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Wo kippt Recherche in Obsession? Wann beginnt Kunst toxisch zu werden für ihren »Schöpfer«? Und gibt es Stoffe oder Themen, die sich der literarischen Bewältigung entziehen, weil sie zu giftig sind? Feridun Zaimoglu hat einen virtuosen Künstlerroman geschrieben über jemanden, der sich vornimmt, Adolf Hitler zum Protagonisten seines neuen Buches zu machen.
Zu Beginn scheint es eine normale Vorarbeit zu sein, eine schwierige zwar, aber keine unvertraute. Denn Schreiben bedeutet immer Anverwandlung, eine Nähe zum Material ist absolut notwendig. Was aber, wenn das Material sich nicht bewältigen
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Produktbeschreibung
Wo kippt Recherche in Obsession? Wann beginnt Kunst toxisch zu werden für ihren »Schöpfer«? Und gibt es Stoffe oder Themen, die sich der literarischen Bewältigung entziehen, weil sie zu giftig sind? Feridun Zaimoglu hat einen virtuosen Künstlerroman geschrieben über jemanden, der sich vornimmt, Adolf Hitler zum Protagonisten seines neuen Buches zu machen.

Zu Beginn scheint es eine normale Vorarbeit zu sein, eine schwierige zwar, aber keine unvertraute. Denn Schreiben bedeutet immer Anverwandlung, eine Nähe zum Material ist absolut notwendig. Was aber, wenn das Material sich nicht bewältigen lässt und beginnt, ein zerstörerisches Eigenleben zu führen? Die Recherchereise des Autors an »Schauplätze« Hitlers, führt ihn immer tiefer hinein in die Gedankenwelt seines Protagonisten. Die Bayreuther Festspiele, München, Obersalzberg: ein surrealer Fiebertraum.

Doch es ist auch eine Reise zurück in der Zeit, in seine Jugend in die Stadt Dachau Mitte der 1980er, wo er zur Schule ging nicht weit von der Stelle, wo die Nationalsozialisten 1933 das erste KZ errichteten. In Kiel, an seiner Schreibmaschine, versucht er seine Figur literarisch zu entfesseln und zugleich zu bannen. Und verliert Schritt für Schritt die Kontrolle über sein Projekt und mehr und mehr auch sich selbst.
Autorenporträt
Feridun Zaimoglu, geboren 1964 im anatolischen Bolu, lebt seit seinem sechsten Lebensmonat in Deutschland. Er studierte Kunst und Humanmedizin in Kiel und schreibt für Die Welt, die Frankfurter Rundschau, Die Zeit und die FAZ. 2002 erhielt er den Hebbel-Preis, 2003 den Preis der Jury beim Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt und 2005 den Adelbert-von-Chamisso-Preis. Im Jahr 2005 war er Stipendiat der Villa Massimo in Rom. Zahlreiche weitere Preise folgten, u. a. der Grimmelshausen-Preis (2007), der Corine-Preis (2008), der Jakob-Wassermann-Literaturpreis (2010) sowie der Preis der Literaturhäuser (2012). 2016 erhielt er den Berliner Literaturpreis sowie die Ehrenprofessur des Landes Schleswig-Holstein. Nach 'Leyla', 'Liebesbrand', 'Siebentürmeviertel' und 'Evangelio' erschien zuletzt sein Roman 'Die Geschichte der Frau' (nominiert für den Preis der Leipziger Buchmesse 2019).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensentin Melanie Mühl verschlägt es fast die Sprache ob der "Hitlerwerdung" des nur "Autor" genannten Ich-Erzählers in diesem Roman. Der ist ein deutscher Schriftsteller mit türkischen Wurzeln und ging in den 80er Jahren in Dachau zur Schule - wie Zaimoglu auch, erzählt Mühl. Angetrieben wird der "Autor" von der Idee herauszufinden, warum Hitler die Juden so hasste. Dafür geht er an die Orte, wo Hitler wohnte und die Krematorien, wo er versucht, mit Hitler zu verschmelzen. Wozu genau das gut sein soll, erfahren wir nicht, aber es ist ein "wichtiges Buch" versichert uns die atemlos referierende Rezensentin.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.10.2022

Hitler, das Menschschwein

Faschismus ist nicht gemütlich, und so ist es auch kein gemütliches Buch geworden: Feridun Zaimoglus Roman "Bewältigung".

Von Melanie Mühl

Dieser verdammte erste Satz. Er setzt den Ton, zieht den Leser in die Geschichte oder vergällt ihm die Lust daran. Viele erste Sätze dümpeln auch nur lustlos vor sich hin und geraten sofort wieder in Vergessenheit. Der namenlose Protagonist in Feridun Zaimoglus Roman "Bewältigung", ein deutscher Schriftsteller mit türkischen Wurzeln (!), weiß um die Macht dieses ersten Satzes. In seinem Fall - schließlich geht es um Hitler, das "Menschenschwein" - wiegt er besonders schwer. Und "der Autor", wie Zaimoglu den in den Wahnsinn Abdriftenden nennt, hadert, er rauft sich die Haare, flucht, jammert, grübelt und leidet schrecklich angesichts der Monstrosität, mit der ihn seine Recherche konfrontiert. Die dunkelsten Jahre deutscher Geschichte, die Gegenwart bleiben, betrachtet man nicht wie ein Forscher, der "Insekten tötet, trocknet und aufspießt." Es geht dem Autor, der ein Porträtfoto des "Männchens mit Bärtchen" in seiner Geldbörse hat, um die Jahre des Aufstiegs, um Hitlers Münchner Zeit bis zum Putsch und zu der Niederschrift von "Mein Kampf".

Zaimoglu hat in einem Interview gesagt, der Nationalsozialismus und die Schoa seien für ihn täglich gegenwärtig: in der Leere, in den Lücken, in der millionenfachen Abwesenheit von Menschen, die ermordet worden sind. Dafür habe er als Schriftsteller zunächst keine Worte gefunden, doch je mehr er sich mit diesem Teil der deutschen Geschichte befasst habe, desto mehr sei sie zu seiner Geschichte geworden. Hitlers Antisemitismus, sein Judenhass sind für Zaimoglu keine Reaktion auf die Wut des Versailler Friedensvertrags, sondern viel tiefer in Hitlers Biographie verankert. "Bewältigung" ist Zaimoglus Versuch einer "Faschismusstudie mit literarischen Mitteln".

Seine traurige Aktualität verdankt dieses Buch nicht nur der Documenta in Kassel, die dem Judenhass unter den Augen der Weltöffentlichkeit eine Bühne geboten und sie ihm nur widerwillig und halbherzig wieder entzogen hat. Kürzlich stellte die Berliner Amadeu Antonio Stiftung das "Lagebild Antisemitismus" vor. Der Stiftungsvorstand Tahera Ameer kommentierte es mit den Worten: "Antisemitismus ist in Deutschland ein Renner und Brückenschlag über alle Klassen und Milieus hinweg." In Hannover wurde kürzlich die Scheibe einer Synagoge während des Gottesdienstes am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur eingeworfen, was alles andere als eine Lappalie ist und Erinnerungen an den 2019 verübten antisemitischen Anschlag auf eine Synagoge in Halle wachruft.

Seinen "Autor" lässt Zaimoglu historische Orte besuchen und Hitler, diesem "Zersetzungsapparat", nachspüren: Er besucht den Obersalzberg, die Villa Wahnfried in Bayreuth, wo Hitler zu Gast gewesen ist, sucht dessen Münchener Lieblingsorte aus und die Gedenkstätte des Konzentrationslagers Dachau. Die Hitlerwerdung des Autors ist in vollem Gange, auch wenn sich dieser mit aller Kraft gegen die gleichzeitig gesuchte Verschmelzung wehrt, was bisweilen zu grotesken Aktionen führt.

Einmal entdeckt der Autor auf dem Flur eines Gästehauses, in dem er übernachtet, eine tote Hornisse, die er in eine Zündholzschachtel legt und am Ufer eines nahegelegenen Flusses bestattet. Allerdings lindert die gute Tat seine Qualen nicht. Der Hitlersumpf zieht ihn in die Tiefe. "Der Autor kann nicht glauben, dass ein niederträchtiger Mann wie Hitler den Judenhass nur zu Propagandazwecken benutzt hat. Also muss er Bilder der Niedertracht des Mannes Hitler finden. Der Autor fühlt sich wie ein schmutziges Schwein, wenn er das Kind am Plüschtierautomaten mit Hintersinn betrachtet. Er macht aus dem Kind einen Judenjungen, um ihn von Hitler in dieser Weise anschauen zu lassen. Für einen kurzen Augenblick ist er versucht, auf die andere Straßenseite zu gehen und sich bei dem Kind zu entschuldigen für diesen Blick. Er hastet mit eingezogenem, brennenden Kopf weiter." Wiederholt wechselt der Autor in die Ich-Perspektive, um mit Hitler zu verschmelzen. Die darauffolgende Selbstkasteiung - der Autor malträtiert sein Lippenbändchen und ritzt sich eine Häftlingsnummer in den Unterarm - ist der Versuch zu büßen.

Zu den stärksten Passagen des Romans gehören die Dachau-Szenen, wo der Autor (und Zaimoglu selbst) in den Achtzigerjahren zur Schule gegangen ist, wohin er nun nach mehr als vierzig Jahren als ein mit Erinnerungen beladener Rechercheur zurückkehrt und wo man über den Holocaust gern in der "Vorvergangenheit" spricht. Nur ein Junge sprach damals mit ihm, dem Außenseiter. Er hieß Eberhard, ein Nazi durch und durch. Der einzige Ort, an dem der Autor allein sein und sich sicher fühlen konnte, ist das ehemalige Konzentrationslager gewesen. Jetzt ist er wieder hier, inmitten des Horrors, der ohne Millionen von Mitläufern, Profiteuren, Opportunisten, Verehrern, Zuschauern und Kaltherzigen unmöglich gewesen wäre. Er tritt in das erste, in das zweite Krematorium. Still steht der Autor da. "Er hat sich lesend ein großes Unglück eingesogen. Nackte, tote Menschen im Ofen, ein Dicker unten, das ist der Fettteig, die Klapprigen darauf, das brennt dann besser ab, die Menschenmasse brennt ab und die Überreste werden zu Aschemehl zerstoßen."

Manche Szenen in diesem im Stakkatostil verfassten Buch sind schwer zu ertragen, aber auch daraus zieht das Geschriebene seine Kraft. "Es gibt keinen gemütlichen Faschismus, und es gibt keinen gemütlichen Faschisten" hat Zaimoglu in einem Interview gesagt - und hinzugefügt: "Ich habe nie an dieses Märchen von der Unmöglichkeit der Wiederholung geglaubt."

Das Etikett "wichtiges Buch" ist inzwischen leider zur Floskel geworden. Im Falle von Zaimoglus Roman "Bewältigung" aber treffen die beiden Worte ins Schwarze.

Feridun Zaimoglu: "Bewältigung". Roman.

Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2022.

272 S., geb., 24,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Zaimoglu ist ein heftiger, aufwühlender, unter die Haut gehender Roman gelungen« Ö1 Ex libris 20221127