24,00 €
inkl. MwSt.
Versandkostenfrei*
Sofort lieferbar
payback
0 °P sammeln
  • Gebundenes Buch

Jack McNulty ist ein Gentleman auf Zeit, ein Ire, der vorübergehend als Offizier im Dienst der britischen Armee steht. Er hat als Ingenieur in Afrika gearbeitet, als Bombenentschärfer in London sein Leben riskiert, den Torpedoangriff eines deutschen U-Boots überlebt und als UN-Beobachter die Unabhängigkeit Ghanas begleitet. Es ist 1957, die britischen Truppen sind endgültig abgezogen, doch Jack zögert seine Abreise hinaus, er "lungert in Afrika herum wie ein abgehalfterter Missionar". Bevor er nach Sligo und zu seinen Kindern zurückkehrt, will er reinen Tisch machen mit seiner Vergangenheit,…mehr

Produktbeschreibung
Jack McNulty ist ein Gentleman auf Zeit, ein Ire, der vorübergehend als Offizier im Dienst der britischen Armee steht. Er hat als Ingenieur in Afrika gearbeitet, als Bombenentschärfer in London sein Leben riskiert, den Torpedoangriff eines deutschen U-Boots überlebt und als UN-Beobachter die Unabhängigkeit Ghanas begleitet. Es ist 1957, die britischen Truppen sind endgültig abgezogen, doch Jack zögert seine Abreise hinaus, er "lungert in Afrika herum wie ein abgehalfterter Missionar". Bevor er nach Sligo und zu seinen Kindern zurückkehrt, will er reinen Tisch machen mit seiner Vergangenheit, denn Jack McNulty ist auch ein Feigling, ein Waffenschmuggler, Trinker und Glücksspieler, der seine einst so schöne und geistreiche Frau Mai um Erbe, Gesundheit und Leben gebracht hat. Getrieben von Reue, schreibt Jack seinen Lebensroman, die Geschichte eines Mannes, der sich schuldig gemacht hat, eine Elegie auf eine große, verlorene Liebe.
Autorenporträt
Sebastian Barry, 1955 in Dublin geboren, schreibt Theaterstücke, Lyrik und Prosa. Bei Steidl erschienen bisher seine Romane Ein verborgenes Leben, ausgezeichnet mit dem Costa Book of the Year Award und auf der Shortlist für den Booker Preis, Mein fernes, fremdes Land, ausgezeichnet mit dem Walter Scott Prize for Historical Fiction, und Ein langer, langer Weg, auf der Shortlist für den Booker Preis. Sebastian Barry lebt in Wicklow, Irland.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.07.2017

Der Säufer
aus Sligo
Sebastian Barry spielt mit literarischen Traditionen
Eben noch hatte er mit seinem „kabeldürren“ Landsmann Ned Johns herumgeflachst, nun bricht unversehens ein Helterskelter über die ganze Mannschaft hinein. Der Ire Charles McNulty kämpft auf einem Kriegsschiff für die Goldküste, das heutige Ghana, damals britische Kronkolonie. Überraschenderweise streitet er für England, Erzfeind seines eigentlichen Vaterlandes. Nach einer donnernden Explosion richtet sich das Schiff auf einer Seite jäh in die Höhe, und an ihm vorbei fegt eine Eisenleiter, an die sich schreiende Menschen klammern: „Wir alle sanken hinab, hinab zu Neptun, . . . unerwartet besiegt, bezwungen, zerschmettert, zerstört.“ Die Klimax der Verben türmt sich auf wie die riesenhohen Wellen des aufgewühlten Wassers, aber das Pathos wird jäh gebrochen von dem derben und sehr heutigen Slang des Ned John: „A fucking torpedo“, kann er gerade noch rufen, bevor ihn die Wellen vom Deck spülen. Der verheerende Angriff eines deutschen U-Boots im allerletzten Kriegsjahr.
Der Sogwirkung des Wassers entspricht die Sogwirkung der Sprache, die den Leser in den Roman Sebastian Barrys hineinzieht. Nicht stilistisch, aber von Genre und Schauplatz her fühlen wir uns an Abenteuerromane eines Jack London oder Rudyard Kipling erinnert. Und an den Rat Billy Wilders, wie man ein gutes Drehbuch schreibt: Fang an mit einem Erdbeben, und dann langsam steigern!
„Gentleman auf Zeit“ heißt der neue Roman des Iren Sebastian Barry. Petra Kindler besorgte die Rohübersetzung und Hans-Christian Oeser übernahm den literarischen Feinschliff. Der deutsche Titel lehnt sich eng an den englischen Originaltitel The Temporary Gentleman. Immer wieder ist auf den knapp 300 Seiten des Romans vom „Gentleman auf Zeit“ die Rede, es muss mit ihm eine tiefere Bewandtnis haben. Und in der Tat, im Krieg konnte auch ein nicht sehr gebildeter Mensch aus kleinen Verhältnissen Offizier werden und zu einem Gentleman reifen, aber eben nur auf Zeit.
Doch im Gegensatz zu Billy Wilders Maxime geraten wir in den folgenden Kapiteln in ruhigeres Fahrwasser. Der Krieg ist seit 12 Jahren vorbei, und der phlegmatische Erzähler, inzwischen UN-Beobachter und immer noch in Ghana, erinnert sich an seine Jugend im irischen Sligo, an sein zaghaftes Werben um die junge „blühende und lebensprühende“ Mai. Im Gegensatz zu ihr war er naiv und politisch völlig ungebildet, was den Kampf um Irlands Unabhängigkeit anging. Wie kann der Leser einem politisch wie charakterlich so unreifen jungen Mann vertrauen, einem unzuverlässigem Erzähler, der noch dazu exzessiv trinkt und vor Katastrophen am liebsten die Augen schließt? Indem der Autor den Erzähler aus der Rückschau erzählen lässt. Zum Zeitpunkt des Erzählens haben den inzwischen ergrauten Jack McNulty die Kriegserlebnisse etwas „reifen“ lassen. Dass alle seine Lebenskatastrophen, auch die finale und letale, auf seine Whiskey-Exzesse zurückgehen, hat er aber immer noch nicht begriffen. Eher gemächlich geschilderte afrikanische Gegenwartsszenen sind mit Rückblenden auf die Jahre einer strindberghaft wirkenden Ehehölle durchsetzt. Auf raffinierte Weise werden diese Ehe und die des schwarzen Hausdieners Tom, der von seiner Ehefrau und vom ganzen Dorf verstoßen wurde, ineinandergespiegelt. Wie Jack hatte sich Tom einst der Ehe durch einen freiwillig geleisteten, jahrelangen Kriegsdienst entzogen. Bei Tom aber ging es um das Geldverdienen, bei Jack um die Flucht aus der katastrophal gescheiterten Ehe mit Mai.
Die jeweiligen Lieblingslektüren des Paares säumen das Scheitern. Bei Jack ist es Rudyard Kipling. Die Vielleserin Mai liebt Flauberts „Madame Bovary“. Und so, wie sich die flamboyante Emma Bovary ihrem grauen Landarzt Charles überlegen fühlt, so krass ist auch das Gefälle zwischen dem liebenswerten, aber etwas tumben Jack („Charles“ (!) und der charismatischen Mai, die wie die Bovary der Tristesse ihrer Ehe mit dem verschwenderischen Einkauf schöner Kleider entkommen will. An ihrem Ehrgeiz, der sich nicht entfalten kann, geht sie schließlich zugrunde. Mit ihr ist dem Autor ein farbiges und facettenreiches Frauenporträt gelungen.
Man kann sich an diesem raffinierten Spiel mit literarischen Traditionen erfreuen oder auch einfach an den spannenden Plot halten. Vergnügen bereiten in diesem zwischen Irland und Afrika hin und her pendelnden Plot auch die Cliffhanger und die bildstarke Sprache, deren Metaphern und Vergleiche nie gesucht wirken, sondern sich organisch aus den Charakteren ergeben. Im Zentrum des Romans steht, das verrät uns schließlich der melancholische Erzähler, die Frage, was es ist, das eine Seele an die andere bindet. Geklärt wird sie nicht.
EVA SCHÄFERS
Sebastian Barry: Gentleman auf Zeit. Roman. Aus dem Englischen von Petra Kindler und Hans Christian Oeser. Steidl Verlag,
Göttingen 2017.
288 Seiten, 24 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr