Marktplatzangebote
Ein Angebot für € 28,00 €
  • Gebundenes Buch

Die Jahrhundertdesignerin
1927 betritt die 24-jährige Charlotte Perriand (1903-1999) mit einer Mappe von Zeichnungen das Atelier des Architekten Le Corbusier in Paris, um sich als Architektin vorzustellen.
»Wir sticken hier keine Kissen« versucht sie der Meister persönlich abzuwimmeln. Nach dem Herbstsalon im Grand Palais in Paris revidiert er sein Urteil und stellt die junge Frau ein, die unter anderem die legendäre Chaiselongue (B306) entwerfen wird. Charlotte Perriand wird 10 Jahre im Büro von Le Corbusier bleiben, um dann politisch und künstlerisch ihren eigenen Weg zu suchen und…mehr

Produktbeschreibung
Die Jahrhundertdesignerin

1927 betritt die 24-jährige Charlotte Perriand (1903-1999) mit einer Mappe von Zeichnungen das Atelier des Architekten Le Corbusier in Paris, um sich als Architektin vorzustellen.

»Wir sticken hier keine Kissen« versucht sie der Meister persönlich abzuwimmeln. Nach dem Herbstsalon im Grand Palais in Paris revidiert er sein Urteil und stellt die junge Frau ein, die unter anderem die legendäre Chaiselongue (B306) entwerfen wird. Charlotte Perriand wird 10 Jahre im Büro von Le Corbusier bleiben, um dann politisch und künstlerisch ihren eigenen Weg zu suchen und erfolgreich zu gehen. »Wir arbeiteten immer mit Idealen« wird sie später auf die Frage nach ihrem Konzept antworten, und das ist gleichzeitig auch ihr Lebenscredo. Perriand hatte sich zum Ziel gesetzt, kreative und zugleich funktionale Wohnräume zu schaffen, im festen Glauben daran, dass schönes Design eine bessere Gesellschaft zu schaffen vermag.

»Ich sagte mir nie, dass icheine Frau unter Männern war. Ich lebte in einer Symbiose mit ihnen, und zufällig waren sie Männer.« Charlotte Perriand
Autorenporträt
Adler, LaureLaure Adler arbeitet als Journalistin, Historikerin und Schriftstellerin. Sie ist Autorin zahlreicher Werke, unter anderem einer Biografie über Marguerite Duras (2000). Außerdem schrieb sie das Vorwort zu der höchst erfolgreichen französischen Ausgabe von Stefan Bollmanns Frauen, die lesen, sind gefährlich (2006) und Frauen, die schreiben, leben gefährlich (2007). 2009 erschien ihr eigenes Buch, Endlose Liebe, im Elisabeth Sandmann Verlag.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.06.2020

Die Unerschrockene

Von der rechten Hand Le Corbusiers zur Befreierin des menschlichen Geistes: Ein Buch zeichnet das abenteuerliche Leben der Architektin und Designerin Charlotte Perriand nach.

Es gibt gewisse Vorstellungen, die man heute von einer französischen Designerin und Architektin spontan hat. Glamourös stellt man sie sich vor, etwas abgehoben vielleicht. Und dann gibt es ein Buch, das diese Vorstellungen vollkommen zerstreut: Laure Adlers "Charlotte Perriand. Ihr Leben als moderne und unabhängige Frau" (Elisabeth Sandmann Verlag, München 2020, 192 Seiten, mit zahlreichen Privatfotografien, 44 [Euro]) zeichnet die große Schöpferin als sportliche Abenteurerin, die nicht edle Möbel für Reiche entwerfen wollte, sondern schlichte, kluge Lösungen für jedermann. Vielleicht weil ihr der Sinn für Prestige fehlte, wird die 1999 verstorbene Perriand erst viel später auch außerhalb von Architektur- und Designkreisen berühmt. Dazu trug zuletzt eine große Schau in der Fondation Louis Vuitton in Paris bei.

Einige ihrer bekanntesten Möbel wurden stets dem Schweizer Architekten und Designer Le Corbusier zugeschrieben, in dessen Kollektiv sie von 1927 an zehn Jahre lang arbeitete. Corbusier war schnell darin, überall seinen Namen draufzuschreiben - unter anderem bei zwei Klassikern: dem schwenkbaren Freischwinger Fauteuil pivotant und der Chaise longue basculante, bei deren Patentantrag Perriands Name zuvorderst stand, bis Le Corbusier erst die Reihenfolge änderte und bei der Neuauflage dann nur seine Signatur auf jedes Möbelstück setzte. Aber der Meister brauchte seine junge Kollegin, weil die internationale Konkurrenz, unter anderem des Bauhauses, ihn mit ihren Möbeln abzuhängen drohte. Die 1903 geborene Tochter einer Pariser Schneiderin hatte sich damals mit Stahlrohr und Chrom bereits einen Namen gemacht, vor allem durch ihre "Bar sous le toit" ,eine kleine private Bar in einem Pariser Dachgeschosszimmer, die mit einem Salon nicht das Geringste gemein hatte.

Heute erzielen ihre Stücke beachtliche Preise im Kunsthandel und auf Auktionen. Dabei hatte Perriand anfänglich überlegt, Landwirtschaft zu studieren, statt ihrem künstlerischen Talent nachzugeben. In ihrem Buch zeigt Laure Adler, wie es die Entwerferin, die sich von Le Corbusier in ihren Dreißigern lossagte, immer wieder zum einfachen Leben in der Natur hinzog: Wir sehen Perriands Fotografien (sie selbst war eine begabte Fotografin) von den Möbeln der Bauern, denen sie auf ihren Wanderungen begegnete, und von ihren wochenlangen Bergexpeditionen beim Klettern und Skifahren. Es wirkt bei ihrer Leidenschaft für die Alpen nur folgerichtig, dass sie zwei Skiorte geprägt hat: Im franzöischen Méribel erfand sie den Chalet-Stil, "hölzerne dreibeinige Hocker, ledergepolsterte Sessel, Bruchstein-Sichtmauerwerk". Später verantwortet sie den riesigen Apartment-Komplex der Skistation "Les Arcs" als Architektin mit und erprobt einen seriellen Stil der Einrichtung. Davon sind im Buch leider kaum Bilder zu sehen, ansonsten zeigt die deutsche Ausgabe im Gegensatz zum französischen Original dank ihres größeren Formates sonst reichlich Fotos.

Charlotte Perriand suchte das Abenteuer nicht nur in den Alpen. Bei ihren Arbeitsaufenthalten in Japan wird sie als Designerin geschätzt und findet selbst neue Inspiration. Im Buch dokumentiert ist auch die dramatische Phase zwischen 1940 und 1946, da sie mehrfach versucht, aus Japan über Hanoi zurück nach Frankreich zu gelangen, schließlich heiratet und mit ihrem Baby und äußerst kleinem Gepäck aus Indochina flüchten muss, weil ihre Familie dort ins Visier der Besatzer geraten ist. Als sie nach Paris zurückkehrt, erkennt sie die Stadt kaum mehr - und fängt einfach von vorne an: Direkt nach dem Zweiten Weltkrieg entwirft sie Zukunftsmodelle des Wohnens.

In ihrem Schaffen war Perriand ähnlich unerschrocken wie auf ihren Expeditionen: Das Wohnen wanderte für sie aus der Wohnung heraus, es setzte sich im Gebäude und in den Straßen fort. Deshalb war es ihr nicht genug, Häuser zu entwerfen und einzurichten; sie wollte auch bei der Umgebung mitreden. Sie forderte grünere Wohnviertel in Paris, setzte sich für die Armen ein, begeisterte sich vorübergehend für den Kommunismus und prangerte Wohnungsspekulationen an. Wie wenig eigennützig ihre Auffassung von Design war, zeigt sich auch daran, dass sie eine Anleitung für Möbel zum Selbstbau in einer Zeitschrift veröffentlichte. Jeder sollte etwas von ihren Ideen haben. "Die Wohnung soll nicht nur die materiellen Gegebenheiten ausnutzen, sondern auch den Menschen ins Gleichgewicht bringen und den Geist befreien", schrieb sie im August 1950 in einer von ihr kuratierten Sonderausgabe der Zeitschrift "Technique et architecture". Charlotte Perriands Geschichte und ihr Lebenswerk vermitteln eine Ahnung davon, wie das geschehen könnte.

JULIA BÄHR

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr
»Schönes, schlaues Buch über die Designerin, die Le Corbusier zeigte, was eine Chaiselongue ist.«
Mara Delius, DIE WELT 07.03.2020