Críticas:
Was geschieht, wenn man sich nicht in dieser Weise politisch korrekt verhält, mussten die Herausgeberinnen eines anderen Buches erleben. Mein Land verschwand so schnell... ist aus einer Lehrveranstaltung an der Universität Jena hervorgegangen: Die Studenten führten Interviews mit Ostdeutschen, die von ihrem Leben in der DDR erzählen und davon, wie sie das Ende der DDR wahrnahmen. Ursprünglich hatte die Thüringer Landeszentrale für politische Bildung zugesagt, diesen Band mit sechzehn Gesprächen zu veröffentlichen. Doch das Manuskript war der Landeszentrale politisch nicht recht. Der Betreuer des Projekts monierte, dass einige Befragte Wörter wie Kapitalismus und Klassengesellschaft benutzten. Anstelle von Kapitalismus sollten die Herausgeberinnen das Wort Marktwirtschaft einsetzen, das Wort Klassengesellschaft dürfe überhaupt nicht vorkommen. Auch kritische Äußerungen über den Verlauf des Umsturzes 1989 und die Wiedervereinigung sollten gestrichen werden. Außerdem bemängelte die Landeszentrale, dass zu viele ehemalige SED-Mitglieder befragt worden seien. Die sechzehn Gespräche sind allesamt sehr lesenswert. Sie zeigen, was oral history vermag: Mit einfühlsamen, klugen Fragen haben die Studenten ihre Gesprächspartner dazu animiert, anschaulich darzustellen, was es hieß, in diesem Staat zu leben, der 1990 zu existieren aufhörte. Dem Weimarer Taschenbuchverlag ist zu danken, dass dies Buch am Ende doch noch erschienen ist. (Franziska Augstein, Süddeutsche Zeitung, 2. Oktober 2009)
Reseña del editor:
Die DDR im Jahr 1989: Ein frisch gekürter Kulturstadtrat (einer Kleinstadt) fügt sich ratlos und verzweifelt einer Anweisung zur Wahlmanipulation. Ein Elektromonteur, der nie auffallen wollte, weil sein Vater in Bautzen inhaftiert war, stellt zum Zeichen des Protestes jeden Abend Kerzen in seine Fenster. Ein Schriftsteller fährt in die Sowjetunion, weil er Glasnost und Perestrojka studieren will, und erlebt den Fall der Berliner Mauer an einem flackernden Bildschirm. Studierende am Historischen Institut der FSU Jena fragten im Jahr 2008 sechzehn Männer und Frauen, die ihre Eltern oder Großeltern hätten sein können, nach deren Lebensgeschichten und nach jener entscheidenden Zäsur am Ende der Achtzigerjahre, die heute meist Wende genannt wird und die alle ostdeutschen Biografien in der Rückschau unweigerlich in ein Vorher und ein Nachher teilt. Die Geschichten, die ihre Interviewpartner ihnen erzählten und die hier aufgezeichnet sind, entziehen sich meist einfachen Zuordnungen. Es handelt sich um sechzehn ganz unterschiedliche Perspektiven auf das Leben im ostdeutschen Staat und auf die Jahre 1989/90, aufregend und alltäglich zugleich, weder schwarz noch weiß, sondern mit vielen Abstufungen von Farbund Grautönen. Ein spannendes Stück Zeitgeschichte aus der subjektiven Sicht der Betroffenen.
„Über diesen Titel“ kann sich auf eine andere Ausgabe dieses Titels beziehen.