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Christian Felix Weiße (1726-1804) hat sein Leben gewissermaßen mit der Feder in der Hand verbracht. Der Mitbegründer der deutschen Oper sowie der deutschen Kinder- und Jugendliteratur war als Lyriker, Dramatiker und Librettist sowie als Zeitschriftenherausgeber, Kritiker und Übersetzer ungemein produktiv. Zugleich war Weiße bestens in der Gelehrtenrepublik seiner Zeit vernetzt und führte einen halb Europa umspannenden Briefwechsel. Von seinen 25.000 oder mehr Briefen sind heute nur noch gut 600 auffindbar. Mit ihrer Edition wird einer den bedeutendsten Akteure und Vermittler des literarischen…mehr

Produktbeschreibung
Christian Felix Weiße (1726-1804) hat sein Leben gewissermaßen mit der Feder in der Hand verbracht. Der Mitbegründer der deutschen Oper sowie der deutschen Kinder- und Jugendliteratur war als Lyriker, Dramatiker und Librettist sowie als Zeitschriftenherausgeber, Kritiker und Übersetzer ungemein produktiv. Zugleich war Weiße bestens in der Gelehrtenrepublik seiner Zeit vernetzt und führte einen halb Europa umspannenden Briefwechsel. Von seinen 25.000 oder mehr Briefen sind heute nur noch gut 600 auffindbar. Mit ihrer Edition wird einer den bedeutendsten Akteure und Vermittler des literarischen Lebens im Zeitalter der Aufklärung wieder sichtbar. Für das Verständnis der zentralen Rolle Leipzigs in der deutschen Kulturgeschichte sind Weißes Briefe von hervorragender Bedeutung. Die Ausgabe enthält Briefe u.a. an Gotthold Ephraim Lessing, Johann Gottfried Herder, Johann Joachim Winckelmann, Johann Wilhelm Ludwig Gleim, Jean Paul, Friedrich Nicolai, Karl Wilhelm Ramler, Friedrich JustinBertuch, Johann Peter Uz, Moritz August von Thümmel, Wilhelm Gottlieb Becker, Carl August Böttiger, u.v.a.Die Ausgabe besteht aus drei Bänden: Band 1 (1755-1768); Band 2 (1769-1776); Band 3 (1777-1804)
Autorenporträt
Dr. Mark Lehmstedt (geb. 1961), Kulturhistoriker, Lektor und 2003 Verleger. Mitglied der Historischen Kommission des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Vorsitzender des Leipziger Geschichtsvereins, Verfasser zahlreicher Bücher und Aufsätze zur Buchgeschichte Katrin Löffler (geb. 1964), Germanistin und Historikerin in Leipzig, Autorin zahlreicher Publikationen zur Literatur des 18. Jahrhunderts und zur Leipziger Stadtgeschichte
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.04.2022

Ein Freund wie Sie sind mir lieber als meine ganze Autorschaft
Die Gesamtedition von Christian Felix Weißes Briefen ist ein Fest für die Aufklärungsforschung

Im Schloss Bellevue sind im vergangenen Herbst, von der Öffentlichkeit kaum beachtet, historische Weichen neu gestellt worden: Etliche preußische Schlachtengemälde ließ Bundespräsident Steinmeier ersetzen durch Porträts und Büsten der Aufklärung, etwa der Brüder Humboldt, von Henriette Herz oder Rahel Varnhagen. In einem neuen "Salon Voltaire" im Südflügel sind reformerische Selbstdenker um Friedrich den Großen zu sehen, etwa Adelung, Kant, Mendelssohn, Nicolai, Platner, Ramler. Mit dem Wörterbuchschöpfer Johann Christoph Adelung und dem Philosophie- und Medizinprofessor Ernst Platner kommt Leipzig ins Spiel, der wichtigste Außenposten der Berliner Aufklärung.

Dort wirkte Christian Felix Weiße als die eigentliche Zentralfigur. Als Herausgeber der 1759 von Nicolai und Mendelssohn gegründeten Zeitschrift "Bibliothek der schönen Wissenschaften und der freyen Künste", die bis 1806 erschien, galt er als großer Netzwerker. Mit Platners Schwester Christiane war er verheiratet, mit Adelung und einigen Berlinern aus der Porträtgalerie im Bellevue korrespondierte er ausgiebig. Allein auf den Berliner Verleger Friedrich Nicolai und den Dichterphilosophen Karl Wilhelm Ramler entfällt ein Viertel von Weißes Gesamtkorrespondenz. Sie besteht aus 634 Briefen, die der Leipziger Verleger Mark Lehmstedt, unterstützt von Katrin Löffler, seit fast vier Jahrzehnten gesammelt und kundig kommentiert hat.

Antwortschreiben werden lediglich im Anhang verzeichnet. Und wie stark der Nachrichtenstrom in Richtung Berlin oder Weimar tatsächlich war, erkennt man erst durch ein selbst zusammengestelltes Korrespondentenverzeichnis, denn im Personenregister der Ausgabe werden die Adressaten nicht durch Briefnummern oder Fettdruck hervorgehoben - ein Manko der Ausgabe.

Das Briefaufkommen, verteilt auf zweiundsiebzig Korrespondenten, ist sehr ungleich überliefert. Wenn von Weißes Schreiben an den Breslauer Popularphilosophen und Hauptrezensenten der "Bibliothek" Christian Garve nur fünf Stücke erhalten sind, umgekehrt aber 150 Antworten von diesem bereits 1803 im Druck erschienen (wiederaufgelegt bei Olms, 1999), dann deutet das auf eine hohe Verlustquote. Sollte Lessing tatsächlich nie an Freund Weiße geschrieben haben, obwohl er mit dessen Berliner und Braunschweiger Kreisen - etwa den Übersetzern Johann Arnold Ebert und Johann Joachim Eschenburg oder dem "Philosoph für die Welt" Johann Jakob Engel - so eng verbunden war? Nur eine einzige Nachricht Weißes ist erhalten, nachdem ihm sein "liebster, bester Lessing" kurz nach der Messe 1768 entwischt war. Darin versichert er Lessing, über dessen negative Beurteilung einer seiner "theatralischen Tändeleyen" in der "Hamburgischen Dramaturgie" keineswegs verdrießlich zu sein, und schwört, dass ein Freund wie er ihm lieber wäre als die eigene "ganze Autorschaft".

Um Weißes eigene Dichtung war es gar nicht so schlecht bestellt. In der Rokokolyrik bot er "Scherzhafte Lieder" (1758) und "Amazonenlieder" (1760) gegen seine Freunde Hagedorn in Hamburg und Johann Wilhelm Ludwig Gleim in Halberstadt (neun Briefe) auf. Und mit Lessing wetteiferte er durch Übersetzungen und eigene Stücke um die Gunst der Schauspieltruppe Caroline Neubers. Unter seinen sächsischen Typenkomödien gibt es nicht nur den Literaturbetriebsspaß "Die Poeten nach der Mode", sondern auch die Posse "Der Krug geht so lange zu Wasser bis er zerbricht; oder der Amtmann". Das Stück erschien im Supplement zu Weißes Wochenschrift "Der Kinderfreund" und enthält eine Radierung, die außer dem Titel untrüglich auf Kleists späteres Gerichtsdrama "Der zerbrochne Krug" verweist. Denn nur hier schaut der Schreiber "den Richter misstrauisch zur Seite an", wie es in Kleists Vorrede mit Blick auf einen nicht genauer bezeichneten Kupferstich heißt.

Im Briefwechsel tritt die eigene Autorschaft Weißes jedoch hinter das Hauptgeschäft der Zeitschriftenherausgabe zurück. Die "Bibliothek der schönen Wissenschaften", die von 1765 an "Neue Bibliothek" heißt, erschien beim Leipziger Verleger Johann Gottfried Dyck, dessen Verlagsarchiv am 4. Dezember 1943 verbrannte. Die "Bibliothek" war mit regelmäßigen Nachrichten aus England, Frankreich und Italien eine Zeitschrift von europäischem Rang. Hier wurden Übersetzungen poetischer und kunsttheoretischer Schriften - von Le Brun, Gerard, Home, Ossian (Macpherson), Tasso, Young - ebenso besprochen wie deutsche Literatur, allen voran Goethes "Werther" als epochales Werk durch Friedrich von Blanckenburg. Den lässt Weiße im zweiten von nur drei Briefen wissen, ein Hamburger Rezensent habe Blanckenburgs anonym erschienenen Roman und dessen "Versuch über den Roman" ihm, Weiße, als Verfasser zugeschrieben und erklärt, man könne "ein guter Theoreticus seyn, ohne ein guter Practicus zu seyn".

Als jahrzehntelanger Hauptherausgeber einer führenden Kunst- und Literaturzeitschrift versteht sich viel Korrespondenz von selbst. Gerne hätte man erfahren, was Weiße dem Sondershausener Kauz Johann Karl Wezel mitteilte, der für ihn "Sophiens Reise von Memel nach Sachsen" von Hermes oder Wielands "Oberon" rezensierte. Gegen die Werther-Mode definierte Wezel in Weißes Zeitschrift, "Göthisieren" heiße "wie Göthe denken, empfinden und reden wollen, ohne Göthe zu sein". Solche Flanken gegen die Sturm-und-Drang- Gefolgschaft waren in Weißes Sinne. Aber auch die Gegenposition unterstützte er nicht, Nicolais Werther-Parodie bleibt unkommentiert, den zweiten Band von dessen "Sebaldus Nothanker" würde Weiße am liebsten nicht besprechen lassen, er "misfällt noch mehr, als der erste". Die einst so hohe Brieffrequenz lässt spürbar nach. Um "Verbitterung" zu vermeiden, so die Anweisung an seinen Kritiker Blanckenburg, solle er "die Fehler gelinde rügen, damit der Tadel versüßet werde".

Solche Dokumente werfen ein helles Licht aufs Rezensionswesen um 1800 und lassen deutliche Fraktionen erkennen. Gerne hätte man das vom Herausgeber ein wenig sortiert und erläutert gesehen. Leider fehlt ein solches Nachwort über Weiße und die Leipziger Aufklärung, die durch seine Briefe durchaus zu einem eigenen Profil gelangt. Die "Bibliothek der schönen Wissenschaften" steht im Zentrum, und ihr Herausgeber erweist sich als geschickter Literaturpolitiker: Seit dreißig Jahren, versicherte er dem österreichischen Aufklärer Johann Baptist von Alxinger im einzigen erhaltenen Brief, streiche er "persönliche Angriffe oder Bitterkeiten" und bemühe sich, "alles zu vermeiden, was einem kritischen Zwiste ähnlich" sähe. Umso mehr bedauere er, dass Alxinger sich "beleidigt" über eine Besprechung seines Rittergedichts "Doolin von Maynz" zeige, er entschuldige sich und bitte um "dessen Liebe und Freundschaft". Alxinger, inzwischen vom Freimaurer zum Illuminaten gewandelt, hatte für solch demütige Verneigungen wenig übrig. Umgehend ließ er bei Stahel in Wien eine "Schutzschrift" gegen "eine elende Recension" drucken. ALEXANDER KOSENINA

Christian Felix Weiße: "Briefe 1755-1804".

Hrsg. und kommentiert von Mark Lehmstedt unter Mitarbeit von Katrin Löffler. Lehmstedt Verlag, Leipzig 2022.

3 Bd., zus. 1352 S., Abb., geb., 128,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Alexander Kosenina scheint angefixt von Christian Felix Weiße und seinen Netzwerkerfähigkeiten zur Zeit der Berliner und Leipziger Aufklärung. Schon die Vorstellung des Rezensionswesens um 1800 und seiner Fraktionen im Umkreis der von Weiße herausgegebenen "Bibliothek der schönen Wissenschaften", die ihm die Briefausgabe vermittelt, macht die Lektüre für Kosenina wertvoll. Zu kritisieren hat der Rezensent das Fehlen von Briefnunmmern im Personenregister und die Ermangelung einer genaueren Einordnung all der vorkommenden Namen und Gruppen etwa in einem entsprechenden Nachwort.

© Perlentaucher Medien GmbH