf die täglichen Griffe und Blicke bauen auch die Schilderungen des privaten Lebens von Susanne, die mit einem schriftstellernden Mann zusammenlebt, von dem sie nie so recht weiß, wann sie ihn stört und was sie ihm eigentlich erzählen darf. Die beiden unterhalten sich deshalb in kurzen Sätzen. Überhaupt lebt der herbe Realismus der Helle Helle von einem hohen Anteil an Dialogen und Äußerungen, die einsilbig sind und nur indirekt etwas über die Figuren sagen. Die Gedankenwelten muss sich der Leser selbst zusammensetzen, aus Gesten und kurzen Reflexionen. Deshalb ist auch der Titel des Romans "Die Vorstellung von einem unkomplizierten Leben mit einem Mann" eigentlich irreführend: Denn sorgfältig beschrieben wird das komplizierte Leben mit einem Mann, ein Leben, in dem man einander mag und trotzdem nicht genügt. Die Vorstellungen, Sehnsüchte und Leiden der Protagonistin erscheinen lediglich schattenhaft im Hintergrund.

In die nüchterne und handlungsarme Welt der Susanne bricht eines Tages eine Arbeitskollegin ein. Eine Freundin kann man sie eigentlich nicht nennen, eher die typische Figur der Fremden, die kommt, durch ihre Anwesenheit in das Leben der anderen eingreift und wieder geht. Weinend und hochschwanger bittet sie um einen Platz auf dem Sofa, ihr Mann hat sie betrogen, ausgerechnet in diesem Zustand, und sie will nicht nach Hause. Ester spricht laut und breitet ihre Sachen aus. Sie verwüstet das Badezimmer und lacht hemmungslos mit dem Mann ihrer Kollegin. Sie ist die Verkörperung einer Vitalität, die die zögerliche Schwäche der Protagonistin nur umso deutlicher hervortreten lässt. Ihre Anwesenheit macht "alles viel schlimmer und gleichzeitig auch ein bisschen besser". Unter der beschriebenen Oberfläche deuten sich psychische Räume mit ihren Gegensätzen an: die reservierte Abwehr der Gastgeber, das Mitleid wider Willen und eine zunehmende innere Beteiligung bindungsschwacher Menschen, die plötzlich für die Schwangere kochen und schließlich mit ihr im Kreißsaal stehen.

Natürlich ist der neue Roman von Helle Helle auch ein Gesellschaftsbild. So wird sie in ihrer Heimat gelesen - als Stimme einer Generation, die lange einen Überdruss am skandinavischen Wohlfahrtsstaat empfindet. Bei Helle Helle geht die Zeitdiagnose aber über gesellschaftspolitische Fragen hinaus, man spürt ein kaum zu ortendes Unbehagen, das sich in alle Lebensritzen gesetzt hat. Die Figuren, die nicht wie Ester munter ihrer Biologie folgen, mühen sich mit halbherzigen Selbstentwürfen. Sie tragen schwer an der Idee, etwas aus sich machen zu müssen, und haben trotz aller Möglichkeiten das Gefühl der Enge und Beschränkung ihres Daseins. Sie sind gefangen in sich, in Geschlechterrollen, in dem Gefühl von Stagnation. Und ausgerechnet dort, wo die Geburt eines Kindes diese überwinden könnte, wo etwas in Bewegung kommt, eröffnet die hyperrealistische Alltagsgeschichte einen Abgrund durch einen rätselhaften Tod.

SANDRA KERSCHBAUMER

Helle Helle: "Die Vorstellung von einem unkomplizierten Leben mit einem Mann". Roman.

Aus dem Dänischen von Flora Fink. Dörlemann Verlag, Zürich 2012. 224 S., geb., 19,90 [Euro].

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