Marktplatzangebote
4 Angebote ab € 8,90 €
  • Gebundenes Buch

Das bewegte Leben einer Künstlerpersönlichkeit, in dem sich die wechselvolle europäische Geschichte des 20. Jahrhunderts spiegelt wie in kaum einem zweiten.Gisèle van Waterschoot van der Gracht (1912-2013), Tochter einer österreichischen Baronesse und eines Amsterdamer Patriziers, verbrachte ihre Schulzeit in katholischen Internaten in den USA und ihre Ferien auf einem Schloss in Österreich. Diese Jugend bildete nicht nur das Sprungbrett für eine vielseitige künstlerische Laufbahn, sondern auch für ein Leben voller ungewöhnlicher Freundschaften, etwa zu Max Beckmann oder Aldous Huxley. Sie…mehr

Produktbeschreibung
Das bewegte Leben einer Künstlerpersönlichkeit, in dem sich die wechselvolle europäische Geschichte des 20. Jahrhunderts spiegelt wie in kaum einem zweiten.Gisèle van Waterschoot van der Gracht (1912-2013), Tochter einer österreichischen Baronesse und eines Amsterdamer Patriziers, verbrachte ihre Schulzeit in katholischen Internaten in den USA und ihre Ferien auf einem Schloss in Österreich. Diese Jugend bildete nicht nur das Sprungbrett für eine vielseitige künstlerische Laufbahn, sondern auch für ein Leben voller ungewöhnlicher Freundschaften, etwa zu Max Beckmann oder Aldous Huxley. Sie heiratete den ehemaligen Amsterdamer Bürgermeister Arnold d`Ailly und fühlte sich magisch angezogen von dem mysteriösen deutschen Dichter und Stefan-George-Jünger Wolfgang Frommel, der einen Kreis junger »Freunde« um sich scharte, dem Gisèle während der deutschen Besatzung in ihrer Wohnung in der Herengracht 401 in Amsterdam Schutz bot. Nach dem Krieg entstand daraus das »Castrum Peregrini«, ein exklusives, geheimnisumwobenes Verlagshaus und zugleich eine Lebensgemeinschaft.Gisèle präsentierte ihr Leben gern als eine Art Märchen, doch wie sah die Wirklichkeit hinter der Fassade aus? Und in welchem Verhältnis stand diese unkonventionelle Malerin zu der frauenfeindlichen Gemeinschaft, die das Castrum Peregrini seinerzeit war? Mit großer Präzision rekonstruiert Annet Mooij ein bewegtes und faszinierendes europäisches Leben.
Autorenporträt
Annet Mooij, geb. 1961 hat sich mit den unterschiedlichsten historischen Themen beschäftigt, bevor sie sich verstärkt der biographischen Forschung zuwandte.Ihre Künstlerbiographie »Das Jahrhundert der Gisèle« war ein großer Erfolg in den Niederlanden und wurde für verschiedene Preise nominiert. Annet Mooij lebt und arbeitet in Amsterdam.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Wolfgang Matz hält die Zeit für überreif für Annet Mooijs Biografie der doppelgesichtigen Malerin Gisèle d'Ailly van Waterschoot van der Gracht. Nicht zuletzt gelingt der Autorin damit die wichtige Ergänzung von Ulrich Raulffs Buch über den George-Kreis, meint Matz. Indem Mooij Giseles Verstrickung in den Männerbund Castrum Peregrini untersucht, gelingt laut Matz unter anderem die Überführung von Giseles Schützling Wolfgang Frommel als Betrüger, der seine Schüler auch sexuell unterwarf. Gisele selbst, die den Bund zwar aushielt, aber als Frau selbst ausgeschlossen blieb, so erklärt, Matz, erscheine bei Mooij als schillernde, mutige Gestalt, die in ihrer Amsterdamer Wohnung nicht nur Frommel und seinem Kreis, sondern auch verfolgten Juden Unterschlupf gewährte. Eine Ideologie- und Sektengeschichte und ein veritabler Krimi, findet der Rezensent.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.01.2021

Eine Frau im Männerbund

Die Hausherrin an der Herengracht: Annet Mooijs vorzügliche Biographie Gisèle van Waterschoots wirft Licht auf die Gemeinschaft des "Castrum Peregrini".

Hundert Jahre alt wurde Gisèle d'Ailly van Waterschoot van der Gracht. So steht ihr vollständiger Name im Impressum der Zeitschrift "Castrum Peregrini", deren Schirmherrin sie war. Von diesen hundert Jahren waren es jedoch nur sehr wenige, die Gisèle van Waterschoot, so der praktische Alltagsname, ihren Platz in der Literaturgeschichte einbrachten, den Ehrentitel einer Gerechten unter den Völkern in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem und schließlich auch eine eigene Biographie von mehr als vierhundert Seiten.

In den Jahren von 1941 bis 1945 wurde die junge, 1912 geborene Malerin, die ein bewegtes, nicht allzu zielgerichtetes Leben geführt hatte, zu einer entschlossenen Person, die mit Organisationstalent, Engagement und großem Mut in ihrer Amsterdamer Wohnung mehrere jüdische Männer versteckte und ihnen damit das Leben rettete. Diese Wohnung in der Herengracht 401, später das ganze Haus, verwandelte sie nach der Befreiung in die freiwillige Gemeinschaft des Castrum Peregrini, über Jahrzehnte Heimstätte für Poesie und Kunst und die gleichnamige, exklusive Zeitschrift.

Dies ist die Geschichte, wie man sie kennt und wie sie in ihrem Kern noch immer wahr ist und den bleibenden Ruhm der Gisèle van Waterschoot ausmacht. Es ist jedoch eine sehr kurzgefasste Geschichte, die in späteren Nacherzählungen mehr und mehr zum Mythos erstarrte, und die Protagonistin ging dabei entschlossen voran. Erzählt jetzt Annet Mooij die gleiche Geschichte in ihrer gründlich erforschten Version, ändert sich sehr vieles: Wer wurde dort eigentlich versteckt in der Herengracht? Wie viele Menschen waren es? Und von wem? An Gisèle van Waterschoots mutiger Lebensentscheidung, sich gegen den Terror auf die Seite der Menschlichkeit zu stellen, ändert das nichts; und dennoch lohnt es, die ausführliche Geschichte zu erzählen, mit all ihren alltäglichen, recht handfesten Details diesseits der großen heroischen Momente.

Gisèles Jugend im steirischen Schloss Hainfeld und in Saint Louis, in Paris und dem niederländischen Bergen ist von pittoresker Bewegtheit und desgleichen ihre Gratwanderung zwischen dem strengen Katholizismus der Eltern und den lockeren Sitten der künstlerischen Boheme. Dann beginnt der Krieg, die deutsche Wehrmacht besetzt die Niederlande, und im Sommer 1940 begegnet die Künstlerin einem emigrierten deutschen Autor. Aber war dieser Wolfgang Frommel, der für immer prägender Teil ihres Lebens bleibt, überhaupt ein ernsthafter Schriftsteller? Und was war er sonst? Frommel war wohl das, wofür ihn auch mancher Zeitgenosse schon hielt: ein wenig selbständiger Dichter und ein Hochstapler, ein gebildeter, charismatischer Erzieher und Liebhaber - und ein egozentrischer Schmarotzer. Doch als die Verfolgungen beginnen, kommt er, der kein verfolgter Jude ist, auf der Suche nach einem Versteck für zwei jüdische Freunde in die Herengracht. Mit Wandschränken und ausgehöhltem Klavier haben Gisèle van Waterschoot und Wolfgang Frommel dieses Versteck geschaffen.

Das Castrum Peregrini wurde später eine Imitation des poetischen Männerbunds um Stefan George, mit Ritualen und Hierarchien, mit der Vorliebe für junge Männer und mit hohen Bildungsidealen - allerdings ohne den entscheidenden Kern eines großen literarischen Werks. Frommel berief sich für seine Mission auf den Segen des "Meisters" persönlich, doch die biographische Forschung weckte schon zu seinen Lebzeiten den Verdacht, der von ihm wiederholt ausfabulierte Initiationsbesuch bei George habe nie stattgefunden. Im Rückblick ist man geneigt, in dieser Lebenslüge, an der Frommel auch nach ihrer Enthüllung festhielt, den eigentlichen Webfehler des Castrum zu sehen. Denn folgt man Annet Mooij, so sind Mythologisierung und Betrug - und deshalb auch Selbstmythologisierung und Selbstbetrug - von Anfang an Existenzbedingung dieser eingeschworenen, nach außen abgedichteten Gemeinschaft mit sektenartigen Zügen. Dazu gehört, dass für die eigene Gründungsgeschichte ausschließlich die selbsterzählte Version gelten durfte, und auch Gisèle van Waterschoot neigte zu einer märchenhaften Fassung ihres Lebens.

Wie aber konnte diese selbstbewusste, selbständige Künstlerin lebenslang Teil eines sexuell unterfütterten Männerbundes bleiben, in dem sogar sie, ohne deren Arbeit, Haus und Geld das Castrum nie existiert hätte, als Frau von allem Wesentlichen ausgeschlossen wurde? Zum Glück gibt Annet Mooij auf diese zentrale Frage keine einfache Antwort. In ihrem Bewusstsein von der Ambivalenz menschlicher Lebensentscheidungen liegt die Qualität des Buches. Gisèle van Waterschoot, so wütend sie zuweilen auch klagte über ihren Ausschluss, war kein bedauernswertes Opfer mächtiger Herren; sie hat entschieden zu Frommel und der gemeinsamen Sekte gehalten und wusste genau, wie sehr sie selbst vom Castrum profitiert hatte für ihr ganzes Leben. Ihre Begabung, Unerfreuliches auszublenden aus ihrem Selbstbild, muss ebenso groß gewesen sein wie ihr Mut.

Zum Heiklen der Geschichte gehört natürlich der Vorwurf, Frommel habe nicht nur die homosexuelle Kultur des George-Kults weitergeführt, sondern seine Macht als Guru und die daraus resultierenden Abhängigkeitsverhältnisse zu kriminellen Übergriffen genutzt. Seit dem 2019 vorgelegten Untersuchungsbericht gibt es an den Tatsachen keinen Zweifel mehr. Annet Mooijs Biographie, die großen Einfluss hatte auf den Bericht, ist keine Analyse sexueller Verhaltensweisen im Castrum, beschäftigt sich jedoch mit der Frage nach Gisèle van Waterschoots Wissen oder Teilhabe. Offenkundig ging auch hier das sektiererische, Frauen ausschließende Glaubensbekenntnis eine Mischung ein mit den Charaktereigenschaften der Beteiligten: Einerseits wurde vor der unerwünschten Frau die homosexuelle Praxis so weit wie möglich versteckt, andererseits folgte Gisèle bei dem, was sie trotzdem ahnte, ihrem bewährten Prinzip, nicht zu sehen, was sie nicht sehen wollte. Der Untersuchungsbericht spricht sie, mit dieser Einschränkung, frei.

Annet Mooijs Biographie ist damit auch die notwendige Ergänzung zu Ulrich Raulffs Buch über Georges Nachleben, in dem das Castrum nur am Rande vorkommt. Man liest mit wechselnden Gefühlen: Bewunderung für den Mut in schrecklicher Zeit, Kopfschütteln über Gruppenbilder mit blütenbekränzten Jünglingsköpfen, Sympathie für eigensinniges Festhalten an Kunst, Bildung und Poesie, Abscheu vor geistvoll camouflierter Sexualmanie.

Hundert Jahre lang hat Gisèle van Waterschoot ihre Vorstellung von Kunst und Freundschaft gelebt. Dass sie damit eines Tages auch Teil der Ideologie-, Sekten- und Kriminalgeschichte dieses Jahrhunderts sein würde, hat sie wohl nicht geahnt, aber genau deshalb wurde es Zeit für eine Darstellung jenseits aller selbsterzählten Märchen.

WOLFGANG MATZ

Annet Mooij:

"Das Jahrhundert der

Gisèle". Mythos und

Wirklichkeit einer

Künstlerin.

Aus dem Niederländischen von Gerd Busse. Wallstein Verlag, Göttingen 2021.

470 S., Abb., geb., 34,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr
»Annet Mooijs vorzügliche Biographie Gisèle van Waterschoots wirft Licht auf die Gemeinschaft des 'Castrum Peregrini'« (Wolfgang Matz, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.01.2021) »'Das Jahrhundert der Gisèle' ist ein sorgfältig recherchiertes und klug reflektierendes Buch (...). (Es) gab den Anstoß zu einer Neubewertung des Castrum Peregrini.« (Paul Stoop, Deutschlandfunk »Büchermarkt«, 04.01.2021) »Ein ganz besonderes Buch ist jetzt auf Deutsch erschienen, (...) das uns bewusst macht, wie Frauen noch vor wenigen Jahrzehnten um ihre Anerkennung kämpfen mussten.« (Swantje Karich, Die Literarische Welt, 23.01.2021) »Man wäre ihr (Gisèle) gern begegnet, dieses Buch bringt sie einem nahe, es ist bestens recherchiert und spannend formuliert.« (Oswald Burger, Südkurier, 24.02.2021) »eine faszinierende Figur. Annet Mooij porträtiert Gisèle respektvoll, aber nicht kritiklos.« (Ralf Stiftel, Westfälischer Anzeiger, 09.02.2021) »Annet Mooij schafft es auf bewundernswerte Weise, das märchenhafte Leben der Gisèle (...) zu erzählen und die weitaus nüchternere Realität dabei nie aus dem Blick zu verlieren.« (Bettina Baltschev, MDR Kultur, 22.03.2021) »Annet Mooij verwebt die chronologisch biografische Annäherung mit originalen Zitaten und historischen Fakten zum spannenden Gesellschaftspanorama.« (Dorothea Breit, WDR 3 Buchkritik, 04.06.2021) »Wer sich für die Gepflogenheiten der nachgeborenen Anhängerschaft des deutschen Lyrikers Stefan George interessiert, sollte "Das Jahrhundert der Gisèle" unbedingt lesen.« (Eva Karnofsky, SWR2 Lesenswert Kritik, 05.07.2021) »Sie (Annet Mooij) kommt der Person Gisèle sehr nah und zeichnet einen außergewöhnlichen Charakter nach.« (Irene Binal, ORF Ö1 »Ex libris«, 04.07.2021)…mehr