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Schlegel, Schelling & Co.: die Geschichte eines philosophischen Aufbruchs
Jena 1800: Mit den Ideen der Französischen Revolution geraten nicht nur die politischen Verhältnisse in Europa ins Wanken. Eine ganze Generation von jungen Dichtern und Philosophen beschließt, die Welt neu zu denken. Die führenden Köpfe - darunter die Brüder Schlegel mit ihren Frauen, der Philosoph Schelling und der Dichter Novalis - treffen sich in der thüringischen Universitätsstadt an der Saale, um eine "Republik der freien Geister" zu errichten. Sie stellen nicht nur gesellschaftliche Traditionen in Frage, sie…mehr

Produktbeschreibung
Schlegel, Schelling & Co.: die Geschichte eines philosophischen Aufbruchs

Jena 1800: Mit den Ideen der Französischen Revolution geraten nicht nur die politischen Verhältnisse in Europa ins Wanken. Eine ganze Generation von jungen Dichtern und Philosophen beschließt, die Welt neu zu denken. Die führenden Köpfe - darunter die Brüder Schlegel mit ihren Frauen, der Philosoph Schelling und der Dichter Novalis - treffen sich in der thüringischen Universitätsstadt an der Saale, um eine "Republik der freien Geister" zu errichten. Sie stellen nicht nur gesellschaftliche Traditionen in Frage, sie revolutionieren mit ihrem Blick auf das Individuum und die Natur zugleich auch unser Verständnis von Freiheit und Wirklichkeit - bis heute. Farbig und leidenschaftlich erzählt Peter Neumann von dieser ungewöhnlichen Denkerkommune, die nicht weniger vorbereitete als den geistigen Aufbruch in die Moderne.

Ausstattung: mit Abb.
Autorenporträt
Peter Neumann, geboren 1987, ist promovierter Philosoph. Er lehrte an den Universitäten Jena und Oldenburg und ist seit November 2021 Redakteur im Feuilleton der Wochenzeitung DIE ZEIT. 2018 erschien bei Siedler ¿Jena 1800. Die Republik der freien Geister¿. Peter Neumann lebt in Berlin.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.10.2018

Freie Geister bei Käse und Hering
Peter Neumann erzählt von Jena um 1800 – stilistisch rasant und mit klarem Blick für Nebensächlichkeiten
Mann o Mann, der Fritz, das ist schon einer. Der steht voll „unter Strom“. Eine Arbeitskrise macht ihm zu schaffen. „Daumen und Zeigefinger kreisen langsam gegeneinander, von der Stirn abwärts, zwischen den Augen bis zur Nasenspitze“. Auf Kritik reagiert er dünnhäutig Auch die Beziehung zu Dorothea leidet. Jetzt aber ist alles anders. Da sitzt er in der Leutragasse 5, umgeben von Wilhelm, Caroline und Dorothea, Schelling, Novalis und Tieck. Das kulinarische Angebot – Tee, Käse, Hering, Kartoffeln und saure Gurken – ist so schön-willkürlich wie das intellektuelle. Mit dem zweiten Teil des „Lucinde“-Romans kommt Fritz zwar nicht so gut voran, aber bei der abendlichen Rezitation der „Divina Commedia“ entspannt er sein Antlitz, die Gesichtsfalten glätten sich, die Augen leuchten. „Über dem Rezitieren vergisst er fast das Essen.“
Warum sich Friedrich Schlegel in Dante verliert und warum er sich und seine Zuhörer begeistert, erfahren wir nicht. Bei Peter Neumann menschelt es gewaltig. Er erzählt, stilistisch rasant, von Befindlichkeiten, von Affärchen und Eifersüchteleien, von modischen Vorlieben, Essgewohnheiten oder Umgangsformen in der romantischen „Republik der freien Geister“. Stets ist ihm wichtiger, wie jemand seine Vorlesung gehalten oder ob er eine gute oder miese Performance geliefert haben mag, als worüber gelesen wurde.
Die Schlegels hätten Neumann vermutlich zum Karl August Böttiger von Jena erklärt. Dieser „Knallfrosch“, wie Neumann ihn nennt, notierte damals jeden Klatsch und Tratsch, der ihm in Weimar so zuflog. Seine Studie „Sabina oder Morgenscenen im Putzzimmer einer reichen Römerin“ (1803) versprach im Untertitel einen „Beitrag zur richtigen Beurtheilung des Privatlebens der Römer und zum besseren Verständniß der römischen Schriftsteller“. Soll also auch hier die Epoche aus dem Badezimmer erklärt werden?
Die „freien Geister“ waren in Jena nur sehr kurze Zeit „symphilosophisch“ vereint und haben einander ansonsten höchstens die Klinke in die Hand gegeben. 1800 zieht Friedrich Schiller nach Weimar; Johann Gottlieb Fichte, der sich im Atheismusstreit „verzockt“ und im März 1799 bereits seine Professur verloren hat, reist wieder nach Berlin; Friedrich Tieck verlässt Jena ebenso wie August Wilhelm Schlegel und Clemens Brentano; ein Jahr später machen sich „Fritz“ und Dorothea auf den Weg nach Paris. Immerhin Friedrich Wilhelm Joseph Schelling bleibt noch bis 1803 vor Ort.
Solche chronologischen Abläufe verschleift Neumann, weil er mit ständigen Vor- und Rückgriffen arbeitet und die Ereignisse einander gegenwärtig macht, so dass Mainz, Berlin, Weimar oder Dresden irgendwie auch zu Jena gehören. Ästhetisch unterläuft er damit eine Ordnung, die die Welt in Vorher und Nachher, Ursache und Wirkung zergliedert. Das ist methodisch nicht uninteressant und wäre den Schlegels oder Novalis in ihrem Kampf gegen die aufklärerische Vorstellung einer „Geschichte“ vermutlich sympathisch gewesen. Dennoch: 1800 ist auch und vielleicht sogar vor allem ein Jahr des Abschieds, in dem sich die frühromantische Bewegung zerstreut.
Die „Republik der freien Geister“ existiert die meiste Zeit über im Schriftverkehr einer spirituellen Gemeinschaft, als Gelehrtenrepublik an verschiedenen Orten und mit sehr losen und weiten räumlichen Grenzen. Medien jedoch, Verlage oder überhaupt der Buchmarkt spielen für Neumann keine Rolle, weil alles immer ganz nah und anschaulich passieren muss. Nur beiläufig und knapp geht es um den Gehalt der journalistischen, philosophischen, literarischen und literaturkritischen Arbeiten. Neumann traut seinen Lesern kein großes Interesse an der Sache zu. Wer Bescheid weiß, erfährt nichts Neues; wer sich nicht auskennt, dürfte wenig von dem verstehen, was an frühromantischer Philosophie oder Poesie vorbeifliegt.
Jede Information wird, soweit es irgendwie geht, in Begegnungen und Nahverhältnisse übersetzt. So erfahren wir, dass Goethe bei Tiecks Lesung aus der „Genoveva“ im Sessel saß, seine Beine in eine Decke gewickelt und sich am Ende eine Milchhaut auf der Trinkschokolade gebildet hat, dass Tieck ein bedachtsamer Vorleser und Goethe ein aufmerksamer Zuhörer war. Worum aber ging es Tieck eigentlich bei diesem Heiligen-Drama? Welchen ästhetischen Absichten verdankte es seine monströse, überaus radikale Form?
„Jena 1800“ erscheint als Sachbuch. Man muss das betonen. Hier geht es nicht um einen historischen Roman. Im Siedler-Verlag aber ist dieser Text falsch platziert, weil er dem dramatischen Effekt alles opfert. Der erste Satz legt die Stimmungslage fest: „Die Erde zittert“. Dann folgt die Vorlage für eine TV-Historiendoku: Aus dem Hintergrund tönen atmosphärische Klänge (klirrende Fensterscheiben, Kanonendonner), die Kamera schweift über eine nicht sehr kostspielig zu drehende Szene (Menschen liegen angezogen im Bett und fürchten die kommenden Ereignisse). Dazu raunt die Stimme aus dem Off: „Bald schon werden Schüsse der französischen Patrouillen durch die engen Gassen hallen. Eine ganz neue Welt wird sich vor den Bürgern auftun. Szenen, die sie niemals für möglich gehalten hätten.“ Daraufhin folgt die Vorwegnahme eben jener „Szenen“ („hungrige Soldaten“ durchstreifen plündernd die Straßen). Und schließlich das Finale: „Es liegt Krieg in der Luft. Und Krieg wird es geben. Hier in Jena soll sich alles entscheiden“.
Die kleine Stadt gerät mit der Doppelschlacht von Jena und Auerstedt am 14. Oktober 1806 in die Weltgeschichte. Keiner der „freien Geister“ jedoch, von denen dieses Buch berichtet, befindet sich zu diesem Zeitpunkt noch in Jena. Sie sind schon lange weggezogen oder tot. Mehr noch: Im Lauf der Napoleonischen Kriege verabschiedeten sich die einstigen Frühromantiker vom Lob des Chaos’ und der schönen Verwirrung. Statt Unruhe zu stiften, bemühten sie sich nun um Ordnung. War das Verrat an der intellektuellen Revolution?
Als Rüdiger Safranski vor elf Jahren die „Romantik“ als „eine deutsche Affäre“ beschrieb, hatte er eine Leitidee: Die Romantik verwaltet in metaphysischen Zeiten die geistig obdachlos gewordenen Energien der Religion und lenkt sie – teils progressiv, teils konservativ – in künstlerische, soziale oder politische Utopien. Darüber kann man sich Gedanken machen und vielleicht auch streiten. Neumann gibt dazu leider keinen Anlass.
STEFFEN MARTUS
Jede Information wird
in Begegnungen und
Nahverhältnisse übersetzt
Menschen liegen angezogen
im Bett und fürchten
die kommenden Ereignisse
Peter Neumann: Jena 1800. Die Republik der freien Geister. Siedler Verlag, München 2018. 256 Seiten, 22 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.11.2018

Freie Geister in offenen Beziehungen
Jena um 1800: Peter Neumann macht bekannt mit philosophischen Aufbrüchen

Peter Neumann erzählt in seinem Buch, wie in Jena um 1800 Weltgeschichte und Weltgeist aufeinander prallten - und so kurzweilig hat man davon bisher noch nicht gelesen. Die Eckdaten bilden Schillers Sturm auf die Jenaer Universität sechs Wochen vor dem Pariser Sturm auf die Bastille und der napoleonische Sturmangriff auf die bei Jena versammelten Truppen.

Man staunt, wie sich mit dem nach einer vierzigjährigen Friedenszeit erfolgenden weltgeschichtlichen Umbruch solche Kurzweiligkeit erzeugen lässt. Allein Kant, Fichte, Schelling und Hegel sind schon sperrig genug, und sie spielen in dieser Jenaer Trilogie die Hauptrolle. Die Welt war neu zu denken.

Einblicke in die eng miteinander verzahnten Lebensgeschichten der Beteiligten - das waren vor allem die Schlegel-Brüder Wilhelm und Fritz, ihre Begleiterinnen Caroline Böhmer und Dorothea Veit in einer "offenen" Wohngemeinschaft - zeigen einen Lebensalltag, dessen hochfliegende Gedankenwelt keineswegs immer Antworten auf die Lebenspraxis bereithält. Dafür ist es oft auch zu unaufgeräumt. Die junge Generation stellt die kleine Universitätsstadt insofern auf die Probe, als sich diese "freien Geister" in ihrer Kommune neu entwerfen. Aber was heißt da "frei"? Caroline, schließlich geschiedene Schlegel und endlich verheiratete Schelling, ist mit Jahrgang 1763 die älteste. Ihre Rivalin Dorothea (Brendel), Tochter von Moses Mendelssohn, geschiedene Veit, und endlich mit Fritz verheiratete Schlegel, ist nur ein Jahr jünger. Beide sind nur geringfügig älter als die im fünften Jahr dieser kurzlebigen "Republik" auftauchende Madame de Staël, die von Berlin aus mit dem älteren Schlegel-Bruder Wilhelm zurückkehrt in die Schweiz und von da zu europäischen Reisen aufbricht. Die anderen sind in den 1770er Jahren geboren.

Der Autor entwirft Alltagsszenen, die dem Leser lebenspraktische Verwicklungen oder Augenblicke der Entstehung von literarischen oder philosophischen Werken vor Augen führen sollen. Hinzu kommen Rückgriffe auf Hölderlin, Schelling und Hegel im Tübinger Stift und Vorgriffe auf die Berliner Zeit von August Wilhelm Schlegel.

Einer der Rückblicke ins Jahr 1799 vergegenwärtigt die Gemäldegespräche in Dresden. Die Dresdner Zeit erbringt den praktischen Beweis, dass Symphilosophieren funktionieren kann. In Novalis' "Blütenstaub"-Fragment heißt es: "Wir träumen von einer Reise durch das Weltall, ist denn das Weltall nicht in uns?" Geschichte sei ein Evangelium und Novalis ihr Verkünder. Sie haben in Jena um 1800 groß gedacht. Mit Kant sei die Sonne aufgegangen, mit Fichte sei es recht hell geworden, Schelling aber habe mit der ästhetischen Anschauung den Schlussstein in die Philosophie gesetzt.

Ein solcher Problemaufriss bleibt nicht ohne Reibungen, vor allem, wenn das Denken mit dem Nichts beginnen soll. Das Wagnis der Freiheit war von der Tübinger Losung "Freiheit und Vernunft" und von Kants klassizistischem "Sapere aude" durchdrungen. Man wollte über Kants Grenzen hinaus und musste doch hinter sie zurück. Zugleich war eine Rückkehr der Philosophie in sich selbst gefordert. Germaine de Staël, die für ihre Darstellung "De l'Allemagne" Material sammelte, erhielt von Fichte eine fünfzehnminütige Einführung in Kant. Sie sah die deutsche Literatur sowie die Philosophie in Blüte und gewann im älteren Schlegel einen besonnenen Ratgeber.

Was die Vätergeneration Lessing, Mendelssohn, Wieland in Gang gesetzt hatte und was in Weimar daraus wurde, dissoziierte sich in Philosophie und Literatur. Voraussetzung für die große, umfassende Einheit allen Denkens und Seins war die unendliche Freiheit. Der Jenaer Kreis hat seine Programme im "Athenaeum" und einem Rezensionsorgan wie der "Allgemeinen Literatur-Zeitung" - auch wenn die Naturwissenschaften beispielsweise im Falle des Physikers Johann Wilhelm Ritter vernachlässigt sind - unter Beweis gestellt und auch Kritik dafür geerntet.

"Die Wahrheit liegt nicht eingeschlossen wie in einer Nuss, die das Denken bloß zu knacken bräuchte", vermerkt der Autor, "Philosophie ist kein Studentenfutter." Aber die Nussknackerei, wie sie hier zur Teilnahme anregt, ist schon selbst ein lustvolles Unternehmen, dem man viele Leserinnen und Leser wünscht.

KLAUS MANGER

Peter Neumann:

"Jena 1800". Die Republik der freien Geister.

Siedler Verlag, München 2018. 256 S., geb., 22,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Steffen Martus hält das Etikett "Sachbuch" für fehl am Platz. In Peter Neumanns Text scheint es ihm allzu sehr zu menscheln. Der Autor berichtet über Befindlichkeiten, Affären, Essgewohnheiten usw., für Martus ein Raunen aus dem Off nach Art einer TV-Historiendoku statt Eingehen auf die philosophischen oder poetologischen Inhalte einer Epoche, auf die Verlage und den Buchmarkt der Zeit. Bedauerlich findet er das Verschleifen von Chronologie und Topografie zugunsten des dramatischen Effekts. Nah und anschaulich geht es zu, meint er, aber die Sache wird vernachlässigt, und der Leser erfährt nichts Neues über die Frühromantiker.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Der 31-jährige Jenaer Philosoph und Lyriker entfaltet anhand des Freundeskreises ein rasantes und farbensattes Intellektuellenpanorama der Zeit.« DIE ZEIT, Buchmessenbeilage, Adam Soboczynski