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2 Kundenbewertungen

»Aus Erfahrung gut« - das war ab 1958 der Reklamespruch des Elektrogeräteherstellers AEG. Unternehmen wie Google oder Uber würden mit einem solchen Slogan nie werben, geht es ihnen doch gerade darum, mit der Erfahrung zu brechen und bestehende Geschäftsmodelle aufzumischen: »Disruption«. Wie »Content« oder »Kommunikation« gehört das Konzept zu jenen Motiven, die in Aktionärsprospekten, aber auch in Porträts über Elon Musk, Mark Zuckerberg & Co. häufig bemüht werden. Adrian Daub lehrt in Stanford, kennt die Tech-Branche also aus nächster Nähe. In seinem Essay verfolgt er die Lieblingsideen des…mehr

Produktbeschreibung
»Aus Erfahrung gut« - das war ab 1958 der Reklamespruch des Elektrogeräteherstellers AEG. Unternehmen wie Google oder Uber würden mit einem solchen Slogan nie werben, geht es ihnen doch gerade darum, mit der Erfahrung zu brechen und bestehende Geschäftsmodelle aufzumischen: »Disruption«. Wie »Content« oder »Kommunikation« gehört das Konzept zu jenen Motiven, die in Aktionärsprospekten, aber auch in Porträts über Elon Musk, Mark Zuckerberg & Co. häufig bemüht werden. Adrian Daub lehrt in Stanford, kennt die Tech-Branche also aus nächster Nähe. In seinem Essay verfolgt er die Lieblingsideen des Silicon Valley zu Autorinnen wie Ayn Rand, Marshall McLuhan und Joseph Schumpeter zurück und zeigt, dass dabei stets auch die Gegenkultur der sechziger Jahre mitschwingt.
Autorenporträt
Daub, AdrianAdrian Daub, geboren 1980 in Köln, ist Professor für vergleichende Literaturwissenschaft an der Stanford University. Er schreibt u. a. für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung sowie die Neue Zürcher Zeitung.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Dass Geisteswissenschaftler sich auf fruchtbare Weise mit Ökonomie befassen können, beweist dem Rezensenten Fred Luks der Literaturwissenschaftler Adrian Daub mit seinem Buch über die Narrative aus dem Silicon Valley. Wie der Autor Begriffe und Slogans der Techbranche historisch kontextualisiert, scheint Luks aufschlussreich, auch wenn der Autor mitunter zu höhnischen Kommentaren neigt und den Erfolg der Branche nicht wirklich zu erfassen vermag, wie der Rezensent findet. Dass Jobs & Co Beckett falsch gelesen haben, ist für Luks nur eine der verblüffenden Erkenntnisse der Lektüre. Der Verzicht auf Kapitalismuskritik tut dem Buch gut, meint er.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.11.2020

Firmengründer,
Blumenkinder
Adrian Daub über die Ideologie des Silicon Valley
Unser Mann in Stanford heißt jetzt Adrian Daub. Vor kurzem noch hieß er Hans Ulrich Gumbrecht und schrieb über Football, Kino und Airforce als Paradigmen einer amerikanischen Spiritualität. Jetzt geht es um die Technologien des Selbst im Silicon Valley. In beiden Fällen besteht das Anliegen darin, deutsche – und amerikanische – Leser über kulturelle Kurzschlüsse aufzuklären. Und in beiden Fällen verführt die exzentrische Position den deutschen Literaturwissenschaftler zum Posieren.
Das Buch „Was das Valley denken nennt“ ist eine exemplarische Einführung in die ideengeschichtlichen Hintergründe von Apple, Google und anderen Vertretern der weltweit erfolgreichsten Technologiebranche. Wobei man vielleicht eher von ideengeschichtlichen Abgründen sprechen müsste. Diese tun sich an einem geografisch fest umrissenen Ort auf: tief im Westen der Vereinigten Staaten. Viele Angestellte der genannten Firmen teilen einen großen Teil ihrer sozialen Erfahrungen. Wer im Silicon Valley Karriere macht, war zuvor oft Student an einer Ivy-League-Universität: Harvard, Yale oder, wie es sich wegen der räumlichen Nähe anbietet, Stanford.
Nach Generationen betrachtet, bewegen sich die Firmengründer in der Post-Hippie-Ära, ihre Erfahrung sind nicht die Blumenkinder, sondern deren Enttäuschungen. Anlass für das Buch ist der schwindelerregende Erfolg der Tech-Branche. Und zugleich – aber im Text leider etwas zu kurz kommend – die Art dieses Erfolgs: neben tatsächlichen Erfindungen (Apple) steht die opportunistische Aneignung von Gesetzeslücken (Uber), verbunden mit Programmen zur optimierten Selbstausbeutung (die in Wahrheit eine Ausbeutung zugunsten anderer ist).
Nahezu sämtliche im Buch angeführte Unternehmen stellen Plattformen und Benutzeroberflächen her: Ihre Leistung besteht mehr in der Verknüpfung von Inhalten als in deren Erzeugung. Entsprechend kann man sie als Medienunternehmen bezeichnen und darunter selbst die Technologieproduzenten im geläufigen Sinn einreihen (so wie bei Tesla, dem Unternehmen, in dem das Auto als Medium zu Ende geträumt wird).
Dass in (kalifornischen) Medienunternehmen auch (kalifornische) Medientheorie steckt, verwundert nicht. Das „Medium ist die Botschaft“ schrieb der kanadische Denker Marshall McLuhan (1911 bis 1980). Er meinte damit, dass Botschaften durch ihre Mobilisierung wirken, nicht durch das, worauf sie verweisen (McLuhans Beispiel war die Leuchtreklame in der Nacht der großen Städte). Daub zitiert McLuhan, als wäre dieser eine Art Onkel des Silicon Valley, der von den Hippies geschätzt wurde, weil er Technologie interessant fand, nicht aber den Staat. Und weil die Hippies selbst Medienforschung betrieben, und sei es durch die Einnahme von Drogen.
Als esoterischeren Paten der Tech-Kultur macht das Buch den Kulturtheoretiker René Girard (1923 bis 2015) aus, einen französischen Erzkatholiken. Daub zieht ihn heran, um das reaktionäre Potenzial der Medienunternehmer zu veranschaulichen. Denn Girard ist Autor einer „mimetischen Theorie“, die besagt, dass die Menschen einander nur nachahmten, im Begehren wie im Handeln. Die dafür angegebenen Gründe seien nur Sublimierungen. Daub kann nachweisen, wie viel Girard-Rezeption in den Ansichten des Facebook-Finanziers Peter Thiel und anderer „rechter“ Valley-Milliardäre steckt. Er interpretiert sie als Verbeugungen gegenüber einem Denker, der dem Wissen der Werber – „die Kunden wollen doch immer das Gleiche“ – das Siegel eines arkanen Wissens aufdrückt. Wenn Neid und Missgunst sie ereilen, dürfen sie sich wie Jesus fühlen.
Geheimes Wissen ist für ältere Konservative, was „reizbare geistige Gesten“ (so der Literaturkritiker Lionel Trilling) für jüngere sind. Am stärksten ist Daubs Buch, wenn es die Theorien der Tech-Unternehmer mit den Lebensläufen ihrer noch jungen Protagonisten verschränkt. Etwa mit deren Hang zum Studienabbruch (von Steve Jobs bis Mark Zuckerberg) und zur Attitüde des Nonkonformisten (Elon Musk).
Immer wieder stößt man auf eine Heldin studentischer Lektüren, auf die russischstämmige Schriftstellerin Ayn Rand (1905 bis 1982) mit ihren philosophischen Romanen, die gegen den Konformismus des New Deal antraten und Kapitalismus als Selbstverwirklichung feierten. Zu Recht betont Daub, dass die kalifornische Gegenkultur der Fünfziger und Sechziger zwar staatsskeptisch ausgerichtet war, aber die Bastionen des Eigeninteresses, die Unternehmen und die Wirtschaft, unangetastet ließ. Es war gerade die scheinbare Dezentriertheit und Durchlässigkeit der Ökonomie, weshalb sie wie ein Refugium erschien. Ein ähnlicher Glaube an den guten Kapitalismus lässt sich hierzulande vielleicht an der Green Economy in ihrer schwäbischen Variante aufzeigen.
Das letzte Kapitel widmet sich dem „Scheitern“. Nach dem Studienabbruch ist dies vielleicht der größte Mythos des Silicon Valley. Denn „Scheitern“ ist, wie Daub unter Rückgriff auf Samuel Beckett zeigt, gegen Scheitern immun. Der Milliardär, der vor seinem großen Erfolg zehn Startups in den Sand setzte, ist der Traumheld der gering bezahlten und schlecht abgesicherten Mitarbeiter, die überall „Erfahrung sammeln“.
Ihr und sein Scheitern sind unablässig beschworene Schritte auf demselben Weg zum ebenso unausweichlichen Erfolg. Doch wenn immer nur die verblüffend Erfolgreichen übrig bleiben, die dann als Kreditgeber ihre Nachfolger finanzieren, wird eine tatsächliche Auseinandersetzung mit dem Scheitern ausbleiben – und damit auch eine Kritik des Erfolgs. Das Silicon Valley, dessen Vertreter sich geradezu verbissen um eine philosophische Rechtfertigung ihrer Positionen bemühen, wird aus sich heraus nichts über sich lernen können. Selbst das Post-It „Gott bewahre mich vor der Verwirklichung meiner Wünsche“ ist längst Teil des Systems.
Daubs Buch porträtiert eine Gedankenwelt, die ebenso attraktiv wie katastrophenanfällig ist, eben weil sie sich gegen Fragen nach Gründen immunisiert. Sie ist nicht konsistent im Sinne einer Theorie, sondern überbelichtet bestimmte Aspekte und lässt andere im Dunkeln. Außerdem: Indem das Silicon Valley große Ideen verkörpern will, wirkt es daran mit, sie zu mythologisieren. Das ist selten gut gegangen.
Daubs Text ist selbst nicht frei von Eklektizismus. Dass er zwischen College-Nerdigkeit und Beamtensprache hin- und herschwankt, mag der unentschiedenen Übersetzung geschuldet sein. Der Umstand, dass etwas kurzatmig Ideen- und Sozialgeschichte verrechnet werden, ist ein Kollateralschaden der essayistischen Form. Und wer das soziokulturelle Ferment des Silicon Valley verstehen will, dem sei außerdem Fred Turners schon im Jahr 2006 erschienenes einschlägiges Buch „From Counterculture to Cyberculture“ empfohlen. Dennoch lohnt es sich wieder, Nachrichten aus Stanford zu lesen.
ULRICH VAN LOYEN
Adrian Daub: Was das Valley denken nennt. Über die Ideologie der Techbranche. Aus dem Englischen von Stephan Gebauer. Suhrkamp Verlag, Berlin 2020. 160 Seiten, 16 Euro.
Der esoterische Pate der
Tech-Kultur ist der erzkatholische
Theoretiker René Girard
Das Scheitern ist nur ein
Schritt auf dem Weg zum
unausweichlichen Erfolg
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.04.2021

Das Dauerlob des Scheiterns
Über die Rhetorik des Silicon Valley

"Dieses Buch", so beginnt Adrian Daub seinen Text, "handelt von der Ideengeschichte an einem Ort, der gerne so tut, als hätten seine Ideen keine Geschichte." Diese Geschichte zeichnet er anhand von sieben Zentralbegriffen der "Ideologie der Techbranche" nach: Aussteigen, Inhalt, Genie, Kommunikation, Begehren, Disruption und Scheitern. Daub zeigt überzeugend, dass der Mainstream des Denkens der Technologiebranche keineswegs geschichtslos ist, sondern eine Historie und einen Kontext hat, den es zu betrachten lohnt. Denn so flach die dortige Rezeption von Figuren wie René Girard, Marshall McLuhan, Ayn Rand und Joseph Schumpeter auch ist: Diese Art des Denkens, die von Kalifornien aus buchstäblich die ganze Welt berührt, ist überaus wirkmächtig - und zwar nicht nur ökonomisch, sondern auch kulturell. Begriffe des Techsektors vereinnahmen "unsere kollektive Phantasie".

Daub zeigt anschaulich, wie aufgeblasen und am Ende konventionell die Slogans sind, die in den Wirtschaftsmedien ebenso Verwendung finden wie in Büchern über und von Technologiehelden wie Steve Jobs und Peter Thiel. Die von Daub diagnostizierte "Verachtung für den Inhalt" macht es offenbar leicht, "revolutionär zu sein, ohne irgendwas zu revolutionieren". Das mag eine Unterschätzung der Digitalisierungsindustrie sein, trifft aber mit Blick auf ihre Rhetorik den Nagel auf den Kopf.

So wird deutlich, dass das dauernde Lob des Scheiterns auf einer krassen Fehlinterpretation Samuel Becketts beruht und letztlich auf der Annahme fußt, jedes Scheitern sei nur eine Vorstufe zum strahlenden Erfolg. Genau betrachtet, hat man es hier mit einem reichlich individualistischen "Selbsthilfeethos" und einem "Errettungsnarrativ" zu tun, das seine religiösen Wurzeln kaum verleugnen kann.

Der enorme ökonomische Erfolg des Valleys wird zwar bisweilen etwas höhnisch kommentiert, bleibt aber letztlich unverstanden. Dass der Autor nicht in Wirtschaftstheorie dilettiert, tut dem Buch freilich gut. Auch verzichtet der Literaturwissenschaftler Daub - im Gegensatz zu manch anderen Geisteswissenschaftlern, die über wirtschaftliche Themen schreiben - auf steile antikapitalistische Thesen. Mit dieser Perspektive gelingt ihm ein überaus lesenswertes Buch, das sehr schön zeigt, wie produktiv eine geisteswissenschaftliche Auseinandersetzung mit ökonomischen Themen sein kann.

FRED LUKS

Adrian Daub: Was das Valley denken nennt. Suhrkamp Verlag, Berlin 2020. 159 Seiten, 16 Euro.

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»... ein überaus lesenswertes Buch, das sehr schön zeigt, wie produktiv eine geisteswissenschaftliche Auseinandersetzung mit ökonomischen Themen sein kann.« Fred Luks Frankfurter Allgemeine Zeitung 20210419