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Das Vermächtnis und geniale Abschiedsgeschenk eines großen Schriftstellers
William Trevors Erzählungen beleuchten die Abgründe menschlichen Daseins und werfen Licht auf Momente von existentieller Bedeutung. Da ist etwa das Mädchen, dessen tot geglaubte Mutter sich als höchst lebendig und kerngesund herausstellt. Oder die Klavierlehrerin, die die Diebstähle ihres Schülers stillschweigend hinnimmt, weil er so wunderbar spielt. Und der italienische Cafébesitzer in London, der sein Café nach der Frau benennt, die ihn verlassen hat. Einfühlsam, tiefgründig und mit stilistischer Raffinesse…mehr

Produktbeschreibung
Das Vermächtnis und geniale Abschiedsgeschenk eines großen Schriftstellers

William Trevors Erzählungen beleuchten die Abgründe menschlichen Daseins und werfen Licht auf Momente von existentieller Bedeutung. Da ist etwa das Mädchen, dessen tot geglaubte Mutter sich als höchst lebendig und kerngesund herausstellt. Oder die Klavierlehrerin, die die Diebstähle ihres Schülers stillschweigend hinnimmt, weil er so wunderbar spielt. Und der italienische Cafébesitzer in London, der sein Café nach der Frau benennt, die ihn verlassen hat. Einfühlsam, tiefgründig und mit stilistischer Raffinesse erzählt Trevor von den Leben ganz gewöhnlicher Menschen in einer Welt, in der das Glück vorübergehend und nur unter Vorbehalt zu genießen ist, in der die Vergangenheit die Gegenwart bestimmt und zufällige Begegnungen die Einsamkeit für einen Moment vertreiben können.
Autorenporträt
William Trevor, geboren 1928, wuchs in Irland auf. Er besuchte das Trinity College in Dublin und war Mitglied der Irish Academy of Letters. Sein umfangreiches Werk umfasst Romane und Erzählungen und wurde mit zahlreichen literarischen Preisen ausgezeichnet. 2002 ernannte ihn Königin Elizabeth II. zum Ehrenritter. Bei Hoffmann und Campe erschienen Romane und Erzählungen, zuletzt der Erzählungsband Ein Traum von Schmetterlingen (2015). William Trevor lebte mit seiner Ehefrau Jane viele Jahre im englischen Devon; er starb im Alter von 88 Jahren am 20. November 2016 in Somerset.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.06.2020

LITERATUR
Diffuses Gelände
Neue Erzählungen des irischen Schriftstellers William Trevor,
eines Meisters des atmosphärischen Impressionismus
VON MEIKE FESSMANN
Dass wir wenig von anderen wissen, wenig sogar von uns selbst, das ist die einfache Wahrheit, aus der William Trevor den Honig seiner schlackenlosen Geschichten saugt. Seine Figuren haben ein Talent zum Glück, und sie sind bereit, sich sogar mit dem Nachklang des Glücks zufriedenzugeben. Aber sie ahnen, dass ihre Vorstellungen jederzeit durchkreuzt werden können. Die Sehnsucht nach dem Alltäglichen überfällt sie, sobald etwas Beunruhigendes geschieht. Manchmal ist es der Tod einer scheinbaren Randfigur, die in den „Letzten Erzählungen“ des großen irischen Schriftstellers für Unruhe sorgt. Keiner kann den Sinn so driften lassen wie William Trevor. Die Mitteilung, dass Emily Vance, eine junge Frau, die eine Zeitlang bei ihr geputzt hat, durch einen Verkehrsunfall in Dublin ums Leben gekommen ist, sickert wie ein Unruheherd in die wohlkontrollierte Welt von Harriet Balfour ein. War es überhaupt ein Unfall? Keiner weiß etwas über „Das unbekannte Mädchen“ (so heißt die Erzählung). Einmal, so erinnert sie sich, sah sie Freude auf Emilys Gesicht. Sollte sie in ihren Sohn verliebt gewesen sein? William Trevor ist ein Meister fast impressionistisch hingetupfter atmosphärischer Verwirbelungen. Die entscheidenden Dinge geschehen nebenbei.
Am Ende der Party zu seinem sechsundzwanzigsten Geburtstag fragt Stephen seine verwitwete Mutter, ob sie sich an Emily Vance erinnere. Sie sind gerade beim Aufräumen, zerbrochene Gläser werden eingesammelt, vergessene Kleidungsstücke sichergestellt. „Sie kennt keine Blumennamen“, charakterisiert er sie, während er erzählt, dass sie oft gemeinsam im Garten waren. Erst jetzt sagt ihm seine Mutter, dass Emily gestorben ist.
Das Setting, die Dialoge, das Umschwenken des Sohnes, der gerade im Begriff war, seine Gefühle zu offenbaren und plötzlich mit der „emotionslosen“ Stimme des zukünftigen Kinderarztes spricht, während er vom Präsens in die Vergangenheitsform wechselt, münden in einen Monolog, der die unaussprechliche soziale Kluft zwischen den Liebenden auf eine Weise ausdrückt, in der die seelische Not der Toten posthum eine Form findet: „Sie hat es im Garten gestanden, auf die nüchterne Art eines Menschen, der einem das Haus putzt. Sie hörte sich meinen Optimismus an: dass all das jetzt für immer vorbei sei. Wir sprachen von Liebe. Sie lächelte ein wenig, ihr sanftes, einsames Lächeln. Sie sprach es nicht aus, ließ aber durchblicken, dass sie in den Zimmern eines ruhigen Hauses, wenn sie zu lieben versuche, nicht lieben könne, und wenn sie zu hoffen versuche, nicht hoffen könne. Im Garten liefen wir stumm nebeneinander her, und dann verschwand sie.“
Das Oszillieren des Fokus gehört zu Trevors Meisterschaft, seiner unheimlichen Präzision im diffusen Gelände der Emotionen. Der 2016 verstorbene Schriftsteller hat 23 Romane und elf Erzählbände publiziert. Er war zunächst Bildhauer, arbeitete auch als Lehrer und Werbetexter und lebte seit 1952 in England. 2002 wurde er von Queen Elizabeth II. zum Ehrenritter ernannt.
Einfühlung und Übertragung stoßen seinen Figuren manchmal regelrecht zu und durchkreuzen ihre Pläne. In einer Art Brontë-Szenerie spielt die Geschichte um Mary Bella, „Ein Idyll im Winter“. Aufgewachsen in den Yorkshire Moors und noch immer dort lebend, kommt eines Tages zufällig der Mann zurück, in den sie sich am Ende der Kindheit verliebt hatte. Der zehn Jahre ältere Anthony war kurze Zeit ihr Lehrer, längst lebt er mit Frau und Kindern in einem Londoner Vorort. Ihre Liebe flammt wieder auf, er zieht zu ihr auf den Gutshof. Doch eines Tages kommt ein Brief seiner Frau. Die ältere seiner beiden kleinen Töchter hat zu hungern begonnen und liegt bereits im Krankenhaus. Anthony zieht eine Zeitlang nach London, kehrt aber nach Old Grange zurück. Als sich das Hungern wiederholt, bemerkt Mary Bella zu ihrer eigenen Verblüffung, dass sie den Gedanken nicht aushält, mit dem eigenen Glück andere Menschen zu beschädigen.
Es fehlt nicht an Wut und Zorn in diesen Geschichten. Doch das Augenmerk liegt auf den Strategien, wie sich mit Schicksalsschlägen umgehen lässt. „Im Caffè Daria“ erzählt von einem Weingutbesitzer aus dem Piemont, der kurz nach dem Zweiten Weltkrieg im zerstörten London ein Café gründete, um seiner Geliebten ein Denkmal zu setzen. Ein Dichter hatte sie ihm ausgespannt. Jahrzehnte später findet dort eine Verlagsangestellte Trost, der ähnliches geschehen ist. Für die Macht großmütiger Gesten allerdings fehlt ihr das Geld. Sie kann nur heimlich das Haus umschleichen, in dem sie einst glücklich gewesen ist. Häuser, Orte, geschützte Räume spielen eine große Rolle in diesem von Hans-Christian Oeser übersetzten Band, der etwas zupackend Elegisches hat.
„Dass man die Zeit vielleicht dort belassen sollte, wo sie sich abgelagert hat“, ist einer der ebenso schlichten wie tiefgründigen Gedanken, von denen es in diesen zehn Erzählungen viele gibt. Wie Gefühle Erinnerungen einfärben und Echos der Vergangenheit die Gegenwart überlagern, schildert Trevor mit dem sicheren Zugriff eines Erzählers, der weiß, wie man Stimmungen erzeugt und Geschichten bei aller Präzision ihre Rätsel lässt.
William Trevor: Letzte Erzählungen. Aus dem Englischen von Hans-Christian Oeser. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2020. 208 Seiten, 24 Euro.
Die Einfühlung stößt seinen
Figuren manchmal regelrecht
zu und durchkreuzt ihre Pläne
Etwas zupackend Elegisches: der irische Schriftsteller William Trevor im Regent’s Park.
Foto: David Levenson / Getty
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.06.2020

Lauter verkappte, verknappte Romane
William Trevor hat hinreißende Erzählungen geschrieben: Die letzten erscheinen nun auf Deutsch

William Trevor ist 2016 mit 88 Jahren gestorben. Nun liegen seine "Letzten Erzählungen" auch auf Deutsch vor. Zuweilen zieht man nach dem Tod eines Autors Manuskripte aus der Schublade, denen man anmerkt, dass sie noch nicht ganz fertig sind. Bei Trevor kann davon keine Rede sein. Seine letzten zehn Geschichten gehören zum Besten, was er geschrieben hat.

Geboren in Irland, ist er nach seinem Studium in Dublin nach England gezogen, wo er den größten Teil seines Lebens im südlichen Devon zugebracht hat, in einer Landschaft mit grünen Küsten und dörflichen Kleinstädten. In seinen früheren Jahren war er Bildhauer. Als er zum Schreiben überging, hat er die Arbeitsweise des Bildhauers beibehalten: wegklopfen, abtragen, reduzieren. Angefangen damit hat er bei seinem Nachnamen Cox, den er einfach gestrichen hat. Seine Hauptarbeit, erklärte Trevor einmal, bestehe darin, Dutzende von Seiten vollzuschreiben, um danach mit der Schere das meiste wegzuschneiden, in regelrechter Handarbeit. Was dabei übrig blieb, wirkt jedoch nicht wie ausgeschnitten, im Gegenteil. An Raymond Carver hat man immer seinen Minimalismus bewundert, der zum Erstaunen der Nachwelt gar nicht ihm selbst zu verdanken war, sondern seinem Lektor, wie sich nach Carvers Tod herausstellen sollte. Trevor hat das Schnippeln selbst erledigt. Dabei bedient er keineswegs solche Kurzgeschichtentricks, die den Leser bis zuletzt rätseln lassen, worum es eigentlich geht. Seine Erzählungen sind verkappte, verknappte Romane.

Nicht selten vermitteln sie das Gefühl, die Zeit stünde still. Doch sie steht nicht still, es geschieht eine ganze Menge, allerdings nicht nach außen hin. Das Entscheidende ereignet sich im Unsichtbaren, im Alleinsein, im Normalität-Spielen. Weder sind Trevors Figuren große Redner noch große Selbst- und Welterklärer. Ihre unscheinbaren Verzweiflungen machen sie mit sich allein aus, ohne jedes Aufsehen. Doch was heißt schon Verzweiflung? Sie selbst würden solche Worte wohl kaum in den Mund nehmen. Sie würden auch nicht von Einsamkeit reden. Auf uns Leser mögen sie verloren wirken, sie selbst würden das vermutlich anders sehen oder es allenfalls in verstörenden Momenten so empfinden. Schließlich ist jedes Leben beschädigt, jedes auf seine Weise.

Und auf einmal sind diese Leben halb vorbei oder zu Ende. Das Gefühl von Zeitstillstand trügt. Trevors Geschichten sind voller Sprünge, von jetzt auf gleich sind ganze Jahre dahingehuscht und ganze Jahrzehnte. Das Einzige, was dabei nicht vergeht, ist die Vergangenheit, wie es einmal heißt. In der Geschichte "Ein Idyll im Winter" verlässt ein Mann Frau und Kinder. Seine Ehe scheint nicht unglücklich gewesen zu sein, doch eines Tages schaut er bei einer früheren Schülerin vorbei, die er lange nicht gesehen hat. Er zieht zu ihr aufs Land, die neue Zweisamkeit scheint gutzutun. Eines Tages bekommt er einen Brief, in dem steht, dass eine seiner Töchter nichts mehr isst. "Da kann man nichts machen", lautet sein Kommentar. Es wird vorübergehen, denkt er. Und es geht auch vorüber. Trotzdem kehrt er zurück. Stets steht etwas im Weg, egal, was man macht, egal, wofür man sich entscheidet.

Es ist eine der wenigen Geschichten, bei der ein Mann im Zentrum steht, meist sind es Frauen. Wie beispielsweise jene alleinstehende Klavierlehrerin, die für ihren Vater nach dem frühen Tod der Mutter das Ein und Alles war. Sechzehn Jahre lang hatte sich ein verheirateter Mann zu ihr ins Haus geschlichen; immer hatte er "sich . . . auf sie gepresst und geflüstert, wie schön sie sei" und "geschworen, ohne sie nicht leben zu können". Die Klavierstunde ihres Lieblingsschülers legt sie auf den Freitagnachmittag, um ihm übers Wochenende nah zu bleiben. Ihre anderen Schüler sind unbegabt, in ihn setzt sie alle Hoffnung. Eines Tages bemerkt sie, dass er jedes Mal etwas mitgehen lässt, auf unerklärliche Weise. "Als er die Préludes von Chopin zu spielen begann, war der Briefbeschwerer mit dem Rosenblütenblatt noch da. Nachdem sie ihn an der Tür verabschiedet hatte, war er verschwunden." Aus Angst, er würde nicht wiederkommen, wagt sie nicht, ihn darauf anzusprechen. "Doch jedes Mal, wenn der Junge gegangen war, lag eine Art Spott in der leise nachhallenden Musik." Von heute auf morgen bleibt auch er einfach weg.

Trevors Figuren scheinen ihr Schicksal nie zu wählen, sie ertragen es. Die Welt kriegt davon nicht viel mit. Oder nur selten, wie etwa in der Geschichte "Der verkrüppelte Mann", in der zwei Wanderarbeiter, die kaum Englisch können, in den wenigen Stunden, da sie eine Hauswand verputzen, eine Ahnung von dem Unglück bekommen, das sich drinnen abspielt. Manchmal lassen auch nur Nebensätze ein ganzes Leben aufblitzen. Dass ein totes Mädchen ihr Geld nicht nur mit Putzen verdient hat, erfährt man en passant. Ebenso begegnet man immer wieder paradoxen Momenten, wie etwa bei einer Witwe, die gerade ihren Mann zu Grabe getragen hat. Auf der Rückfahrt vom Friedhof blickt sie in den Rückspiegel und freut sich an ihren Haaren, Lippen, Augen. "Sie mochte ihr Aussehen, hatte es schon immer gemocht", heißt es lapidar, als sei sie auf dem Weg zu einem Rendezvous. Sie glaubt, noch ein Leben vor sich zu haben.

Meist aber richten Trevors Figuren ihren Blick in die Vergangenheit. Große Träume haben sie in aller Regel keine mehr, doch eine linde Zuversicht lässt sie weitermachen. Im letzten Satz des Buches ist vom "Geflüster tröstlichen Zweifels" die Rede. Anders könnten sie die beiläufigen Grausamkeiten des Lebens und seine banalen Abgründe schwer aushalten. Das Komplizierte kommt bei Trevor unkompliziert daher; einfach wird es dadurch nicht. Sein Stil ist nüchtern, aber nicht kühl. Er strahlt eine Wärme aus, die nichts Sentimentales kennt. Das stille Unglück, von dem er erzählt, kann einen als Leser süchtig machen.

Was öffentliche Präsenz angeht, hat Trevor zu den Stilleren gehört. Dass er regelmäßig für den Nobelpreis im Gespräch war, hat man kaum wahrgenommen. Bei seinen "Letzten Erzählungen" überkommt einen fast das Gefühl, als ginge mit ihnen eine Literatur zu Ende, die etwas von einem ländlich-langsamen Leben atmet, selbst dort, wo London die Kulisse bildet. Wovon Trevor auch immer erzählt, es klingt auf befriedende Weise unaufgeregt. Der Übersetzer Hans-Christian Oeser lässt die schlichte Schönheit dieser Sprache auch hier wieder im Deutschen aufleuchten.

KARL-HEINZ OTT

William Trevor: "Letzte Erzählungen".

Aus dem Englischen von Hans-Christian Oeser. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2020. 207 S., geb., 24,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Karl-Heinz Ott gibt zu, süchtig zu sein nach den stillen Leben und Unglücken, von denen William Trevor in seinen Erzählungen berichtet. Dass liegt nicht zuletzt an Trevors reduzierter Erzählweise, die auf Ott keineswegs "wie ausgeschnitten" wirkt und nichts zu wünschen übrig lässt, sowie an der Sympathie, die der Autor seinen verlorenen, unscheinbar verzweifelten Gestalten entgegenbringt. Und soll keiner sagen, in den Geschichten von Klavierlehrerinnen und Witwen geschehe nichts, bloß weil nicht viel gesagt wird und die Zeit still zu stehen scheint, so Ott, das Schicksal arbeitet still und leise.

© Perlentaucher Medien GmbH
»William Trevor ist ein Meister fast impressionistisch hingetupfter atmosphärischer Verwirbelungen. Die entscheidenden Dinge geschehen nebenbei.« Meike Feßmann Süddeutsche Zeitung, 09.06.2020