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Eva Vieznaviec würdigt die Frauen einer ganzen Generation - eingebettet in die Geschichte des 20. Jahrhunderts.
Ryna ist auf dem Weg von Darmstadt in ihr belarussisches Heimatdorf. Dort ist im 101. Lebensjahr ihre Großmutter gestorben - "fast blind und dürr wie eine Bohnenstange, aber bei vollem Bewusstsein und Kräften". Bis zum Schuleintritt ist Ryna einst bei ihr aufgewachsen: Sie lauschte den Geschichten, in denen nichts verschwiegen wurde, sie sah zu, wie Kinder und Erwachsene von Verwünschungen befreit und Wunden weggezaubert wurden. In ihrem Zwiegespräch mit der geliebten Großmutter…mehr

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Produktbeschreibung
Eva Vieznaviec würdigt die Frauen einer ganzen Generation - eingebettet in die Geschichte des 20. Jahrhunderts.

Ryna ist auf dem Weg von Darmstadt in ihr belarussisches Heimatdorf. Dort ist im 101. Lebensjahr ihre Großmutter gestorben - "fast blind und dürr wie eine Bohnenstange, aber bei vollem Bewusstsein und Kräften". Bis zum Schuleintritt ist Ryna einst bei ihr aufgewachsen: Sie lauschte den Geschichten, in denen nichts verschwiegen wurde, sie sah zu, wie Kinder und Erwachsene von Verwünschungen befreit und Wunden weggezaubert wurden.
In ihrem Zwiegespräch mit der geliebten Großmutter lässt die heute in Warschau lebende Eva Vieznaviec das ganze 20. Jahrhundert mit all seinen Grausamkeiten vorbeiziehen und setzt der Überzeugung einer ganzen Generation von Frauen ein Denkmal, dass das Leben weitergehen wird, selbst auf verbrannter Erde.
Autorenporträt
Eva Vienaviec wurde 1972 in der Nähe von Minsk geboren und ist seit 1994 als Autorin und Journalistin tätig. Was suchst du, Wolf? wurde 2021 in Belarus mit dem wichtigsten Romanpreis ausgezeichnet und ist ihr erstes Buch, das in deutscher Sprache erschienen ist.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensentin Sabine Berking hält diesen schmalen Roman der belarussischen Autorin Eva Vieznaviec für ein "literarisches Meisterwerk". Und zwar eines, das den belarussischen Diktator Lukaschenko verärgern dürfte, wie die Kritikerin hinzufügt. Denn Vieznaviec legt Schicht um Schicht die blutgetränkte Geschichte ihrer Heimat frei, begonnen in den Revolutionsjahren über den bolschewistischen Terror bis hin zur deutschen Invasion. Angelegt als "meditatives Zwiegespräch" zwischen der in Deutschland lebenden Pflegerin und Trinkerin Ryna und ihrer verstorbenen Großmutter, einer belarusischen Schamanin, erzählt Vieznaviec von Gewalt und Kollektivierung, Zwangsdeportationen und Judenverfolgung, aber auch von Widerstand, resümiert Berking. Die Poesie, Kraft und "hintersinnige Ironie" des von Tina Wünschmann einfühlsam übersetzten Textes beeindrucken die Rezensentin nachhaltig.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.07.2023

Gift für Ehemänner und Diktatoren
Mit poetischer Wucht und hintersinniger Ironie: Eva Vieznaviec erzählt die blutige Geschichte Belarusslands aus weiblicher Sicht

"Wenn du alles verloren hast, kann es nur noch bergauf gehen", sinniert Ryna auf der langen Reise vom hessischen Darmstadt in ihr weißrussisches Heimatdorf südlich von Minsk. Im Westen hatte sie nichts Vorzeigbares erreicht, "keine Familie, kein Zuhause, kein Beruf, nur aufrechter Alkoholismus". Ganz jung ist sie auch nicht mehr. Das letzte Wegstück geht sie zu Fuß, in nasskalter Winternacht zwischen zwei Sümpfen, die Angst vor Wölfen und den Geistern der Moorleichen im Nacken. "O Schnäpschen, mein Schätzchen, halt warm mir das Köpfchen."

Während Ryna in Deutschland Alte pflegte, bis man sie wegen der Trinkerei hinauswarf, verstarb daheim ihre Großmutter, mit 102 Jahren. Diese Darafeja war eine flüsternde "Scheptucha", Heilerin, Kräuterfrau und Hebamme, eine belorussische Schamanin, aufgrund ihrer Sturheit von allen "Drumeben" genannt.

Zwei Kriege und neun Mächte hatte sie überlebt, eine mannshohe Jahrhundertverschlepperin mit großen Füßen, die mühelos die Moore durchqueren konnte. Die Karte des Todes und die ausgelöschten Stammbäume ganzer Dörfer im Kopf, bilden ihre Geschichten das Vermächtnis an die Enkelin. Die rettet das Erbe vor dem Feuer, karierte Heftseiten mit krummen, riesigen Buchstaben, geschrieben mit giftigem Kopierstift, der immer aufs Neue mit Speichel befeuchtet werden musste - die Spuren der Spucke auf dem Papier, Sinnbild der literarischen Forensik, die folgt.

In einem meditativen Zwiegespräch zwischen Enkelin und Großmutter wird die DNA des Landes entschlüsselt, die immer auch eine der mythischen, blutgetränkten Landschaft ist. Geboren in den Revolutionsjahren, erlebte Darafeja die wechselnden Bürgerkriegsmarodeure, darunter der eigene Vater. Er hatte sich auf die Seite des polnischen Landadels geschlagen, von dem er die Grausamkeiten gegen die jüdische Bevölkerung übernahm. Juden, denen die Flucht nicht rechtzeitig gelang, ob ins Ausland oder zu den Bolschewiki, wurden erschlagen, erschossen, verbrannt, vergewaltigt.

Auf die polnischen Schlächter und ihre weißrussischen Handlanger folgte der bolschewistische Terror. "Umpfropfen" nannte man hier die Kollektivierung, Zwangsdeportation oder Erschießung all jener, die sich weigerten, ihr Hab und Gut der neuen gefräßigen Macht abzugeben. Die Kolchosen und die Trockenlegung der Sümpfe, zwei stalinistische Großprojekte, führten in die landwirtschaftliche Katastrophe. Flüsse versandeten, der Torf trocknete zu Staub. Gebildete, wie den Dorfagronomen, lieferten die eigenen Leute im Großen Terror an die Geheimpolizei aus. Er hatte den aus Deutschland stammenden Traktor "Rübezahl" dem sowjetischen Modell vorgezogen.

Natürlich wurde auch bei den Religionen Tabula rasa gemacht: Nur ein Bluff von Darafejas Jugendliebe Orka, der sich als Jude in den Dienst der Revolution gestellt hatte, rettete Rabbi Mosche Feinstein das Leben. Ein Land, in dem Juden die Tora nur auf dem "Scheißhaus" lesen dürfen, sei selbst ein Scheißhaus, resümierte der orthodoxe Zaddik und riet seinem einstigen Schüler nachdrücklich, in die Fremde zu gehen.

Wenig später empfingen Belarussen deutsche Wehrmachtssoldaten mit Brot und Salz. Sie hofften auf ein Ende des Roten Terrors, dienten sich den Deutschen an, machte die Juden abermals zu Sündenböcken und wurden am Ende zwischen Nazis und Partisanen selbst zerrieben. Nach oben gespült wurden im und nach dem Krieg immer wieder die Falschen: windige Hehler, Heuchler und Halsabschneider, die "sogar der Kacke die Haut abziehen" würden, wenn sie sie verkaufen könnten.

Der belarussischen Führung dürften Bücher wie dieses ein Stachel im Fleisch ihrer Politik sein, hält Diktator Lukaschenko doch wie sein östlicher Nachbar Putin am Mythos des heldenhaften Kampfes der Belorussen gegen "die Faschisten" fest, und damit meint er auch all jene, die heute nicht auf seiner Linie sind. Kurz vor Beginn des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine unterzeichnete Lukaschenko ein Gesetz, das die Leugnung des Völkermordes am belarussischen Volk unter mehrjährige Haftstrafe stellt.

Die Opfer von Kollektivierung, Pogromen und stalinistischem Terror sind damit natürlich nicht gemeint, und die 600.000 ermordeten Juden Belarusslands werden ohne Nennung einfach im propagandistischen Zwei-Millionen-Opfer-Narrativ vereinnahmt. Die Holzsynagoge, in der das 1986 in New York verstorbene Oberhaupt des orthodoxen Judentums, Mosche Feinstein, lehrte, hatte die Stadt Ljuban - im Roman Lipjen genannt - trotz internationaler Proteste 2009 abreißen lassen, um dort einen Supermarkt zu bauen.

Eva Vieznaviec ist auf knapp 150 Seiten ein literarisches Meisterwerk über die im Westen weithin unbeachtete, unbekannte Geschichte ihres Landes im zwanzigsten Jahrhundert gelungen. Es ist die Geschichte eines Blutlandes, voller Gewalt, Abstumpfung und Gnadenlosigkeit, und gleichzeitig eine des Aufbegehrens mit den Mitteln des Erinnerns. Erzählt wird mit poetischer Wucht und hintersinniger Ironie, in der sinnlichen und direkten Sprache der beiden Protagonistinnen. Tina Wünschmann hat diesen zweiten Roman der 1972 in Minsk geborenen Schriftstellerin und Journalistin mit viel Gespür und Empathie für Rhythmus und Sprachkolorit ins Deutsche übertragen. Anders als die Autorin, die heute im Exil in Polen lebt, kehrt ihre Heldin Ryna in die Heimat zurück. Dort erfährt sie aus Darafejas Geschichten, von wem ihre roten Haare und die Sommersprossen stammen, und rätselt an der Gedenktafel für Rabbi Feinstein, ob es Gotteslästerung sei, deutschen Moselwein auf das Wohl zweier Juden zu trinken. SABINE BERKING

Eva Vieznaviec: "Was suchst du, Wolf?" Roman.

Aus dem Belarussischen von Tina Wünschmann. Paul Zsolnay Verlag, Wien 2023. 150 S., geb., 22,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Eva Vieznaviec ist auf knapp 150 Seiten ein literarisches Meisterwerk über die im Westen weithin unbeachtete, unbekannte Geschichte ihres Landes im zwanzigsten Jahrhundert gelungen ... Erzählt wird mit poetischer Wucht und hintersinniger Ironie, in der sinnlichen und direkten Sprache der beiden Protagonistinnen." Sabine Berking, F.A.Z., 26.07.23

"Scharf und klar wie Wodka." Judith Leister, NZZ, 14.06.23

"Bildreich und eindringlich erzählt Eva Vieznaviec von ihrer geliebten Großmutter und zugleich erzählt sie uns ein Stück Alltagsgeschichte aus Osteuropa im 20. Jahrhundert ... Ein Roman wie ein Gespräch zwischen den Lebenden und den Toten, ein Buch voller Hoffnung, das ich sehr empfehlen kann." Terry Albrecht, WDR5 Bücher, 22.04.23

"Ein literarischer Donnerschlag ... Ein überwältigender Roman, eine Herausforderung, eine Menschenkunde, eine Geschichtsstunde, ein Psychogramm von Macht und Ohnmacht - ganz große, dringliche Literatur!" Bernd Melichar, Kleine Zeitung, 22.04.23

"Ein eindrucksvoller, 'magisch realistischer' Roman, eine Hommage an die Frauen von Belarus, die auch im Kampf gegen das Lukaschenko-Regime an vorderster Front stehen." Andreas Wirthensohn, Wiener Zeitung, 1.4.23

"Roman der Stunde. Eva Vieznaviec schreibt, als würde sie Pflöcke in die Erde schlagen. Präzise und mit voller Kraft." Stefanie Panzenböck, Falter, 22.03.23

"Ein Roman, der einem das Herz erwärmt." Stephanie von Oppen, Deutschlandfunk, 15.03.23

"In klaren, fast harten Sätzen erzählt sie eine sehr dicht gesponnene, familiäre Gegengeschichte über fünf Generationen, die statt von der Politik von Menschen berichtet. ... Nicht zuletzt ist dieses Buch eine Hommage an die Frauen von Belarus, die ein Beispiel dafür sind, wie man weiterlebt, auch auf verbrannter Erde." Cornelius Wüllenkemper, Deutschlandfunk Büchermarkt, 10.03.23

"Eva Vieznaviec kann verzaubern, wie der Roman 'Was suchst du, Wolf?' eindrucksvoll zeigt." Judith Hoffmann, Ö1 Mittagsjournal, 09.03.23

"Eva Vieznaviec gelingen unverwechselbare Sätze ... ein sprachliches Widerstandspotenzial auf, das einen beim Lesen durchströmt. ... Ein Erzähl-Kunstwerk, das von subtilen Verschiebungen der Erzählperspektive und einzigartigen Sätzen lebt. Es zeigt wieder einmal, dass es am ehesten noch der Kunst gelingen kann, vom unermesslichen Grauen zu sprechen, die Fakten zu zeigen, aber nicht in ihnen zu versinken. Dem Roman gelingt es, den Schrecken unvergesslich zu machen und zugleich zu transzendieren." Cornelius Hell, Ö1 ex libris, 05.03.23

"Trifft mit der Wucht eines Vorschlaghammers. ... Gewaltig und trotz aller Brutalität hochpoetisch. Vieznaviec gelingt es, diese Zeit der ungeheuerlichen Verwerfungen und Finsternis in kurzen Episoden, in einer prägnanten Sprache, angefüttert mit historischen Details, so lebendig werden zu lassen, dass dem Leser schwindelig wird bei einer derart komprimierten Zeitreise. ... Eine kraftvolle Huldigung der belarussischen Frauen, ihrer Stärke und emanzipierten Lebensgewandtheit." Ingo Petz, Standard Album, 25.02.23

"Die Lektüre entwickelt eine Wucht, die lange nachhallt." Roberta de Righi, Münchner Abendzeitung, 22.02.23
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