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Trotz anfänglicher Bemühungen der Alliierten, die deutsche Militärelite für Verbrechen im Zweiten Weltkrieg zur Verantwortung zu ziehen, gelang es den meisten deutschen Generälen und Offizieren nach 1945 rasch, sich den neuen, insbesondere von den USA vorgegebenen politischen Rahmenbedingungen anzupassen. Bei der Integration der deutschen Militärelite in die westliche Wertegemeinschaft spielte auch die langjährige kriegsgeschichtliche Kooperation der U.S. Armee mit hunderten ehemaligen Wehrmachtsoffizieren eine wichtige Rolle, in deren Rahmen die Deutschen tausende Studien zum Zweiten…mehr

Produktbeschreibung
Trotz anfänglicher Bemühungen der Alliierten, die deutsche Militärelite für Verbrechen im Zweiten Weltkrieg zur Verantwortung zu ziehen, gelang es den meisten deutschen Generälen und Offizieren nach 1945 rasch, sich den neuen, insbesondere von den USA vorgegebenen politischen Rahmenbedingungen anzupassen. Bei der Integration der deutschen Militärelite in die westliche Wertegemeinschaft spielte auch die langjährige kriegsgeschichtliche Kooperation der U.S. Armee mit hunderten ehemaligen Wehrmachtsoffizieren eine wichtige Rolle, in deren Rahmen die Deutschen tausende Studien zum Zweiten Weltkrieg verfassten. Dabei bot die sogenannte Historical Division den deutschen Militärs ein sinnstiftendes Betätigungsfeld und äußerst günstige Rahmenbedingungen für die Formulierung einer apologetischen Geschichtsdeutung. Die Autorin zeichnet die Entwicklungsgeschichte der kriegsgeschichtlichen Kooperation auf breiter Quellenbasis nach und rekonstruiert detailliert die Arbeits- und Kommunikationsprozesse innerhalb des Projekts. Auf der Basis von Nachlässen deutscher und amerikanischer Beteiligter, vor allem aber der Verwaltungsakten der Historical Division analysiert sie, warum die Amerikaner den deutschen Militärs einen so hohen Deutungsspielraum einräumten und sich sogar aktiv an der transatlantischen Verbreitung der Legende von der "sauberen Wehrmacht" beteiligten.
Autorenporträt
Esther-Julia Howell, Institut für Zeitgeschichte, München-Berlin.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Michael Epkenhans lobt Esther-Julia Howells Studie, in deren Mittelpunkt laut Rezensent die Klärung der Frage steht, wie es passieren konnte, dass ein Kriegsverbrecher wie Franz Halder nach dem Krieg in den USA zu militärischen und zivilen Ehren kam. Wie die Autorin aus transnationaler Perspektive das Zusammenwirken deutscher und amerikanischer Militärs und die Weißwaschung alter Nazischergen nach 1945 untersucht, hat Epkenhans beeindruckt. Epkenhans erkennt die Parallelen zwischen den Akteuren, das gemeinsame Interesse an einer "sauberen" Militärgeschichte. Insofern scheint ihm das Buch auch ein wichtiger Beitrag zu sein zur Erforschung der Geschichtspolitik nach '45.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.07.2016

Geschichte schreiben statt Tüten kleben
Die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit nach 1945 bei der Deutung des Zweiten Weltkrieges

Im November 1961 erhielt Franz Halder, Chef des Generalstabs 1938 bis 1942, einen der höchsten zivilen Orden der Vereinigten Staaten von Amerika: den Meritorious Civilian Service Award. Aus der Rückschau kann man sich hier nur verwundert die Augen reiben. So hatte Halder nicht nur alle Kriege Hitlers geplant, sondern diese bis zur eigenen Entlassung im Herbst 1942 ungeachtet von Millionen Toten, unvorstellbaren Verbrechen sowie der Verwüstung riesiger Landstriche unbeirrt geführt. Nicht zuletzt deswegen hatten die Alliierten im Sommer 1945 beschlossen, dem deutschen Militarismus (anders als 1918) den Garaus zu machen.

Wie also ist diese eigentlich völlig unverständliche Ehrung zu erklären? Diese Frage steht im Mittelpunkt der Studie von Esther-Julia Howell. Aus transnationaler Perspektive untersucht sie die vielfältige Zusammenarbeit zwischen deutschen und amerikanischen Militärs nach 1945, die Integration hochrangiger Wehrmachtgenerale in die westliche, von den Amerikanern geführte Wertegemeinschaft, deren Rolle bei der Reinwaschung der eigenen Profession sowie deren Versuche, trotz oder gerade wegen der furchtbaren Ereignisse die Deutungshoheit über die eigene Geschichte zu behalten und damit den Diskurs über die NS-Zeit im westlichen Teil Deutschlands maßgeblich mitzubestimmen.

Zur Erklärung verweist die Verfasserin zunächst auf oft übersehene und den Krieg teilweise überdauernde Parallelen zwischen den Akteuren: So pflegten deutsche und amerikanische Offiziere von jeher ein elitäres Selbstbewusstsein und verstanden sich als "unpolitische" Funktionsträger. Auch was das Russland-Feindbild, sozial-darwinistische Überzeugungen und die Furcht vor dem Bolschewismus, aber auch die Skepsis gegenüber der Funktionsfähigkeit moderner Demokratien in Krisenzeiten betrifft, gab es zahlreiche Gemeinsamkeiten. Diese Gemeinsamkeiten und der Wille der Historiker der U.S. Army, sich der deutschen "Kollegen" als Zeitzeugen für die eigene Geschichte zu bedienen, ebnete bereits 1945 den Weg für eine immer engere und bis 1961 andauernde Zusammenarbeit.

Für die deutschen Generale, die sich in Gefangenenlagern befanden und mit der Überstellung an sowie Verurteilung durch Militärgerichte rechnen mussten, war das Angebot, die Historiker des Gegners mit ihrer Expertise zu unterstützen, Gold wert. Und sie haben dieses Interesse schamlos ausgenutzt, wenn es darum ging, bessere Bedingungen in den Lagern oder für ihre Familien auszuhandeln. Notfalls stellten sie einfach die Arbeit ein.

Mancher General konnte sich so auch aus den Fängen der Militärgerichte befreien, auf Unterstützung während seines Prozesses, Hafterleichterungen oder vorzeitige Entlassung rechnen - wie das Beispiel von Generalfeldmarschall Albert Kesselring zeigt. 1947 wegen Geiselerschießungen zum Tode verurteilt, dann zu lebenslanger Haft begnadigt, verfasste er im Zuchthaus in Werl unter großzügigen Arbeitsbedingungen bald Studien für die Amerikaner, anstatt täglich monoton Hunderte von Tüten zu kleben.

Kopf der deutschen Generale, die sich schließlich gegen gute Bezahlung der Historical Division zur Verfügung stellten, war Halder. Sein Nimbus als vermeintlich genialer Planer in der Tradition des preußischen Generalstabs, seine angeblich unpolitische Rolle vor und während des Krieges, die von ihm behauptete Bereitschaft, Hitler rechtzeitig stürzen beziehungsweise das Schlimmste verhindern zu wollen und seine Verfolgung durch das NS-Regime nach dem Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944 verliehen ihm eine nahezu unangreifbare Stellung, die nicht weiter hinterfragt wurde.

Mit Unterstützung ehemaliger Kameraden half er den Amerikanern mit Hunderten von Studien, die Geschichte der eigenen Armee zu schreiben. Doch diese Arbeit war nur ein Vehikel, um der besiegten Wehrmacht zugleich "ein Denkmal" zu setzen. Alle Verantwortung für die Niederlage und die Verbrechen wurde auf ein krankes "Gehirn" - nämlich Hitler - abgewälzt. "Wir echten Soldaten alter Erziehung eines berühmten Heeres mit hohen Traditionen haben niemals ,gemordet'", behauptete General Günther Blumentritt ohne jedes Schuldbewusstsein.

Dass dieser Mythos von der "sauberen" Wehrmacht sich Jahrzehnte halten sollte, lag zum einen daran, dass deutsche Generale nicht nur lange alleinigen Zugriff auf die Akten hatten. Ihre Memoiren und Veröffentlichungen in Fachzeitschriften bestimmten daher lange Zeit den Diskurs über die NS-Zeit. Zum anderen waren sie im Zeichen des sich verschärfenden Kalten Krieges, in dem auch alte, stereotype Feindbilder ungeniert gepflegt wurden, aufgrund ihrer Erfahrungen im Osten bald geschätzte Berater der U.S. Army. Halder war zu Tränen gerührt, als die U.S. Army ihn bat, nicht nur Studien über eigene Erfahrungen im Osten zu verfassen, sondern sogar am neuen Field Manual für einen möglichen Landkrieg gegen die Sowjetunion mitzuarbeiten.

Aus dieser Rehabilitierung des ehemaligen Generalstabs leitete er schließlich das Recht ab, die deutsche Militärgeschichtsschreibung in alte Bahnen zurückzulenken. Zum eigenen Erstaunen biss er sich dabei ausgerechnet an einem ehemaligen Generalstabsoffizier die Zähne aus, an Oberst Dr. Hans Meier-Welcker, dem ersten Leiter des Militärgeschichtlichen Forschungsamts der Bundeswehr. Zutiefst überzeugt, dass ein Rückfall in alte Zeiten, in denen Militärgeschichte dazu diente, aus vergangenen Kriegen zu lernen, um neue vorzubereiten, ein Beweis dafür sei, dass das Militär unfähig sei, aus der Geschichte zu lernen, wehrte sich dieser erfolgreich mit Händen und Füßen.

Auch wenn Halder mit Unterstützung "alter Kameraden" in der Bundeswehr das neue Militärgeschichtliche Forschungsamt mit Aktenentzug "strafte", so hat er diesen "Krieg" um die Deutungshoheit genauso verloren wie die wirklichen Kriege, die er geführt hatte. Verbittert musste er feststellen, dass das Forschungsamt ungeachtet allen Störfeuers gewillt war und es bis heute ist, unter Anwendung historisch-kritischer Methoden die von ihm und anderen konstruierten Mythen sukzessive zu dekonstruieren. Julia-Edith Howell leistet mit ihrer Arbeit einen wichtigen Beitrag zur Erforschung der Geschichtspolitik nach 1945. Aus Sicht des Marinehistorikers ist es allein schade, dass sie das Naval Historical Team außen vorlässt.

MICHAEL EPKENHANS

Esther-Julia Howell: Von den Besiegten lernen? Die kriegsgeschichtliche Kooperation der U.S. Armee und der ehemaligen Wehrmachtselite 1945-1961. De Gruyter Oldenbourg Verlag, München 2015. 384 S., 54,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Mit Esther-Julia Howells Studie liegt nun endlich eine grundlegende Arbeit über die kriegsgeschichtliche Kooperation der U.S. Army mit der ehemaligen Wehrmachtselite in der Zeit von 1945 bis 1961 vor."
Roman Töppel in: Totalitarismus und Demokratie, 14. Jahrgang 2017 Heft 1, S. 128-131

"Dass Howell zu den Historikerinnen zählt, die eine wissenschaftliche Arbeit klar strukturiert und auch für ein breiteres Publikum sehr gut lesbar verfassen können, sei ausdrücklich betont."
Wigbert Benz in: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2016-1-172