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Die Europawahl 2019 stellt Weichen: Es entscheidet sich, wie sich die EU weiterentwickelt und ob den Nationalisten der geplante Sturm auf Brüssel gelingt. Für die Demokratie in Europa stellen sich existenzielle Fragen. Nicht nur die EU und ihre Institutionen leiden unter einem demokratischen Defizit. Vielmehr haben Populismus, Angriffe auf den Rechtsstaat, Politikverdrossenheit, Fake News, Online-Manipulationen und Bürokratisierungstendenzen die europäische Demokratie in eine Multi-Krise schlittern lassen. Können demokratische Innovationen oder neue Beteiligungsformen die Demokratie in Europa…mehr

Produktbeschreibung
Die Europawahl 2019 stellt Weichen: Es entscheidet sich, wie sich die EU weiterentwickelt und ob den Nationalisten der geplante Sturm auf Brüssel gelingt. Für die Demokratie in Europa stellen sich existenzielle Fragen. Nicht nur die EU und ihre Institutionen leiden unter einem demokratischen Defizit. Vielmehr haben Populismus, Angriffe auf den Rechtsstaat, Politikverdrossenheit, Fake News, Online-Manipulationen und Bürokratisierungstendenzen die europäische Demokratie in eine Multi-Krise schlittern lassen. Können demokratische Innovationen oder neue Beteiligungsformen die Demokratie in Europa retten? Und wie lassen sich anti-demokratische Tendenzen rechtzeitig erkennen und bekämpfen? Das Buch richtet sich an ein politisch interessiertes Publikum ohne besondere EU-Kenntnisse. Im Zentrum steht die gesamteuropäische Dimension der Demokratiekrise. Der Autor berichtet von konkreten Schauplätzen in Europa.
Autorenporträt
Nuspliger, NiklausNiklaus Nuspliger (_1980 in Bern) studierte Politikwissenschaften und Internationale Beziehungen in Genf, Madrid und Sydney. Als Journalist war er für die Berner Tageszeitung Der Bund tätig, 2007 trat er in die Inlandredaktion der NZZ ein. Nach drei Jahren als Bundeshausredaktor in Bern berichtete er aus New York u.a. über die UNO und den amerikanischen Wahlkampf 2012. Seit Ende 2013 ist er als politischer Korrespondent in Brüssel zuständig für die EU, die Nato und die Beneluxstaaten.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.05.2019

Europas Chancen,
Europas Risiken
Niklaus Nuspliger deutet die EU
aus Schweizer Perspektive
Schweizer Journalistinnen und Journalisten spielen eine Sonderrolle in Brüssel. Sie nehmen teil an den formellen und informellen Gesprächskreisen in Europas Hauptstadt, sind bestens informiert. Doch weil ihr Land nicht in der EU ist, scheint es, als könnten sie etwas unabhängiger, freier berichten, weil sie gleichsam von innen wie von außen auf die Union der Europäer blicken.
Niklaus Nuspliger, Brüssel-Korrespondent der Neuen Zürcher Zeitung, beweist das nicht nur in seiner täglichen Arbeit, er hat diesen Vorteil nun auch in ein Buch umgemünzt, das die Lage der europäischen Dinge, im Guten wie im Schlechten, aus einer angenehm neutralen Perspektive beleuchtet. Wert und Nutzen der europäischen Zusammenarbeit stellt er keineswegs infrage, hat aber einen scharfen Blick für deren Defizite.
Unter den Buchdeckel packt er, in klarer, marottenfreier Sprache, allerlei. Zunächst einen Führer, der die verschlungenen und nicht leicht verständlichen politischen Abläufe der EU anschaulich macht. Er zeigt die Komplexität und die Beschränkungen der europäischen Demokratie auf, insbesondere das Problem der „unvollendeten“ EU-Demokratie: „Das Europaparlament und die Kommission sind zu schwach und die Mitgliedstaaten sind zu mächtig, als dass eine gesamteuropäische Demokratie entstehen könnte, die diesen Namen verdient.“ Die naheliegende Lösung, das Parlament noch mächtiger zu machen, hält Nuspliger für unrealistisch.
Daneben liefert das Buch einen Überblick über die Gefahren, die der Union drohen. Etwa von Nationalisten und Populisten: Das Gefährliche an ihnen ist ja nicht ihr Anrennen gegen die EU, dem man mit Argumenten begegnen könnte. Es ist ihr antipluralistischer, Andersdenkende unter Berufung auf „das“ Volk disqualifizierende Politikansatz, der sich mit der liberalen Demokratie nicht verträgt. Hinzu kommen tatsächliche und gefühlte Bedrohungen durch Technokratisierung, Globalisierung, die Echokammern der sozialen Medien, durch all die neuen Möglichkeiten, Menschen zu lenken und zu manipulieren.
Doch sieht Nuspliger auch die Chancen innovativer Technologien: für bessere Information und vor allem mehr Partizipation. Ausführlich bespricht er Modelle der deliberativen Demokratie, wie sie etwa der Belgier David Van Reybrouck vertritt. Er sieht kein Allheilmittel darin, sondern eine Ergänzung zum normalen politischen Wettstreit über Wahlen und Abstimmungen. Wie er auch die direkte Demokratie, mit der er sich als Schweizer auskennt, der EU nur in gezielten Dosen empfiehlt, jedenfalls nicht in Form von nationalen Volksabstimmungen zu europäischen Themen.
Dieses Buch steckt randvoll mit Gedanken und Beobachtungen, die zum Weiterdenken animieren. Mehr geht kaum auf so wenig Platz.
THOMAS KIRCHNER
Niklaus Nuspliger:
Europa zwischen Populisten-Diktatur und Bürokraten-Herrschaft.
NZZ Libro, Zürich 2019.
196 Seiten, 24 Euro.
E-Book: 19,99 Franken.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.09.2019

Großbaustelle Europa
Erklärer, nicht Richter - Ein Schweizer blickt auf die Europäische Union

An Meinungen zu Europa und seiner Staatenunion mangelt es wahrlich nicht. Da treffen dann meist die Erlösungsphantasien der einen Seite auf die Untergangsszenarien der anderen - nur die Vertreter der Mitte haben es bei diesem lautstarken Ringen um Deutungshoheit schwer. Niklaus Nuspliger versucht es trotzdem. Der Schweizer Journalist, der für die "NZZ" seit 2013 in Brüssel als politischer Korrespondent arbeitet, hat seine Europa-Analysen nun zwischen zwei Buchdeckeln gebündelt. Für ihn, der zugleich die Schweizer Außensicht wie die journalistische Innensicht kennt, ist die Europäische Union eine "institutionelle Grossbaustelle", auf der sich die wenigsten Bürger wirklich zurechtfinden. Was seine Metapher aber auch deutlich macht: Immerhin wird (noch) gebaut und nicht abgerissen.

Damit das so bleibt, dürften zwei Gefahren nicht unterschätzt werden, so Nuspligers These: einerseits die, dass sich die Europäische Union in einen technokratischen Superstaat verwandeln könnte. Eine Institution, in der Experten aus Hinterzimmern bestimmen oder Entscheidungen für das Gemeinwohl gleich von Algorithmen treffen lassen, weil die Bürger zu müde und zu desinteressiert sind, um sich selbst einzubringen. Oder dass sich andererseits Populisten darin durchsetzen, einen vermeintlichen Volkswillen zu verabsolutieren, wobei sie selbst entscheiden, wer zum Volk gehört und wer nicht. Für sie sind politische Gegner keine legitimen Teilnehmer des Systems, und während ihnen das Mehrheitsprinzip alles bedeutet, gilt ihnen das Rechtsstaatsprinzip kaum etwas. Die einen verabsolutieren also den Volkswillen einer vermeintlichen Mehrheit, die anderen unterschätzen ihn. Das eine ist so wenig wünschenswert wie das andere, sagt Nuspliger. Beides bedinge sich aber gegenseitig und leiste dem Vorschub, was der Politologe Larry Diamond als demokratische Rezession beschreibt.

Damit würde sich der Zweck der Europäischen Union in ihr Gegenteil verkehren, argumentiert Nuspliger, wenn er sagt: "Die EU ist der Versuch, die Internationalisierung der Wirtschaft mit einer Internationalisierung der Demokratie abzufedern." Viel zu oft scheitere die Demokratisierung aber daran, dass die Kommission und das Europäische Parlament zu schwach seien, um sich gegen die Mitgliedstaaten durchzusetzen - zu schwach also, "als dass eine gesamteuropäische Demokratie entstehen könnte, die diesen Namen verdient". Das liege nicht nur daran, wie die Institutionen konstruiert wurden, sondern auch daran, wie sie im Alltag ausgestaltet werden, was sich besonders deutlich im Parlament offenbare. In nationalen Parlamenten stelle die Opposition in der Regel nicht die Existenz des Staates in Frage. Eine Mehrheit der Fraktionen im EU-Parlament würde sich wohl gegen Nuspligers Behauptung wehren, dass es in der EU "keine klar definierbare Opposition in Sachfragen" gebe. Doch ganz falsch ist die Beobachtung nicht, dass sich Opposition vor allem an einer Grundsatzfrage festmacht: Braucht es die EU - ja oder nein?

Dabei entspreche dieses Denken in nationalen Silos gar nicht mehr der Wirklichkeit der europäischen Bürger, sagt Nuspliger. In Anlehnung an den Wirtschaftswissenschaftler Guido Tabellini schreibt er, dass sich die kulturellen Gräben in Europa zwar vertiefen, aber nicht so sehr zwischen den Nationalstaaten, sondern innerhalb dieser. So habe eine linksliberale Berlinerin heute mit einem Regierungskritiker in Warschau mehr gemeinsam als mit einem AfD-Anhänger aus Sachsen, obwohl sie mit ihm eine Sprache und die Nationalität teilt. "Nie zuvor verlief die Debatte über die Ausrichtung der EU und über die Werte Europas grenzüberschreitender." Um grenzüberschreitende Interessen besser abzudecken und gleichzeitig die bürgernahen Elemente der EU zu stärken, schlägt Nuspliger vor, europäische Bürgerausschüsse einzurichten. Erfolgreiche Versuche habe es schon gegeben, die Ausschüsse hätten konstruktiv und engagiert gearbeitet. Bisher fehlte aber der Mut, relevante Entscheidungen und Prozesse an sie zu delegieren. Dabei, findet Nuspliger, könne man ruhig auf die "Schwarmintelligenz" der Wähler zurückgreifen.

In unaufgeregtem Ton macht sich der Autor immer wieder als Erklärer der EU verdient, weniger als ihr Richter. Das gelingt auch dann, wenn er den Lesern Einblick in seine eigene Arbeit als Journalist gewährt. Dann, wenn er als Reporter auftritt, der in einem Kapitel den Lobbying-Kritiker Olivier Hoedeman in Brüssel trifft und sich in einem anderen in Budapest mit Márta Pardavi vom Helsinki-Komitee für Menschenrechte über Orbáns Ungarn austauscht. Die szenischen Elemente tun dem Thema durchaus gut, machen Probleme und mögliche Lösungen erlebbar - und zeigen ganz nebenbei, dass die EU eben nicht nur aus Hinterzimmern und Elfenbeintürmen heraus gestaltet wird.

Mit seinen eigenen Vorbehalten gegen die EU, die er hegte, bevor er seine Arbeit in Brüssel begann, geht Nuspliger offen um. Die Vorstellung, dass es sich beispielsweise bei der Kommission um ein aufgeblähtes Bürokratiemonster handelt, dürften viele Bürger teilen. Den Tatsachen entspreche das aber nicht, sagt Nuspliger heute. Rund 32 000 Personen sind bei der Kommission beschäftigt. Das klingt sicherlich erst einmal viel. Die Zahl relativiere sich jedoch, wenn man bedenkt, dass allein die Stadt München etwa genauso viel Personal beschäftige. Und dort, wo der Beamtenapparat tatsächlich groß ist, gebe es oft genug sinnvolle Gründe. Nuspliger rechnet vor, wie viele Ressourcen im Parlament allein für Übersetzungsarbeiten draufgehen: ein Viertel. Weil alle Parlamentarier das Recht haben, ihre Reden und Anträge in einer der 24 Amtssprachen der EU vorzubringen, braucht es einen entsprechend großen Stab an Dolmetschern. Fast jeder dritte Verwaltungsangestellte werde als Folge der Mehrsprachigkeit beschäftigt und stehe damit für eine Union, die auf gegenseitige Verständigung setzt, ohne dabei in Gleichmacherei zu driften. Etwas, das weder technokratische noch populistische Kräfte wollen oder können.

ANNA-LENA NIEMANN

Niklaus Nuspliger: Europa zwischen Populisten-Diktatur und Bürokraten-Herrschaft.

NZZ Libro, Basel 2019. 197 S., 24,- [Euro].

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