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Leben und Sterben in Stalins Lagern - Erzählungen aus der Hölle des GulagSergej Maximows Erzählband »Taiga« versammelt 23 Erzählungen über das Leben im Gulag unter Stalin. Sie berichten von der tragischen Verhaftung, den Verhören in der Lubjanka, dem erzwungenen Verrat durch Freunde, den Schrecken des Transports in die Lager, von den mörderischen Bedingungen und der Schwere der Arbeit dort. Immer wieder zeigt Maximow, wie Menschen unter den Extremen des Gulags zu Tieren werden - Häftlinge, Aufseher, aber auch sogenannte »Intellektuelle«: Untersuchungsrichter, Lagerleiter ... Doch lässt der…mehr

Produktbeschreibung
Leben und Sterben in Stalins Lagern - Erzählungen aus der Hölle des GulagSergej Maximows Erzählband »Taiga« versammelt 23 Erzählungen über das Leben im Gulag unter Stalin. Sie berichten von der tragischen Verhaftung, den Verhören in der Lubjanka, dem erzwungenen Verrat durch Freunde, den Schrecken des Transports in die Lager, von den mörderischen Bedingungen und der Schwere der Arbeit dort. Immer wieder zeigt Maximow, wie Menschen unter den Extremen des Gulags zu Tieren werden - Häftlinge, Aufseher, aber auch sogenannte »Intellektuelle«: Untersuchungsrichter, Lagerleiter ... Doch lässt der Autor auch die Menschlichkeit durchblicken, die gerade unter den politischen Häftlingen herrscht, und zeigt, wie sie ihre Angst überwinden, sich nicht aufgeben und versuchen ihre Würde zu bewahren.Zwangsarbeit, Hunger, Kälte, Krankheit, Gewalt und Willkür - all das hat Maximow selbst erlebt und beschreibt es in seinen Erzählungen nüchtern, fast beiläufig, was den Schrecken und das Entsetzen beim Lesen umso größer werden lässt.
Autorenporträt
Sergej Sergejewitsch Maximow (1916-1967) wurde an der Wolga geboren, verbrachte seine Jugend in Moskau und in stalinschen Straflagern. Im Krieg verschlug es ihn nach Deutschland, später emigrierte er in die USA. Maximow veröffentlichte Erzählungen, Romane, Essays und Theaterstücke. Aufgrund seiner Biografie wurde er in der Sowjetunion nicht publiziert und geriet in Vergessenheit. Anlässlich seines 100. Geburtstages erschienen sein Roman »Denis Buschujew« und der Erzählband »Taiga« erstmals in Russland.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Kerstin Holm dankt herzlich für diese Ausgabe mit Erzählungen von Sergej Maximow, der den Gulag überlebte und darüber laut Holm mit der Zartheit und Tragik eines Iwan Bunin zu schreiben vermag. In der laut Holm genauen und poetischen Übersetzung von Christine Hengevoß begegnet die Rezensentin tragischen Frauengestalten von betörendem Reiz und lernt, wie sehr der Drang nach Freiheit und der nach Liebe zusammengehören. In anderen Texten führt der Erzähler Holm in die Folterkeller der Lubjanka oder bietet schaurig-komische Haftszenen. Wie Maximow die Schicksale im Band in der sibirischen Landschaft sich spiegeln lässt, scheint Holm bemerkenswert. Ein "instruktives" Glossar dient ihr zur Orientierung.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.10.2020

Dem Straflager entkommt nur der Hochstapler
Sergej Maximows Erzählungsband "Taiga" versammelt meisterliche existentielle Kurzdramen

Die russische Lagerliteratur ist um eine jugendlich rebellische Stimme und einen Meisterdarsteller existentieller Kurzdramen reicher geworden. Der Mitteldeutsche Verlag hat erstmals eine Sammlung von Erzählungen des Schriftstellers Sergej Maximow (1916 bis 1967), der als Student in den GULag und während des Zweiten Weltkrieges bei den deutschen Besatzern in Haft geriet, in einer ebenso präzisen wie poetischen deutschen Übersetzung von Christine Hengevoß herausgebracht. Maximow, der, geboren als Sergej Paschin in einem Dorf am Oberlauf der Wolga, mit seinen Eltern nach Moskau zog, ging noch im Krieg nach Deutschland und später nach Amerika. Seine weitgehend autobiographischen Texte über das Lagerleben in der Republik Komi im Nordural schrieb er im Ausland für ein Emigrantenpublikum. Er hatte Propagandaspruchbänder gemalt, zu fliehen versucht, war fast verhungert - und sich gleichwohl einen lyrischen Sinn für menschliche und Naturschönheiten bewahrt, der vorrevolutionär anmutet und in seiner Verklammerung von Zartheit mit Tragik an Iwan Bunin denken lässt.

An den großen Emigranten und ersten russischen Literaturnobelpreisträger erinnern zumal Maximows Frauengestalten, die ein kurzes Liebesglück mit dem Leben bezahlen. Emphatisch vergegenwärtigt er ihren Reiz, vergleicht etwa den schöngeschnittenen Mund der schwarzäugigen Diebin Galja mit Aphrodite. Galja wurde im Lager, dessen Insassen die Bahnlinie nach Workuta bauten, die Freundin eines strafgefangenen Ingenieurs, begann, rührend für ihn zu sorgen, aber auch zu lesen und sich zu bilden. Doch damit verstieß sie gegen den Kriminellenkodex, der ausschließlich utilitäre Beziehungen zu politischen Häftlingen erlaubte, und wurde einem Prügelritual unterzogen, das sie nicht überstand. Wie sehr der Drang nach Freiheit und der nach Liebe zusammengehören, veranschaulicht eingangs die Geschichte von der jungen Frau, die von Geologen zufällig im Schneetreiben gefunden und gerettet wird. Warum sie mit einem von ihnen die Nacht verbringt, zeigt sich am andern Morgen, als Gefängniswärter mit Hunden anrücken, denen sich die aus einem Lager Geflüchtete durch Selbstmord entzieht.

Maximow war wegen eines unvorsichtigen Witzes 1936 denunziert und verhaftet worden. In der Erzählung "Odyssee eines Arrestanten" schildert er die Verhöre und Folter im Moskauer Lubjanka-Keller, dem Hauptquartier des Inlandsgeheimdienstes NKWD, die penible Leibesvisitation durch einen sadistischen Subalternen vom verbreiteten Typ "Popka" (zu Deutsch: "kleiner Arsch"), der ihm Gürtel und Schnürsenkel abnahm, weil der Häftling nicht durch Freitod der Justiz entkommen durfte, aber auch von dem Kommilitonen, der folgsam als Belastungszeuge auftrat, um nicht selbst in der Lubjanka zu landen.

Maximows eigener Fluchtversuch aus dem Lager, bei dem einer aus seiner Fünfergruppe gleich beim Ausbruch erschossen wird, liest sich wie ein Filmdrehbuch. Auf den euphorischen Moment, in dem er sich frei fühlt wie ein Waldvogel und der kriminelle Kamerad schon von neuen Raubzügen träumt, folgt die Panik vor den Häschern des Lagers, mit denen die syrjänischen Ureinwohner kollaborieren und die die Flüchtigen bald einfangen, wobei sie noch einen von ihnen töten. Dem Straflager entkommt allein ein charmanter Hochstapler. Die Figur des gewinnenden Afrikan Adolfowitsch Zetkin, der schon als Neffe von Clara Zetkin, als Sohn von Maxim Gorki, Stiefbruder von Ernst Thälmann und Ururenkel von Michail Lermontow Geld "verdiente", könnte einem Roman der sowjetischen Satiriker Ilja Ilf und Jewgeni Petrow entsprungen sein. Piekfein kostümiert und einen freien Vortragsexperten mimend, lässt er sich bis zum nächsten Fährhafen chauffieren.

Trotz seines tragischen Stoffes und der enggetakteten Sterbeszenen besticht das Buch auch durch Maximows Blick für die schaurig-komischen Seiten der menschlichen Natur. So wird das sich stetig füllende Leichenhaus von lebenslustigen Kriminellen als Schutzraum fürs nächtliche Stelldichein genutzt. Der Autor schildert die Gewalttätigkeit dieser Häftlingskategorie, die bei der Essensausgabe folglich besser wegkommt als die Politischen, aber auch ihre kindlichen Gemüter. Der Chronist erringt besondere Ehren und Essensrationen von den Gaunern als "Märchenerzähler", der sie mit Abenteuergeschichten in eine phantastische Gegenwelt zu entführen vermag. Die Aufseher mögen die amüsanten Ganoven entschieden lieber als die für politische Vergehen verurteilten "Langweiler". Als aber ein Sträflingstheater gegründet wird, verstößt der luxusaffine NKWD-Hauptmann gegen den Moskauer Erlass, dafür nur Kriminelle zu engagieren, weil er, wie er sagt, Gesichter auf der Bühne sehen wolle, keine Visagen.

Weil er der Lagerleitung vorlügt, er sei Schauspieler, kommt Maximow in die Truppe verurteilter Bühnenkünstler unter der Leitung des Regisseurs Alexander Gawronski (1888 bis 1958), die sich für kurze Zeit einmal ihrer Profession widmen und in Ermangelung anderer Texte das beziehungsreiche Stück "Die Sintflut" des Schweden Henning Berger aufführen konnte, dessen Helden im Angesicht des Todes menschliche Größe gewinnen, sie nach überstandener Gefahr aber sogleich wieder verlieren. Als bildender Künstler verdingt er sich in einem Frauenlager, deren dicke Kommandantin ihn fürs eigene Porträt üppig verpflegt, die hungrigen Insassinnen aber nur mit Propagandatafeln zur Arbeit motivieren lässt. Zugleich verzeichnet er immer wieder unerwartete Anwandlungen von Barmherzigkeit und Humanität, so ausgerechnet bei dem jungen NKWD-Ermittler, der seinen Fluchtversuch milde ahndet und anordnet, die Wiedereingefangenen besser zu füttern.

Die Schicksale finden Echo und Widerschein in der ebenso rauhen wie beseelten sibirischen Waldlandschaft, wo bleiche Birken wie Trauerkerzen aufragen, Sturmgeheul die Toten aussegnet und Schilfhalme miteinander flüstern. Eine biographische Skizze und ein instruktives Glossar vervollständigen die Publikation, deren Verdienste einige Flüchtigkeitsfehler nicht mindern.

KERSTIN HOLM.

Sergej Maximow: "Taiga". Erzählungen aus dem Gulag.

Mitteldeutscher Verlag, Halle 2020. 302 S., br., 20,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Die russische Lagerliteratur ist um eine jugendlich rebellische Stimme und einen Meisterdarsteller existentieller Kurzdramen reicher geworden.« Kerstin Holm, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 6. Oktober 2020 »Jede Erzählung trägt eine finstere und ausweglose Wahrheit mit sich.« Annika Grützner, Read Ost, 5. Februar 2021 »In Maximows Geschichten finden sich behutsame Charakterstudien, die hinter das Offensichtliche blicken, ohne voyeuristisch zu wirken. Mit feiner Ironie bringt Maximow den Leser zum Lachen und in nächster Sekunde durch drastische Wendungen zum Weinen.« Hanna Schneck, :logbuch Kreuzer, Herbst 2020 »Und auch wenn eigentlich das Grauen überwiegt, sind Maximows Geschichten nicht deprimierend, erinnern eher an Tschechows Geschichten aus der Steppe, in denen sich das Menschliche in immer neuer Gestalt zeigt und in erstaunlich lebendigen Farbtönen.« Ralf Julke, Leipziger Internet Zeitung, 25. August 2020