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Machtfragen - Kondylis, Panajotis
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Diese Sammlung fasst die wesentlichen Arbeiten des bedeutenden Philosophen Panajotis Kondylis (1943-1998) zu den Themenfeldern Politik, Gesellschaft, Macht und Gewalt zusammen. Ideengeschichtliche Abhandlung und Gegenwartsanalyse ergänzen sich dabei in geschliffenen Essays.

Produktbeschreibung
Diese Sammlung fasst die wesentlichen Arbeiten des bedeutenden Philosophen Panajotis Kondylis (1943-1998) zu den Themenfeldern Politik, Gesellschaft, Macht und Gewalt zusammen. Ideengeschichtliche Abhandlung und Gegenwartsanalyse ergänzen sich dabei in geschliffenen Essays.
Autorenporträt
Panajotis Kondylis (1943-1998) lebte als Privatgelehrter in Heidelberg und Athen. Er gilt schon jetzt als einer der bedeutendsten Nachkriegsphilosophen. Sein Werk umfasst Arbeiten zum deutschen Idealismus, der konservativen Theorie und zum Krieg.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.12.2006

Sie müssen sich entscheiden!

Er hatte sich bereits als grandioser Autor etabliert, als er 1998 kurz vor seinem fünfundfünfzigsten Geburtstag starb: der Philosoph Panajotis Kondylis. Allein die gemeisterte Materialfülle seiner großen ideengeschichtlichen Untersuchungen - zur Formationsphase des deutschen Idealismus, zur europäischen Aufklärung, zur neuzeitlichen Metaphysikkritik und zur Tradition konservativer Denkmuster - hätte hingereicht, um den Namen Kondylis so berühmt zu machen, wie er wurde.

Doch was diese Darstellungen und die neben ihnen fast essayistisch wirkenden Studien zur massendemokratischen Postmoderne und zu politischen Szenarien nach dem Kalten Krieg auszeichnet, das ist ihr systematischer Charakter: Kondylis breitet keine antiquarische Gelehrsamkeit aus, sondern mit präzisen Schnitten werden Grundzüge von Denkmustern freigelegt. Die Fülle der zitierten Quellen scheint sich unter der Hand dieses Autors wie von selbst an zentralen Kategorien auszurichten, mit denen die Einsätze und Frontverläufe konkurrierender intellektueller Positionen konturiert werden.

Denn um Konkurrenz geht es immer, oder genauer: um Durchsetzung von Deutungshoheit gegenüber gegnerischen Fraktionen, zu deren Erledigung die Argumente geschliffen und auch die merkwürdigsten Positionswechsel absolviert werden. Immer geht es um die Einsicht, daß Denken seinem Wesen nach polemisch ist: daß es zuletzt darum geht, tiefliegende normative Züge eines Weltbilds zu verteidigen oder allererst durchzusetzen, indem Gegner aus dem Feld geschlagen werden.

Hier kommt ins Spiel, was man die Passion der nüchternen und skeptisch distanzierten Betrachtung bei Kondylis nennen darf. Sie grundiert seine Darstellungen und stützt deren Methodik - und läßt sich nicht einen Schritt weit auf die Vorstellung ein, daß die argumentative Realisierung von Vernunftansprüchen irgendwelche ernstzunehmenden Versprechen auf bessere Verhältnisse enthalte. Gegen alle philosophische Hoffnungen, Normen als verbindlich ausweisen zu können, bestand er nachdrücklich darauf, daß auch philosophische Entwürfe in Grundentscheidungen wurzeln, deren fundamentale Wertsetzungen argumentativ nicht einzuholen sind.

Der versuchten Normenbegründung setzte er sein methodisches Ideal der strengen Deskription entgegen. Kondylis hat diese eigene Grundentscheidung 1984 in dem schmalen Band "Macht und Entscheidung" erläutert. Dieser Traktat liegt nun in einer neuen Ausgabe wieder vor, ergänzt um einen thematisch verwandten kurzen Text und ein Interview (Panajotis Kondylis: "Machtfragen". Ausgewähle Beiträge zu Politik und Gesellschaft. Mit einer Einleitung von Volker Gerhardt. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2006. 172 S., geb., 34,90 [Euro]).

"Entscheidung ist der Absonderungsakt oder -vorgang, woraus sich ein Weltbild ergibt, das imstande ist, die zur Selbsterhaltung nötige Orientierungsfähigkeit zu garantieren." Mit diesem wuchtigen Satz, der die Begriffe Entscheidung, Weltbild und Selbsterhaltung zusammenzwingt, hebt der Traktat an. Entscheidung bekommt auf diese Weise einen fast transzendental anmutenden Rang: Sie konstituiert allererst eine geordnete Welt, in der sich ein Subjekt orientieren, also eine Identität ausbilden kann; wobei das Subjekt - ob Person, Gruppe oder Gattung - auf Orientierung nicht verzichten kann, weil es nur so dem Imperativ der Selbsterhaltung nachkommt, der es auf ständig angestrebte Machtsteigerung verpflichtet. Und Denken ist für Kondylis eine Fortsetzung dieses Strebens nach Machterweiterung, "indem es die Forderung nach Selbsterhaltung auf der breiten Grundlage des Weltbilds abstützt". Das Streben nach Normenbegründung erweist sich als der unumgängliche Versuch, einer "an sich" sinnlosen Welt Sinn aufzuprägen, um Selbsterhaltung qua Machterweiterung gegen einen immer schon ins Visier genommenen Feind zu gewährleisten.

Der faktische Dezisionismus aller normativen Sinnsetzungen, um den es Panajotis Kondylis hier nach eigenem Bekunden geht, muß seine Natur notwendigerweise verbergen, um effizient das Ziel der Selbsterhaltung zu befolgen. Aber wie gelingt es dann dem Autor, den Schleier dieses lebensnotwendigen Scheins zu heben und hinter ihm das in sich sinnlose Spiel von Machtansprüchen auszumachen? Seine Antwort lautet: indem der konsequente Dezisionist auf die aktive Teilnahme am Leben verzichtet, also keine Werte verficht und gegen keine Feinde antritt. Irgendwie ist er dazu gekommen, sich diesen lebenshemmenden Luxus an spekulativer Erkenntnis zu leisten: eine Erkenntnis, die er zwar referiert, aber von der er weiß, daß sie bei nur wenigen Gleichgesinnten Anklang finden wird.

Gilt es eine solche Antwort ernst zu nehmen? Mit Blick auf ihren Autor sicherlich, der sein Leben als Privatgelehrter zwischen Athen und Heidelberg tatsächlich außerhalb der akademischen Welt eingerichtet hatte. Aber losgelöst von der Person liegt der Verdacht auf der Hand, daß diese Antwort lediglich die letzte Konsequenz des Versuchs ist, eine nüchterne Sicht auf menschliche Verhältnisse theoretisch fundieren zu wollen. Man kann sich weit aus dem Leben zurückziehen, doch der theoretische Ort außerhalb des Spiels, von dem aus dieses sich als Ganzes wie "von außen" betrachten läßt, bleibt fiktiv. Das ändert nichts daran, daß man von Kondylis' Überlegungen fürs Leben eine Menge lernen kann.

HELMUT MAYER

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Angetan zeigt sich Helmut Mayer von diesem Traktat des 1998 verstorbenen Philosophen Panajotis Kondylis über "Machtfragen". Auch wenn er Kondylis? grundlegende Kritik an philosophischen Bemühungen, Normen als verbindlich auszuweisen, nicht teilt, scheinen ihm die Überlegungen des Autors recht lehrreich. Den Grundzug von Kondylis? Denken sieht er in der Behauptung, philosophische Entwürfe wurzelten in Grundentscheidungen, deren fundamentale Wertsetzungen argumentativ nicht einzuholen sind. Das Streben nach der Begründung von Normen sieht Kondylis als Versuch, einer sinnlosen Welt Sinn zu geben, um Selbsterhaltung qua Machterweiterung gegen einen immer schon ins Visier genommenen Feind zu gewährleisten. Die Konsequenzen aus diesen Einsichten helfen nach Ansicht Mayers allerdings nicht weiter. Skeptisch betrachtet er insbesondere Kondylis? Empfehlung, sich aus dem Leben zurückzuziehen.

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