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"Humane Städte" ist ein praktischer Leitfaden, der anhand von Beispielen aus europäischen Großstädten zeigt, wie eine menschliche und sozial offene Stadtentwicklung aussehen kann. Es geht darum, humane Städte mit Respekt vor der überlagerten Geschichte und durch Architektur im menschengerechten Maßstab zu erneuern und weiterzuentwickeln. Das Buch knüpft damit an die von Jan Gehl begründete Tradition an, die den städtischen Raum als Rahmen betrachtet, der den Menschen Aufenthaltsorte und Begegnungsstätten bietet. Den Ausgangspunkt des Buches bildet die europäische Tradition der dichten…mehr

Produktbeschreibung
"Humane Städte" ist ein praktischer Leitfaden, der anhand von Beispielen aus europäischen Großstädten zeigt, wie eine menschliche und sozial offene Stadtentwicklung aussehen kann. Es geht darum, humane Städte mit Respekt vor der überlagerten Geschichte und durch Architektur im menschengerechten Maßstab zu erneuern und weiterzuentwickeln. Das Buch knüpft damit an die von Jan Gehl begründete Tradition an, die den städtischen Raum als Rahmen betrachtet, der den Menschen Aufenthaltsorte und Begegnungsstätten bietet. Den Ausgangspunkt des Buches bildet die europäische Tradition der dichten klassischen Stadt. Der Schwerpunkt liegt auf den physischen und räumlichen Gegebenheiten, auf Bebauungsmustern und Bautypen, auf Zugangsprinzipien sowie auf der Verknüpfung mit öffentlichen Straßen und Wegen - Grundlagen für städtisches Leben sowie einer Sicherheit und Geborgenheit vermittelnden Stadt.
Autorenporträt
Pålsson, Karsten
Karsten Pålsson, Jg. 1947, ist seit 40 Jahren als Architekt tätig. Er beschäftigte sich anfangs mit Regional-, Kommunal- und Quartiersplanung, führt jedoch seit 30 Jahren sein eigenes Architekturbüro mit den Arbeitsschwerpunkten Stadterneuerung, Baulückenbebauung, Erhaltungsplanung sowie Transformation von Wohnblöcken und anderen Bauten. Als Berater des dänischen Stadt- und Wohnraumministeriums arbeitet er an Entwicklungsprojekten im Bereich Stadterneuerung und im dänischen Umweltministerium auf dem Gebiet der Erhaltung historischer Gebäude. Im Rahmen seiner internationalen Lehrtätigkeit arbeitet er mit lateinamerikanischen Ländern zusammen und unterrichtet an der Technischen Universität von Dänemark.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.12.2017

Man möchte wissen, wo man ist

Wollen wir mehr Überwachung, oder soll der Stadtraum die Tugenden der offenen Gesellschaft widerspiegeln? Jürgen Krusche und Karsten Pålsson denken über die Stadt nach, in der man gut und gerne leben könnte.

Von Hans Magnus Enzensberger stammt die Bemerkung, jeder Städtebewohner wisse, dass die Architektur im Gegensatz zur Poesie eine terroristische Kunst sei. Was überzeichnet erscheinen mag, hat einen wahren Kern: Das Gebaute umgibt den Einzelnen ständig. Architektur ist unentrinnbar, sozialisiert immer schon und bleibt dabei zumeist unbewusst. Dennoch wird heute oft vorausgesetzt, dass sich die Stadt gefälligst unseren Bedürfnissen anzupassen habe. Im jüngeren Alter soll sie für uns laut und umtriebig sein, danach im Job und mit Kindern eher ruhig und friedlich und, noch einen biographischen Abschnitt später, barrierefrei . Die Erwartungen sind groß, die Frustration über die urbanistischen Umstände ebenso.

Nun widmen sich zwei Neuerscheinungen der Frage, in welchen Städten wir leben möchten. Während das eine Buch sich eher mit der gesellschaftlichen Sphäre - dem immer lauter artikulierten Wunsch nach Überwachung und dem damit einhergehenden Schwinden frei zugänglicher Räume, sozialer Durchmischung und kommunaler Teilhabe - auseinandersetzt, setzt das andere seinen Fokus vorrangig in der Stadtgestaltung.

"Die ambivalente Stadt" widmet sich, im Titel klingt es nur an, dem Thema (Un-)Sicherheit und den damit verbundenen Auswirkungen auf Städte, vor allem auf die öffentlichen Räume, ihr Aussehen, ihre Nutzung und Funktion. Dabei hat der von dem Kulturwissenschaftler Jürgen Krusche edierte Band einen ungewöhnlichen Aufbau: Zwischen vier gesellschaftskritischen Essays (unter anderem von Jens Dangschat und Erol Yildiz) und drei Fallbeispielen (zum Thema Urban Gardening sowie zu Lagos und Hongkong) werden sechs fotografische Erinnerungen des Künstlers Kai Ziegener zu Gewalterfahrung im öffentlichen Raum eingeschoben. Dass Fotografie ein probates Medium der Stadtforschung sein kann, wollen die beiden abschließenden Beiträge illustrieren. Die Garagenbilder des Philosophen Jürgen Hasse erweisen sich dabei als "Nistplätze komplexer Bedeutungszusammenhänge, die durch das wache Selbsthinsehen - die Autopsie - hervortreten". Und der Historiker Philipp Sarasin will visuell festhalten, dass die meisten global cities eben nicht "nach dem Muster von Siena oder Krakau" gebaut seien, "mit großen schönen Plätzen vor Rathäusern oder Kirchen, wo die Bürgerschaft und die städtische Herrschaft sich trafen, wo Macht überschaubar war und das soziale Leben eine in der Architektur der Stadt lesbare Form besaß". Vielmehr stellten sie "ein fortwährendes Aufquellen, ein Die-Maßstäbe-Verschieben, eine ständige Überforderung" dar.

Christa Müller, Propagandistin des Urban Gardening, sieht hingegen heute viele Chancen zu einer produktiven Aneignung von Stadt, zumal das "im Internet praktizierte Teilen von Kenntnissen und die hieraus resultierende Wirksamkeitserfahrung" in die analogen Räume migriere. Ihre Aktivisten verlangen "nach freiem Zugang und ihre ästhetischen Vorlieben schließen Hands-on-Lösungen explizit mit ein". Selbstkritisch räumt sie ein, dass "die subsistenzorientierten Räume fortwährend Gefahr" laufen, kulturindustriell vereinnahmt zu werden. Trotz unterschiedlicher Zugänge wollen alle Autoren am Konzept der offenen Stadt festhalten und sind überzeugt, dass zum Verständnis der Stadt die dualistische Aufteilung in sicher-unsicher oder schön-hässlich zu kurz greift.

Um das Wechselspiel von Stadtraum und Öffentlichkeit geht es auch in dem Band "Humane Städte" des dänischen Stadtplaners Karsten Pålsson. Er legt ein Kompendium vor mit Planungshinweisen und Leitlinien für die bauliche Codierung des Urbanen. Dabei stützt er sich auf Erkenntnisse, die er durch langjährige Untersuchungen von Großstadtsituationen in verschiedenen Ländern gewonnen hat. Seine These: Es gibt elementare Bedürfnisse für die Gestaltung öffentlicher Räume.

Im Gegensatz zur Architektur, die ebenso wie unser Leben wechselnden Moden und Strömungen unterliegt, bleiben diese Kriterien überraschend konstant. Straßen und Plätze etwa haben ein Profil, dessen Qualität von seiner Maßstäblichkeit zur Umgebung und seinen Proportionen abhängt. Das Profil gibt dem Straßenraum Halt und charakterisiert ihn mitunter so einprägsam, dass er sich auf einen Blick identifizieren lässt: Man weiß, wo man ist.

Folgerichtig ist Pålssons Blick auf Bebauungsmuster und Bautypen gerichtet, auf Zugangsprinzipien sowie auf die Verknüpfung mit öffentlichen Straßen und Wegen - Grundlagen für städtisches Leben sowie einer Sicherheit und Geborgenheit vermittelnden Stadt. Herausgekommen ist ein Ratgeber, wie man Stadterneuerung und -sanierung richtig betreibt. Die Beispiele stammen zumeist aus Kopenhagen, wobei vielfach auch Berlin zu Rate gezogen wird, deutlich weniger dann Barcelona, Hamburg, Stockholm oder Zürich.

Die Welt außerhalb Europas hingegen existiert hier bewusst nicht, denn wichtig sei, "dass man sich vor der heute herrschenden Tendenz zur Internationalisierung der Architektur hütet, die bewirkt, dass neue Häuser überall auf der Welt gleich aussehen". Es ist begrüßenswert, dass sich ein ausführlich illustriertes Buch mit dem lebensweltlichen Aspekt des Urbanen befasst, dass es um die Frage der Aufenthaltsqualität geht, um das Potential der Straße als einen sozialen Raum, um die Bedeutung von sinnlichen Anreizen, die sich in Bodenbelägen wie in angrenzenden Gebäuden finden können.

Freilich folgt das Dargebotene allzu sehr dem Strickmuster des dänischen Stadtplaners Jan Gehl, der mit seinen Büchern "Leben zwischen Häusern" (2012) und "Städte für Menschen" (F.A.Z. vom 18. März 2015) für Furore sorgte. Als Leser hat man hier wie dort den Eindruck, es werde ein Wertesystem mit einer gesunden Dosis dolce vita al fresco verkauft. Zwar ist es richtig, als Ausgangspunkt und zentrale Komponente die res publica der Straßen und Plätze zu wählen, also die Überlagerung von technischen Infrastruktur-Bausteinen einerseits und stadträumlichen Elementen andererseits. Aber für eine fundierte Auseinandersetzung fehlt denn doch die Frage nach Machtverhältnissen und Konfliktpotentialen.

Obgleich sie nicht in allen Details überzeugen, bereichern beide Bände die urbanistische Literatur. Der öffentliche Raum stellt jeweils den entscheidenden Begriff in den Mittelpunkt - gemeint ist damit bei Pålsson eine planbare bauliche oder räumliche Struktur, bei Krusche eine bestimmte soziale und kulturelle Qualität, die aus unterschiedlichen Nutzungsformen des Raumes entstehen kann. Über eine belastbare Brücke dazwischen hätte man sich gefreut.

ROBERT KALTENBRUNNER

Jürgen Krusche (Hrsg.): "Die ambivalente Stadt". Gegenwart und Zukunft des öffentlichen Raums.

Jovis Verlag, Berlin 2017. 176 S., Abb., br., 28,- [Euro].

Karsten Pålsson: "Humane Städte". Stadtraum und Bebauung.

DOM publishers, Berlin 2017. 272 S., Abb., br., 28,- [Euro].

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