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Ein editorisches Ereignis: Die Briefe der Anna Seghers Briefe an Hermann Hesse, Lion Feuchtwanger, Peter Suhrkamp, Brigitte Reimann, Marcel Reich-Ranicki u.v.a. Die erste umfassende Edition: Briefe an Brecht, Amado, Kisch, Huchel, Ehrenburg, Landshoff, Janka, H. H. Jahnn u. v. a . geben unerwartete Einblicke in Seghers' Leben. Sie sind berührende Zeugnisse und Dokumente der Zeitgeschichte. Für Sammler der Werkausgabe: Sonderausstattung mit zwei übereinanderliegenden Schutzumschlägen In der Werkausgabe erschienen: "Aufstand der Fischer von St. Barbara", "Transit", "Das siebte Kreuz",…mehr

Produktbeschreibung
Ein editorisches Ereignis: Die Briefe der Anna Seghers Briefe an Hermann Hesse, Lion Feuchtwanger, Peter Suhrkamp, Brigitte Reimann, Marcel Reich-Ranicki u.v.a. Die erste umfassende Edition: Briefe an Brecht, Amado, Kisch, Huchel, Ehrenburg, Landshoff, Janka, H. H. Jahnn u. v. a . geben unerwartete Einblicke in Seghers' Leben. Sie sind berührende Zeugnisse und Dokumente der Zeitgeschichte. Für Sammler der Werkausgabe: Sonderausstattung mit zwei übereinanderliegenden Schutzumschlägen In der Werkausgabe erschienen: "Aufstand der Fischer von St. Barbara", "Transit", "Das siebte Kreuz", Erzählungen 1958-1966, Erzählungen 1967-1980, "Die Entscheidung". Anna Seghers schrieb ihre Briefe spontan, ganz auf den Moment und den Empfänger eingestellt. So unterschiedlich die Adressaten und Anliegen auch sind, so unverkennbar und eigentümlich ist die Stimme der Schreiberin. Nur durch diese Briefe aus Paris, Pamiers, Mexiko-Stadt und dem Nachkriegsberlin wissen wir heute von ihrem persönlichen Befinden, ihren Existenzsorgen im Exil, den Differenzen unter den Emigranten, der Sorge um die Familie und das Werk. Die erschütternden Briefe aus Südfrankreich, wo Anna Seghers um Visa und Geld zur Flucht aus Europa kämpfte, sind das authentische Gegenstück zu dem berühmten Roman "Transit". Nach ihrer Rückkehr ins zerstörte Deutschland zeigen die Briefe, wie wurzellos sie sich fühlte, aber auch, wie energisch sie begann, sich als Autorin zu etablieren.
Autorenporträt
Netty Reiling wurde 1900 in Mainz geboren. (Den Namen Anna Seghers führte sie als Schriftstellerin ab 1928.) 1920-1924 Studium in Heidelberg und Köln: Kunst- und Kulturgeschichte, Geschichte und Sinologie. Erste Veröffentlichung 1924: "Die Toten auf der Insel Djal". 1925 Heirat mit dem Ungarn Laszlo Radvanyi. Umzug nach Berlin. Kleist-Preis. Eintritt in die KPD. 1929 Beitritt zum Bund proletarisch- revolutionärer Schriftsteller. 1933 Flucht über die Schweiz nach Paris, 1940 in den unbesetzten Teil Frankreichs. 1941 Flucht der Familie auf einem Dampfer von Marseille nach Mexiko. Dort Präsidentin des Heinrich-Heine-Klubs. Mitarbeit an der Zeitschrift "Freies Deutschland". 1943 schwerer Verkehrsunfall. 1947 Rückkehr nach Berlin. Georg-Büchner-Preis. 1950 Mitglied des Weltfriedensrates. Von 1952 bis 1978 Vorsitzende des Schriftstellerverbandes der DDR. Ehrenbürgerin von Berlin und Mainz. 1978 Ehrenpräsidentin des Schriftstellerverbandes der DDR. 1983 in Berlin gestorben.Romane: Die Gefährten (1932); Der Kopflohn (1933); Der Weg durch den Februar (1935); Die Rettung (1937); Das siebte Kreuz (1942); Transit (1944); Die Toten bleiben jung (1949); Die Entscheidung (1959); Das Vertrauen (1968). Zahlreiche Erzählungen und Essayistik.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.07.2008

Kein Mitleid mit Henkern

Die Partei hat immer mehr recht: Der Briefwechsel von Anna Seghers zeigt, wie sich die einst verfolgte Schriftstellerin allmählich mit der SED-Parteidoktrin anfreundete.

Briefsammlungen sind Spiegel des Rollenwandels von Personen. Der erste Auswahlband der Briefe von Anna Seghers, mit Briefen aus den Jahren von 1924 bis 1952, ist jetzt als Teil der Werkausgabe des Aufbau Verlages erschienen, hilfreich kommentiert von Christiane Zehl Romero und Almut Giesecke. Unter den autobiographischen Zeugnissen von Schriftstellern, die nach 1933 ins Exil getrieben wurden, habe ich keines mit mehr Respekt gelesen als Anna Seghers' Roman "Transit" (1944) und die Darstellung ihrer Exilodyssee in den Briefen. Und dennoch hat sich bei der Lektüre des Briefbandes schleichend eine zunehmende Irritation eingestellt.

Die Irrfahrten der jüdischen Schriftstellerin, ihres Mannes László Radványi und ihrer beiden Kinder sei wenigstens skizziert: im Jahre 1933 Zuflucht in Frankreich, nach Ausbruch des Krieges Trennung der Familie, Einlieferung Radványis ins Camp de Vernet, Überleben der Mutter und der Kinder in wechselnden Pariser Verstecken, Flucht ins unbesetzte Frankreich, dann über Marseille nach Martinique, New York und - nach immer erneuten Visumschwierigkeiten - endlich Ankunft in Mexiko. Bewundernswert bleibt die enorme Produktivität, die sich die Erzählerin inmitten aller Turbulenzen der Flüchtlingsjahre hat erhalten können. Ein Schlaglicht auf ihre Lage wirft die Zurückweisung der Kritik ihres Kollegen Willi Bredel, der in Moskau auf hohem Ross sitzt: "Du bekommst ... deine Knöpfe von weiblichen Personen angenäht und deine Kinder ernährt, gekleidet und erzogen und deine Briefe getippt, das musst du unoffiziell und freundschaftlich auch bedenken" (1937). Überhaupt widerspricht sie dem literarischen Programm der Genossen in Moskau und empfiehlt "nicht zu viel Arbeiten, in welchen der Klassenkampf als solcher geschildert ist, sondern Zustände und Ereignisse aus allen möglichen Gebieten des Lebens ..., Bewusstmachung unserer heutigen Wirklichkeit" (so an J. R. Becher, 1936). Erleichtert wird das mexikanische Exil durch den grandiosen Erfolg ihres Romans "Das siebte Kreuz" (1942), der 1944 sogar in einer Sonderausgabe für die US Army erscheint.

Nach der Rückkehr aus dem Exil und der Entscheidung der gebürtigen Mainzerin für Ost-Berlin (Mai 1947) ist sie, obwohl mexikanische Staatsbürgerin und noch eine Zeitlang in West-Berlin wohnend, befremdet vom "verschrobenen oder reduzierten Denkvermögen" selbst bei alten Freunden. An Helene Weigel, die sich mit Brecht in Wartestellung in der Schweiz befindet, schreibt sie, man finde nur wenige Leute, mit denen man "über die Arbeit normal sprechen kann" (Oktober 1947). Noch Ende 1948 bekennt sie ihrem süddeutschen Verleger, dass Paris ihre "zweite Heimat" sei.

Aber es melden sich auch schon andere Töne. Obwohl sie im Brief an Georg Lukács in Budapest gesteht, sie habe "das Gefühl, dass ich bald verreise" (Juni 1948), lässt sie nur wenige Wochen zuvor einen niederländischen Freund wissen, "dass nirgends das Leben so intensiv gelebt ist" wie in Berlin. Offensichtlich gelingt es der Parteiführung allmählich, Anna Seghers davon zu überzeugen, dass sie im neuen Staat nicht nur verehrt, sondern auch gebraucht werde: Sie eilt von Vortrag zu Vortrag, schreibt sich von einem Artikel zum anderen. Das Zentralkomitee der SED zieht die Daumenschrauben an, verpflichtet jedes Mitglied zur Teilnahme an der "Parteischulung". Anna Seghers bittet um die Erlaubnis zum Selbststudium (Februar 1951); der Verantwortliche im ZK, Kurt Hager, verbessert ihren Studienplan. Demütigungen wie diese pedantische Korrektur oder der Zwang, das Zentralkomitee förmlich um die Genehmigung einer Reise zu ihren Kindern in Paris zu ersuchen, muss Anna Seghers wohl empfunden, dennoch hingenommen haben. Gewiss, mit dem Drohgespenst des Kalten Krieges ließ sich so manche Zuchtrute der Partei rechtfertigen, aber Anna Seghers hat doch wohl aus Überzeugung die Rüstung des sozialistischen Lagers angelegt.

Preisgegeben wird damit der Vorbehalt gegen eine enge Doktrin des "sozialistischen Realismus". Sie schreckt vor dem Denunziationsvokabular nicht zurück, unterstellt den "Leuten" im Frankfurter Suhrkamp Verlag "Söldner-Charakter". Sie ist machtlos, als man ihr aus der Erzählung "Die Rückkehr" eine Szene streicht, weil sie die Arbeit für "den Frieden" störe, macht sich aber selbst zum Instrument der Zensur in ihrem Brief an Brecht.

Dieser Brief vom 27. November 1952, aus dem Jahr also, da sie ihr Amt als Präsidentin des Schriftstellerverbandes der DDR antritt, beschließt den ersten Briefband. Brecht hatte seine Theaterfassung ihres Hörspiels "Der Prozeß der Jeanne d'Arc zu Rouen 1431" am Berliner Ensemble inszeniert. Sie verlangt Änderungen, die nicht das persönliche Schicksal der Jeanne d'Arc, sondern das Vorbildhafte ihres Widerstandes zum Maßstab nehmen. Solche Einwände kannte Brecht schon aus der Polemik gegen seine "Mutter Courage". Sie verwirft an der Rolle des Henkers die Betonung der Einsicht in seine Schuld. Den Vorwurf des "Mitleids mit dem Henker" hatten Parteifunktionäre schon 1951 benutzt, um den Film nach Arnold Zweigs Roman "Das Beil von Wandsbek" aus den Kinos zurückzuholen und in den Archiven verschwinden zu lassen. Die Autorin des Romans "Das siebte Kreuz", eines Romans mit weitem Realitätshorizont, ist endgültig auf die Linie der Parteidoktrin eingeschwenkt.

WALTER HINCK

Anna Seghers: "Briefe 1924 - 1952". Hrsg. von Christiane Zehl Romero und Almut Giesecke.

Aufbau Verlag, Berlin 2008. 747 S., geb., 36,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.10.2008

Ein Plan aus Fleisch und Blut
Zwischen Dogma und Mitleid: Anna Seghers in ihren Briefen
Eine Filmsequenz in Volker Bohns Dokumentation „Literatur nach 45” zeigt ein bestürzendes Bild: Verwirrt und mit schwerer Stimme verteidigt Anna Seghers, Präsidentin des Schriftstellerverbandes der DDR, Anfang der sechziger Jahre auf einer Veranstaltung in Westberlin den Mauerbau, spricht von den „Rechten der Grenze” statt von jenen der Menschen, davon, dass „nicht wir” diese Grenze gebaut haben. Neben ihr Hermann Kant, als maskenhafter Assistent.
Diese und ähnliche Szenen haben zu dem zwiespältigen Bild beigetragen, das sich in der literarischen Öffentlichkeit von der am 19. November 1900 als Netty Reiling in Mainz geborenen, 1983 verstorbenen Büchner-Preisträgerin durchgesetzt hat. Mit dem Exil-Roman „Transit” ist ihr mindestens ein großartiges Buch gelungen. Andererseits war sie trotz ihres weichen Akzents ein vorsichtiger Betonkopf mit Scheuklappen, die auch in ihre literarischen Werke eingegangen sind.
Zwiespältige Erinnerungen sind nicht schlecht, aber Briefe sind auch kein schlechtes Mittel, Urteile der Öffentlichkeit zu überprüfen. Wie ist Anna Seghers in privaten Äußerungen mit dem Leben und der Macht umgegangen? Eine erste Antwort gibt jetzt ein Band der Seghers-Werkausgabe des Aufbau-Verlags, der Briefe zwischen 1924 und 1952 versammelt. Zwar werden die Jahre der DDR-Staatsdichterin hier erst gestreift, aber sie sind doch schon spürbar.
Die Frau, die sich hier zeigt, ist nicht nur beeindruckend fleißig, sie macht auch den Eindruck einer altruistischen Pragmatikerin, die an andere zuerst denkt, um Hilfe für Not leidende Kollegen nachsucht, bevor sie sich selbst als unterstützenswert darstellt. Das wird ihr erst passieren, als ihr Mann, der ungarische Kommunist und Soziologe László Radványi, im Lager Le Vernet vorerst zurück bleibt, während sie mit den Kindern schon in Südfrankreich ist. Nach dem Krieg gilt ein Brief etwa dem Schriftsteller und Übersetzer Kurt Stern, der verarmt in einem Sanatorium im Schwarzwald liegt. Der Brief richtet sich nicht an Stern, sondern an Curt Weller, den Konstanzer Verleger von „Transit”, das in Deutschland erst 1948 erschien. Seghers schreibt ihm, er solle Stern Geld schicken, „schreibe aber bitte dazu keinerlei Beitext oder Erklärung oder Entschuldigung. Der Mann ist schwer krank.”
Wie Mutter und Kind
Aus den zwanziger Jahren sind nur zwei schöne Liebesbriefe an ihren Mann erhalten: „Nichtwahr, mein Leben, wir werden doch ewig wie Mutter und Kind zusammen bleiben?” Es gibt Kontakte mit Hans Henny Jahnn, der ihr 1928 den Kleist-Preis zuspricht. Ihr Mann schreibt an Jahnn: „A. Seghers ist 1900 am Rhein geboren. Längere Aufenthalte am Meer. Vorliebe zur See. Hafenstädte. Lebt in verschiedenen Städten mit verschiedenen Menschen zusammen. Seit 1925 in Berlin.”
In den Briefen aus der Emigration, die Seghers über die Schweiz und die Gegend von Boulogne zuerst nach Paris führt, wird wieder einmal klar, wie schnell wirkliche Regimegegner den Ernst der Diktatur zu spüren bekamen. 1936 plante Seghers mit Rudolf Jakob Humm in Zürich und Lion Feuchtwanger ein „Gedenkbuch” (auch „Totenbuch”, „Heldenbuch”) für die Opfer des Nationalsozialismus, das nie realisiert wurde. Gut nachvollziehbar wird die Zeit in Südfrankreich, Basis für „Transit”, wobei die ungewisse Situation der Emigranten im Roman emblematischer, einprägsamer zum Ausdruck kommt. Auf ein deprimierendes Zwischenlager in Martinique, die Dominikanische Republik und Ellis Island folgt ab Juli 1941 Mexiko, keineswegs Seghers Traumziel. Aber schon kurz nach der Ankunft schreibt sie an den Verleger Wieland Herzfelde: „Soweit ich hier schon was vom Leben gerochen habe, gefällt es mir sehr. Ich glaube, ich fühle mich hier fast besser als in New York. Ich werde gut arbeiten können.” Die Kinder gehen auf eine französische Schule, Radványi lernt schnell Spanisch und erhält eine Professur. Im August meldet Anna Seghers an F.C. Weiskopf, der ihr in verschiedensten Angelegenheiten geholfen hat, die Fertigstellung eines „kleineren bis mittleren” Buchs: „Es spielt in Marseille in dem ganzen Hexenkessel und hat eine schöne Liebes- und Abenteuergeschichte.” Auch die Erfolgsstory des 1939 beendeten, 1942 in New York auf Englisch veröffentlichten, 1944 verfilmten, 1946 in Deutschland erschienenen Romans „Das siebte Kreuz” bereitet sich schon vor.
Sehnsucht nach dem Rhein
Aufmerksam und irritiert beschreibt Seghers das Leben im aufgewühlten Berlin der Nachkriegszeit, in das sie 1947 zurückkehrt: „Sie können sich gar nicht vorstellen, was für Sehnsucht ich nach dem Rhein habe”, hatte sie am 2.1.1946 an den Mainzer Regierungsrat Michel Oppenheim geschrieben. Jetzt vermisst sie in Berlin „einen mexikanischen Sektor”. Doch schon ein Brief an Jürgen Kuczynski, datiert vom 3. Dezember 1945, markiert eine wichtige Weichenstellung in Seghers Haltung. Vielleicht beeinflusst durch „eine fast ein Jahr lange schwere Krankheit” (sie hatte Typhus und einen schweren Autounfall gehabt), sei sie „nicht mehr” imstande, „die nötige Energie für alle diese Diskussionen und Disputationen aufzubringen”. Gemeint sind innerkommunistische Diskussionen „in Briefen, Sitzungen und Zeitungen”. Vor allem letztere: „Wenn unsere ganze Kraft darauf gerichtet ist, eine Einheit endlich gegen den Faschismus herzustellen, dann soll doch die Vorhut dieser Einheit nicht in sehr wichtigen Dingen widerspruchsvoll erscheinen.”
Ein möglichst makelloses Bild bieten zu wollen, das wird ihr Wirken beeinflussen. Doch hatte sich die Haltung damals noch nicht durchgesetzt. Seghers Rückkehr nach Europa führt sie 1947 über Stockholm zuerst nach Paris, wo Peter und Ruth studieren: „Peter erzählt, wenn z.B. in seiner Privatschule der alte angesehene Direktor einen Vortrag hält und niemand meldet sich zu Wort, dann heißt es: Es ist doch unmöglich, dass alle im Saal meine Meinung haben. – Aus dieser Freimütigkeit werden wunderbare gemeinsame Aktionen.” Später behält sie sich privat Freimütigkeit vor, schreibt am 27. 11. 1951 an den russischen Germanisten Steshenski: „Was soll ich ihnen sagen? Ich kann nicht finden, dass die meisten Leute außerordentlich glücklich sind. Außerhalb von Berlin kein elektrisches Licht zwischen ½ 7 und ½ 9 usw.” Aber in offizieller Korrespondenz tauchen die Floskeln auf: „Unsere jungen Menschen sind noch weit weg von den jungen Sowjetmenschen, bei denen ein jeder Plan so sehr in Fleisch und Blut überging, dass Herz und Verstand zusammengehören.” Genau genommen war das nicht einmal bei ihr selber der Fall. HANS-PETER KUNISCH
ANNA SEGHERS: Ich erwarte Eure Briefe wie den Besuch der besten Freunde. Briefe 1924 bis 1952. Hg. Christiane Zehl Romero und Almut Giesecke. Aufbau Verlag, Berlin 2008. 747 S., 36 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Hans-Peter Kunisch will Anna Seghers Reputation als "Betonkopf mit Scheuklappen" anhand ihrer Briefe, von denen jetzt als Teil der Werkausgabe des Aufbau-Verlags ein Band mit Korrespondenz zwischen 1924 und 1952 erschienen ist, noch einmal überprüfen. In ihren Briefen tritt dem Rezensenten eine Frau entgegen, die sehr um das Wohl anderer bedacht war und sich selbstlos für bedürftige Kollegen einsetzte. An ihrer Korrespondenz lässt sich ihr Weg ins Exil ablesen und insbesondere die Zeit in Südfrankreich, in der ihr Exilroman "Transit" entstand, ist darin gut dokumentiert, stellt Kunisch fest. Und auch in den Briefen der Nachkriegszeit, als sie bereits zur Staatsschriftstellerin der DDR avanciert war, ist in ihrer privaten Korrespondenz nicht die unbeugsam dogmatische Haltung zu finden, die sie in ihren offiziellen Verlautbarungen und zum Teil auch in ihren literarischen Werken an den Tag gelegt hat, wie der Rezensent konstatiert.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Anna Seghers Briefe aus dem Exil verdichten das Grauen des Flüchtlingsdaseins zu prägnanten Bildern und verbitten sich jedes Jammern.« Neue Zürcher Zeitung am Sonntag 20080525