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"Der Duft von Olivenholz, der Geschmack von Wein und Öl, (...) das Blau, Braun und Grün in der festlichen Kirche. All das trägt ebenso zum Flair dieses Erzählstromes bei wie die (...)Sprache - die in ihrer lyrischen Eigenwilligkeit immer wieder an Rilke erinnert, schrieb." Der Bund über Marica Bodrožics' ungewöhnlich starkes Romandebüt, 'Der Spieler der inneren Stunde'.

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Produktbeschreibung
"Der Duft von Olivenholz, der Geschmack von Wein und Öl, (...) das Blau, Braun und Grün in der festlichen Kirche. All das trägt ebenso zum Flair dieses Erzählstromes bei wie die (...)Sprache - die in ihrer lyrischen Eigenwilligkeit immer wieder an Rilke erinnert, schrieb." Der Bund über Marica Bodrožics' ungewöhnlich starkes Romandebüt, 'Der Spieler der inneren Stunde'.
Autorenporträt
Bodrozic, MaricaMarica Bodrozic, geboren 1973 in Dalmatien, im heutigen Kroatien, lebt als freie Schriftstellerin in Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.02.2008

Ulbricht, schieß den Hirsch

Mit "Tito ist tot" wurde Marica Bodrozic bekannt. Jetzt lässt sie den jugoslawischen Staatschef mit einem sozialistischen Bruder auf die Jagd gehen.

Viele Gegenstände und Figuren, die Marica Bodrozic in den elf Geschichten ihres neuen Erzählungsbandes beschreibt, braucht man in der Wirklichkeit nicht zu suchen: Lichtharfen, Brustlaternen, Traumhüter, Sonnentränken, altkluge Engel. Das war einmal anders. Als die 1973 in Jugoslawien geborene Autorin vor fünf Jahren ihr erstes Buch vorlegte, hatte sie einen wachen Blick für die Realität: "Tito ist tot" - mit diesem Titel wurde sie bekannt. Präzise und mit geheimnisvollen Zügen schilderte die Autorin ihre mediterrane Kindheitswelt in einer für die Leser nördlicher Breiten überraschend bildkräftigen Sprache.

Das neue Buch teilt mit dem Erstling im weiteren Sinne den Schauplatz. Die Erzählungen sind in der von der Bora umwehten kroatischen Inselwelt angesiedelt. Die Namen dieser Inseln, Lopud, Lokrum, Ist, Pag und Brac, gehören zu den raren Wirklichkeitsbezügen. Denn Marica Bodrozic hat sich kräftig vom Boden der Realität abgestoßen und ist mit dem Band "Der Windsammler" in eine surreale Traumwelt geraten, die mythische Züge, magische Momente und winzige Wirklichkeitssplitter so miteinander verbindet, dass es kein Oben und kein Unten mehr gibt. Dies gilt für eine Fülle phantastischer Motive und Handlungsstränge, deren Verknüpfung allein einer märchenhaften Logik folgt: So hilft eine junge Frau mit einem Embryo im Ohr einem Mann ohne Kindheit. Den Weg weist ihr ein Brief, der sich selbständig und wie von Geisterhand fortschreibt. Jede vernünftige Ordnung will Marica Bodrozic auch mit ihrer Sprache hinter sich lassen. Die Worte bleiben nicht an ihrem Platz, die Bezüge in den Sätzen lösen sich, manchmal sagen sie gar nichts mehr, sondern klingen nur hintereinander her. Die willkürlich gewählten Bilder häufen sich und erzeugen eine ermüdende Dauerpoetisierung: "Hier kam niemand vorbei, der nicht längst den Zufall an den Altweibersommer verkauft hatte. Wenn aber hier jemand vorbeikam, dann hatte er großen Hunger nach dem Unterpfand der Bilder."

Die Autorin selbst hat offenbar einen unstillbaren Appetit. Das bestätigt ihre Poetik, die sie in den Erzählungen, vor allem aber in ihren in der Edition Suhrkamp erschienenen Sprachreflexionen "Sterne erben, Sterne färben" darlegt. Allein die metaphorische Sprache ist es, die den Weg in das "Bildland" weist, nach dem die hier versammelten Bienenköniginnen, Eroberer des Wörterbuchs und Wunderkinder suchen, Männer, die des Nachts mit einem Hut den Wind fangen wollen, die sich nicht scheuen, von einem schwarzen Lipizzaner mit Anissternaugen zu träumen und den Erzengel Raphael beschuldigen, dieses Pferd gestohlen zu haben.

"Die Wahrheit hinter der Wahrheit ist eine ganz andere Wahrheit. Auf diese Wahrheit haben die Tiere einen großen Einfluss." Das Reich der Einbildungskraft und Imagination ist in Marica Bodrozics Erzählungsband das eigentlich Wirkliche und steht der Welt der Forscher, Fragebögen und Systeme entgegen. "Die Krone der Schöpfung vergaß das Leben und verstieg sich auf den Verstand." Zu dieser klassischen Vernunftkritik gehört es, die Ratio für alle in diesem Buch auftauchenden Momente von Krieg und Gewalt verantwortlich zu machen. Sie deuten auf die jüngere Geschichte des Landes, um diese gleich wieder symbolisch zu überhöhen. Rettung verspricht allein das Eintauchen in die schöpferische Phantasie, das Traummotiv durchzieht alle Erzählungen, und nicht immer bleibt das kitschfrei.

Diese Gefahr ist in der amüsantesten Geschichte durch die Erzählhaltung gebannt. In "Die Rache des Damhirsches" ironisieren sich phantastische Elemente und verstärkt eingesetzte Realia gegenseitig und erzeugen eine absurde Komik, die angenehm vom sonstigen Streben nach poetischer Tiefe und höherer Einsicht absticht. Walter Ulbricht erschießt bei der gemeinsamen Jagd mit Marschall Tito auf den Brijuni-Inseln einen Damhirsch, der den Staatschef der Deutschen Demokratischen Republik fortan im Schlaf maßregelt. Der Zwölfender, der auch Hollywood-Schauspielern nächtliche Besuche abstattet, um mit ihnen Mathematik zu üben, hat die Besserung der Menschen zum Ziel. Je lustloser Ulbricht seinen Staatsgeschäften nachgeht und je intensiver er sich mit der Hege von Hirschen beschäftigt, desto überzeugender nimmt die Hoffnung der Autorin Gestalt an, dass es die Träume sind, die das Handeln der Menschen bestimmen.

SANDRA KERSCHBAUMER

Marica Bodrozic: "Der Windsammler". Erzählungen. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2007. 285 S., geb., 16,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.11.2007

Hier schießen die Wunder nur so ins Kraut
Gibt es das, eine Überdosis an Poesie? Marica Bodrozics neuer Erzählungsband „Der Windsammler”
Macht ein Autor es sich zum Schreibprogramm, zum Vorhaben, die Welt zu „poetisieren”, alles zu poetisieren, was als Handlung, Sujet, Schauplatz oder Gedanke in ein Buch hinein soll, handelt er sich ein Problem ein, das heißt: Wenn ich alles poetisiere, alles für poetisierbar halte, dann entsteht eventuell eine Gleichförmigkeit, die das Poetische penetrant und alternativlos macht und es geradezu sabotiert. Obendrein: Das „Poetische” kann heute ja nicht ähnlich klingen dem Poetischen von – sagen wir einmal: 1800. Bin ich also als Autor bei einem Text aufs Poetisieren aus, was für eine Sprache wähle ich dann, die nicht einfach ins vage, traditionell Poetische hinübergleitet, ins – das ist ja dann oft die defensiv-offensive Vokabel – Märchenhafte?
Das Poetische in eben diesem Sinn scheint mir das Irritierende an fast allen der elf neuen Erzählungen von Marica Bodrozic zu sein, irritierend umso mehr, als sie eben dieses Poetische bisher noch nie so weit getrieben hat wie in den Erzählungen „Der Windsammler”. 2004 erhielt Marica Bodrozic den Heimito-von Doderer-Preis für ihr hinreißendes Debüt in der deutschen Literatur, den Erzählungsband „Tito ist tot”, worin sie die dalmatinische Landschaft , aus der sie stammt, aufs wärmste leuchten ließ, aus sehnsüchtigem Widerspruch zu der aber eben nicht wegästhetisierten jugoslawischen Realität. Und noch im Frühjahr dieses Jahres veröffentlichte sie eine Erzählung von ihrem Hineinwachsen, ihrem begeisterten Sich-Umtun in der deutschen Sprache, die sie ab ihrem zehnten Lebensjahr zu lernen begonnen hatte. Eine Erzählung? Es war zugleich ein übermütiges Stück Autobiographie und ein Hymnus auf das Glück, in der deutschen Sprache ein Heim, eine Heimat zu finden. Dieser Band „Sterne erben, Sterne färben” war nicht nur deshalb so bewegend, weil der Spracherwerb nicht linguistisch, vielmehr, wie es einer Dichterin geziemt, poetisch geschildert wird, sondern weil unversehens unserer Sprache die Ehre einer Zuneigung, ja Liebe angetan wurde. (Süddeutsche Zeitung vom 20. Juni 2007.) Marica Bodrozics Buch sollte ein Standardwerk sein als Antwort auf die Fragen a): Warum sollte man Deutsch lernen?, und b): Ist die deutsche Sprache schön?
Warum ist man dann aber so verstört bei der Lektüre der neuen Erzählungen? Man lese das Folgende: „Happahs Mantel hat Musik gemacht, die ich nicht hören, aber spüren konnte, also wäre es richtiger zu sagen, ich hatte eine Ahnung von dieser Musik, denn sie sprach zu mir in ihrer eigenen Sprache. Mir ging dieses tanzende Leinen nicht mehr aus dem Sinn, die ganzen Stunden danach, Tage im Grunde, sah ich es vor mir und das Innere dieser Sprache machte in mir eine Welle, die sich im Uhrzeigersinn drehte, so, als seien mir im Lungenbereich neuartige Zeiger installiert worden, vom Südwind, der bloßen Luft oder von wem auch immer.”
Die Blume der Träume
Eine Behauptung, eine bildliche Setzung hätte genügt, doch dann wird unnötig übergenau gesprochen, zu übertreffen gesucht, korrigiert, und schließlich alle poetisch-bildliche Erklärung in ein „von wem auch immer” wieder verflüchtigt. Dabei hat gerade diese Geschichte, „Die Wiederkehr des Esels” – von einem Hirten, der im Zorn seinen Esel erschlug, sich aus Scham selbst umbrachte, noch einmal auf die Erde zurückdarf, um zu bedenken, was denn der „freie Wille” sei – einen intensiven, nicht zu weit gespannten Bogen und mit 16 Seiten eine große erzählerische Ökonomie, aber die angeführte Stelle zeigt die Gefahr einer Verkettung von Bildern, die am Ende eher schwach werden.
Wenn jedes Partikel gleich vom Konkreten ins Poetische, ins Bild, ins Gleichnis, in den Begriff, in leicht paradoxe oder surreale Metaphern gehoben wird, machen sich beim Leser Ermüdungserscheinungen breit, wenn die aus der Lyrik der fünfziger Jahre bekannten Genitiv-Konstruktionen wie „die Werkstatt der Wolken”, die „Blume der Träume” sich häufen; dann gibt es halt die „Windsammler” und die „Brustlaterne” und den „Bildinspektor”, jene Sorte von Poesie also, die zu nichts verpflichtet, weil der Leser, bitt’schön, doch nicht so banausisch sein sollte, die Stimmigkeit, die innere Logik solch Poesien auch noch zu überprüfen und ein Übermaß davon zurückzuweisen.
Aber was soll man machen, wenn es etwa heißt: „Er lebt in keinem Luftschloss, das nicht, sagte die vertraute Stimme, aber er lebt mit verknüpften Sinnen. Die Forscher betrachten täglich ihre Tabellen. Man gab sich Zettel in die Hände, schaute zum Plafond, es wurden Entscheidungen getroffen. Verknüpfte Sinne, das kannten sie nicht. Heilanstalt war das Wort, das die Forscher erst leise, dann mit Nachdruck, wie zur Selbstversicherung aussprachen. Wie alle Wörter, die einmal ausgesprochen sind, entwickelte das Wort seine Wirkung und forderte, eingelöst zu werden. Wörter sind Zauberkundige. Wörter sind Stellvertreter des Menschen.” Marica Bodrozic liefert selbst die Belege dafür, dass es auch eine schöne und durchaus poetische Lakonik gibt, über die sie selbst verfügt, etwa wenn sie die Erzählung „Die Meeresseite der Orange” schließt: „Das ging jedenfalls dem Mann durch den Kopf, der die Meeresseite der Orange zärtlich küsste, bevor er die Frucht aufaß, das Schiff nahm und nach Hause zurückkehrte.” Der Mann war einige Tage auf einer Insel umhergestreift, auf der sich eine Art KZ, eines von Titos KZs, befunden hatte, in dem sein Vater umkam. Undeutlich, aber massiv taucht da harte geschichtliche Realität auf, belastet und gedämpft durch die Unmöglichkeit, genau zu eruieren, was sich abgespielt hat, und doch endet das freudig resolut voll Hoffnung. Dies ist eine der schönsten Erzählungen des Bandes, weil hier nicht immer alles irgendwie „wunderbar” sein darf. Jugoslawien war, von den Nazis bis vor kurzem, so hart und dicht gefüllt von blutiger, realer Gegenständlichkeit, dass eine endlose Re-Poetisierung gar nicht möglich, das zu Erzählende gar nicht komplett abkoppelbar ist von böser Geschichte und hässlicher Realität. Das gar nicht so entfernte Beispiel Handke schreckt auch hier. „Wunderbares” taucht ja immer in der Literatur am überzeugendsten auf an Stellen, wo unerwartet Wunderbares in einem Umschlag aus dem Faktisch-Banalen hervorspringt, nicht da, wo eine grenzenlose Lizenz zum Märchenhaften gegeben ist oder eine ganze Landschaft , ein ganzer Menschenschlag geheiligt wird.
Marica Bodrozic hat sich in diesem „Windsammler” die Freiheit genommen, sich fast ganz von nüchternen Realitäten abzukoppeln. Doch das poetische Feuer entflammt gerade dann, wenn das Erzählen sich am unpoetisch Realen entzündet; wenn der Widerpart fehlt, an dem sich das Erzählte reiben kann, gerät das Erzählen leicht ins verblasen Poetische, unverbindlich Schwärmerische, ja unter eine Art Allegorieverdacht.
Auf den letzten Seiten von „Sterne erben, Sterne färben”, dem Buch von Marica Bodrozics „Ankunft in Wörtern”, und das heißt dann: in deutschen Worten, ist zu lesen, es gebe einen noch unveröffentlichten Roman der Autorin, „Das Gedächtnis der Libellen”. Selten hat mich eine Ankündigung so gespannt gemacht!JÖRG DREWS
MARICA BODROZIC: Der Windsammler. Erzählungen. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2007. 182 Seiten, 16,80 Euro.
Dalmatinische Perspektiven: Wo eine ganze Landschaft poetisch geheiligt wird, kippt das Bild rasch in eine Allegorie um. Foto: Anto Bandov
Marica Bodrozic Foto: Marko Lipus/www.literaturfoto.net
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Ein wenig enttäuscht scheint Jörg Drews von den neuen Erzählungen Marica Bodrozics, einer Autorin, die er sehr schätzt und deren Bücher "Tito ist tot" und "Sterne erben, Sterne färben" bleibenden Eindruck bei ihm hinterlassen haben. Die vorliegenden Erzählungen kranken in seinen Augen allerdings an einer "Überdosis Poesie". Er kann sich des Eindrucks nicht erwehren, Bodrozic führe jedes Wort gleich ins Poetische, ins Bild, Gleichnis, in die surreale Metapher. Sie tut seines Erachtens damit des Guten viel zu viel. Und so stellen sich "Ermüdungserscheinungen" bei ihm ein. Er bedauert, dass sich nicht mehr Erzählungen wie "Die Meeresseite der Orange" in dem Band finden. Hier nämlich stellt die Autorin unter Beweis, das sie auch eine "schöne und durchaus poetische Lakonik" beherrscht.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Marica Bodrozic hat sich kräftig vom Boden der Realität abgestoßen und ist mit dem Band Der Windsammler in eine surreale Traumwelt geraten.« Frankfurter Allgemeine Zeitung