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György Dalos’ Buch über den Aufstand in Ungarn verleugnet nicht, das Werk eines Schriftstellers zu sein. Er erzählt aus der Sicht der Protagonisten – der führenden Politiker wie der einfachen Leute – eindringlich und bewegend den Verlauf des Aufstandes bis zu seinem tragischen Ende.
Der ungarische Volksaufstand (23. Oktober – 4. November 1956) wurde von niemandem geplant. Er brach als spontaner Protest gegen die Lüge und Gewalt der Diktatur unter Mátyás Rákosi (1949–1953) sowie die Verhinderung der Reformen unter Imre Nagy (1953–1955) aus. Auf die ursprünglich friedliche…mehr

Produktbeschreibung
György Dalos’ Buch über den Aufstand in Ungarn verleugnet nicht, das Werk eines Schriftstellers zu sein. Er erzählt aus der Sicht der Protagonisten – der führenden Politiker wie der einfachen Leute – eindringlich und bewegend den Verlauf des Aufstandes bis zu seinem tragischen Ende.
Der ungarische Volksaufstand (23. Oktober – 4. November 1956) wurde von niemandem geplant. Er brach als spontaner Protest gegen die Lüge und Gewalt der Diktatur unter Mátyás Rákosi (1949–1953) sowie die Verhinderung der Reformen unter Imre Nagy (1953–1955) aus. Auf die ursprünglich friedliche Demokratiekundgebung der Universitätsjugend antwortete die erschrockene KP-Führung mit einer Bitte an Moskau um Hilfe. Die Intervention der Roten Armee löste einen bewaffneten Widerstand aus, in dem ein paar Tausend Freischärler mit ihrer Taktik der Stadtguerilla einige Erfolge gegen die Besatzer erreichen konnten. Die Regierung von Imre Nagy gab allmählich den Forderungen der Straße nach: Sie akzeptierte das Mehrparteiensystem, erklärte den Austritt des Landes aus dem Warschauer Vertrag und die Neutralität Ungarns nach österreichischem Muster. Die Sowjets begannen mit dem Rückzug ihrer Truppen aus Budapest. Einige Tage lang erschien eine friedliche Weiterentwicklung möglich. Diese Hoffnungen wurden jedoch durch den erneuten sowjetischen Einmarsch zerstört.

Dalos’ Chronik des Aufstandes faßt die Ereignisse auf der Grundlage neuester Kenntnisse – nach Öffnung der Archive – und zahlreicher Interviews mit Zeitzeugen prägnant zusammen. 17 Aufnahmen des Magnum-Photographen Erich Lessing, der für seine Reportagen über die ungarische Revolution den American Art Directors Award erhielt, illustrieren den Band.

Autorenporträt
Elsbeth Zylla, geboren 1955, studierte Germanistik und Politikwissenschaft und war danach in der Erwachsenenbildung tätig. Sie ist Übersetzerin und Lektorin und arbeitet seit 1993 für die Heinrich-Böll-Stiftung.Erich Lessing, geb. 1923 in Wien, österreichischer Fotograf, war Fotoreporter bei der amerikanischen Nachrichtenagentur Associated Press und ist seit 1951 Mitglied der Photographen-Kooperative Magnum, mit Sitz in Paris und New York. Er arbeitete u.a. für die Zeitschriften Quick, Life, Paris Match, Epoca. 1973: Verleihung des Professorentitels. Zahlreiche Preise, darunter der große Österreichische Staatspreis 1997 für künstlerische Fotografie. Erich Lessing lebt und arbeitet in Wien

György Dalos, geb. 1943 in Budapest in einer jüdischen Familie, gehörte zur demokratischen Opposition Ungarns und lebte in den achtziger Jahren nach Aufenthalten in Berlin in Wien und Budapest. György Dalos wurde vielfach in Deutschland und Ungarn ausgezeichnet und war bis 1999 der Direktor des ungarischen Kulturinstituts in Berlin und im selben Jahr literarischer Leiter des Ungarn-Schwerpunkts während der Frankfurter Buchmesse. Er wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter 1995 der "Adelbert-von-Chamisso-Preis", 2000 die "Goldene Plakette der Republik Ungarn" und 2010 der "Preis der Leipziger Buchmesse für Europäische Verständigung".
György Dalos lebt als Autor in Berlin.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Rezensent Andreas Oplatka ist beeindruckt von diesem "groß angelegten zeitgeschichtlichen Essay" über den Ungarnaufstand 1956, den György Dalos vorgelegt hat. Vor allem die sprachliche Gestaltung des Essays hat es ihm angetan. Als "kunstvoll, geistreich und oft witzig" würdigt er den Text. Darüber vergisst er nicht, dem Autor fundierte Kenntnisse der Materie zu bescheinigen, die er bei Beschreibung der damaligen Ereignisse gelungen zur Geltung bringt. Mehr noch als die atmosphärischen Beschreibungen haben es ihm allerdings die sie begleitenden oft aphoristischen Reflexionen von Dalos angetan.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.11.2006

Nagys größter Fehler
György Dalos stellt den Ungarn-Aufstand von 1956 meisterhaft dar

"Genossen. Mein Kind war gerade erst vier Monate alt und wurde noch gestillt, als sie es mir zusammen mit meinem Mann wegnahmen. Es war fünfeinhalb Jahre alt, als ich es zum ersten Mal wiedersah." In bewegenden Worten schilderte Júlia Rajk, Witwe des 1949 nach einem Schauprozeß als "Verräter" und "imperialistischer Agent" hingerichteten kommunistischen Innenministers sowie kurzzeitigen Außenministers László Rajk, am 18. Juni 1956 in einer Versammlung des Petöfi-Kreises im Budapester Offiziersclub ihre Erfahrungen aus fünf Jahren Haft und verlangte die Rehabilitierung ihres Mannes. Wie elektrisiert sprangen die Anwesenden auf und applaudierten. Júlia Rajks Auftritt sorgte für einen gewaltigen Zustrom von Besuchern zur nächsten Diskussion am 27. Juni, die wegen Überfüllung mit Lautsprechern nach draußen übertragen werden mußte. Als Géza Losonczy, Parteimitglied und brillanter Publizist, der jahrelang im Gefängnis saß für Verbrechen, die er nicht begangen hatte, den Namen des aus allen Ämtern entfernten Imre Nagy erwähnte, standen alle Anwesenden auf und verlangten - wie die Massen draußen im Foyer und im Hof des Offiziersclubs - skandierend dessen Rückkehr. Die beiden Treffen des Petöfi-Kreises, einer Vereinigung vorwiegend von Intellektuellen und kritischen Parteimitgliedern, sind wegen der vorgelebten Redefreiheit, die viele berauschte, als mitentscheidend anzusehen für die Aufwallungen, die schließlich im Oktober 1956 zum Volksaufstand führten. Der begann mit zunächst friedlichen Demonstrationen am 23. Oktober und Toten sowie Verletzten bei der Erstürmung des Rundfunkgebäudes in Budapest.

Am 19. Oktober war eine von Nikita Chruschtschow geleitete sowjetische Delegation nach Warschau gereist; zuvor hatte es in Posen Proteste gegeben, die blutig niedergeschlagen worden waren. Die in Polen stationierten sowjetischen Truppen waren in Gefechtsbereitschaft versetzt worden. Die polnische Führung trat gegenüber den Sowjets entschlossen auf. Chruschtschow sah sich gezwungen, den Reformer Wladyslaw Gomulka als Ersten Sekretär der Partei zu akzeptieren. Die sowjetischen Truppen kehrten in ihre Kasernen zurück. Die Nachricht drang schnell nach Ungarn, am Morgen des 23. Oktober war sie in aller Munde. Das Wort vom "polnischen Beispiel" machte die Runde, grundlegende Veränderungen schienen möglich. Auf dem Kossuth-Platz vor dem Parlament wollten etwa 200 000 Menschen Imre Nagy hören, den Mann, der nach Stalins Tod 1953 als Ministerpräsident Reformen einzuführen versucht hatte, aber abgesetzt worden war. Zwei Tage später - sowjetische Truppenverbände waren ausgerückt und an strategisch wichtigen Plätzen aufgestellt - fielen vor dem Parlament Schüsse. Mehr als hundert Tote waren zu beklagen.

Nagy, der viele Jahre seines Lebens in der Sowjetunion zugebracht hatte, hätte wissen müssen, daß Moskau nicht einfach einen Teil seines imperialen Vorhofs aufgeben würde. Sein größter Fehler war aber, daß er am 30. Oktober den Austritt aus dem Warschauer Pakt erklärte und die ungarische Neutralität verkündete. Das war die "Einladung" zur Wiederkehr der (zunächst aus Budapest wieder abgezogenen) sowjetischen Truppen am 4. November, die dann die Erhebung der Ungarn niederschlugen und für János Kádárs "Gulasch"-Kommunismus Fakten schaffen sollten. Der "Quisling Ungarns" hatte "die Revolution" zunächst begrüßt und war am 1. November in Nagys Regierung eingetreten - um unmittelbar darauf nach Moskau zu verschwinden und im sowjetischen Panzerwagen zurückzukehren. Die Hinrichtung von Nagy und dessen Mitstreitern 1958 - mit einigen hatte Kádár einst zusammen im Kerker gesessen - war sein Entschluß - Moskau brauchte nicht mehr zu drängen.

György Dalos, Jahrgang 1943, war mit seinen 13 Jahren ein aufgeweckter und aufnahmebegieriger Beobachter all dieses Geschehens. Seine Zeitzeugenschaft ist zunächst subjektiv, weil vom unmittelbaren Erleben des Aufstand an der Seite von Mutter und Großmutter im Zentrum Budapests geprägt. Retrospektiv kommt dem gegenwärtig in Berlin lebenden Schriftsteller und Historiker die aus wachsamem Blick und eigener (leidvoller) Anschauung gewonnene Tiefenschärfe zugute. Das Kádár-Regime maßregelte den jungen Kommunisten 1968 und entfernte ihn aus der Partei. Aus diesem Erfahrungshorizont heraus ist ein sehr instruktives Buch entstanden, das von der glücklichen Symbiose aus Quellenausschöpfung und fiktionsfreier Darstellung in schriftstellerischer Meisterschaft lebt. Bilder des Fotografen Erich Lessing sowie eine Zeittafel veranschaulichen und ein nützliches Personenregister erschließt das Buch, nach dessen Lektüre man den Eindruck gewonnen haben mag, selbst dabeigewesen zu sein.

REINHARD OLT

György Dalos: 1956. Der Aufstand in Ungarn. Verlag C. H. Beck, München 2006. 246 S., 19,40 [Euro].

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