22,00 €
inkl. MwSt.
Versandkostenfrei*
Sofort lieferbar
payback
0 °P sammeln
  • Buch mit Leinen-Einband

Seine Liebe zu Büchern entdeckte Alan Bennett früh. Im Gefolge von Dr. Doolittle begann er in der Armley Public Library in Leeds diesem Hobby ausgiebig zu frönen, obwohl seine Mutter Bücher aus der Bibliothek als unhygienisch empfand. Bis heute liest Bennett gerne ausgeliehene Bücher und erfreut sich an hineingekritzelten Kommentaren. Seine eigenen Lektüreeindrücke, akkurat vermerkt in seinen detaillierten Tagebüchern, zeugen von seiner wilden Phantasie (inklusive Spekulationen über pikante Szenen im Leben anderer Schriftsteller), überbordendem Humor (nichts ist ihm heilig) und Argwohn gegen…mehr

Andere Kunden interessierten sich auch für
Produktbeschreibung
Seine Liebe zu Büchern entdeckte Alan Bennett früh. Im Gefolge von Dr. Doolittle begann er in der Armley Public Library in Leeds diesem Hobby ausgiebig zu frönen, obwohl seine Mutter Bücher aus der Bibliothek als unhygienisch empfand. Bis heute liest Bennett gerne ausgeliehene Bücher und erfreut sich an hineingekritzelten Kommentaren. Seine eigenen Lektüreeindrücke, akkurat vermerkt in seinen detaillierten Tagebüchern, zeugen von seiner wilden Phantasie (inklusive Spekulationen über pikante Szenen im Leben anderer Schriftsteller), überbordendem Humor (nichts ist ihm heilig) und Argwohn gegen jede Bildungshuberei (manches Sachbuch hält da nicht stand). Während er beispielsweise Puschkin bräsig, Achmatowa banal und Isaiah Berlin langatmig findet oder Saul Bellow »Designerprosa« vorwirft, ist er verzückt von W. G. Sebald, Philip Roth, Ludwig Wittgenstein oder auch hierzulande kaum bekannten Autoren wie Denton Welch und Philip Larkin. Sein unerreichter Held aber ist Franz Kafka, und nichts ist ihm lieber, als sich diesen in Shorts am Gartenzaun in Letchworth vorzustellen, in Begleitung junger Damen, die ihm die Socken hochziehen.
Autorenporträt
Alan Bennett, 1934 in Leeds geboren, wurde bekannt durch seine TV-Comedy-Revue Beyond the Fringe. Er ist einer der populärsten britischen Dramatiker. Neben zahlreichen Theaterstücken und seinen Arbeiten für Fernsehen und Rundfunk schreibt Bennett seit Mitte der neunziger Jahre auch Prosa, unter anderem den Erfolgstitel Die souveräne Leserin. Elf weitere Titel sind bei Wagenbach lieferbar. Allein in Deutschland erreichten seine Bücher Auflagen von über einer halben Million Exemplaren.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 24.06.2020

Kafka in Las Vegas
Der englische Dramatiker Alan Bennett berichtet von seinem Leben als Leser
Schriftsteller sind selten gute Rezensenten, die Lust am Text wird schnell durch Neid und Missgunst gehemmt. Die kürzeste und sogar zutreffende Literaturkritik stammt trotzdem von Arno Schmidt und lautet: „Benn schwätzt.“ Alan Bennett ist etwas ausführlicher. Nach dem Tod des Philosophen Isaiah Berlin notiert er im Tagebuch: „Ich habe nie verstanden, warum er ein so hohes geistiges Ansehen genoss. Sein Schreiben ist geschwätzig und langatmig.“ Dann jedoch sieht er ihn wenige Tage später zum ersten Mal im Fernsehen, wie ihm „die Worte aus dem Mund quellen wie einem aufstoßenden Baby das Essen“, und muss sein Urteil revidieren: „Es wäre wohl unmöglich gewesen, ihn nicht zu mögen.“ Mit Jorge Luis Borges verbindet ihn der Kummer, „nie das vollkommene Buch geschrieben“ zu haben.
Bennett hat vielleicht nicht das vollkommene Buch geschrieben, aber er ist einer der bekanntesten englischen Dramatiker. In dieser Sammlung von Lektürenotizen, Rezensionen und Aufsätzen wird der Leser in intimste Dinge eingeweiht. Einmal habe er in kurzen Hosen und mit bloßem Oberkörper zu schreiben versucht, und ist doch gescheitert. Er nehme an, analysiert sich der Autor selber, dass er das Schreiben „als eine Art Entkleidung betrachte, vielleicht sogar als Striptease, und wenn ich schon ausgezogen anfange, kann ich nirgendwo mehr hin“.
„Der Beruf des Schriftstellers ist kein geselliger“, sagt er und erzählt nebenher seine Lesensgeschichte, die eine eigene Liebeserklärung bildet. Seine Eltern hatten wenig mit Büchern zu tun hatten – der Vater war Metzger –, aber sie glaubten, „dass Bücher ihnen ihre Hemmungen nehmen würden“, ihnen die gesellschaftliche Anerkennung bringen würden, was aber erst dem Sohn gelang.
Für die Mutter waren Bücher Arbeit, sie störten den Blick, im Elternhaus mussten sie verräumt werden. Deshalb, so bemerkt er im Rückblick, habe er unbewusst in seine Drehbücher und Theaterstücke jeweils eine Szene eingebaut, in der jemand vor einer Bücherwand steht. Und deshalb setzte sich Bennett auch für die Erhaltung öffentlicher Büchereien ein. „Für ein Kind in einer Hochhauswohnung, in der Raum Mangelware sowie Ruhe und Frieden nicht leicht zu finden sind, kann eine Bibliothek eine Zuflucht sein.“
„Ich bin aber auch ein kleinlicher Leser“, schimpft er sich nicht ganz ernst, nennt Bruce Chatwin einen Snob und bezeichnet dessen Bücher als Kitsch. Kleinlich ist er, aber manchmal sogar unheimlich genau. Chatwin schreibt, dass er in der Moschee in Isfahan „mit untergeschlagenen Beinen“ sitzt. Bennett könnte das nicht, „weil ich nur fünf Minuten so sitzen könnte, ohne zum Krüppel zu werden. Warum erzählt er uns das?“ Wie genau er als Literaturkritiker sein kann, beweist er mit einer Beobachtung, die er bei W. G. Sebald macht: Es ist dessen Begabung, die Landschaft, die er besucht und beschreibt, sofort zu entvölkern. Immer ist sie menschenleer. „Bei meinen vielen Besuchen“, zitiert er Sebald, „habe ich niemals jemanden angetroffen“ und fügt an: „Tatsache ist, dass bei Sebald niemals jemand anzutreffen ist. Das mag poetisch sein, aber mir kommt es wie eine Abkürzung in Richtung Bedeutsamkeit vor.“ Hilary Mantels Roman „Wölfe“, den ersten Teil der Cromwell-Trilogie, liest er mit Bewunderung, und dann wieder dieses Detail: „Zwar stehen auf Cromwells Schreibtisch Kornblumen, aber dies ist ein Roman über Folter, Tyrannei und Tod.“
Das ist, was sonst, auf die Pointe hingeschrieben. Bennett hat ein berühmtes Stück über die Kafka-Exegese, die Kafka-Nachfolge, die Kafka-Philologie verfasst, „Kafkas Franz“. Es spricht für den von Klaus Wagenbach, der „dienstältesten Kafka-Witwe“, gegründeten Verlag, dass er diese Bemerkungen auch für weniger souveräne Kafka-Leser überliefern kann. Elias Canetti würde Kafka annektieren, tadelt Bennett, „zur Steigerung der eigenen Stringenz“. Er selber möchte Kafka von Kafka befreien und stellt ihn sich als Engländer vor. „Mit seiner fröhlichen Schwermut hätte ein jüdischer Bühnenkomiker aus ihm werden können. Kafka in Las Vegas.“ Kafkas Leben fasst er in eine Anekdote von Henscheidscher Kürze: „Vater: Sohn, du hasst mich. Sohn: Vater, ich liebe dich. Mutter: Widersprich deinem Vater nicht.“
Aus seiner Kafka-Beforschung hat Bennett sogar einen nützlichen Hinweis für die Corona-Krise gewonnen. „Steckte man ihn in eine hübsche, freistehende Villa, hätte er nie ein Wort geschrieben.“ Quarantäne hilft. In neun Monaten kommen vielleicht nicht mehr Babys zur Welt, aber dafür zwei, drei gute Bücher.
WILLI WINKLER
Alan Bennett: Der souveräne Leser. Aus dem Englischen von Ingo Herzke. Berlin: Wagenbach 2020. 144 Seiten, 18 Euro
.
Mit seiner fröhlichen Schwermut
hätte aus Kafka ein jüdischer
Bühnenkomiker werden können
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Gegen das plärrend Grelle in der gegenwärtigen Comedy-Szene empfiehlt Rezensent Stefan Michalzik Alan Bennetts Texte aus den Jahren 1997-2005. Bennetts Stand-up-Stil findet er vergnüglich soigniert und voll "herrlicher Sentenzen", selbst, wenn das Thema ihn mal nicht umhaut. Wie der Autor Autobiografisches mit unkonventionellem literarischem Räsonnenment verknüpft, scheint dem Rezensenten ziemlich einzigartig, auch wenn manch süffisante Beobachtung oder Assoziationskette ihn an den Wiener Peter Altenberg erinnert.

© Perlentaucher Medien GmbH