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Ein originelles Zeitbild mit viel Komik und schrulligen Figuren, wie wir sie alle kennen.Mit Sprachwitz und trockenem Humor porträtiert Bettina Gärtner den Mittvierziger Herrmann und sein Mittelschichtsleben zwischen Hauptstadt, Kleinstadt, Heimatgemeinde. In kaum einer Woche überschlagen sich Ereignisse beruflicher wie privater Art. In der Firma möchte der kränkelnde und eigentlich mit bescheidenen Ambitionen ausgestattete Herrmann gerne ein wenig die Karriereleiter hinaufsteigen, wogegen er die Weiterführung der Hundezucht seines unlängst verstorbenen Vaters als Last sieht. Damit aufhören?…mehr

Produktbeschreibung
Ein originelles Zeitbild mit viel Komik und schrulligen Figuren, wie wir sie alle kennen.Mit Sprachwitz und trockenem Humor porträtiert Bettina Gärtner den Mittvierziger Herrmann und sein Mittelschichtsleben zwischen Hauptstadt, Kleinstadt, Heimatgemeinde. In kaum einer Woche überschlagen sich Ereignisse beruflicher wie privater Art. In der Firma möchte der kränkelnde und eigentlich mit bescheidenen Ambitionen ausgestattete Herrmann gerne ein wenig die Karriereleiter hinaufsteigen, wogegen er die Weiterführung der Hundezucht seines unlängst verstorbenen Vaters als Last sieht. Damit aufhören? Aber was würde der Ort nur dazu sagen? Und dann drängen Menschen und Vorfälle aus der Vergangenheit als Unruhestifter in das Jetzt hinein. Allen voran Orban, ein Jugendfreund, der nach der »Friedhofssache« - aus der Gerüchteküche des Ortes nicht wegzudenken - für rund 30 Jahre nach England verschwunden war ... Genauso eigenwillig wie diese Milieustudie ist, so schräg mutet auch die Entourage an der Seite des (Anti-)Helden an.
Autorenporträt
Gärtner, BettinaBettina Gärtner, 1962 in Frankfurt am Main geboren, lebt seit 1969 in Wien. Sie studierte Jus und Geschichte nicht zu Ende, kurz auch Journalistisches, danach Ausbildung und Erwerbstätigkeit in Grafik und Medienherstellung.2008 begann sie in Literaturzeitschriften zu veröffentlichen, 2015 erhielt ihr erster Roman "Unter Schafen" die Autor_innenprämie für besonders gelungene Debüts vom österreichischen Bundeskanzleramt/Sektion Kunst und Kultur.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.03.2020

Als unkündbar abgeschrieben
Ein Mann, aufgerieben zwischen Pendlerexistenz und Bürojargon, hat noch eine Sehnsucht:
Fuchs werden. Bettina Gärtners Roman „Herrmann“ lässt einen fast mit ihm durchdrehen
VON KRISTINA MAIDT-ZINKE
Wer die „Scheibenwelt“-Romane von Terry Pratchett kennt, weiß natürlich, dass der dreiunddreißigste Band „Going Postal“ heißt. 2004, im Jahr seines Erscheinens, war diese Redewendung im amerikanischen Englisch schon seit über einem Jahrzehnt etabliert: als Synonym für Amokläufe – nein, nicht von Postkunden, die endlos Schlange stehen müssen (das wäre eine aktuelle Assoziation aus der deutschen Dienstleistungswüste). Es waren damals vielmehr Angestellte der U.S. Postal Services, die immer häufiger Kollegen und anschließend sich selbst ins Jenseits beförderten, weil sich durch die Privatisierung des Postwesens unter der Reagan-Administration der Arbeitsdruck und die Kündigungsangst über die Maßen verschärft hatten.
Die American Dialect Society definierte going postal 1995 großzügiger als „irrationales, oft gewalttätiges Handeln, verursacht durch Stress bei der Arbeit“. In der Folgezeit wurde der Ausdruck populär in der allgemeinen Bedeutung von „durchdrehen, ausrasten“. Und nun begegnen wir ihm und seiner makabren Historie bei der aus Frankfurt stammenden, in Wien lebenden Autorin Bettina Gärtner, die den betreffenden Wikipedia-Eintrag, gestrafft und leicht redigiert, in ihren Roman „Herrmann“ eingefügt hat. Es gibt darin noch weitere „Zwischenkapitel“ nach diesem Verfahren, etwa zu Themen wie „Myokarditis“ (Herzbeutelentzündung) oder „Jägersprache“. Sie alle haben etwas mit dem Romanstoff zu tun, doch der Schlüssel zur Erzählung liegt offenkundig im „Going postal“-Syndrom, obwohl der Titelheld weder bei der Post arbeitet noch Amok läuft, höchstens in seiner Fantasie mal die Flinte auf seine Bürokollegin richtet.
Herrmann, Mitte vierzig, lebt in der österreichischen Provinz unter Umständen, die sich durch eine merkwürdige Mischung aus Kompliziertheit und Ödnis auszeichnen, und die deshalb etwas mühselig zu resümieren sind, obwohl (oder weil) sie von Bettina Gärtner mit geradezu bürokratischer Akribie geschildert werden. Also: Der Vater, ein Jagdhundezüchter, ist jüngst bei einem „Revierunfall“ ums Leben gekommen, die Mutter ist Lehrerin im Ruhestand, die Schwester Gerlinde, genannt Lindi, hat eine irgendwie bewegte Phase hinter sich und nun, mit Ende dreißig, wieder ihr altes Zimmer im Elternhaus bezogen. Herrmann, dem seine Freundin Rieke unlängst den Laufpass gegeben hat, wohnt gegenüber, versieht seinen Dienst bei der freiwilligen Feuerwehr und führt eher unfreiwillig die Hundezucht weiter. Vor allem aber fährt er seit zweiundzwanzig Jahren jeden Tag mit dem Auto von seiner Heimatgemeinde in die Bezirkshauptstadt und von dort mit der Schnellbahn (dreizehn Stationen) nach Wien, wo er „auf dritter Managementebene“ in der denkmalgeschützten Verwaltungszentrale eines „vor der Jahrtausendwende zur Aktiengesellschaft verjüngten Unternehmens“ tätig ist.
Was dieses Unternehmen herstellt oder womit es sich befasst, bleibt undurchsichtig; es dürfte sich um eine Firma der sogenannten IT-Branche handeln. Bettina Gärtner kennt sich in dem entfremdeten, mit Anglizismen und Wortblasen gespickten Jargon solcher Bürowelten offenbar sehr gut aus: Wenn sie Herrmanns Berufsalltag schildert, fühlt man sich an die endlosen, unfreiwillig mitgehörten Business-Telefonate in der 1. Klasse des ICE erinnert, bei denen man, selbst wenn man spaßeshalber angestrengt lauscht, nie errät, um welches Produkt es eigentlich geht (weshalb solche Verhandlungen auch völlig unbekümmert in voller Lautstärke geführt werden können). Das hat an sich schon etwas Komisches, aber es scheint der Autorin mehr auf die Tristesse als auf die Lachhaftigkeit solcher Verhältnisse anzukommen, sodass man beim Lesen alsbald in einen ähnlich frustrierten Zustand gerät, wie Herrmann ihn an seinem Arbeitsplatz erlebt.
Er gehört im Betrieb zu den „Unkündbaren“, die allerdings auch so etwas wie die Abgeschriebenen sind. Und Herrmann, so bescheiden er ist, würde gern in der Hierarchie noch ein wenig aufsteigen. Vereitelt wird das ausgerechnet von seinem Jugendfreund, dem smarten Banker Orban, der nach dreißig Jahren in England und einem Karriereknick ins Heimatdorf zurückgekehrt ist und, statt im glanzlosen Umfeld der „regionalen Kreditvergabe“ zu versauern, sich lieber ein neues Tätigkeitsfeld erobern will – in besagtem Unternehmen in der Hauptstadt.
Schon immer hat Herrmann sich dem eloquenten, bei den Frauen beliebten Orban unterlegen gefühlt. Jetzt bricht alles wieder auf: die gemeinsame Schulzeit, erotische Verwicklungen, der Dorfklatsch von einst, und auch Erinnerungen an eine verunglückte USA-Reise mit Rieke kommen wieder hoch. Der vierzigste Geburtstag der Schwester will begangen werden , die Verwandtschaft nervt; eine gewisse Merve beschäftigt Herrmanns Fantasie, aber wieder gerät er ins Hintertreffen. Er kränkelt: die Nebenhöhlen, der Blutdruck, das Herz … Und beim Leser steigt, das ist wohl der wirkungsästhetische Trick dieses Romans, der Stresspegel proportional zu dem des Anti-Helden: Was soll das, worauf will es hinaus, und wann geht hier endlich die Post ab?
Nein, Herrmann greift nicht zum Jagdgewehr, er frisst alles in sich hinein und träumt insgeheim von einer „Fuchswerdung“. Der Fuchs ist ja in der Literatur gegenwärtig ein sehr angesagtes Tier. Herrmann erliegt schließlich seinen Herzproblemen auf einer Waldwanderung mit Orban, Lindi und Merve, und der Vorgang zieht sich, wie die gesamte Handlung, sehr in die Länge, sodass der Sterbende noch allerlei denken und rekapitulieren kann. Am Ende findet er Frieden im „Fuchsgefühl“. Herrmann ist nun von seiner Fron befreit und der Leser von dem Druck, in dieser ambitionierten Mischung aus Provinz- und Angestelltenroman den „Sprachwitz und trockenen Humor“ suchen zu müssen, den der Umschlagtext verheißt. „Going postal“? Gerade noch mal daran vorbeigeschrammt.
Bettina Gärtner: Herrmann. Roman. Droschl Verlag, Graz 2020. 288 Seiten, 23 Euro.
Es kommt der Autorin wohl mehr
auf die Tristesse als auf die
Lachhaftigkeit der Verhältnisse an
Neben dem Eichhörnchen ist auch der Fuchs in der Literatur gegenwärtig ein sehr angesagtes Tier.
Foto:  A. von Dueren/imago images/blickwinkel
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»Herrmann ist ein unmittelbar unserer Gegenwart entsprungenes Buch: satt an Realität, reich an tragischer Komik und brillant in seiner sprachlichen Ausdrucksschärfe.« (Björn Hayer, Cicero) »Neben einer reichlich skurrilen Milieustudie über das Leben in der österreichischen Provinz ist Herrmann auch ein Roman über aktuelle Arbeitswelten, die Bettina Gärtner eloquent und mit viel Sprachwitz präsentiert.« (Veronika Hofeneder, literaturhaus.at) »Schon immer hat Herrmann sich dem eloquenten, bei den Frauen beliebten Orban unterlegen gefühlt. Jetzt bricht alles wieder auf: die gemeinsame Schulzeit, erotische Verwicklungen, der Dorfklatsch von einst, und auch Erinnerungen an eine verunglückte USA-Reise kommen wieder hoch.« (Kristina Maidt-Zinke, Süddeutsche Zeitung)