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Die Politik der Türkei unter Erdogan und der AKP: Nach dem Putsch im Juli 2016 ließ Recep Tayyip Erdogan in der Türkei Tausende Menschen verhaften; regimekritische Medien wurden mundtot gemacht, und die Meinungsfreiheit wurde suspendiert. "Warum haben Menschenrechte, Demokratie und Meinungsfreiheit in der Türkei keine Chance?", fragt Yavuz Baydar, ein im Exil lebender türkischer Journalist in seinem politischen Sachbuch. Um die Jahrtausendwende hatte die Hoffnung gekeimt, die Türkei sei auf dem Weg nach Europa. Das Land war nicht nur wirtschaftlich erstarkt; auch ein westlicher Lebensstil fand…mehr

Produktbeschreibung
Die Politik der Türkei unter Erdogan und der AKP: Nach dem Putsch im Juli 2016 ließ Recep Tayyip Erdogan in der Türkei Tausende Menschen verhaften; regimekritische Medien wurden mundtot gemacht, und die Meinungsfreiheit wurde suspendiert. "Warum haben Menschenrechte, Demokratie und Meinungsfreiheit in der Türkei keine Chance?", fragt Yavuz Baydar, ein im Exil lebender türkischer Journalist in seinem politischen Sachbuch.
Um die Jahrtausendwende hatte die Hoffnung gekeimt, die Türkei sei auf dem Weg nach Europa. Das Land war nicht nur wirtschaftlich erstarkt; auch ein westlicher Lebensstil fand immer mehr Anhänger. Doch der Aufstieg des Recep Tayyip Erdogan vom Oberbürgermeister Istanbuls zum AKP-Vorsitzenden und Präsidenten machte dies zunichte und führte in die Diktatur.
Yavuz Baydar, einer der führenden Journalisten der Türkei, beschreibt die Entwicklungen in der Türkei zwischen den Militär-Putschen von 1980 und 2016. So wird verständlich, warum Nationalismus und dieautokratische Herrschaft à la Erdogan und seiner AKP eine größere Anziehungskraft haben als Demokratie, Menschenrechte und Meinungsfreiheit.
Yavuz Baydar ist ein profilierter Kritiker der Politik von Recep Tayyip Erdogan und der AKP. Geboren 1956 in Istanbul, ging nach dem Putsch 1980 ins Exil. 1994 kehrte er in die Türkei zurück und war dort als Journalist tätig. 2016 emigrierte er 30 Stunden nach dem Putsch erneut, um seiner Verhaftung zu entgehen.

"Die Türkei steuert auf ein Gestapo-Regime zu."
Can Dündar, ehem. Chefredakteur von Cumhuriyet

Autorenporträt
Yavuz Baydar ist Journalist und ein profilierter Kritiker der Politik Erdogans. Geboren 1956 in Istanbul, emigrierte er nach dem Militärputsch 1980 und arbeitete u. a. für BBC World Service. 1994 kehrte er in die Türkei zurück und war dort als Zeitungsjournalist und Chefredakteur eines Radiosenders tätig. 2016 emigrierte er 30 Stunden nach dem Putsch, um seiner Verhaftung zu entgehen. In Deutschland ist Yavuz Baydar mit der "Türkischen Chronik" bekannt geworden, die er für die Süddeutsche Zeitung schreibt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.09.2018

Ein Staatsstreich in Zeitlupe

Wie sein Land vom richtigen Weg abkam: Der Journalist Yavuz Baydar ist schon zweimal ins Exil gegangen, um sein Leben zu retten. Die Hoffnung auf eine demokratische Türkei hat er verloren.

Zweimal musste Yavuz Baydar seine Heimat verlassen, um einer drohenden Verfolgung aus politischen Gründen zu entgehen. Am Tag nach dem gescheiterten Putsch vom 15. Juli 2016 fuhr Baydar, einer der bekanntesten türkischen Journalisten, mit dem Auto nach Griechenland in die Freiheit; 1976 hatte ein Nachtzug den linken Studenten über Bulgarien und Deutschland nach Schweden gebracht. Das erste Mal blieb Baydar vierzehn Jahre im Exil; das zweite Mal macht er sich keine Illusionen, dass es ein Exil auf Dauer sein wird.

Das Thema von Baydars Buch, das sprachlich und inhaltlich aus den aktuellen Publikationen über die Türkei herausragt, ist die Geschichte des Landes zwischen diesen persönlichen Eckdaten 1976 und 2016. Der 1956 geborene Baydar zeichnet die vier Jahrzehnte anhand seiner Biographie nach. Das Buch lebt von der Verknüpfung von Baydars Einsatz für einen integren Journalismus und eine bessere Türkei in der Auseinandersetzung mit einem autoritären Staat, in dem die zivile Politik aufgrund mittelmäßiger Politiker immer versagt hat.

Der Autor legt eine bewegende Schilderung vor, wie er und seine Generation türkischer Intellektueller die vergangenen Jahrzehnte erfahren haben: Wie sie Hoffnung geschöpft haben unter dem Reformer Turgut Özal und zwei Jahrzehnte später wieder in den ersten Jahren der Ära Erdogan, wie die Hoffnungen auf eine Demokratisierung und eine Reform des türkischen Staates immer wieder zerschellt sind.

Als im Sommer 2016 viele seiner Kollegen verhaftet wurden, sah sich Baydar noch einmal in seiner Istanbuler Wohnung um, und ging. Denn: "Als kritischer Journalist war man nicht nur ein Nestbeschmutzer, sondern außerdem ein Krimineller - ein Terrorist, ein Spion, ein Feind des Volkes." Vierzig Jahre zuvor war er in Ankara auf dem Weg zu einer Kundgebung verhaftet worden, verurteilt wurde er wegen des "versuchten Sturzes der staatlichen Ordnung". Bevor er die Haftstrafe antrat, konnte er fliehen. Seine prägenden Jahre erlebte er in Stockholm. Es sei ein "gigantischer Lernprozess" gewesen, schreibt er.

Baydar verbrachte viel Zeit in Bibliotheken und in Diskussionsrunden. Dabei wurde ihm die Sprengkraft der in der Türkei tabuisierten kurdischen Frage bewusst, und er hörte zum ersten Mal das Wort vom armenischen Genozid. "Je mehr ich erfuhr, desto größer wurde mein Entsetzen. Wie war es möglich, das ich von alledem nichts gewusst habe?" Er studierte Kybernetik und Journalismus, wurde Redakteur für das türkische Programm des schwedischen Rundfunks, für den er über den Putsch von 1980 berichtet, der wie ein Tornado alles zertrümmerte, was sich ihm in den Weg stellte.

Aus der Ferne begriff Baydar, dass die Machthaber der Türkei Medien niemals unbehelligt ihre eigentliche Arbeit machen lassen würden. In seinem verkürzten Wehrdienst erlebte er 1990 eine Armee, die auf "beunruhigende Art und Weise verrottet war". Da hatte der Reformer Özal seit 1983 eine Dynamik freigesetzt, die die Türkei zunächst zu einem Land der unbegrenzten Möglichkeiten gemacht habe. Özals Tod 1993 läutete aber ein verlorenes Jahrzehnt ein.

Für den Rückkehrer erwies sich als noch schlimmer, dass die türkischen Geschäftsleute, die in Medien investierten, nicht das Rückgrat des westlichen Bürgertums haben und dass ihnen jedes Gespür für ihre gesellschaftliche Rolle fehlt. Medien seien für sie nur Werkzeug der Macht. Entweder wurden die Medien, für die Baydar nun arbeitete, eingestellt, oder er wurde wegen seiner unbeugsamen Haltung entlassen. Den türkischen Medien wirft Baydar vor, die Öffentlichkeit immer gezielt hinters Licht geführt zu haben. Sie waren Teil des Systems, das mit dem Fast-Staatsbankrott 2001 implodierte.

Wie viele andere Intellektuelle begrüßte zunächst auch Baydar die 2001 gegründete AKP Erdogans. Er bezeichnet sie als "die mit Abstand erfrischendste politische Bewegung, die von der ansonsten roboterhaft anmutenden politischen Kultur der Türkei jemals hervorgebracht worden war". Die AKP war damals auf die Gülen-Bewegung angewiesen, um ein Gleichgewicht mit dem alten Establishment herzustellen. Baydar braucht fünf lange Seiten, um allein die Stichworte für die Reformen der Jahre 2003 bis 2011 zu nennen.

Um die Jahreswende 2006/2007 kippte die Entwicklung. Die Verleihung des Nobelpreises für Literatur an Orhan Pamuk feiert Baydar noch als den "krönenden Moment für eine Türkei auf dem richtigen Weg in Richtung Demokratie". Als im Januar 2007 der türkisch-armenische Intellektuelle Hrant Dink von Leuten des Sicherheitsapparats ermordet wurde, habe die Talfahrt eingesetzt. Im selben Jahr folgten eine Putsch-Drohung des Militärs und ein nur knapp gescheiterter Versuch des alten Establishments, die AKP zu verbieten. Die Talfahrt gewann nun an Schwung. Erdogan wurde autoritärer und betrieb eine unberechenbare Politik "nach der Spielart des Armdrückens".

Er trat noch selbstherrlicher auf, seine Rhetorik wurde noch wagemutiger. Von 2011 an habe es keine Möglichkeit mehr gegeben, Erdogans Aufstieg zur absoluten Macht aufzuhalten, schreibt Baydar. Grundrechte wurden missachtet, Kontrollmechanismen außer Kraft gesetzt. Politik wurde ein Machtspiel, das sich auf das Schüren von Ängsten und Paranoia reduzierte. Als das Jahr 2015 zu Ende ging, notierte Baydar frustriert: "Es war vorbei." Der Prozess sei über die Jahre so schleichend und zeitlupenhaft verlaufen, dass nur wenige Leute diesen "sich ständig weiterentwickelnden Staatsstreich" erkannt hätten. Im Frühjahr 2016 machten in Ankara Putschgerüchte die Runde. Aufgrund von Indizien ist Baydar überzeugt, dass Erdogan über die Vorbereitungen für den letztlich gescheiterten Putschversuch Bescheid gewusst habe. Der habe ihm dann den Weg für den letzten Schritt geebnet: für die Übernahme der Alleinherrschaft.

Nach einem jahrzehntelangen Kampf für eine bessere Türkei ist Baydar heute desillusioniert. Das Gefühl des "Besiegtseins" überwältige alles andere, notiert er. Dabei habe die Türkei alle Voraussetzungen für eine glänzende Zukunft. "Aber diese Zukunft kam nie."

RAINER HERMANN

Yavuz Baydar: "Die Hoffnung stirbt am

Bosporus". Wie die Türkei Freiheit und Demokratie verspielt.

Aus dem Türkischen von Werner Roller. Droemer Verlag, München, 2018, 256 S., br., 19,99 [Euro].

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"Der Autor legt eine bewegende Schilderung vor, wie er und seine Generation türkischer Intellektueller die vergangenen Jahre erfahren haben: Wie sie Hoffnung geschöpft haben unter dem Reformer Turgut Özal und zwei Jahrzehnte später wieder in den ersten Jahren der Ära Erdogan, wie die Hoffnungen auf eine Demokratisierung und eine Reform des türkischen Staates immer wieder zerschellt sind." Frankfurter Allgemeine Zeitung 20180909