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Etliche Beobachter sind der Ansicht, dass der Euro die aktuelle Krise nicht überleben wird. Anders die Ökonomen Markus Brunnermeier und Jean-Pierre Landau, ein Deutscher und ein Franzose, sowie der britische Wirtschaftshistoriker Harold James. Sie sehen ein Kernproblem des Euro in den unterschiedlichen Wirtschaftskulturen der Euroländer, insbesondere Deutschlands und Frankreichs, die es zu überwinden gilt. Seit der Eurokrise setzen die Mitgliedsländer wieder auf nationale Lösungen, statt gemeinsame Antworten auf die europäischen Probleme zu suchen. Der Kampf der Wirtschaftskulturen ist…mehr

Produktbeschreibung
Etliche Beobachter sind der Ansicht, dass der Euro die aktuelle Krise nicht überleben wird. Anders die Ökonomen Markus Brunnermeier und Jean-Pierre Landau, ein Deutscher und ein Franzose, sowie der britische Wirtschaftshistoriker Harold James. Sie sehen ein Kernproblem des Euro in den unterschiedlichen Wirtschaftskulturen der Euroländer, insbesondere Deutschlands und Frankreichs, die es zu überwinden gilt. Seit der Eurokrise setzen die Mitgliedsländer wieder auf nationale Lösungen, statt gemeinsame Antworten auf die europäischen Probleme zu suchen. Der Kampf der Wirtschaftskulturen ist entbrannt. Während das föderal geprägte Deutschland in der Fiskalpolitik auf starren Regeln beharrt, verlangt das zentralistische Frankreich Stimulusprogramme und eine flexible Handhabung, die den Regierungen Ermessensspielräume lässt. Für die Deutschen sind Finanzierungsengpässe vorwiegend auf Insolvenzprobleme zurückzuführen, die struktureller Reformen bedürfen, wogegen die Franzosen sie als temporäre Liquiditätsprobleme ansehen, die mit einer staatlichen Überbrückungsfinanzierung zu bewältigen sind. Dieses Buch plädiert für die Überwindung dieser Frontstellungen zugunsten einer gemeinsamen europäischen Wirtschaftskultur. Es verbindet ökonomische Analyse und ideengeschichtliche Reflexion und entwirft einen Fahrplan für Europas Zukunft.
Autorenporträt
Markus K. Brunnermeier lehrt Wirtschaftswissenschaften an der Universität Princeton. Harold James ist Professor für Geschichte an der Universität Princeton. Jean-Pierre Landau war Vizepräsident der Französischen Nationalbank, Exekutivdirektor des Internationalen Währungsfonds sowie der Weltbank und unterrichtet wirtschaftswissenschaften an der Sciences Po in Paris.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.01.2018

Der tiefe
Rheingraben
Deutsche und Franzosen gefährden den Euro,
weil sie sich fundamental missverstehen
VON NIKOLAUS PIPER
Es gilt als ausgemacht, dass Emmanuel Macron so etwas wie die letzte Chance für das Projekt der europäischen Einigung ist. Lässt Deutschland den französischen Präsidenten allein, so die Drohung, dann scheitert er und bekommt eine rechtsextreme Nachfolgerin, was das Ende nicht nur des Euro, sondern der Europäischen Union insgesamt wäre. Getrieben von dieser Sorge versprechen Union und SPD im Sondierungspapier vom 12. Januar einen „neuen Aufbruch für Europa“. Tatsächlich ist ja der Euro noch lange nicht gesichert. Momentan sind es die Europäische Zentralbank und die Glaubwürdigkeit ihres italienischen Präsidenten Mario Draghi, die die Währung sichern. Niemand weiß jedoch, was in der nächsten Krise passiert.
In dieser Situation großer Verunsicherung kommt „Euro. Der Kampf der Wirtschaftskulturen“, ein äußerst ungewöhnliches Buch, in die deutschen Buchläden. Seine Autoren, drei international renommierte Wissenschaftler, behaupten: Das Problem der europäischen Währung ist vor allem, dass Deutsche und Franzosen wirtschaftspolitisch auf unterschiedlichen Planeten leben, dass sie sich fundamental missverstehen und daher keine konstruktiven Lösungen finden können. Die Autoren, das sind Markus Brunnermeier, Wirtschaftsprofessor in Princeton, Harold James, Historiker ebenfalls aus Princeton und derzeit bester Kenner der deutschen Wirtschaftsgeschichte, und schließlich Jean-Pierre Landau, früherer Vizepräsident der Bank von Frankreich und heute Professor an der Hochschule Sciences Po in Paris.
Dass Frankreich anders ist als Deutschland, wissen alle, was die üblichen Stereotypen erzeugt: Der Franzose wirtschaftet liederlich und will daher dem Deutschen an sein Geld. Der Deutsche dagegen ist fleißig und geizig, er weiß nicht, was Solidarität heißt. Liegen die deutsch-französischen Unterschiede also nur im natürlichen Interessengegensatz zwischen einem Bruder Vertuer und einem Bruder Sparer wie in Ludwig Bechsteins Märchen? Die Autoren warnen: „Man könnte meinen, jedes Land verfolge ausschließlich seine eigenen materiellen Interessen. Solch eine eingeschränkte Betrachtungsweise übersieht einen noch entscheidenderen Aspekt: Interessen werden durch die Brille von Ideen oder Vorstellungen interpretiert.“
Der ideologische Rheingraben gehört zu Europa, seit die Römischen Verträge 1957 unterzeichnet wurden. Die Deutschen waren tendenziell meist neoliberal (wie man heute sagen würde), die Franzosen keynesianisch bis staatssozialistisch. Bedrohlich wurde der Dissens aber erst mit der Finanz- und der folgenden Euro-Krise. Jetzt bestimmte das deutsche Denken die europäische Krisenpolitik bis ins Detail, vor allem weil alle Geld von Deutschland wollten. Was nicht bedeutet, dass die deutschen Wähler mit dem Ergebnis zufrieden waren. Wolfgang Schäuble wurde als der deutsche Diktator Europas angesehen, Frankreich fühlte sich in die Ecke gedrängt. Zwischen beiden Ländern gab es keinen vernünftigen Dialog, jedenfalls nicht vor Macron.
Entscheidend für den deutsch-französischen Dissens ist die Tatsache, dass Frankreich immer zentralistisch regiert wurde, Deutschland dagegen immer föderal, vom Heiligen Römischen Reich bis zur Bundespublik Deutschland. Die Regierung eines Zentralstaats kann im Krisenfall flexibel oder auch willkürlich eingreifen, ihre Wähler erwarten das auch. Ein föderativer Staat wie die Bundesrepublik braucht dagegen klare Regeln für die Krise, sonst brechen unkontrollierbare Interessenkonflikte aus. Das ist auch die Idee hinter dem Vertrag von Maastricht, was zwingend ist, denn eine Währungsunion kann nur föderativ sein. Nur wurden die Regeln eben nicht eingehalten, weil sie nicht funktionierten. Die No-Bail-Out-Klausel (nach der die Mitglieder der Währungsunion nicht füreinander haften) stand zwar im Vertrag, die Finanzmärkte nahmen sie aber nicht ernst und behandelten deshalb griechische Anleihen genauso wie deutsche, wodurch Griechenland mit billigem Geld überschwemmt wurde und in die Krise schlitterte.
In dieser Krise stießen dann deutsches und französisches Denken hart aufeinander: Hier die Forderung nach strengen Regel für die Griechen, dort das Vertrauen auf den politischen Prozess, hier die Angst, Fehlanreize zu setzen, dort die Sorge, der Spielraum der Politik könnte eingeschränkt werden. Und dann die Sache mit dem Sparen. Für die Deutschen bringt Sparen heute („Austerität“) einen Lohn in künftiger Wirtschaftsleistung, für die Franzosen ist Austerität selbstschädigend.
Am überraschendsten vielleicht ist die Erkenntnis, dass ein Teil dieser Unterschiede gar nicht so fest verwurzelt ist. Mehr noch: Sie erklären sich zum Teil dadurch, dass die Eliten auf beiden Seiten des Rheins gegensätzliche Schlüsse aus ihren historischen Traumata gezogen haben. Vor dem Zweiten Weltkrieg war Frankreich, was heute fast vergessen ist, ein Hort des Wirtschaftsliberalismus. Ausgeglichene Haushalte und stabiles Geld gehörten ebenso zur Doktrin wie Vertragstreue. Die Deutschen dagegen glaubten an die Weisheit des Staates und das „Gesetz vom steigenden Staatsanteil“, das der Ökonom Adolph Wagner im 19. Jahrhundert formuliert hatte. Oder, wie der französische Ökonom François Perroux in den 1930er-Jahren ziemlich abfällig notierte: Die Deutschen wurden nicht durch das Prinzip der Vertragstreue geprägt, sondern durch den feudalen Grundsatz der Gutgläubigkeit („Treu und Glauben“).
Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrten sich die Verhältnisse radikal um. In Frankreich wurde es Konsens, dass die Nation ihre katastrophale Niederlage gegen Hitler 1940 auch einer rigiden Sparpolitik zu verdanken hatte, die die rechtzeitige Aufrüstung verhindert hatte. Die Antwort hieß: großzügige Staatsausgaben und Planung. Eine praktische Konsequenz war der „Monnet-Plan“, mit dem der spätere europäische Gründervater Jean Monnet Frankreichs Stahlproduktion stärken wollte, um das Land gegen Deutschland zu schützen.
In Deutschland, genauer in dessen westlichem Teil, zog man genau den gegenteiligen Schluss. Der Marsch in den Abgrund begann mit unverantwortlicher Haushaltspolitik, mit Kartellen und Planwirtschaft, glaubten Ökonomen wie Walter Eucken, Alexander Rüstow und Wilhelm Röpke. Diese „Ordoliberalen“ forderten daher eine durch klare Regeln eingefasste Marktwirtschaft, in der Verträge gelten und es keine willkürlichen Eingriffe des Staates gibt, wie früher in Frankreich. Wobei die deutsche Linke seit vielen Jahren eher „französisch“ denkt als ordoliberal.
Das Erbe Euckens und Röpkes wirkt hinein bis in die Verhandlungen um die Zukunft des Euro heute. Deshalb ist das gegenseitige Nichtverstehen heute so gefährlich. Die Autoren sehen aber auch Hoffnung. „Das Buch hat unter anderem gezeigt, dass diese Unterschiede nicht in Stein gemeißelt sind; sie währen nicht ewig und können sich insbesondere in Krisensituationen erstaunlich schnell wandeln.“ Kollektive können lernen, das ist die Botschaft. Notwendig dazu ist es aber, dass über die Fragen Europas nicht auf nationaler, sondern auf europäischer Ebene diskutiert wird. „Wir brauchen eine Union der ökonomischen Ideen,“ fordern die Autoren.
„Der Euro“ ist kein einfaches Buch. Wer es liest, muss sich durch viele komplizierte Fachfragen der Geldpolitik und der Finanzmärkte durcharbeiten. Trotzdem dürfte sich das Werk als einer der wichtigsten Beiträge zur Zukunft Europas seit vielen Jahren erweisen.
Die drei renommierten Autoren
beschreiben Währungspolitik
als Kulturkampf
Ein Teil der Unterschiede
kann sich in Krisensituationen
erstaunlich schnell wandeln
Markus K. Brunnermeier, Harold James, Jean-Pierre Landau:
Euro. Der Kampf der
Wirtschaftskulturen.
Aus dem Englischen von Thorsten Schmidt. Verlag C. H. Beck München 2018, 525 Seiten, 29,95 Euro.
E-Book: 24,99 Euro.
„Begegnung“ heißt die Bronzeplastik des Bildhauers Josef Fromm, die 1994 am Rhein bei Kehl errichtet wurde. Die Umarmung erfolgt über einen tiefen Spalt hinweg. Gerade herrscht Hochwasser.
Foto: FREDERICK FLORIN/AFP
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.05.2018

Europas Nord-Süd-Konflikt
In der Währungsunion prallen unterschiedliche Wirtschaftskulturen aufeinander

Die Krise der europäischen Einheitswährung, die den Kontinent seit Jahren in Atem hält, hat ihre Ursache nicht einfach in südländischem Schlendrian oder der moralischen Verachtung des Schuldenmachens, die Nordeuropäern nachgesagt wird. Der Geburtsfehler des Euros bestand in der Annahme, man könne die zunächst elf, heute 19 Nationalstaaten der Währungsunion in einem System unveränderlicher Wechselkurse zusammenfassen und negative Folgewirkungen durch kluge institutionelle Arrangements und Verhaltensregeln im Griff behalten.

Dem stand von Anfang an die Tatsache entgegen, dass die Mitglieder der Währungsunion sich in ihren kulturellen und politischen Traditionen, in den vorherrschenden Mentalitäten, Denkweisen und Praktiken zum Teil beträchtlich voneinander unterscheiden. Als wesentliche Zutaten der toxischen Mischung von Krisenelementen haben Markus Brunnermeier, Harold James und Jean-Pierre Landau die gegensätzlichen Wirtschaftsphilosophien ausgemacht, die in Europas Norden (vor allem in Deutschland) und im mediterranen Süden (vor allem in Frankreich) vorherrschen. Die Malaise des Euros sei deswegen so hartnäckig, lautet die These ihrer 2016 auf Englisch erschienenen und jetzt in deutscher Übersetzung vorliegenden Studie, weil aufgrund unterschiedlich vorgeprägter nationaler Denkweisen weder über die Ursachen der Probleme noch über mögliche Auswege und wünschenswerte Zukunftsszenarien Einigkeit zu erzielen sei.

Die föderale Tradition Deutschlands sieht ein verbindliches Regelwerk als Rahmen der Konfliktaustragung in einem heterogenen Gemeinwesen vor. Frankreichs zentralstaatliches Erbe präferiert die Flexibilität und Handlungsfähigkeit einer starken Exekutive im Dienste des Allgemeinwohls. Für die ordoliberale Schule der deutschen Volkswirtschaftslehre ist der Grundsatz der Haftung wichtig. In der französischen Denkweise bleibt die revolutionäre Parole der Solidarität der Starken für die Schwachen bestimmend.

Französische Ökonomen interpretieren die Schulden von Banken oder Staaten eher als vorübergehende Liquiditätsprobleme, die durch Interventionen des Staates überwunden werden können. Ihre deutschen Kollegen tendieren dazu, die Solvenz der betreffenden Institute oder Länder in Frage zu stellen. Daraus ergeben sich in Krisensituationen gegensätzliche Handlungsempfehlungen: im deutschen Fall für Sparmaßnahmen, um grundlegende Verhaltensänderungen zu bewirken; aus französischer Sicht gegen scharfe Einschnitte, die Liquiditätsschwierigkeiten angeblich verschlimmern und tatsächliche Insolvenzen erst herbeiführen.

Die angloamerikanische Mehrheitsmeinung schenkt Haftungsfragen weniger Aufmerksamkeit, veranschlagt die Gefahren des moral hazard geringer und fordert in Krisenlagen das tatkräftige Eingreifen des Staates. Sie liegt damit in wichtigen Streitfragen der Euro-Krise näher bei der französischen als bei der deutschen Position. Das erklärt, warum die diskursbestimmende Wirtschaftspresse englischer Sprache vom "Wall Street Journal" über die "New York Times" bis zum "Economist" und der "Financial Times" kaum Sympathien für deutsche Bedenken aufbringt.

Das Autorengespann - ein seit Jahren in den Vereinigten Staaten arbeitender deutscher Ökonom, ein ebenfalls in Amerika forschender britischer Wirtschaftshistoriker und ein ehemaliger Vizepräsident der Französischen Nationalbank, der Wirtschaftswissenschaften in Paris lehrt - ist klug genug, die eigenen Vorprägungen zu reflektieren. Zugleich machen die Verfasser deutlich, dass keine der nationalen Positionen frei von Aporien und Ungereimtheiten ist.

Die Pariser Forderung nach einer aktiv intervenierenden europäischen Wirtschaftsregierung mit beträchtlichen eigenen Geldmitteln passt schlecht zur traditionellen französischen Weigerung, Budgetbefugnisse oder andere nationalstaatliche Kompetenzen nach Brüssel zu übertragen. Die übliche rhetorische Begeisterung der deutschen Politik für "mehr Europa" im Sinne supranationaler Lösungen stößt an Grenzen, wenn es darum geht, Eurobonds oder andere Varianten einer förmlichen Vergemeinschaftung von Schulden offen ins Werk zu setzen, statt die Finanztransfers auf dem Umweg über die EZB stillschweigend geschehen zu lassen.

Die britische Politik erkannte früher als andere, dass eine Währungsunion ohne Fiskalunion nicht funktioniert. Sie schloss zugleich aus, sich an weiteren Vertiefungen der EU zu beteiligen. Mit dieser Sichtweise lag London näher bei Washington als bei Berlin oder Paris. Die Briten wurden aber (vor Trump) von Amerika gedrängt, daraus nicht die Konsequenz zu ziehen und aus der EU auszuscheiden: "Je größer die Bereitschaft Großbritanniens wurde, Europa existentiell herauszufordern, desto distanzierter wurden die Vereinigten Staaten."

Trotz des eher düsteren Befundes enden Brunnermeier, James und Landau auf einer optimistischen Note. Sie plädieren für eine "Union der ökonomischen Ideen" und glauben an die Chance, nationales Denken zu überwinden. Es sei möglich, eine "optimale Balance" zwischen deutschen und französischen Standpunkten zu finden. Gerade die Fülle der Krisen eröffne die Möglichkeit von Paketlösungen und Tauschgeschäften, etwa durch die Verknüpfung der Schuldenthematik mit dem Flüchtlingsproblem.

Zuversicht ziehen die Autoren aus der Tatsache, dass Wirtschaftskulturen nicht statisch seien, sondern sich rasch und drastisch ändern könnten. So sei Deutschland im 19. und frühen 20. Jahrhundert staatsgläubig, Frankreich hingegen wirtschaftsliberal gewesen, mit einer Politik des laissez faire und dem Vertrauen auf die disziplinierende Wirkung des Goldstandards. Die Rollenverteilung habe sich erst unter dem Eindruck der Katastrophe des "Dritten Reiches" geändert, die Deutschland und Frankreich gegensätzlich interpretierten: "Daraus lernten die Deutschen, dass sie Regeln brauchten, um staatliche Willkür zu beschränken, während die Franzosen zu dem Schluss kamen, ihr politisches System unter der Dritten Republik habe auf die Bedrohung durch die Nazis fiskalisch, militärisch und intellektuell nicht hinreichend flexibel reagiert."

Die These ist originell. Sie passt jedoch kaum zu anderen Passagen des Buches, die zeigen, dass die Wirtschaftsphilosophien weiter zurückreichen als 1945: bis zu Colberts Verwaltungsstaat im Frankreich des 17. Jahrhunderts, dem Mehrebenensystem des Alten Reiches in Mitteleuropa, dem militärisch-fiskalischen Staat in England nach der Glorreichen Revolution von 1688 und der Übernahme der im Unabhängigkeitskrieg aufgehäuften Schulden durch die amerikanische Bundesregierung unter Alexander Hamilton.

Man darf bezweifeln, dass die gegenwärtigen Turbulenzen das Selbstverständnis der europäischen Nationen so gründlich umkrempelt, wie es die NS-Tyrannei getan hat. Im Gegenteil, es steht zu befürchten, dass im "Kampf der Wirtschaftskulturen" heute jede Seite ihre eigenen Vorannahmen bestätigt sieht und existierende Unterschiede weiter zementiert werden.

DOMINIK GEPPERT

Markus Brunnermeier, Harold James, Jean-Pierre Landau: Euro. Der Kampf der Wirtschaftskulturen.

C.H. Beck Verlag, München 2018. 525 S., 29,95 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Nikolaus Piper räumt ein, dass der von den Wirtschaftsexperten Markus K. Brunnermeier, Harold James und Jean-Pierre Landau erarbeitete Band zur Währungsproblematik in Europa keine leichte Kost ist. Fachfragen aus der Geldpolitik und der Finanzmärkte erwarten den Leser. Als einen der wichtigsten Beiträge zur Zukunft Europas empfiehlt Piper das Buch dennoch. Es zeige und erläutere nicht nur den heiklen wirtschaftspolitischen Dissens zwischen Deutschland und Frankreich, so Piper, sondern vermittle auch die Hoffnung auf eine "Union der ökonomischen Ideen".

© Perlentaucher Medien GmbH
"Ein wichtiges Buch, weil es helfen könnte, den Schulterschluss zwischen Deutschland und Frankreich zu stärken, was wiederum die Grundvoraussetzung für ein Überleben der Währungsunion ist."
Caspar Dohmen, Deutschlandfunk, 16. April 2018

"Brunnermeier, James und Landau dringen in ihrem Gemeinschaftswerk zum Kern der ökonomischen Krise vor."
Thomas Speckmann, Tagesspiegel, 28. Februar 2018

"Deutet den Kampf der Ideen historisch und entwirft Perspektiven zu seiner Überwindung."
Christopher Schwarz, Wirtschaftswoche, 16. Februar 2018

"Einer der wichtigsten Beiträge zur Zukunft Europas seit vielen Jahren."
Nikolaus Piper, Süddeutsche Zeitung, 28. Januar 2018