Marktplatzangebote
7 Angebote ab € 10,00 €
  • Gebundenes Buch

"Der Balkan hat viel mit uns zu tun. Mehr, als wir denken, und mehr, als wir zu denken bereit sind" - Zigeunermusik und Gulags, Kläster und Mafiosi, Milosevic und Lenau, das prächtige Sternenzelt der Orthodoxie, der leere Himmel über dem Jetzt - ndl-Preisträger Richard Wagner porträtiert ein fernes, nahes Land, das er wie kein zweiter kennt: profund und sehr persönlich.

Produktbeschreibung
"Der Balkan hat viel mit uns zu tun. Mehr, als wir denken, und mehr, als wir zu denken bereit sind" - Zigeunermusik und Gulags, Kläster und Mafiosi, Milosevic und Lenau, das prächtige Sternenzelt der Orthodoxie, der leere Himmel über dem Jetzt - ndl-Preisträger Richard Wagner porträtiert ein fernes, nahes Land, das er wie kein zweiter kennt: profund und sehr persönlich.
Autorenporträt
Richard Wagner, geboren 1953, ist Autor von Lyrik und Prosa sowie Journalist und Essayist. Geboren im Banat, begann er im Kreis der Aktionsgruppe Banat engagierte Lyrik zu schreiben. 1987 konnte er mit seiner damaligen Frau Herta Müller in die BRD ausreisen und lebte seitdem in Berlin. Er starb im März 2023.

Veröffentlichung mehrerer Gedichtbände, ausgezeichnet u. a. mit dem Sonderpreis des Leonce-und-Lena-Preises und dem Förderpreis des Andreas-Gryphius-Preises. 2014 wurde ihm das Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland verliehen.
Rezensionen
Stimme aus dem Verlag
"Richard Wagner ist einer der wenigen wirklichen Balkanexperten, und sein neues Buch kann ohne Übertreibung als Standardwerk bezeichnet werden. Wagner ist zugleich Essayist und Romancier, er beobachtet analytisch scharf und nimmt auch Anteil an den Menschenschicksalen."
(Gunnar Cynybulk, Lektor, Aufbau Verlag)

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.04.2003

Hier krächzt ein Rabe vom Amselfeld
Mit Warzen und allem: Richard Wagner zeichnet ein Porträt des Balkan
So kenntnisreich und unaufgeregt kann ein heikles Thema wohl nur bearbeiten, wer es vom Rand her angeht. Der rumäniendeutsche Autor Richard Wagner, im Banat aufgewachsen und 1987 nach Westberlin ausgereist, schildert die politische Lage und das Mentalitätengeflecht des Balkan mit pragmatischer Nüchternheit. Seine Darstellung ist hinreichend komplex, ohne sich im Differenzierungsgestrüpp des Spezialistentums zu verheddern. Für den Orientierung suchenden Leser ist das von Vorteil. Gerade in Hinsicht auf den Balkan, der ja zu beidem einlädt: zur Überdifferenzierung historischer Erklärungsversuche und zur Simplifizierung engagierter Parteinahme.
Der Autor, bisher vor allem als Romancier und Erzähler hervorgetreten, aber auch als Lyriker und Essayist, platziert sein Thema entschlossen im europäischen Kontext. Er rückt den Balkan näher, so nah wie er geographisch tatsächlich ist. Und er versucht gleich zu Anfang eine positive Setzung: „Wäre die Lage stabil, könnte der Balkan ein Scharnier zwischen drei Kulturräumen bilden: dem katholisch-protestantischen Abendland, dem orthodoxen osteuropäisch-russischen und griechisch-balkanischen Raum und dem türkisch- islamischen Vorderasien.” Das ist strategisch klug, denn so lässt sich die vertrackte Situation der nach dem Ende des Ost-West-Konflikts destabilisierten Region in aller Dringlichkeit darstellen, ohne die alten Balkanhysterien anzuheizen.
Der Balkan – im engeren Sinn gehören dazu Bulgarien, Albanien und das Territorium Ex-Jugoslawiens, im weiteren Sinn Griechenland und mindestens teilweise auch Rumänien – ist immer ein Spielball hegemonialer Mächte gewesen. Ein halbes Jahrtausend dominierte der Einfluss des Osmanischen Reichs. Mit dessen Rückzug Ende des neunzehnten Jahrhunderts traten nach und nach die europäischen Großmächte auf den Plan; Habsburg und Russland als direkte Nachbarn, England, Frankreich und Preußen als taktierende Mitspieler. Die Region war ökonomisch nicht wirklich wichtig, und gerade deshalb schien sie als „Probebühne” für innereuropäische Auseinandersetzungen geeignet. Bis das Attentat von Sarajevo dieser Illusion ein Ende bereitete.
Bemerkenswerterweise bekennt sich nur Bulgarien offensiv und selbstverständlich zum Balkan (dort liegt auch der Gebirgszug gleichen Namens). Keiner sonst will dazugehören. Handelt es sich also nur um eine Zuschreibung westlicher Imagination oder gibt es nachvollziehbare Gründe für diese Definition? Richard Wagner verfolgt diese Frage, ohne sie wirklich beantworten zu können. Immerhin erweist sie sich im Verlauf seines Buches als produktive Arbeitshypothese. Sie funktioniert wie eine Art Navigationssystem für den Weg zwischen Skylla und Charybdis, zwischen folkloristischen Klischees und geschichtlichen Fakten. Im Gegensatz zu Peter Handkes Serbien-Essay basiert Wagners „Reise ins Innere des Balkan” nicht auf einer realen Reise, sondern ist eine Mentalitätsrecherche vor historischem Hintergrund. Und doch müsste Wagner Handke, wenn er ehrlich wäre, in gewisser Weise zustimmen, nämlich im Impuls, „Gerechtigkeit für Serbien” einzufordern oder genauer „Bedenklichkeit”, wie es in Handkes Reise-Essay an anderer Stelle treffender heißt.
Denn schließlich kamen die Serben den Habsburgern lange Jahre gerade recht. Durch die Niederlage gegen die Osmanen in der vermutlich nicht ganz realen Schlacht auf dem Amselfeld traumatisiert – auch dies ein typisch balkanisches Paradox: dass ein Volk seinen größten Misserfolg zum Nationalmythos erhebt –, ließen sie sich als Wehrbauern an der osmanischen Grenze einsetzen und wurden dafür mit vielfältigen Privilegien ausgestattet. Das lieferte nicht zuletzt die Voraussetzung für die Manipulationsmöglichkeiten Belgrads in den Jugoslawienkriegen der neunziger Jahre.
Das Chaos auf dem Balkan hat System. Man könnte das Politik der Schnittmengen nennen. Dabei stellt sich immer wieder dasselbe Grundmuster heraus: relativ frei flottierende Ethnien werden, religiös überlagert, zu immer neuen Staatengebilden zusammengefügt. Weil es an gesellschaftlichem Zusammenhalt, an Institutionen und nicht zuletzt an ökonomischer Leistung fehlt, bleiben sie instabil. Symbolisch und legendenhaft überhöht, brechen sie auseinander, sobald sich die tektonischen Platten der Machtblöcke verschieben. Die Westmächte haben im zwanzigsten Jahrhundert (um Deutschland und Österreich zu entmachten) die Zerstörung Mitteleuropas in Kauf genommen und es damit von der Modernisierung abgekoppelt. Nach dem Ende des Kommunismus hat der Westen das Problem, das er selbst geschaffen hat, nun wieder am Hals. Richard Wagners Buch könnte eine vernünftigere Sicht der Dinge befördern.
MEIKE FESSMANN
RICHARD WAGNER: Der leere Himmel. Reise in das Innere des Balkan. Aufbau Verlag, Berlin 2003. 334 S., 19,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Andreas Breitenstein lobt an Richard Wagners "Reise in das Innere des Balkan" die Virtuosität, mit der sich der Autor "zwischen Fakten und Mentalitäten, Ideologien und Mythologien" bewegt. Breitenstein zollt dem Autor Respekt für die Leistung, historische Sachkenntnis mit persönlicher Stellungnahme in gelungener Weise zu verbinden. Denn der Balkan ist "verwirrlich selbst für den, der mehr damit verbindet als Unterentwicklung und Korruption, Bürgerkrieg und Vertreibung". Ob der Rezensent selbst anderes mit dem Balkan verbindet, bleibt unklar, leitet er doch seine kenntnisreiche Besprechung mit den Worten ein: "Nicht, dass das hässliche Gesicht des Balkans schöner geworden wäre." Anerkennend hebt der Rezensent hervor, dass Wagner das Thema unter vielfältigen Gesichtspunkten beleuchtet. Das Spektrum reicht von historisch breiten Synthesen ("Wo der Balkan anfängt") über thematische Schwerpunkte ("Jüdische Episoden") bis zu regionalen Analysen ("Das Banat"). Darüber hinaus machen persönliche Beobachtungen und Anekdoten die Lektüre für Breitenstein auch zu einem "literarischen Genuss". Ob der eurozentristische Tenor der Besprechung (Der Balkan wird mit "Größenwahn und Verzweiflung" gleichgesetzt, wohingegen die okkupierenden Imperien Rom, Venedig und Österreich als "segensreich" betitelt werden) dem Autor oder dem Rezensenten zuzuschreiben ist, ist dem Artikel nicht eindeutig zu entnehmen.

© Perlentaucher Medien GmbH
…mehr
»Besser kann man das Problemfeld Balkan nicht beschreiben.« Frankfurter Rundschau 20031103