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Wie wird man eine Hexe? Rätselhafte Andeutungen über ihr Liebesverhältnis mit dem Teufel bringen die ehemalige Dienstmagd Anna Maria Schwägelin vor das Kriminalgericht der Fürstabtei Kempten. Die Anklage lautet auf Teufelspakt, das Urteil auf Hinrichtung mit dem Schwert.
Das Schicksal der Anna Maria Schwägelin teilten viele Frauen im Zeitalter der Hexenverfolgungen. Doch dieser Prozess fand im Jahr 1775 statt, als man bereits die neuen Ideen der Aufklärung diskutierte und Hexenprozesse längst der Vergangenheit anzugehören schienen. Auf der Grundlage bislang verschollen geglaubter Quellen…mehr

Produktbeschreibung
Wie wird man eine Hexe? Rätselhafte Andeutungen über ihr Liebesverhältnis mit dem Teufel bringen die ehemalige Dienstmagd Anna Maria Schwägelin vor das Kriminalgericht der Fürstabtei Kempten. Die Anklage lautet auf Teufelspakt, das Urteil auf Hinrichtung mit dem Schwert.

Das Schicksal der Anna Maria Schwägelin teilten viele Frauen im Zeitalter der Hexenverfolgungen. Doch dieser Prozess fand im Jahr 1775 statt, als man bereits die neuen Ideen der Aufklärung diskutierte und Hexenprozesse längst der Vergangenheit anzugehören schienen. Auf der Grundlage bislang verschollen geglaubter Quellen rekonstruiert Wolfgang Petz das Psychogramm einer Frau, die sich in den Fallstricken ihrer erotischen und religiösen Phantasien verfing. Dabei entsteht das spannungsreiche Bild einer Epoche des Umbruchs aus dem Blickwinkel der "einfachen Leute" – einer Epoche, die keineswegs so geradlinig auf den Sieg der Vernunft über den "Aberglauben" zusteuerte, wie man es von der Aufklärung zu wissen meint.
Autorenporträt
Wolfgang Petz, Dr. phil., ist Historiker und promovierte an der Universität Augsburg. Er war Mitarbeiter im Haus der Bayerischen Geschichte Augsburg, wo er an der Konzeption und Realisierung mehrerer Landesausstellungen mitwirkte, und ist Lehrer an einem Kemptener Gymnasium.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.08.2007

Unzucht mit Satan
Letzte Hexe: Das Schicksal der Anna Maria Schwägelin
Als ein „eitles und leeres Nichts, ein Vorurtheil, und Hirngespunst verrückter Köpfe” bezeichnete Ferdinand Sterziner das Hexenwesen 1766 in einem Festvortrag vor der Kurbayerischen Akademie der Wissenschaften. Damit befand sich der gelehrte Münchner Theatinerpater im Einklang mit seiner Zeit. Die Ära grausamer Hexenjagd, die um die Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert ihren Höhepunkt erreichte und allein im heutigen Deutschland bis zu 40 000 Opfer forderte, schien endgültig historisch geworden zu sein. Im Zeitalter der Vernunft galt der „Zauberer- und Hexenwahn” als närrischer Aberglaube, als Relikt einer finsteren, längst vergangenen Zeit. Frühaufklärerische Kritik an der Folter als Mittel der Wahrheitsfindung stellte das wichtigste Instrument der massenhaften Hexenverfolgung in Frage. Die von Maria Theresia 1766 erlassene Strafordnung, die zwar nur für die habsburgischen Erblande galt, aber einer im gesamten Reich verbreiteten Praxis entsprach, setzte Hexenprozessen de facto ein Ende.
Umso befremdlicher erscheint das Schicksal der Anna Maria Schwägelin aus dem Fürststift Kempten, die 1775 als letzte Hexe auf dem Gebiet des Heiligen Römischen Reiches zum Tode verurteilt wurde. In ihrer oberschwäbischen Heimat fanden noch bis über die Mitte des 18. Jahrhunderts hinaus Prozesse statt, die mit dem Todesurteil endeten. Zwar hatte die Aufklärung inzwischen auch im deutschen Südwesten Einzug gehalten. Doch in dem kleinräumig zersplitterten Landstrich herrschte ein dichtes Nebeneinander von Moderne und Vormoderne. Während etwa die Söhne der Großbürger in der freien Reichsstadt Memmingen Hochschulen besuchten, die neuen Ideen offenstanden, hielten die Obrigkeiten im benachbarten katholischen Fürststift Kempten hartnäckig am traditionellen Hexenbild fest.
In dieses verworrene Gemenge aus Volksmagie und Aufklärung bettet Wolfgang Petz die Geschichte der 1729 geborenen Anna Maria Schwägelin ein, deren Fall reich dokumentiert ist. Anhand der Prozessunterlagen rekonstruiert er minutiös das zunächst unspektakuläre Leben einer Angehörigen der ländlichen Unterschicht, die sich für einen Hungerlohn als Dienstmagd verdingte. Als ihr ein Kutscher die Ehe versprach, falls sie seinen, den evangelischen Glauben annähme, zögerte sie nicht. Unterstützt durch die Herrschaft, die ihr als Belohnung für die Konversion eine Aussteuer in Aussicht stellte, trat die getaufte Katholikin zum Luthertum über und schwor dem Glauben an die Gottesmutter und alle Heiligen ab. Der Kutscher überlegte es sich noch einmal anders, aber der Konfessionswechsel belastete die Dienstmagd fortan schwer. In einer Mischung aus Schuldgefühl und Angst, unerfüllter Leidenschaft und sexuellen Phantasien steigerte sich die Schwägelin in die Vorstellung hinein, im Bund mit dem Teufel zu stehen. Ihre Andeutungen und Selbstbezichtigungen erregten die Aufmerksamkeit ihrer Umgebung. In dem Armenhaus, in das die arbeits- und gehunfähige Kranke eingewiesen wurde, führten persönliche Anfeindungen einer Mitinsassin schließlich zur Anklage wegen Verdachts auf Hexerei und Unzucht mit dem Satan.
Die verwirrte Dienstmagd
Mit Akkuratesse weist Petz nach, wie sich in den Bekenntnissen einer psychisch verwirrten Dienstmagd volkstümliche Stereotypen aus Märchen und Sagen mit individuellem Erleben vermischen. Nüchtern schildert er das fragwürdige juristische Verfahren, das die offenkundigen Widersprüche der Zeugenaussagen überging. Am Ende wartet der promovierte Historiker und Kemptener Gymnasiallehrer mit einem Quellenfund auf, der die bisherige Forschung widerlegt. Sechs Jahre nach ihrer vermeintlichen Hinrichtung, die bislang als gesichert galt, findet sich im Kirchbuch ein Eintrag über ihr Sterbedatum. Dass ihre Todesstrafe in lebenslange Haft umgewandelt wurde, verdankte Anna Maria Schwägelin wohl einem Franziskanerpater, dem Beichtvater des Fürstabts und Parteigänger der Aufklärung.
Mag die Geschichte der letzten Hexe auf den ersten Blick als Anachronismus erscheinen, so belehrt uns dieses Buch eines Besseren. Der Siegeszug der Vernunft über den Aberglauben verlief nicht so geradlinig, wie es mancher gern gesehen hätte. Letztlich, bemerkt der Autor lapidar, war es leichter, die Mechanik des Planetensystems oder die Wirkung des Blitzableiters zu erklären als die Nicht-Existenz von Dämonen und Teufeln zu beweisen. MARION LÜHE
WOLFGANG PETZ: Die letzte Hexe. Das Schicksal der Anna Maria Schwägelin. Campus Verlag. Frankfurt am Main 2007. 204 Seiten, 19,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Marion Lühe hat die akribische Darstellung des letzten Hexenprozesses im Heiligen Deutschen Reich 1775 mit großem Interesse gelesen. In der minutiösen Auswertung der Quellen und der detailgetreuen Darstellung des Lebens der schwäbischen Dienstmagd Anna Maria Schwägelin arbeitet Wolfgang Petzt den fließenden Übergang vom Aberglauben in die aufgeklärte Vernunft heraus und demonstriert, dass beides zeitweise nebeneinander bestehen konnte, meint die Rezensentin. Am Ende verrät Lühe noch, dass der Autor mittels eines Quellenfundes nachweisen kann, dass Schwägelin nicht wie bisher in der Forschung angenommen durch ein Todesurteil umgekommen ist, sondern offensichtlich zu lebenslanger Haft begnadigt worden war.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Wolfgang Petz ist es mit seinem Buch vortrefflich gelungen, eine Epoche des Umbruchs aus dem Blickwinkel der "einfachen Leute" sehr anschaulich darzustellen." (Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde 2008, 01.08.2008)

"Eine wichtige Fallstudie, die sozial-, kultur-, und geistesgeschichtliche Ansätze zu verbinden versteht. Darüber hinaus lässt sich das Buch schlichtweg gut lesen." (ZWLG, 01.10.2009)

"Bietet eine umfassende Darstellung der Geschichte der Hexenverfolgungen, so dass nicht nur der Lokalhistoriker daraus Gewinn zieht." (Ulm und Oberschwaben, 01.12.2009)