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Warum stehen wir mit den Füßen auf dem Boden? Newton meinte, weil sich Massen anziehen, Einstein sagte, weil sich die Raumzeit krümmt. Carlo Rovelli hat eine andere Erklärung: vielleicht ja deshalb, weil es uns immer dorthin zieht, wo die Zeit am langsamsten vergeht. Wenn, ja wenn es so etwas wie Zeit überhaupt gibt. Kaum etwas interessiert theoretische Physiker von Rang so sehr wie der Begriff der Zeit. Seit Einstein sie mit dem Raum zur Raumzeit zusammengepackt und der Gravitation unterworfen hat, wird sie von großen Physikern wie Stephen Hawking und Carlo Rovelli umrätselt. Wenn es ums…mehr

Produktbeschreibung
Warum stehen wir mit den Füßen auf dem Boden? Newton meinte, weil sich Massen anziehen, Einstein sagte, weil sich die Raumzeit krümmt. Carlo Rovelli hat eine andere Erklärung: vielleicht ja deshalb, weil es uns immer dorthin zieht, wo die Zeit am langsamsten vergeht. Wenn, ja wenn es so etwas wie Zeit überhaupt gibt.
Kaum etwas interessiert theoretische Physiker von Rang so sehr wie der Begriff der Zeit. Seit Einstein sie mit dem Raum zur Raumzeit zusammengepackt und der Gravitation unterworfen hat, wird sie von großen Physikern wie Stephen Hawking und Carlo Rovelli umrätselt. Wenn es ums Elementare geht, darum, was die Welt im Innersten zusammenhält, kommen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in den Formeln der großen Theorien zwar nicht mehr vor. Aber geht es wirklich ohne die Zeit? Um diese Frage dreht sich das neue, aufregende Buch des italienischen Ausnahme-Physikers.
Leben wir in der Zeit oder lebt die Zeit vielleicht nur in uns? Warum der physikalische Zeitbegriff immer weiter verschwimmt, je mehr man sich ihm nähert, warum es im Universum keine allgemeine Gegenwart gibt, warum die Welt aus Geschehnissen besteht und nicht aus Dingen und warum wir Menschen dennoch gar nicht anders können, als ein Zeitbewusstsein zu entwickeln: Rovelli nimmt uns mit auf eine Reise durch unsere Vorstellungen von der Zeit und spürt ihren Regeln und Rätseln nach. Ein großes, packend geschriebenes Lese-Abenteuer, ein würdiger Nachfolger des Welt-Bestsellers «Sieben kurze Lektionen über Physik».
Autorenporträt
Rovelli, CarloCarlo Rovelli, geboren 1956 in Verona, ist seit 2000 Professor für Physik an der Universität Marseille. Zuvor forschte und lehrte er unter anderem am Imperial College London, der Universität Rom, der Yale University, an der Universita dell' Aquila und an der University of Pittsburgh. 1998/99 war er Forschungsdirektor am Zentrum für Theoretische Physik (CPT) in Luminy. Er hat die italienische und die amerikanische Staatsbürgerschaft Zusammen mit Lee Smolin entwickelte er die Theorie der Schleifenquantengravitation, die international als verheißungsvollste Theorie zur Vereinigung von Einsteins Gravitationstheorie und der Quantentheorie gilt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.08.2018

Zeitlos wuselt es auf kleinsten Skalen

Wie kommt man von Quantenereignissen zu unserer Lebenswelt? Carlo Rovelli denkt über die Zeit in der Physik und in unserem Erleben nach.

Wenn man das Wesen der Zeit ergründen möchte, kommt man nicht umhin, sich auf ein Terrain zu begeben, das vom Wechselspiel zwischen Physik und Philosophie geprägt ist. Als ureigen philosophische Frage haben die Grundlagen unserer zeitlichen Wahrnehmung die Philosophen herausgefordert. So verstand Aristoteles die Zeit als etwas, das es ohne die sie definierenden und offenbarenden zeitlichen Beziehungen zwischen Dingen und Geschehnissen nicht geben kann: Wenn sich nichts verändert, dann gibt es auch keine Zeit. Platon hingegen dachte die Zeit als einen unabhängig existierenden Hintergrund, den es selbst dann gäbe, wenn er durch nichts gefüllt würde. Leibniz und Newton ließen diese Diskussion rund zwei Jahrtausende später wieder aufleben. Das Konzept einer platonistischen, absoluten Zeit prägte seitdem als Grundlage Newtonscher Physik unser Denken, bevor diese Zeitvorstellung durch Einsteins Relativitätstheorie ein weiteres Mal revidiert wurde.

Die modernen physikalischen Theorien entfernen seitdem die Zeit der Physik immer weiter von der Zeit, die im komplexen Zusammenspiel von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft unser Leben prägt und die unserer geistig-geschichtlichen Welt zugrunde liegt. Als unserer Intuition am stärksten entgegenlaufend mögen dabei die bislang noch spekulativen Theorien der Quantengravitation gelten, die beim Versuch, die Theorien des Mikro- und des Makrokosmos zu vereinen, zu dem Schluss kommen, es gebe auf den fundamentalen Ebenen unserer Realität gar keine Zeit. Spätestens hier stoßen wir an die Grenzen unserer Vorstellungskraft: Die Kluft, die sich zwischen derartiger physikalisch motivierter Metaphysik und der Erfahrung unserer zeitlichen Existenz auftut, ist verstörend. Kann die Realität sich im Kleinsten wirklich so verhalten, dass wir sie als Menschen nicht im Entferntesten denken, nicht ansatzweise mit unserer Lebenswelt zur Deckung bringen können?

Für den in Marseille lehrenden Theoretischen Physiker Carlo Rovelli ist das der Fall. Als Mitbegründer der Schleifen-Quantengravitation ist er einer der Verfechter einer physikalisch motivierten Abschaffung der Zeit. In seinem neuen Buch unternimmt er nun den Versuch, uns einerseits mit dieser radikalen Vorstellung einer zeitlosen Realität vertraut zu machen und uns gleichzeitig eine Brücke aus der modernen Physik zurück in unsere Erfahrungswelt anzubieten.

Die erste Hälfte seines Buches verwendet er darauf, zunächst diejenigen Punkte herauszuarbeiten, in denen die Zeit der modernen Physik unseren menschlichen Erfahrungen entgegensteht. So beschreibt er die Relativitätstheorie, die mit dem Einfluss von Bewegungen und Gravitationsfeldern auf die gemessene Zeit die Vorstellung der Einheitlichkeit von Zeit und die Vorstellung einer allgemein definierten Gegenwart zerstört; er erläutert, wie Einsteins Theorie Newtons absolute Zeit in eine auf die Welt elastisch reagierende Raumzeit überführt; er diskutiert die Thermodynamik, die mit dem zweiten Hauptsatz als einzige physikalische Theorie den Unterschied zwischen Vergangenheit und Zukunft motivieren kann, weist aber gleichzeitig darauf hin, dass diese Unterscheidung in den elementaren Gleichungen der Mikrophysik nicht zu finden ist; schließlich erreicht Rovelli die Schleifen-Quantengravitation, in der die Zeit unterhalb eines kleinsten Maßstabs nicht definiert ist und zu einer Menge von schwingenden, sich überlagernden Raumzeiten wird, die sich nur in Wechselwirkungen mit bestimmten Objekten konkretisieren.

Rovelli illustriert das Fehlen der Zeit im Rahmen der Schleifen-Quantengravitation, indem er die Welt als ein Geflecht von ungeordneten Quantenereignissen versteht. Auch in Rovellis Quantenwelt kann es Veränderung geben, allerdings eine, die sich nicht nach einer allumfassenden globalen Ordnung richtet. Die Komplexität einer solchen Zeitstruktur kann aber, so Rovellis Analyse, durch unsere gewohnte sprachliche Grammatik nicht ausgedrückt werden. Stattdessen müsse man sich darauf beschränken, über Ereignisse und deren jeweilige Beziehungen zu sprechen.

Diese angeblich zeitlose Physik auf kleinsten Skalen wirft für den Leser dennoch Fragen auf - wo es Ereignisse gibt, kann da die Zeit völlig fehlen? Für Rovelli liegt der Schlüssel in einer Konzeption, die dem vor Newton üblichen Verständnis ähnelt. Eine solche Konzeption "braucht keine Zeitvariable: Sie muss uns nur angeben, wie sich die Dinge, die wir in der Welt variieren sehen, jeweils zueinander verändern: welches also die Beziehungen sind, die zwischen diesen Variablen bestehen können." Die Details dieser im Buch relativ knapp behandelten Zeit der Quantengravitation sind für die Lektüre des letzten Teils des Buches aber ohnehin nur bedingt entscheidend, denn die Rückreise zu der Zeit, die Rovelli im ersten Teil seines Buches eliminiert hatte, ist grundsätzlich auch als allgemeines Gedankenexperiment interessant: Woran könnte es liegen, dass wir die Zeit so ganz anders erfahren, als sie von der Physik beschrieben wird? An welchen Stellen im Theoriegebäude der Physik können wir verorten, was wir alltagssprachlich Zeit nennen?

Eine wichtige Rolle spielt für Rovelli hier die Thermodynamik. Ihre Beschreibung makroskopischer Zustände definiert eine Variable, die als thermodynamische Zeit am ehesten dem nahezukommen scheint, was wir unter Zeit verstehen. Als statistische Theorie beruht die Thermodynamik auf unserer Unkenntnis der mikroskopischen Einzelheiten der Welt. Diese Unkenntnis, die darin begründet ist, wie wir als Menschen mit der Welt interagieren, liegt nach Rovelli unserer Zeitempfindung zugrunde. Der überraschende Dreh- und Angelpunkt dieser Argumentation: Die Zeit wird dadurch zu einem Phänomen, das von einer besonderen - nämlich von unserer - Erkenntnisperspektive auf die Welt abhängig wird. Die Entropie als Grundlage des Zeitpfeils wird damit zwar nicht zu einem geistigen Konstrukt, wie Rovelli betont. Gleichwohl wird sie zu einer relativen Größe, und zwar relativ zu unserer makroskopischen Beschreibung des Universums.

Nach dieser Grundlegung taucht Rovelli in den letzten Kapiteln in diejenige Zeit ein, die wir erleben: unsere erfahrene Identität im Laufe der Zeit, unser inneres Zeitbewusstsein und unsere Erfahrung von Vergangenheit und Zukunft. Rovelli zitiert hier Philosophen wie Augustinus, Kant, Husserl oder Heidegger und erläutert, wie er deren Positionen im Lichte seiner eigenen Auffassung versteht. Gerade vor dem Hintergrund der philosophischen Reflexionen, die in zahlreichen Fußnoten mit Referenzen unterfüttert werden, ist Rovellis Idee einer realen, aber perspektivischen Zeit durchaus faszinierend. Es gelingt ihm so tatsächlich, am Schluss seines Buchs wieder dort zu enden, wo er aufgebrochen war: "Am Ende können wir somit anstatt von vielen möglichen Zeiten nur von einer einzigen reden: von derjenigen unserer Erfahrung: gleichförmig, universell, geordnet."

Früheren Bücher war vorgeworfen worden, sie ließen den Leser über die spekulative Natur von Rovellis Schleifen-Quantengravitation im Unklaren. Diesem Vorwurf sucht Rovelli nun vorzubeugen, indem er solide (Relativitätstheorie, Quantentheorie und die Notwendigkeit einer Quantengravitation), plausible (das Fehlen der Zeit in der Schleifen-Quantengravitation) und ungesicherte Ideen (die Ableitung unserer Zeitwahrnehmung) deutlich unterscheidet. Der Leser mag daher selbst entscheiden, an welchem Punkt ihm der Gedankengang zu wenig fundiert, zu nebulös, zu philosophisch abschweifend erscheint. Genügend Anregungen für eigene Reflexionen über die Zeit sowohl in physikalischer als auch in menschlicher Perspektive bietet dieses faszinierende Buch in jedem Fall.

SIBYLLE ANDERL

Carlo Rovelli: "Die Ordnung der Zeit".

Aus dem Italienischen von Enrico Heinemann. Rowohlt Verlag, Reinbek 2018. 192 S., geb., 20,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Rezensent Arno Widmann lässt sich vom Quantengravitationsphysikers Carlo Rovelli zur Suche nach der Wahrheit einladen. Ein Abenteuer, dem Widmann gerne frönt, auch wenn er nicht alles versteht, was der Autor in seinem Buch schreibt. Verlockend scheinen ihm nicht nur Rovellis Ausführungen über Zeit und Raum, sondern auch die Form. Wie das Lesen in einem Roman kommt es Widmann vor, wenn er dem Autor in sein dynamisches Universum folgt, wo er Aristoteles und Newton begegnet und die Zeit eine Konstruktion ist, spannend, Neugierde weckend, aber eben auch so unterhaltsam, dass der Rezensent gar nicht daran denkt, Rovellis Sicht zu überprüfen. Lesen als Chance, Erfahrungen zu machen, die einem fremd sind - mit Rovelli erfüllt sich diese Vorstellung für Widmann auf jeder Buchseite.

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