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Ein junger Mann stößt in Vilnius zufällig auf das Geburtshaus von Romain Gary. Dessen Roman «Frühes Versprechen» und der rätselhaften Gestalt des unscheinbaren Monsieur Piekielny verdankt er eigentlich sein Abitur. Denn Garys Roman war der einzige auf seiner Liste, den er überhaupt gelesen hatte, und über Monsieur Piekielny konnte er tatsächlich ein paar Sätze sagen. Wer war dieser Mann? Der vaterlose Gary, damals noch Roman Kacew, lebte in den 1920er Jahren mit seiner Mutter in Vilnius. Während der Ehrgeiz der Mutter, die in ihrem Sohn das zukünftige Genie sah, eher für Belustigung sorgte,…mehr

Produktbeschreibung
Ein junger Mann stößt in Vilnius zufällig auf das Geburtshaus von Romain Gary. Dessen Roman «Frühes Versprechen» und der rätselhaften Gestalt des unscheinbaren Monsieur Piekielny verdankt er eigentlich sein Abitur. Denn Garys Roman war der einzige auf seiner Liste, den er überhaupt gelesen hatte, und über Monsieur Piekielny konnte er tatsächlich ein paar Sätze sagen. Wer war dieser Mann?
Der vaterlose Gary, damals noch Roman Kacew, lebte in den 1920er Jahren mit seiner Mutter in Vilnius. Während der Ehrgeiz der Mutter, die in ihrem Sohn das zukünftige Genie sah, eher für Belustigung sorgte, lud Monsieur Piekielny den jungen Romain zum Tee ein und bat ihn, sollte er einst berühmt werden, sich seiner zu erinnern und ab und zu seinen Namen zu erwähnen - was Gary später tatsächlich immer wieder tat. Er hat Monsieur Piekielny niemals vergessen.
Désérables Roman ist ein leichtfüßiges, kenntnisreiches, bewegendes und melancholisches Meisterstück, eine Hommage an Romain Gary, an die litauischen Juden und nicht zuletzt an die Nebenfiguren, die Unscheinbaren und Kleinen in der Weltliteratur.
Autorenporträt
François-Henri Désérable, geboren 1987, ist Eishockeyspieler und Schriftsteller. «Ein gewisser Monsieur Piekielny» ist sein dritter Roman. Désérable erhielt bereits zahlreiche Literaturpreise. Sein aktueller Roman, der sich in Frankreich über 30.000 Mal verkauft hat, wurde mit dem Grand prix de littérature de la ville de Saint-Étienne 2017 ausgezeichnet und war für alle wichtigen Preise nominiert. Ende des Jahres kommt eine Verfilmung von Romain Garys «Frühes Versprechen» in die französischen Kinos.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.07.2018

Der letzte Zufluchtsort
Immer wieder hat der weltberühmte Schriftsteller Romain Gary die Geschichte seines alten Nachbarn
Monsieur Piekielny erzählt. François-Henri Désérable hat sich auf die Suche nach ihm gemacht
VON ALEX RÜHLE
Es fängt im Plauderton an, mit einem dieser Zufälle, die einem der Alltag vor die Füße rollt und die erst im Nachhinein so sinnfällig wirken, als ziehe hinter den Kulissen der eigenen Biografie ein stummer Regisseur alle Fäden: Das Leben verschlägt den angehenden Schriftsteller François-Henri Désérable im Jahr 2014 ins litauische Vilnius, als er eigentlich nach Weißrussland will. Da er seinen Zug nach Minsk verpasst, hat er Zeit für einen Stadtbummel, mäandert durch die Gassen und landet schließlich vor einer Tafel, die ihm erklärt, in diesem Haus habe einst der Autor und Diplomat Romain Gary gelebt. In dem Moment steigt aus den Tiefen seiner Erinnerung ein Satz in ihm auf: „In der Großen Pohulanka Nr. 16 in Vilnius lebte ein gewisser Herr Piekielny“. Der Satz ist da wie ein Reflex, als sei sein Gedächtnis auf den Pawlowschen Hund gekommen.
Besagter Satz stammt aus dem siebten Kapitel von Romain Garys Autobiografie „Frühes Versprechen“. Gary erzählt darin von seiner ärmlichen Kindheit in dieser Straße, und davon, wie seine überaus energische Mutter damals schon davon überzeugt war, ihr Sohn werde einstmals Diplomat und berühmter Bühnenschriftsteller. Und zwar in Frankreich! Wer das nicht glaube, der werde sich noch wundern.
François-Henri Désérable weiß das noch so genau, weil er dieses Buch für sein Abitur lesen musste, so wie eigentlich 20 andere Werke auch, Sartre, Voltaire, Diderot. Ihn interessierte damals nur Eishockey, der einzige Titel, den er las, war Garys „Versprechen“. Warum gerade dieses Buch ihn so faszinierte, weiß er nicht mehr, vielleicht der Einband, der den jungen Gary als Kampfpiloten der Royal Air Force zeigt, vielleicht der Humor, er liest das Buch mehrfach, und driftet gleichzeitig seinem Abitur entgegen, in dem Wissen darum, wahrscheinlich durchzufallen. Am Tag der Prüfung steht er vor seinen Lehrern „wie vor einem Erschießungskommando“, doch statt eines Schusses fällt die rettende Frage: Was können Sie uns über das siebte Kapitel des „Frühen Versprechens“ sagen?
Als Désérable sich von seiner Glücksverblüffung erholt hat, erzählt er davon, wie Garys Mutter seinerzeit alle jüdischen Bekannten nervte mit den Berühmtheitsbeschwörungen ihres Sohnes. Davon, dass es da aber diesen einen Nachbarn gab, Monsieur Piekielny, der laut Gary „einer ängstlichen Maus glich“, den die absolute Gewissheit dieser Frau beeindruckte. Und davon, wie Piekielny den jungen Romain eines Tages anflehte: „Wenn du in Zukunft Persönlichkeiten begegnest, bedeutenden Männern, versprich mir, dass du ihnen sagen wirst: In der Großen Pohulanka Nr. 16 in Wilna lebte ein gewisser Herr Piekielny.“ Gary ergänzt, er habe später, „die freundliche Maus aus Wilna hatte schon längst zusammen mit Millionen anderen Juden ihre winzige Existenz in den Krematoriumsöfen der Nazis beendet“, sich immer wieder seines Versprechens erinnert und Kennedy, de Gaulle oder auch verblüfften Fernsehzuschauern gegenüber erwähnt, dass in der Großen Pohulanka Nr. 16 in Wilna ein gewisser Herr Piekielny gelebt habe.
Diese Anekdote bildet den Kern für eines der originellsten Bücher dieses Herbstes. François-Henri Désérables „Ein gewisser Monsieur Piekielny“ ist Roman, Biografie, Geschichtswerkstatt und ein raffinierter Text über die Fallen der Fiktion.
Drei Ebenen hat dieses Buch. Zum einen erzählt der mittlerweile 31-jährige Désérable davon, wie er, der eigentlich Eishockeyprofi werden wollte, durch Gary erst zur Literatur und später dann zum Thema dieses Romans fand. Er gibt sich dabei als gründlicher Chronist und versteckt doch gerade in den Fakten, die er zur Untermauerung seiner Gewissenhaftigkeit einstreut, von Anfang an Hinweise darauf, dass man Erzählern gegenüber skeptisch sein sollte: Als er in Vilnius eine Kellnerin fragt, ob es in der Kneipe Wlan gebe, reicht sie ihm einen Zettel, „auf dem in winzigen Zeichen das Passwort stand (X-fh3_pH-38, das vergisst man nicht)“. Was für eine Klammer, wer hätte sich je solch ein Zeichenkauderwelsch merken können? Man begegnet ihm also erst mal mit amüsiertem Misstrauen, merkt dann aber bald, dass Désérable so vor allem auf die folgende doppelte Spurensuche vorbereitet – und auf eine seiner beiden Hauptfiguren.
Auftritt Romain Gary. Dessen Leben klingt schon bei Aufzählung der nachprüfbaren Tatsachen wie ein pikaresker Roman. Er wird als Roman Kacew in eine jüdische Familie geboren. Die Mutter, überzeugt von der Außergewöhnlichkeit ihres Kindes, zieht mit ihm nach Nizza. Er studiert erst mal Jura, kann nicht schaden, wenn man später Botschafter wird. Dann stürzt er sich in ein gefährliches Heldenleben – kann nicht schaden, wenn man später berühmter Autor wird: Er geht zur Luftwaffe und springt, schon mit seinem Künstlernamen (nach Gary Cooper, kann nicht schaden, wenn man später mal Jean Seberg heiratet), dem Tod mehrfach von der Schippe. Nach dem Krieg wird er Diplomat in Sofia, London, Genf und Generalkonsul in Los Angeles. Gleichzeitig wird er berühmt als Regisseur, Drehbuch- und Romanautor. Er ist der einzige Mensch, der zweimal den Prix Goncourt bekam, was den Statuten nach streng verboten ist – aber Gary hatte irgendwann angefangen, nebenher unter diversen Pseudonymen zu veröffentlichen. Sein Alter Ego Émile Ajar gewann für „La Vie devant soi“ den bedeutenden Preis, den Gary bereits für „Les racines du ciel“ erhalten hatte.
Désérable arbeitet sich auf der zweiten Ebene immer tiefer in das autobiografische Fiktionslabyrinth dieses Autors vor, und während er eine Lebenserfindung nach der anderen aufdeckt, (nein, sein Vater war nicht der russische Stummfilmstar Iwan Mosschuchin, sondern ein mittelloser Geschäftsmann namens Arieh-Leib Kacew), bekommt man mehr und mehr den Eindruck, dass die Wahrheit für Gary nur so etwas wie eine langweilige Puppe gewesen sein muss, die man jedes Mal selber kunstvoll ausstaffieren muss, bevor man sie ins Schaufenster eines Buches stellt.
Vor allem aber sucht Désérable auf der dritten Ebene, im Zentrum seines Textes, fortwährend nach Piekielny, diesem stillen Zaungast des Lebens. Anfangs fragt er sich hoffnungsfroh: „Wenn der Paläontologe, der nichts außer einem Vorderbeinknochen und zwei Wirbeln hatte, daraus den ganzen Dinosaurier rekonstruieren konnte, konnte ich es dann nicht ebenso mit einer Maus tun?“ Der Vorderbeinknochen und die zwei Wirbel, das sind die wenigen Sätze, die sich im „Versprechen“ über Garys ehemaligen Nachbarn finden – und aus denen entsteht nun immer wieder nahtlos Fiktion, man merkt den Übergang von den harten Knochen zur weichen Rekonstruktion, von Garys Text zu Désérables Spekulationen gar nicht, etwa wenn er ihm Berufe anprobiert. Lehrer? Nein, zu schüchtern. Eher ein Handwerk.
Désérable skizziert Lebensszenen, Momente aus dem Berufsalltag eines höflichen Barbiers im Vilnius der späten Dreißigerjahre, der Kleiderhaken an der Wand, der wurmstichige Stuhl mit Kopf- und Fußstütze, so genau erzählt, dass Piekielnys Frisiersalon gerade vor dem inneren Auge entstanden ist, als Désérable ihn schon wieder verschwinden lässt mit dem Satz, er wisse es ja auch nicht, all das seien nur Vermutungen. Sicher aber habe dieser Mann oft nachts wach gelegen und sich gefragt, wer sich später mal an ihn erinnern werde. „Dass allein ein Grabstein – eine armselige matzewah aus grauem Stein, schief stehend, von Unkraut überwuchert und ohne Kieselsteine darauf
–, dass allein dieser seinen Aufenthalt auf Erden bezeugen sollte, war ihm unerträglich.“
Am Ende gibt es nicht mal diesen Grabstein, so wie es das „Jerusalem von Litauen“ nicht mehr gibt, wie Vilnius noch 1939 genannt wurde. 60 000 Juden lebten dort vor dem Krieg, nicht mal 2000 haben überlebt. Alle Spuren jüdischen Lebens wurden getilgt, nach den mörderischen Nazis kamen die Sowjets, deren Modernismuswalze über die bis dahin verbliebene Architektur drüberrollte, Grabsteine wurden als Straßenpflaster genutzt. Und so wird dieses Buch, das so leichtfüßig daherkommt, zur Suche nach einem, wenigstens einem der Juden, die spurlos vernichtet wurden.
Désérable schreibt Archive an, liest das Gesamtwerk von Gary auf der Suche nach weiteren Hinweisen, mischt die wenigen Fakten mit immer neuen Fiktionsversuchen, erzählt die Vernichtung der litauischen Juden und der Familienmitglieder Garys, fährt sechsmal nach Vilnius, schaltet Fotos dieser Reisen zwischen seine Texte (man würde sich nicht wundern, wenn auf einem davon in der Ferne W.G. Sebald zu sehen wäre), und steht am Ende doch mit leeren Händen beziehungsweise mit nichts als den Sätzen aus Garys Erinnerungen da – was auf tragische Art zu dessen Literaturdefinition passt: „Der letzte Zufluchtsort auf dieser Erde für alle, die nicht wissen, wo sie sich verkriechen sollen.“
Und dann geht Désérable, er sitzt seit zwei Jahren an seinem Text, eines Abends in ein Pariser Theater, in Gogols „Revisor“ und hört dort Bobtschinskij, einen unbekannten Bewohner eines Provinznestes, zum vermeintlichen Revisor sagen: „Sagen Sie, wenn Sie nach Petersburg kommen, allen Würdenträgern: Euer Exzellenz, in jener Stadt lebte Pjotr Bobtschinskij.“
Ist Piekielny am Ende also nur ein literarischer Show-Effekt von Raymond Gary, schamlos geklaut bei einem anderen Autor? Nicht nach diesem Buch. Schließlich hat François-Henri Désérable, der damit 2017 für alle französischen Literaturpreise nominiert wurde, das gemacht, was Gary vielleicht nur behauptet hat, er hat dem unbekannten Piekielny ein Denkmal gesetzt, selbst wenn es ihn nie gegeben haben mag.
François-Henri Désérable: Ein gewisser Monsieur Piekielny. Aus dem Französischen von Sabine Herting. C.H. Beck München 2018. 256 Seiten, 22 Euro.
Der Autor gibt sich als
gründlicher Chronist – und
streut doch ständig Skepsis
Seine Mutter war überzeugt,
dass er Botschafter Frankreichs
wird, was er auch wurde
In Frankreich lief gerade die
Verfilmung seiner Autobiografie im Kino sehr erfolgreich:
Romain Gary.
Foto: imago/Leemage
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"Es lohnt sich, mit Olaf Sundermeyer einen genaueren Blick auf die Identifikationsfigur der AfD, Alexander Gauland, zu werfen (...) ein thematisch fokussiertes, auf Interviews gestütztes Porträt."
Neue Zürcher Zeitung, Victor Mauer

"Ein bemerkenswertes Buch."
Literatur SPIEGEL, Tobias Rapp

"Besonders lesenswert (...) wer die Partei AfD verstehen möchte, sollte versuchen, den Menschen Alexander Gauland zu verstehen - dieses Buch hilft dabei."
MDR Kultur, Bastian Wierzioch

"Eine exzellente Gauland-Biografie."
Leipziger Volkszeitung, Mariam Lau