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Annas linkes Bein ist kürzer als das rechte. Ihre Mutter will sie zum Doktor schicken, damit beide Beine gleich lang werden. Doch Anna sieht gar nicht ein, dass sie eines kürzen lassen soll. Zumal die kleine Hexe beim Siebenmeilenstiefelwettlauf auch humpelnd große Chancen hat.

Produktbeschreibung
Annas linkes Bein ist kürzer als das rechte. Ihre Mutter will sie zum Doktor schicken, damit beide Beine gleich lang werden. Doch Anna sieht gar nicht ein, dass sie eines kürzen lassen soll. Zumal die kleine Hexe beim Siebenmeilenstiefelwettlauf auch humpelnd große Chancen hat.
Autorenporträt
Jacky Gleich, georen 1964 in Darmstadt, wuchs in der DDR auf. Sie studierte Animation in Babelsberg und Dresden und arbeitete ab 1987 in Trickfilmstudios, 1993 - 97 im eigenen. Seit 1995 illustrierte sie mittlerweile mehr als 60 Bücher und erhielt dafür zahlreiche Auszeichnungen im In- und Ausland, darunter den Gustav Heinemann Friedenspreis, den Deutschen Jugendliteraturpreis und die Schönsten Bücher der Welt. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren vier Kindern auf einem alten Bauernhof in Mecklenburg.

Franz Fühmann, geb. am 15.1.1922 in Rochlitz/Riesengebirge, gehörte zu den bedeutenderen Schriftstellern Nachkriegsdeutschlands. Neben Erzählungen, Essays, Novellen, Gedichten sowie Kinderbüchern verfasste Fühmann zahlreiche Nachdichtungen. Zu den vielen Auszeichnungen seines Schaffens zählen der Heinrich-Mann-Preis und der Geschwister-Scholl-Preis. Er starb am 8.7.1984 in Berlin.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.10.2002

Auf den Händen laufen, um das Ende der Welt zu sehen
Jacky Gleich illustriert „Anna, genannt Humpelhexe”, ein Märchen von Franz Fühmann
Das Ende der Welt, sagt Franz Fühmann, das Ende der Welt liege sieben Hasensprünge vom Ort entfernt, an dem die Hexen wohnen. Dazwischen, vom Hexenheim her gesehen: Ein Wald (kennen wir!), eine Wiese (die auch!), ein freies Feld (na klar!), ein Gletschergebirge (hundertmal herunter gerutscht!), ein Ozean (mit letzter Kraft durchschwommen!), eine tote Wüste (Tal des Todes, wir kommen!). Das Ende selbst: grimmiges Feuer und finsterste Finsternis (wie die Panik kurz vor dem selbst gesetzten Albtraumende).
Das Ende der Welt liegt also um ein paar Ecken, in unseren kühnsten Träumen, in unseren schrecklichsten Alpträumen und in Franz Fühmanns 1981 erstmals als „Märchen auf Bestellung” veröffentlichter Geschichte Anna, genannt Humpelhexe. Nun hat Jacky Gleich das Märchen illustriert und Peter Härtling hat als Nachwort einen „Brief zuletzt” geschrieben, über die Beziehung von Hexen und Dichtern im Allgemeinen und über die von Hexen, Dichtern, DDR und Zensoren im Besonderen. Ein bisschen bemüht klingt das schon, für die „lieben Leser”. Die Kinder unter ihnen werden es mit Gleichmut nehmen, die Erwachsenen jedoch, die von der tragischen Vita des 1984 gestorbenen Schriftstellers Fühmann gehört haben, von seinen wachsenden Zweifeln an der DDR und an sich selbst, die Erwachsenen werden den Text spätestens jetzt noch einmal nach Symbolen durchstreifen, wie Pilzesammler einen taufeuchten Herbstwald. Wo sind sie, die Metaphern, mit denen sich die alte Welt beschreiben lässt? Betrachteten wir Erwachsene den Text mit kindlichen Augen, dann würden wir Bilder sehen, wie Jacky Gleich sie malt: Bilder aus unserer Traum- und Albtraumwelt, ohne Bezug zum real existierenden Sozialismus, aber umso mehr zur real existierenden Fantasie. Die moralische Botschaft stünde an zweiter Stelle.
Fühmann hat dieses Märchen geschrieben, um einer behinderten Frau in einer psychiatrischen Klinik und sich selbst wieder auf die Beine zu helfen. Im wahren Sinn des Wortes: Die Junghexe Anna hat kein Problem mit ihren verschieden langen Beinen. Ihre Umwelt, inklusive Mutter, dagegen schon. Aber Anna geht ihren Weg. Wird die Schnellste beim Einbeinlaufen mit dem langen und die Langsamste beim Rennen mit dem kurzen Bein (eine wunderschöne Szene, wie Fühmann die Tugend der Langsamkeit umschreibt!). Doch Erste zu sein, das genügt Anna nicht. Nachdenken führt sie dazu, auf den Händen zu laufen und das Ende der Welt sehen zu wollen. Da sich kopfunterlaufend alles verkehrt, wird vor dem Ende der Welt natürlich dahinter. Und umgekehrt. Wie auch immer: Auf der anderen Seite versuchen sich zwei Riesenbrüder zu erschlagen, zertrampeln dabei die schöne Welt, lassen aber sofort voneinander ab und stürzen sich auf Anna, weil sie Frieden stiften will. Also, hintersinnige Symbolik in jeder Bewegung, gut gemeint, geschickt konstruiert, knapp dramatisiert, treffend formuliert, trostreich aber zu belehrsam.
Nichts ist zu spüren von jener Überlebenslust und -list, mit denen zu Zeiten des Zensors beispielsweise tschechische Kindergeschichten und Märchen die Realität transzendierten. Da war zu viel Leid in Fühmann.Aber die Bilder! Szenen aus der Geologie der Traumlandschaften. Nichts scheint zu passen und fügt sich trotzdem zusammen. Der Wald. Die Wiese. Das freie Feld. Das Gletschergebirge. Der Ozean. Die Wüste. Feuer und Finsternis. Die Hexen, die Riesen, alle Wesen, selbst Anna – begegneten wir ihnen bei Tage, wir würden erschrecken. Aber in der Nacht sind sie unsere Geschöpfe. Und die spindeldürre Junghexe Anna, wie sie da steht auf dem Erdenrund und auf ihrem kurzen Humpelbein, mit sehnsuchtsvollem Blick aus großen Augen und einem wehmütigen Lächeln um die schmalen Lippen – fast scheint es so, als sei sie unsere bleiche Schwester im Traume. (ab 6Jahre)
SIGGI SEUSS
FRANZ FÜHMANN: Anna, genannt Humpelhexe. Mit Illustrationen von Jacky Gleich. Hinstorff Verlag 2002,
48 Seiten, 9,90 Euro.
Illustration aus: Franz Fühmann / Jacky Gleich: Anna, genannt Humpelhexe.
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Evelyn Finger ist ganz aus dem Häuschen anlässlich dieser Neuausgabe von Franz Fühmanns Kindermärchen, die schon in Vergessenheit zu geraten drohten. Und zwar zu unrecht, wie die Rezensentin findet. Denn Fühmann habe "neben eindrucksvollen Erzählungen die wohl schönsten Nachdichtungen klassischer Texte für Kinder" geschrieben. Das selbst erfundene Märchen "Anna, die Humpelhexe" nun beschreibt Evelyn Finger als eine Mischung aus Schulschwänzergeschichte, Zaubermärchen und Verkehrte-Welt-Scherz, dessen Reiz vor allem der Mut ausmache, sich dunklen und wenig anheimelnden Kräften zu stellen, gebändigt von einer feinen Lakonie und beflügelt von einer heftigen Imaginationsfreude. Besonders lobend hebt die Rezensentin jedoch die "grandiosen" Illustrationen von Jacky Gleich hervor, der mit "kühnen Strichen und grotesken Motiven" die "gefährlich-komische Tendenz des Märchens" akzentuiere.

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