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Österreich hatte keine Berührungsängste gegenüber Diktatoren, unterstützte sie auf dem internationalen Parkett und pflegte - teilweise heimlich - gute Beziehungen zu umstrittenen Regimen. Nicht nur deshalb sorgten die Beziehungen zu Spanien, Portugal und Griechenland für Diskussionen. Im Umgang mit den drei Diktaturen Südeuropas nach 1945 offenbart sich ein ambivalentes Verhältnis mit der eigenen Geschichte. Woher kam die natürliche Nähe zu den iberischen Diktatoren, und was hat die eigene faschistische Vergangenheit damit zu tun? Wieso wurde Griechenlands Militär-Diktatur im Gegensatz dazu…mehr

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Produktbeschreibung
Österreich hatte keine Berührungsängste gegenüber Diktatoren, unterstützte sie auf dem internationalen Parkett und pflegte - teilweise heimlich - gute Beziehungen zu umstrittenen Regimen. Nicht nur deshalb sorgten die Beziehungen zu Spanien, Portugal und Griechenland für Diskussionen. Im Umgang mit den drei Diktaturen Südeuropas nach 1945 offenbart sich ein ambivalentes Verhältnis mit der eigenen Geschichte. Woher kam die natürliche Nähe zu den iberischen Diktatoren, und was hat die eigene faschistische Vergangenheit damit zu tun? Wieso wurde Griechenlands Militär-Diktatur im Gegensatz dazu offen kritisiert? Drei Autoren werfen einen neuen Blick auf die politisch-diplomatischen Beziehungen der Zweiten Republik. Die Beiträge bringen Neues, teilweise Überraschendes und bieten Ausgangspunkte für weitere Forschungen.
Autorenporträt
Dr. Stefan Müller studierte in Graz, Madrid und Wien. Arbeitsschwerpunkte europäische Zeitgeschichte und internationale Beziehungen. Seit 2006 freier Historiker, Autor und Journalist. Redakteur für die Österreich-Seiten der ZEIT

Adamantios Th. Skordos ist wissenschaftlicher Referent des Direktors des Leibniz-Instituts für Geschichte und Kultur des östlichen Europa (GWZO) in Leipzig.

David Schriffl ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Neuzeit- und Zeitgeschichtsforschung der österreichischen Akademie der Wissenschaften. Forschungsschwerpunkte sind die österreichisch-slowakischen Beziehungen, Österreich und Portugal in Beziehung und Vergleich sowie die Geschichte Mittel- und Ostmitteleuropas.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.04.2016

Der Caudillo hat noch Platz im Palast
Österreichs Verhältnis zu Diktaturen nach 1945: Spanien, Griechenland, Portugal

Am 30. Juni 1955 traf der spanische Diplomat Carlos Manzanares in Wien ein. Madrid hatte ihn mit der Vorbereitung der diplomatischen Beziehungen zwischen Spanien und Österreich betraut. Am 14. Juli schrieb er an Außenminister Álvarez: "Ich habe Wien sehr abgestorben gefunden. Man lebt hier immer noch vom Glanz der Monarchie, aber das ist nicht mehr möglich. Jetzt denken sie an die Einheit Europas, ich weiß nicht, ob als Korrektur ihrer Nostalgie gegenüber der alten österreichisch-ungarischen Konföderation oder aus der Erkenntnis ihrer Insuffizienz heraus. Es ist ein Unglück, dass das Erbe einer großen politischen Tradition nicht irgendeine passende Form gefunden hat, in der es sich definitiv hätte festigen können."

Von Begeisterung keine Spur. Dabei war es gerade Spanien gewesen, das sich seit Kriegsende um Österreich bemüht hatte. Das Spanien Francos war von 1945 bis zum Koreakrieg 1950 ein international vollkommen geächteter und isolierter Staat. Die Vereinten Nationen hatten das Land 1946 gar als Bedrohung für den Weltfrieden bezeichnet. Diktator Franco tat alles, um diese Isolierung zu durchbrechen. Als die Unterrichtsminister der freien europäischen Länder im Oktober 1945 ihre Teilnehmer aufforderten, Kinder aus zerstörten Gebieten zur Erholung aufzunehmen, bot Spanien gleich Platz für 50 000 Kinder an. Bis auf Deutschland und Österreich lehnten alle Staaten ab. 1949 rollte der erste österreichische Transport. Franco nahm drei Mädchen im El-Pardo-Palast auf: Propaganda pur.

Stefan A. Müller zeigt, dass sich die österreichischen Nachkriegsregierungen Spanien gegenüber in einer unreflektierten Freundschaft verbunden fühlten - "aus einer historisch begründeten Nähe heraus, die sich vor allem aus katholisch-konservativen und antikommunistischen Impulsen speiste". International half Österreich etwa Spanien bei dessen Beitritt zur Unesco 1952. Die diplomatischen Beziehungen waren bis zum Staatsvertrag 1955 nicht möglich: Das Njet der Sowjets im Alliierten Rat hatte das verhindert. Aber auch danach war es schwierig: Die Sozialisten in Wien sträubten sich. Erst im Tausch gegen die Freilassung eines ehemaligen kommunistischen Funktionärs, der in Spanien inhaftiert war, stimmten sie Ende 1955 zu.

In den Jahren danach blieb die Stimmung in Österreich gegenüber Spanien ambivalent. Nach Studentenunruhen verhängte das Regime 1969 den Ausnahmezustand. 1975 starb Franco. Zu dessen designiertem Nachfolger Juan Carlos unterhielt Bundeskanzler Bruno Kreisky einen besonders guten Draht, obwohl es anfangs von Carlos hieß, von ihm sei keine Änderung zu erwarten, da er Franco geschworen habe, das System zu verteidigen. Aber diese Beziehung trug mit zum friedlichen Übergang zur Demokratie bei, auch wenn Müller völlig richtig klarstellt, dass es "in den Schicksalsjahren Spaniens, als Europa den Atem anhielt, in erster Linie auf die Haltung der USA, Deutschlands und Frankreichs ankam". Mit österreichischer Hilfe trat Spanien 1977 dem Europarat bei. Im Februar 1978 stattete der König dann Österreich einen Staatsbesuch ab: "Am Opernball sang Plácido Domingo, und das Königspaar wagte ein paar Tanzschritte", so Müller.

David Schriffl untersucht die Beziehungen Österreichs zur zweiten Diktatur auf der Iberischen Halbinsel: Portugal. Ansatz für friedliche - letztlich rein pragmatische - Beziehungen war wie im Falle Spaniens auch hier zunächst die Kinderhilfsaktion: Bis 1956 wurden 5402 Kinder zur Erholung nach Portugal geschickt. Anders als im Fall Spaniens konnten 1953 diplomatische Beziehungen wiederaufgenommen werden. Die vor allem wirtschaftlichen Beziehungen verstärkten sich mit Gründung der kleinen Freihandelszone EFTA Anfang 1960.

In der UNO wurde die Frage der portugiesischen Kolonien ein Thema. Als es um deren Selbstbestimmungsrecht ging, stimmte Österreich zwar dafür, lehnte aber Sanktionen gegen Portugal ab. Es wurde dennoch scharf kritisiert. Der portugiesische Außenminister warf dem österreichischen Botschafter nur drei Stunden nach dessen Ernennung vor, dass die negative Haltung Österreichs Portugal gegenüber völlig unverständlich sei: "Sind wirklich Ghana, Guinea und alle diese neuen afrikanischen Staaten Ihre besseren Freunde als Portugal? Haben Sie intimere Beziehungen geschichtlicher, kultureller und wirtschaftlicher Natur mit diesen schwarzen Staaten als mit einem seit Jahrhunderten in vielen Beziehungen mit Österreich verbundenen Portugal? Weiß Ihre Regierung denn tatsächlich, was in Angola vorgeht?"Österreich blieb bei seiner Haltung bis zum Putsch der Generäle, der 1974 die Diktatur Salazars beendete. Auch da reagierte Österreich sehr pragmatisch. Auf die Frage der Botschaft in Lissabon nach Anerkennung der Junta kam die Antwort, nach österreichischer Praxis würden nur Staaten, nicht aber Regierungen anerkannt, so dass keine solche notwendig sei.

Im dritten Beitrag dieses Bandes untersucht Adamantios T. Skordos das Verhältnis Österreichs zur griechischen Junta 1967 bis 1974. Sein Ergebnis ist wenig überraschend: Es war pragmatisch "korrekt", aber von "Reserviertheit" gekennzeichnet. Wien betrieb eine Politik des "einerseits - andererseits": Einerseits versuchte die ÖVP-Alleinregierung unter Bundeskanzler Josef Klaus den Austritt Griechenlands aus dem Europarat wegen gravierender Menschenrechtsverletzungen zu verhindern, andererseits gab es keine diplomatischen Besuche mehr; Exil-Griechen konnten sogar in Österreich aktiv sein. Einerseits setzte sich die SPÖ für politische Gefangene ein, andererseits kam es unter Bundeskanzler Kreisky zu einer Zunahme der Wirtschaftsbeziehungen und sogar zum ersten offiziellen Besuch eines Junta-Ministers in Österreich.

Fazit: Alle drei Autoren legen aus den Akten gearbeitete faszinierende Studien über ein weitgehend unbekanntes Kapitel österreichischer Nachkriegsgeschichte vor. Sie erlauben einen Einblick in einen Aspekt österreichischer Außenpolitik, der zwar nicht für die Welt, aber für Österreich von nicht unerheblicher Bedeutung war. Die Erkenntnis für ein kleines Land wie Österreich lautet denn auch: Es ist immer gut, Freunde zu haben, auch wenn es nur "heimliche" sind.

ROLF STEININGER

Stefan A. Müller/David Schriffl/Adamantios T. Skordos: Heimliche Freunde. Die Beziehungen Österreichs zu den Diktaturen Südeuropas nach 1945: Spanien, Portugal, Griechenland. Böhlau Verlag, Wien 2016. 331 S., 40,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Leicht widersprüchlich, nämlich als zugleich faszinierend und wenig überraschend liest der emeritierte Zeithistoriker Rolf Steininger die in diesem Band versammelten Studien über die österreichischen Beziehungen zu den Mittelmeerdiktaturen nach dem Krieg. Ausführlich geht er besonders auf Stefan A. Müllers Beitrag zu Österreich und Spanien ein - ein zwiespältiges Verhältnis, getragen vom Wunsch nach Anerkennung beider Seiten einerseits und der Rücksicht Österreichs auf Menschenrechtsfragen andererseits. Wenig anders verhält es sich mit Portugal und Griechenland. "Es ist immer gut, Freunde zu haben, auch wenn es nur 'heimliche' sind", lautet Steinigners zweifelhaftes Resümee.

© Perlentaucher Medien GmbH