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DER ZUG DER 10.000 - EIN GRIECHISCHES SÖLDNERHEER RETTET SICH AUS DEM PERSERREICH
Ein griechisches Söldnerheer - 10000 Mann stark - war eine in der ganzen antiken Welt gefürchtete strategische Waffe. Solch ein Trupp soll im Jahr 401 v.Chr. dem Prinzen Kyros helfen, seinen Bruder, den persischen Großkönig Artaxerxes II., zu stürzen. Die entscheidende Schlacht bei Kunaxa wird gewonnen. Doch der Thronprätendent und die griechischen Befehlshaber fallen. Nun wächst der Kriegsberichterstatter Xenophon, der den politischen Verhältnissen in seiner Vaterstadt Athen überdrüssig war und sich nur…mehr

Produktbeschreibung
DER ZUG DER 10.000 - EIN GRIECHISCHES SÖLDNERHEER RETTET SICH AUS DEM PERSERREICH

Ein griechisches Söldnerheer - 10000 Mann stark - war eine in der ganzen antiken Welt gefürchtete strategische Waffe. Solch ein Trupp soll im Jahr 401 v.Chr. dem Prinzen Kyros helfen, seinen Bruder, den persischen Großkönig Artaxerxes II., zu stürzen. Die entscheidende Schlacht bei Kunaxa wird gewonnen. Doch der Thronprätendent und die griechischen Befehlshaber fallen. Nun wächst der Kriegsberichterstatter Xenophon, der den politischen Verhältnissen in seiner Vaterstadt Athen überdrüssig war und sich nur deshalb dem Unternehmen angeschlossen hat, in die Rolle des Oberkommandierenden. Wie es ihm gelungen ist, seine Einheit aus dem persischen Reich in Sicherheit zu bringen, was sie dabei gesehen, erlebt und erlitten haben - darüber hat er das in der Antike meistgelesene Buch, die Anabasis, geschrieben. Der Bonner Althistoriker Wolfgang Will hat die Geschichte gründlich erforscht und für die heutige Zeit spannend und informativ neu erzählt.

Zehntausend griechische Söldner werden von dem persischen Prinzen Kyros unter einem Vorwand ins westliche Kleinasien gelockt. Als der Vormarsch beginnt, wird klar, dass das eigentliche Ziel des Unternehmens ist, den Bruder des Prinzen, Großkönig Artaxerxes, zu stürzen und Kyros auf den Thron zu bringen. Alles läuft nach Plan, bis Kyros bei Kunaxa (401 v.Chr.) fällt. Nun gilt es für das griechische Heer, sich aus Feindesland in Sicherheit zu bringen. Der Athener Xenophon (etwa 430 bis etwa 354 v.Chr.), dem wir eine detailreiche Beschreibung der Ereignisse verdanken, war eine Art Kriegsberichterstatter. Doch als die Anführer der Griechen fallen, muss er Verantwortung übernehmen. Er liefert über das militärische Geschehen hinaus Informationen über unbekannte Völker, antike Ruinenstätten, exotische Landschaften, fremdartige Flora und Fauna, aber auch über außergewöhnliche Ess- und Trinkgewohnheiten. Er berichtet über sexuelle Vorlieben, ungewöhnliche Zusammensetzungen von Heeren, über Frauen, Kinder, Hetären, Händler, Ärzte, Diener und Gefangene. Schonungslos legt er die Gräuel des Krieges offen, die ihn, den Sokrates-Schüler, immer wieder mit der Frage nach einem angemessenen moralischen Verhalten konfrontieren. Wolfgang Will hat dessen Anabasis - das in der Antike meistgelesenen Buch - kongenial in ein spannendes modernes Geschichtswerk umgesetzt.

6000 Kilometer durch feindliches Gebiet - ein antikes Söldnerheer rettet sich aus dem persischen Großreich Die Überlieferung eines antiken Kriegsberichterstatters

Autorenporträt
Wolfgang Will lehrt Alte Geschichte an der Universität Bonn. Von ihm sind im Verlag C.H.Beck lieferbar: "Athen oder Sparta. Die Geschichte des Peloponnesischen Krieges" (2020); "Herodot und Thukydides" (2020); "Die Perserkriege" (2019).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Uwe Walter liest Wolfgang Wills Darstellung des marodierenden griechischen Söldnerzuges im Jahr 401 in Anlehnung an Xenophons "Anabasis" mit Spannung. Der historischen wie literarischen Bedeutung von Xenophons Text ist sich der Autor stets bewusst, stellt Walter fest. Dass Will daher "eng" an der  Vorlage bleibt, wenn er sich den Motiven und Hintergründen des Ereignisses widmet, findet Walter angemessen. So erfährt er ohne Beschönigungen Wissenswertes über die soziale Zusammensetzung und rituelle Modalitäten des Söldnerheeres, und Wills Bericht und Analyse verbinden sich für ihn zu einem "gut lesbaren Stück moderner Militärhistorie".

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.12.2022

„Das Meer! Das Meer!“
Schriftsteller und Söldner, Philosoph und Warlord: Ein neues Buch schildert
den antiken Griechen Xenophon nicht nur als Helden des berühmten „Zugs der Zehntausend“,
sondern als schillernde Persönlichkeit, die alle Widersprüche ihrer Zeit verkörpert
VON JOACHIM KÄPPNER
Und plötzlich sind sie ganz allein: Ein griechisches Heer steht, von den Verbündeten verlassen, in Kunaxa, tief im Herzen des persischen Imperiums, fast 3000 Kilometer von den Küsten der Heimat entfernt. Seine Anführer sind tot. Da aber spricht Xenophon, bisher ohne Kommando in diesem Heer, zu den Seinen: „Wenn wir uns aufgeben und in die Gewalt des Großkönigs geraten, was werden wir dort wohl erdulden? Er, der seinem eigenen Bruder Kopf und Hand abhauen und auf die Pfähle stecken ließ! Wird er nicht alles daransetzen, um durch härteste Bestrafung allen Menschen Furcht vor einem Kriegszug gegen ihn einzujagen? Dass wir auf keinen Fall in seine Gewalt geraten, dafür muss nun alles unternommen werden.“ Und so nimmt eines der größten Epen der Antike seinen Anfang, der Zug der Zehntausend ans Meer in der „Anabasis“ des Xenophon.
401 v. Chr.: Der persische Thronprätendent Kyros der Jüngere hat ein Heer gegen seinen Bruder geführt, den Großkönig Artaxerxes II., um diesem die Herrschaft zu entreißen. Die schlagkräftigste Formation stellten die Erzfeinde von einst, mehr als zehntausend Griechen. Es waren die gefürchtetsten Kämpfer ihrer Zeit, mit Schwert und Lanze, Brustpanzer und Helm gerüstete Fußsoldaten aus Hellas, wie sie fast ein Jahrhundert zuvor die freien griechischen Stadtstaaten gerettet hatten vor den Angriffen des persischen Großreiches. Nun aber standen die Bewaffneten in dessen Diensten, als Söldner.
Nicht weit vom heutigen Bagdad entfernt prallen die Heere aufeinander. Die Schlacht von Kunaxa im November ist ein Chaos aus Blut und Staub, die Kampfformation der Griechen treibt die Perser des Artaxerxes zurück. Doch als sie in ihr Lager zurückkehrt, müde und vom Scheinsieg berauscht, finden sie es voller Flüchtlinge, Versprengten des Kyros – auch einige seiner Hofdamen suchen hier Schutz. Kyros ist gefallen, seine einheimische Truppe tot oder geflüchtet.
Die Kommandeure der Griechen, die Strategen, sind vernünftige Männer, sie beschließen zu verhandeln. Fünf von ihnen, darunter der Anführer Klearchos, begeben sich ins Lager des persischen Feldherrn, des so gerissenen wie skrupellosen Tissaphernes. Ihnen folgen einige Offiziere und 200 ihrer Männer. Die Griechen bewegen sich so sorglos, „als ginge es zum Markt“, berichtet Xenophon: „Als sie vor dem Zelt des Tissaphernes angelangt waren, wurden die Strategen hineingerufen. Kurz darauf wurden die drinnen auf dasselbe Zeichen gefangen genommen und die draußen niedergemacht.“ Die Strategen müssen ebenfalls sterben.
Der Bonner Althistoriker Wolfgang Will hat Xenophons Geschichte in einem kenntnisreichen und spannend geschriebenen Buch neu gewürdigt. Will zeigt sich wie in seinen anderen Büchern als kritischer Geist. Antiken-Heroisierung ist ihm fremd, auch im Falle Xenophons. Die Römer verehrten dessen Werke, heute gehören zum Kanon der Klassik. Sogar der Dichter Heinrich Heine hat die „Anabasis“ gewürdigt, das glückliche Ende des monatelangen Irrwegs:
„Thalatta! Thalatta!
Sei mir gegrüßt, du ewiges Meer!
Sei mir gegrüßt zehntausendmal,
Aus jauchzendem Herzen,
Wie einst dich begrüßten
Zehntausend Griechenherzen,
Unglückbekämpfende,
heimatverlangende,
Weltberühmte Griechenherzen.“
Xenophons Anabasis ist eine Geschichte des Überlebens, des Mutes, einer unverhofften Heimkehr. Nicht zufällig erinnert sie an die Odyssee, deren Held nach dem Sieg über Troja zwanzig Jahre lang die Heimat sucht. Xenophons Soldaten brauchten immerhin viele Monate, und auch wenn sie nicht wie Odysseus Zyklopen und trickreiche Zauberinnen überwinden mussten, so waren die Gefahren kaum geringer: verschneite Gebirge, blockierte Pässe, Hunger und Kälte, Feinde vor und hinter sich – und nicht zuletzt Verzweiflung und Zwietracht in den eigenen Reihen.
Da Xenophon die Ereignisse selbst mitbestimmt hatte, gewährt seine „Anabasis“ einen so tiefen Blick in die Welt der griechischen Antike wie wenige andere. Freilich muss man sie mit Abstand von fast zweieinhalb Jahrtausenden lesen: Was war ihm so selbstverständlich, dass er es kaum der Erwähnung wert fand? Wovon schwieg er lieber? Was darf man ihm glauben (vieles, aber nicht alles)?
Wolfgang Will entwirrt all die Fäden der historischen Überlieferung auf meisterliche Weise. So entsteht das Bild eines Menschen in allen Widersprüchen seiner Zeit, manche werden ihm selbst kaum bewusst gewesen sein. Xenophon (um 430 – ca. 354 v. Chr.) ist der klassische Held, der die Landsleute zur Rettung führt, aber auch ein Warlord, dessen Soldaten sich wie eine Räuberbande aus dem unglücklichen Lande ernähren, das sie durchziehen. Er ist ein Schüler des großen Athener Philosophen Sokrates, sein Feldherrntum beruht auf Überzeugung, nicht wie das des ermordeten Klearchos auf Gewalt und Zwang: Xenophon „wollte kraft seiner Rede überzeugen, und so, wie Sokrates in den Memorabilien das Bild des Feldherrn entwirft, Härte mit Güte, Verstellung mit Offenheit, Vorsicht mit Wagemut verbinden“, schreibt Will. Und doch ist der Anführer um den eigenen Ruhm besorgt und muss auch zu harten Mitteln greifen, um sein Heer zusammenzuhalten.
Zudem ist Xenophon, geboren in Athen, eigentlich kein Anhänger der Demokratie – er kann sich in seiner Stadt nicht mehr blicken lassen, weil er dem tyrannischen Oligarchen-Regime, das den Geburtsort der Demokratie eine kurze Weile lang beherrschte, als Reitersoldat gedient hatte. Nun aber, als Heerführer, erlebt er das Prinzip der Volksherrschaft ganz neu. Sein Volk ist sein Heer, und es trifft seine Entscheidungen gemeinsam, so Will: „Das war ein Modell, wie es die griechische Welt im Militärischen noch nicht kannte – doch es funktionierte und rettete die meisten Söldner vor dem sicheren Tod.“
Und da ist das Söldnerwesen selbst, eine Plage seiner Zeit. Dem Sieg über die Perser 479 v. Chr. war eine Blüte der griechischen Welt gefolgt, die an den „stolzen Turm“ Europa vor 1914 erinnert, wie es die Historikerin Barbara Tuchman nannte – und die sich ebenso wie jene aus Hybris in einem viele Länder umfassenden Krieg selbst ruinierte. Athen und Sparta kämpften im Peloponnesischen Krieg 431 bis 404 v. Chr. um die Vorherrschaft. Sparta siegte, aber beide Staaten waren erschöpft.
Zurück blieben Zehntausende Männer, die nichts gelernt hatten als das Kämpfen, eine ständige Bedrohung bildeten und sich dem Meistbietenden verdingten. Jacob Burckhardt beschrieb sie in seiner „Griechischen Kulturgeschichte“ als „furchtbare Erscheinung“, von der Xenophon „ein glänzend täuschendes Bild“ gezeichnet habe. Andererseits hat der Schriftsteller in der „Anabasis“ manches beschönigt, aber erkennen lassen, dass hier kein Aufgebot von edelmütigen Heroen quer durch unbekannte Länder zog.
Unter seiner Führung und der des Spartaners Cheirisophos beschließen sie, sich keinesfalls zu ergeben. Der Rückweg ist durch die Perser blockiert. Die Zehntausend weichen nach Norden aus, ohne den Weg zu kennen, entlang des Tigris, und gewinnen Vorsprung. Aber bald werden sie von persischen Reitern gepeinigt und mit Pfeilen beschossen, sie selbst verfügen nur über ein paar Dutzend Berittene. Und die Kolonne ist immer nur so schnell wie ihr langsamster Teil: der Tross mit Nahrungsmitteln, das Vieh, die Verwundeten. Xenophon lässt eine Truppe aus Rhodos aufstellen, die Steine aus Schleudern abschießt: „Jetzt aber konnten die Barbaren ihnen keinen Schaden mehr zufügen“, schreibt er, „denn die Rhodier schossen weiter als die Perser, ja sogar weiter als die Bogenschützen.“ Die Perser wiederum beobachten, ob die Griechen wirklich abziehen. So geht es unter Kämpfen durch die große Ebene, auf die nördlichen Berge zu.
Xenophon, das macht die bleibende Faszination durch die „Anabasis“ aus, schildert neben den Reden und Taten der Zehntausend auch präzise die Welt, durch die diese ziehen: die riesige Ruinenstadt Nimrud, errichtet vom längst versunkenen Imperium der Assyrer; hier steht noch eine mehr als 50 Meter hohe Steinpyramide, nun auf der Höhe voller Menschen, wie Xenophon lakonisch schreibt: „Auf ihr befanden sich viele Barbaren, die aus den Dörfern in der Nähe geflohen waren.“ Vor wem, das muss er nicht eigens erwähnen. Er schildert fasziniert „die großen Spatzen“, die vor den ausgesandten Jägern und sogar den Reitern leicht davonrennen: Es sind Strauße. Er beschreibt Seuchen und Hunger, die Märkte der Städte, die Schlösser des Großkönigs und die Felsenfestungen der Gebirgsvölker.
Im Nordosten der heutigen Türkei stoßen die Griechen auf die unterirdischen Dörfer, wie Xenophon sie nennt. Wolfgang Will schildert sie so: „Die Wohnungen waren unterirdisch, die Bewohner stiegen über Leitern hinab; das Vieh – Ziegen, Schafe, Rinder, Geflügel –, das sich ebenfalls dort befand, hatte eigene Zugänge.“ Xenophon verspricht dem Dorfvorsteher, dessen Leute zu schonen. Allerdings, so Will: „Die Söldner blieben acht Tage, für sie eine Zeit des Wohllebens. Sie fraßen sich durch alle Vorräte und soffen alle Amphoren, Fässer, Wein- und Biergruben leer. Wie bei Cäsars Eroberung Galliens drohte der einheimischen Bevölkerung der Tod durch Hunger.“
Es ist eine Zeit, in der das Recht des Stärkeren gilt. Xenophon ist belesen in Ethik und stolz auf die eigenen moralischen Maßstäbe, er huldigt den Göttern und Ahnen. Und doch sieht er keinen Widerspruch darin, Dörfer der Feinde niederzubrennen und Gefangene zu Sklaven zu machen, wie es als selbstverständlicher Kriegsbrauch gilt. Der Vorsteher der unterirdischen Dörfer kann noch von Glück sagen, dass die Bewohner ungeschoren blieben, Xenophon schenkt dem Mann sogar ein Pferd.
Die nächsten kommen nicht so leicht davon. Im Land der Taochen haben sich die Einwohner mit ihrem Vieh in einer Fluchtburg verschanzt, oben auf einem steilen Berg. Cheirisophos lässt den einzigen Zugang frontal attackieren, ein Steinhagel von oben tötet und verwundet viele der Söldner. Xenophon, immer dem eigenen Bericht zufolge, lässt darauf eine Reihe Scheinangriffe ausführen, bis der Steinvorrat der Belagerten ausgeht. Dann machen die Söldner Ernst. Da kam es, schreibt Xenophon, „zu einem schrecklichen Schauspiel. Die Frauen warfen ihre Kinder den Abgrund hinunter und stürzten sich dann selbst nach, ebenso auch die Männer.“
Dann kommt, es ist bereits Mai, endlich der lang erhoffte Augenblick. Von den Bergen oberhalb Trapezunts sehen sie in der Ferne die See schimmern, sie sind an der Südküste des Schwarzen Meeres: „Er (Xenophon schreibt über sich in der dritten Person) stieg auf sein Pferd und galoppierte mit den Reitern an der Marschkolonne nach vorn. Schon bald aber hörten sie die Soldaten rufen und von Mund zu Mund weitergeben: Das Meer! Das Meer!“ Thalatta! Das vertraute Element der Griechen. Sie fühlen sich schon zu Hause, obwohl der Weg noch lang ist. Genau genommen füllt er den zweiten Teil der „Anabasis“.
Die Söldnertruppe, nun in Sicherheit und begehrt wie gefürchtet, stellt sich in den Dienst von Regionalherren und Städten; aber für Xenophon „war der Marsch ans Meer die Erfahrung seines Lebens“, schreibt Will, Inspiration und Herzstück der großen Geschichtserzählung. Die Anabasis ist auch ein Lehrstück über die condition humaine, über eine extreme Herausforderung, in der jede Entscheidung eine über Leben und Tod sein muss und die in manchen Menschen das Beste und in anderen das Schlechteste befördert.
Als Berater des spartanischen Königs Agesilaos bleibt er einige Jahre bei den Spartanern, er erlebt den Soldatenstaat noch auf der kurzen Höhe seiner Macht. Sie revanchieren sich, indem sie ihm ein Landgut im friedlichen Ort Skillus schenken. Dort verbringt er zwei ruhige Jahrzehnte als Geschichtsschreiber. Sein Werk geht weit über den Zug der Zehntausend hinaus; weniger bekannt, aber bemerkenswert ist etwa der Oikonomikos, in dem er das Leben seiner jungen Frau Philesia als gleichberechtigter Partnerin schildert. Xenophon stirbt erst im hohen Alter, und was von ihm bleibt, ist nicht nur ein Quellenwerk von unschätzbarem Wert, sondern auch ein ethisches und sehr modern anmutendes Vermächtnis, so Will: „Die verlogene Attitude des Kolonialherren ist ihm fremd. Nirgends erhebt er sich über fremde Sitten oder Bräuche, auf welche die Griechen sonst herabzublicken pflegten.“
Wolfgang Will: Der Zug der Zehntausend. Die unglaubliche Geschichte eines antiken Söldnerheeres. C. H. Beck 2022, 314 Seiten, 28 Euro. Die Zitate aus Xenophons „Des Kyros Anabasis“ sind der Reclam-Ausgabe von 1958/1999 entnommen, in der Übersetzung von Helmuth Vretska.

Gewaltsam lässt sich
ein Freund weder
gewinnen noch halten,
dagegen machen ihn
Güte und ein
liebevolles Wesen
zugänglich.“
Xenophon
(ca. 430 bis 354 v. Chr.)
„Die verlogene
Attitüde des
Kolonialherren ist
ihm fremd.“
Bilder von oben:
Der Athener Xenophon, Autor der „Anabasis“,
als Reiter in einer
Darstellung von 1833 (Charles Aubrey);
„Das Meer! Das Meer!“ Xenophons Heer erreicht im Mai 400 v. Chr. die Küste bei Trapezunt
(Ridpath’s History
of the World, 1894).
Bild links oben:
Büste Xenophons in einer späteren Darstellung.
Fotos: imago/KHARBINE-TAPABOR; imago/ZUMA wire;
imago/classic visions
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.01.2023

Wie Söldner zu kämpfen pflegen
Angeleitet durch das Zeugnis Xenophons: Wolfgang Will folgt einem griechischen Heer nach Asien und wieder zurück

Die Räume, die das griechische Heer seit dem Frühjahr des Jahres 401 durchquerte, sind heutzutage als Zonen von Konflikt und Gewalt geläufig: von der Mittelmeerküste nach Osten das südliche Anatolien, Nordsyrien, Mesopotamien bis nahe Babylon, von dort im Winter nach Norden am Tigris entlang, durch Ostanatolien und Armenien bis zur Südküste des Schwarzen Meeres, wo über einige See- und Landetappen schließlich Byzanz erreicht wurde. Auch die Berufsbezeichnung der Hauptakteure ist nach jahrzehntelangem Dornröschenschlaf aktuell wieder in aller Munde: Söldner.

Bei den Zehntausend, von denen der Bonner Althistoriker Wolfgang Will berichtet, handelte es sich um Kämpfer, die der Dreißigjährige Krieg zwischen Athen und Sparta geradezu ausgespien hatte: professionalisierte Kämpfer, großenteils von der Peloponnes, denen der Krieg nicht nur zum Broterwerb diente, sondern zur zweiten Existenz geworden war, und die selbst dann nur noch schwer in ihre Heimatstädte und Heimatregionen zurückgefunden hätten, wenn diese nicht verarmt gewesen wären. Der Übertritt vom bürgerlichen Leben in den Krieg und zurück, in jeder Milizarmee eine Herausforderung, fand für diese oftmals verrohten Gestalten nicht mehr statt.

Eine profunde Gesamtgeschichte und Strukturanalyse des Söldnerwesens in Hellas auf dem Stand der Forschung fehlt, doch Will hat sicher gut daran getan, seinen Stoff nicht zum Testfall einer solchen Tiefenbohrung zu degradieren. Denn die Darstellung, die der Athener Xenophon im Exil knapp zwei Jahrzehnte nach den Ereignissen auf der Basis seines Tagebuchs verfasste, ist in literarischer, historischer und nicht zuletzt menschlicher Hinsicht ein einzigartiges Zeugnis, gewiss wert, für sich genommen zum Sprechen gebracht zu werden.

Der Titel "Anabasis" meint den "Hinaufmarsch" ins Kernland des Perserreiches und verweist auf den Zweck des Unternehmens: Im Streit, wer König des Weltreichs werden sollte, hatte der Jüngere Kyros ein Heer mobilisiert, darunter die Söldner, um seinen Bruder Artaxerxes zu stürzen. In einer großen Schlacht bei Kunaxa nahe Babylon erlangten die Angreifer die Oberhand, doch Kyros kam ums Leben. Nach komplizierten Verhandlungen und Machinationen gelang es den Persern überdies, einen großen Teil des Führungspersonals der Griechen zu töten. Die als Truppe intakten, zugleich enthaupteten Söldner mussten sich neu organisieren, um möglichst unbeschadet aus ihrer misslichen Lage zu entkommen. Dabei gelangte auch Xenophon in eine leitende Position, nachdem er zuvor die Operation als Beobachter im Umfeld eines befreundeten Spartaners begleitet hatte - die deutsche Sprache kennt hierfür das treffende Wort Schlachtenbummler.

Will berichtet eng an Xenophon angelehnt den Vormarsch wie die Absetzbewegung, das Erreichen des Meeres - der Ruf "Thalatta, Thalatta!" hat Dichter von Heine bis Joyce inspiriert - und die verwickelten Wendungen danach. Hintergründe, Motive und Handlungsweisen erklärt er in einem klaren Stil, auch darin nahe bei der Vorlage. Während griechische Publizisten und Gelehrte zu dieser Zeit den Antagonismus zwischen Barbaren und Hellenen ideologisch oder "wissenschaftlich" überhöhten (und damit weitreichende Wirkung erzielten), war Xenophon, wie Will mit Recht betont, jede "verlogene Attitüde des Kolonialherrn" fremd; nirgends erhebt er sich über fremde Sitten und Bräuche. Der Autor stilisierte sich selbst vielfach als Person und Anführer, doch auf die Verhältnisse blickte er nüchtern. Seine Akteure gehorchten zugleich Ares und Hermes, Krieg und Erwerb waren in vielfältigen Verschränkungen präsent. Denn nur sehr partiell wurden die Söldner ordentlich mit Geld bezahlt, um sich auf dem Marsch auf lokal bereitgestellten Märkten verpflegen zu können. Öfter sahen sie sich aufs Plündern verwiesen; Gefangene wurden zu Sklaven gemacht und verkauft, um Geld zu generieren.

Jeder, ob Gemeiner oder Offizier, suchte seinen Schnitt zu machen; einmal stellt der Autor fast beiläufig fest, nahezu alle Spartaner, die außerhalb ihrer Heimatstadt hochrangige Ämter bekleideten, seien korrupt gewesen. Nicht selten zahlten die Einheimischen auch Tribut, um die unberechenbaren Gäste rasch wieder loszuwerden, verwiesen sie auf begüterte Nachbarn oder mühten sich um Transportkapazitäten. Ein größerer Söldnerhaufen bedeutete Unruhe in jedwedem Herrschaftsgebiet, wie sich zumal an den Rochaden am Ende des Zuges, in ganz oder teilweise von Griechen besiedelten Regionen zeigte. Die Feldherren konnten allenfalls Exzesse verhindern und Versuche Einzelner, sich zu bereichern, bestrafen.

Selten, so stellt Will klar, beschönige oder verschleiere Xenophon, was die Zehntausend in den Augen der betroffenen Bevölkerungen waren, nämlich "eine Art bewaffneter Heuschreckenschwarm, der gierig über ihre Vorräte herfiel". Wie so oft im Krieg stand die Sicherung der Ernährung weit oben: Mehr als den Feind fürchtete der gewöhnliche Söldner, so eine der trockenen Pointen, den eigenen leeren Magen, fürchtete, "ungefrühstückt" (anaristos) ins Gefecht ziehen zu müssen.

Historisch interessant sind auch die komplexen Gehorsams- und Solidaritätsmodalitäten in dem von Soldaten und Offizieren aus verschiedenen Städten und Gegenden stammenden Heer, das Zusammenspiel zwischen dem Feldherrengremium, den Hauptleuten und der Heeresversammlung, die durchaus "ein demokratisches Element in der hierarchischen Struktur der Söldnerarmee" darstellte - einmal musste sich Xenophon gar für die Schläge rechtfertigen, die er einem Untergebenen verabreicht hatte. Öfter, so scheint es, vermochte der Athener in kritischen Situationen durch geschickte Rhetorik seinen Mangel an Prestige gerade unter den spartanisch geprägten Kadern zu kompensieren. Die Friktionen waren unübersehbar, und bei vielen Söldnern ließ die Gier nicht selten jede Vorsicht vergessen. Sowohl die Truppenteile als auch die rivalisierenden Anführer mussten immer wieder verlustreich lernen, wie viel größer die Chancen auf Überleben und Beute waren, wenn man zusammenblieb und konzertiert operierte.

Bericht und Analyse fügen sich zu einem gut lesbaren Stück moderner Militärhistorie zusammen. Neben Stumpfheit und Gewalt standen Leidens- wie Improvisationsfähigkeit von Arbeitslosen, Verarmten oder Verbannten, die sich als Söldner eine eigene Welt schufen und Grenzen verschoben. Zweifellos haben Philipp der Zweite von Makedonien und sein Sohn Alexander die "Anabasis" aufmerksam gelesen und gelernt, was möglich werden konnte. UWE WALTER

Wolfgang Will: "Der Zug der 10 000". Die unglaubliche Geschichte eines antiken Söldnerheeres.

C. H. Beck Verlag, München 2022. 314 S., Abb., geb., 28,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Wolfgang Will entwirrt all die Fäden der historischen Überlieferung auf meisterliche Weise"
Süddeutsche Zeitung, Joachim Käppner

"Bericht und Analyse fügen sich zu einem gut lesbaren Stück moderner Militärhistorie zusammen."
Frankfurter Allgemeine Zeitung, Uwe Walter

"Will zeigt, wie modern die «Anabasis» ist und wie der Autor durch das Schreiben zum Bewusstsein seiner selbst und zu den großen Fragen seiner Zeit gelangt."
Neue Zürcher Zeitung, Clemens Klünemann

"Eine luzide Revision eines der am meisten gelesenen Bücher der Antike."
WELT am Sonntag, Berthold Seewald

"Es ist hochspannend, wie sich die Mannen organisieren, sogar demokratische Strukturen aufbauen, um mit Hilfe von Wahlen die Befehlsstruktur aufrecht zu erhalten."
Ärzte Woche, Raoul Mazhar

"Durch die von Will ausführlich nachgezeichnete 'Anabasis' wird die antike Kriegsgeschichte letztlich heroischer Verehrung entzogen sowie der militärische Alltag als sinnloser, riskanter Gelderwerb entlarvt."
Damals, Prof. Dr. Lukas Thommen