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Im kapitalistischen Wirtschaftssystem richten Konsumenten, Investoren und Unternehmerinnen ihr Handeln auf die Zukunft aus. Diese birgt Chancen und Risiken, ist aber vor allem eines: ungewiss. Wie gehen die Akteure mit dieser Ungewissheit um? Ökonomen beantworten diese Frage mit verschiedenen Theorien, die auf die Berechenbarkeit des Marktes setzen. Dadurch wird die Nichtvorhersagbarkeit der Zukunft unterschätzt.
Jens Beckert nimmt die temporale Ordnung des modernen Wirtschaftslebens ernst und entwickelt einen neuen Blick auf die Dynamik des Kapitalismus. Im Mittelpunkt seiner Untersuchung
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Produktbeschreibung
Im kapitalistischen Wirtschaftssystem richten Konsumenten, Investoren und Unternehmerinnen ihr Handeln auf die Zukunft aus. Diese birgt Chancen und Risiken, ist aber vor allem eines: ungewiss. Wie gehen die Akteure mit dieser Ungewissheit um? Ökonomen beantworten diese Frage mit verschiedenen Theorien, die auf die Berechenbarkeit des Marktes setzen. Dadurch wird die Nichtvorhersagbarkeit der Zukunft unterschätzt.

Jens Beckert nimmt die temporale Ordnung des modernen Wirtschaftslebens ernst und entwickelt einen neuen Blick auf die Dynamik des Kapitalismus. Im Mittelpunkt seiner Untersuchung stehen die fiktionalen Erwartungen der Akteure - Imaginationen und Narrative darüber, was die Zukunft bringt. Mit den Instrumenten der Soziologie und der Literaturtheorie liefert er eine umfassende Typologie dieser Erwartungen, untersucht ihre Funktionsweisen in Bereichen wie Geld, Innovation und Konsum und zeigt vor allem, wie mächtig sie sind. Fiktionale Erwartungen sind der Treibstoff der Ökonomie, können diese aber auch in tiefe Krisen stürzen, wenn sie als hohle Narrative entlarvt werden. Dann platzt die Blase. Ein fulminantes Buch.
Autorenporträt
Jens Beckert, geboren 1967, ist seit 2005 Direktor am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung und Professor für Soziologie in Köln. Zuvor hat er u. a. in Göttingen, New York, Princeton, Paris und an der Harvard University gelehrt. 2005 wurde er mit dem Preis der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, 2018 mit dem Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft ausgezeichnet. Für sein Buch Imaginierte Zukunft erhielt er den Karl-Polanyi-Preis der Deutschen Gesellschaft für Soziologie.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.05.2018

Erwartungen müssen eben befeuert werden
Ohne Fiktionen keine harte Wirklichkeit: Jens Beckert entwirft eine Theorie kapitalistischer Dynamik

Keine andere Sozialwissenschaft versucht so hartnäckig, ihre eigene Identität zu leugnen wie die Ökonomie. Begriffe wie Saysches Gesetz, Ricardianische Äquivalenz und Pareto-Optimum erinnern eher an theoretische Physik als an das Studium gesellschaftlicher Zusammenhänge, und die jahrzehntelange Mathematisierung der Disziplin hat dazu geführt, dass ohne das Verständnis von Nutzenfunktionen und die sichere Handhabung von Regressionsanalysen wirtschaftswissenschaftliche Kommunikation kaum möglich ist. Man möchte so gerne eine Naturwissenschaft sein - ein Phänomen, das Philip Mirowski und Richard Rorty als unter Ökonomen (und anderen Wissenschaftlern) verbreiteten "Physikneid" bereits vor Jahren diagnostizierten.

Jens Beckert, Direktor am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung, ruft nun in seinem neuen Buch den Kollegen vom anderen Ende des Flurs, aber auch jedem Kleinanleger und Verbraucher, nicht nur ein weiteres Mal in Erinnerung, dass jedwedes wirtschaftliche Verhalten sozial konstituiert ist, sondern mutet den ökonomische Theoretikern und Praktikern noch etwas mehr zu. Wirtschaft, so Beckert, sei im Kern Fiktion, und daher sei ihr auch nur mit einem literaturwissenschaftlichen Zugriff beizukommen.

Im Zentrum der Untersuchung stehen Erwartungen, doch nicht jene vom rationalen Schlag, mit denen die Mehrzahl ökonomischer Modelle hantiert, um zu zeigen, wie nüchterne Akteure auf effizienten Märkten mittels Preisen kommunizieren. An ihre Stelle setzt Beckert vielmehr fiktionale Erwartungen, was gewissermaßen eine begriffliche Dopplung ist: rationale Erwartungen kann es schließlich gar nicht geben, da niemand die Zukunft kennt. Wenn dies aber der Fall ist und jedes auf die Zukunft gerichtete Verhalten mit Unsicherheit leben muss, stellt sich die Frage, warum sich ein dynamisches kapitalistisches System überhaupt seit Jahrhunderten hält und fortlaufend expandiert.

Die Antwort darauf findet Beckert, ausgehend vom veränderten Zeithorizont der westlichen Moderne, in einem erkenntnistheoretischen Winkelzug: Mittels statistischer Verfahren wird Unsicherheit in Wahrscheinlichkeit verwandelt, und diese wiederum befeuert Erwartungen. Dieser Prozess ist zwar auch individualpsychologisch erklärbar, für den Soziologen Beckert aber, wenig überraschend, vor allem sozialer Natur. Regelwerke, Standards und Experten setzen den Rahmen, innerhalb dessen Erwartungen formuliert werden. Zugleich machen dieselben Instrumente und Akteure Vorhersagen glaubwürdig und vermitteln Autorität: ohne Zentralbanken, wirtschaftswissenschaftliche Fakultäten und Ratingagenturen keine Devisengeschäfte, weder Investitionen noch Innovationen, kein Kreditwesen und im Grunde überhaupt keinen Geldverkehr, der durch reale Güter nicht gedeckt ist. Auch Konsum funktioniert Beckert zufolge über Erwartungsbildung, und die bereits eingebaute Enttäuschung beugt stagnierendem Verbrauch vor. Die temporale Struktur des kapitalistischen Waren- und Geldverkehrs ist demnach nicht nur eine Randnotiz, sie ist sein Wesen. Erst Erwartungen an und Vertrauen in die Zukunft führen zu Veränderung und Wachstum, ihr Entzug zu Krise und Verlust.

Doch wie werden Fiktionen glaubhaft gemacht? Beckerts Antwort: indem sie sich literarischer Mittel bedienen, namentlich Protagonisten, Requisiten und Tropen, vor allem aber indem sie (in mathematische Formen gekleidete) Geschichten erzählen, die Komplexität reduzieren und Verlässlichkeit vermitteln. Im Kern - das übrige literarische Begriffsarsenal tritt rasch in den Hintergrund - sind es also Narrative, um die es Beckert in Anknüpfung an die amerikanische Ökonomin Deirdre McCloskey geht. Doch hat die Analogie Grenzen: Akzeptiert der Romanleser von der ersten Zeile an, dass es sich um eine Erfindung handelt, steht diese Option der wirtschaftlichen Fiktion nicht offen. Ihre Ratio ist Ernsthaftigkeit, Spuren ihrer Fiktionalität lassen sie als fragil, gar "verwundbar" erscheinen. Prognosen und Theorien, Beckert zufolge zentrale Formen wirtschaftlicher Erwartungsproduktion, behaupten die Möglichkeit, dass die Zukunft wirklich so aussehen könnte.

Irrtümer und reale Probleme schaden dabei nicht, ganz im Gegenteil. Der bekannte Paradigmenwechsel von keynesianischen zu monetaristischen Modellen, verbunden mit Politikversuchen wie Global- und Geldmengensteuerung, war kein Streit um die Belastbarkeit von Theorien, sondern lediglich um die Überlegenheit einzelner Varianten. Und das Eingeständnis, dass Prognosen oft irren, erhält die Fiktion aufrecht, sie könnten richtig sein. Entscheidend, so Beckert, sei nur, ob relevante Akteure an die Prognosen glaubten, entsprechend handelten und damit die Prophezeiung selbst erfüllten. Mit dem Mooreschen Gesetz, wonach sich die Leistungsfähigkeit integrierter Schaltkreise etwa alle zwei Jahre verdoppelt, hat er das passende Beispiel eines zur Benchmark mutierten Theorems zur Hand.

Narrative sind nicht mit Betrug zu verwechseln; Beckert geht es um fehlendes Verständnis und mangelnde Einsicht. Das Problem ist nicht die Fiktion, sondern der Umstand, dass sich die ökonomischen Akteure mehrheitlich Beobachtungen zweiter Ordnung verweigern, also - in Anlehnung an Hayden Whites Betrachtung dichtender Historiker - zu wenig Meta-Ökonomie betreiben. So beteuere Eugene Fama - dessen Nobelpreis 2013 man wohl wie jenen zuvor an Barack Obama als unerfüllte Hoffnung auf Besserung, mithin als ungedeckten Wechsel auf die Zukunft deuten muss - bis zum heutigen Tag, dass es keine Spekulationsblasen gebe.

Nicht immer geraten Beckerts Beobachtungen so treffsicher. Dies hat zum einen sprachliche Gründe, insbesondere den mitunter allzu starken soziologischen Dialekt: hier "promissorische Geschichten" und "skopische Systeme", dort "Als-ob-Annahmen" und "Glauben-Machen-Spiele", und dazwischen kein Mangel an Substantivierungen und Fachvokabeln. Gerade im ersten Buchdrittel vermag man sich des Eindrucks nicht zu erwehren, manches bereits anderswo gelesen zu haben, nur noch nicht so kompliziert. Zum anderen geraten die empirischen Belege oft kursorisch und anekdotenhaft, wenn der Erwerb von Stradivaris und altem Wein dichtauf gefolgt wird von Verweisen auf Gentechnik und Atomkraft, Moby-Dick und Free Willy.

Bourdieus Kabylen müssen als quasi vorkapitalistische Referenzgruppe etwas zu oft herhalten, während die historisch-empirische Forschung trotz der wiederholten Beteuerung, dass (auch) "die Geschichte zählt", weitgehend unberücksichtigt bleibt. Das gilt für die in den Vereinigten Staaten seit Jahren populäre New History of Capitalism und auch für jüngere deutsche Arbeiten zu Verschuldung, Wachstum oder Zukunftsentwürfen.

Beckerts Buch strebt eher eine theoretische Synthese an, quasi eine allgemeine Theorie kapitalistischer Dynamik. Zu diesem Zweck werden Max Weber und Emile Durkheim neben Georg Simmel und Pierre Bourdieu aufgeboten, stehen Niklas Luhmann und Talcott Parsons Seit' an Seit' mit Michel Foucault und Anthony Giddens, werden John Dewey und Bruno Latour von Hans Joas und Wolfgang Iser flankiert; bloß Habermas hat es nicht in diesen Kader geschafft.

Tatsächlich tritt mit fortschreitender Seitenzahl vor allem Durkheims Religionssoziologie als Leitkonzept hervor. Von Beckert als Theorie der Wertzuschreibung adaptiert, werden Durkheims totemistische Strukturen überzeugend auf kapitalistische Zusammenhänge umgelegt, um deren irrationalen Charakter zu bekräftigen und am Ende für die anhaltende, nun aber "säkulare Verzauberung" der modernen Wirtschaft zu argumentieren. Webers stahlhartes Gehäuse wird damit nicht obsolet, sondern inwendig renoviert. Auf dieser Note endet Beckert und gönnt sich selbst eine, wenngleich vorsichtig formulierte Vorhersage. Seine Darstellung des Kapitalismus als hochanpassungsfähiges System, das alternative Ideen durch Vereinnahmung ausschaltet, klingt schon fast nach einer Ewigkeitsvorstellung.

KIM CHRISTIAN PRIEMEL.

Jens Beckert: "Imaginierte Zukunft". Fiktionale Erwartungen und die Dynamik des Kapitalismus.

Suhrkamp Verlag, Berlin 2018.

569 S., geb., 42,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.05.2018

Die Märchen der Moderne
Fakten und Fiktionen: Der Soziologe Jens Beckert analysiert die Zukunftsbilder im Kapitalismus
Im Jahr 2010 hat der Literatur-und Kulturwissenschaftler Joseph Vogl mit seinem großen Essay „Das Gespenst des Kapitals“ für intellektuelle Furore gesorgt. Anlässlich der globalen Finanzkrise legte er mit weiten historischen Ausgriffen dar, dass Krisen und Crashs keine zu vermeidenden Unfälle des Marktgeschehens sind, weil das Wirtschaftssystem Turbulenzen durch seine Eigenbewegungen selbst erzeugt. Sie gehören ebenso elementar zur modernen Finanzökonomie wie Fantasien und Fiktionen, denn jede Vorstellung substanzieller Deckung hat sich überholt.
Vor allem aber wies Vogl darauf hin, dass die ungewisse Zukunft als wesentliche Ressource unseres ökonomischen Systems dient. Daher sorgen Meinungen sowie Meinungen über Meinungen für jene Wertschätzungen, mit denen gigantische Gewinne und Verluste erwirtschaftet werden. Die „imaginierte Zukunft“ und die Erwartungsspiele des Kapitalismus betrachtet Jens Beckert nun aus einer soziologischen Perspektive. Bedauerlich daher, dass er an die vom „Gespenst des Kapitals“ begeisterte Debatte nicht direkt anschließt, obwohl er eine höchst ungewöhnliche interdisziplinäre Brücke schlägt: Ausgerüstet mit Fiktionalitätstheorie und Erzähltextanalyse rückt er der Wirtschaft als Soziologe mit den Mitteln der Literaturwissenschaft kritisch auf den Leib.
Den dominierenden sozialwissenschaftlichen Ansätzen, die die Zustände des Kapitalismus aus der Geschichte heraus erklären, setzt Beckert seinen Schlachtruf entgegen: „Die Zukunft zählt“. Damit soll nicht weniger als die „Grundlage eines neuen soziologischen Paradigmas“ gestiftet werden. Selbstverständlich ist die Zukunft für keine Kultur irrelevant. Während jedoch kommende Ereignisse in der Menschheitsgeschichte vor allem als Wiederkehr der Vergangenheit gedacht wurden, bildet der Kapitalismus eine andere „temporale Ordnung“ aus und setzt eine Innovationsspirale in Gang. Er erzeugt durch Wettbewerb und Kreditwesen sowie durch die sich selbst verschlingende Kraft des Konsums einen „systemischen Druck“. Die Akteure sehen sich energischer als in jeder anderen Wirtschaftsordnung zuvor dazu gezwungen, Vorstellungen des noch nie Dagewesenen zu entwickeln und sich daran zu orientieren. Mögliche Zukünfte werden zu notwendigen Faktoren aktueller Entscheidungen, und zwar nicht in Situationen des kalkulierbaren Risikos, sondern unter Bedingung elementarer Ungewissheit.
Die Zukunft ist nicht in der Gegenwart enthalten. Beckert betont, dass wir nicht wissen können, was kommen wird. „Gesellschaft und Wirtschaft sind unendlich komplex, und die Zukunft ist offen: In Wahrheit können wir eigentlich nichts vorhersehen.“ Ihm geht es nicht um ein Erkenntnisdefizit, das sich beheben lässt. Auch die Vorhersageinstitutionen des politischen und ökonomischen Systems haben keine Ahnung von der „offenen Zukunft“, obwohl sie ständig simulieren, sie könnten damit rechnen. Um es klar zu sagen: „Die wenigsten makroökonomischen oder technologischen Prognosen erweisen sich als zutreffend“. Die Funktion der modernen Orakel liegt offenkundig nicht darin, dass ihre Vorhersagen stimmen, sondern in ihrer „Glaubwürdigkeit in der Gegenwart“. Dieses eigentlich überraschende Vertrauen auf Verlässlichkeit genügt, um die Akteure bei der Stange zu halten.
Dabei spielen die von Beckert so genannten „fiktionalen Erwartungen“ eine zentrale Rolle. Bei Zukunftsentwürfen handelt es sich eben nicht um ein „Vorauswissen“, sondern um „kontingente Imaginationen“, das heißt um Vorstellungen, die bei veränderter Stimmungslage und Fantasiefähigkeit immer auch anders ausfallen könnten.
So anregend literarische Fiktionalitätskonzepte von Beckert eingesetzt werden, erscheinen sie aus literaturtheoretischer Perspektive nicht unproblematisch. Beckert stellt „fiktionale Erwartungen“ den „rationalen Erwartungen“ gegenüber. Der eigentliche Oppositionsbegriff wäre aber „faktuale Erwartungen“, die es jedoch nicht geben kann. So verliert die Auszeichnung „fiktional“ ihr Gegenteil und damit ihren spezifischen Sinn. Diese Begriffsstruktur lässt sich nicht einfach suspendieren, weil literarische Fiktionen – anders als Erwartungen – nicht falsifizierbar sind.
George Orwells „1984“ ist seit dem 1. Januar 1985 nicht widerlegt, weil die Welt dieser Dystopie doch noch nicht gleicht, wohingegen sich die Prognosen der Banken und Finanzinstitute seit dem 15. September 2008, dem Tag der definitiven Pleite von Lehman Brothers, schlicht als falsch herausgestellt haben. Anders als Beckert meint besteht darin eine wesentliche Pointe von literarischer Fiktionalität, wenn man den Begriff nicht inflationär verwenden möchte. Es handelt sich um etwas anderes als etwa „Glaubenssysteme“ oder glaubwürdige „Imaginationen“ im Allgemeinen.
Beckert also betont mit dem Hinweis auf die „imaginierte Zukunft“ die Kreativität der ökonomischen Einbildungskraft. Im Rahmen einer „Politik der Erwartungen“ besteht die Macht der Akteure in ihrer Fähigkeit, Erwartungen zu evozieren und zu manipulieren. Von hohem aufklärerischem Wert ist daher Beckerts Analyse der Beglaubigungsverfahren und -signale, die für das Vertrauen in eine bestimmte Zukunft sorgen. Dazu dienen nicht zuletzt märchenhaften Erzählungen, die komplexe Zahlenwerke mit Sinn versehen. „Sämtliche Marktteilnehmer erzählen Geschichten, um die Zuversicht der Investoren zu beeinflussen, dass sich die Märkte in eine bestimmte Richtung entwickeln werden“. Die Abkopplung der Finanzströme von irgendwelchen Sachwerten, die seit den Neunzigerjahren vehementer denn je betrieben wurde, ging nicht umsonst mit der Gründung neuer Finanzzeitungen sowie spezieller TV-Kanäle für Wirtschaftsnachrichten einher. So bleibt am Ende die Verwunderung darüber, warum alles einfach so weitergeht, auch wenn es kaum Belege dafür gibt, „dass die zukünftige Wirtschaft jemals in Übereinstimmung mit der in den Wirtschaftslehrbüchern beschriebenen Welt stehen wird“. Jens Beckerts „historische Wirtschaftssoziologie der Zukunftsimaginationen“ verzaubert die nur scheinbar durchrationalisierte Moderne und gesteht den Akteuren zugleich neue Handlungsmacht zu. Sie müssen nur an ihren Fantasien arbeiten.
STEFFEN MARTUS
Jens Beckert: Imaginierte Zukunft. Fiktionale Erwartungen und die Dynamik des Kapitalismus. Suhrkamp-Verlag, Berlin 2018. Seiten, 42 Euro. E-Book 36,99 Euro.
Dieses Buch verzaubert
die nur scheinbar rationale
Welt der Ökonomie
Propheten von heute.
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»Einer der kreativsten, weitreichendsten und vielseitigsten neuen Ansätze soziologischer Theoriebildung.« Gert Scobel 3sat 20180618