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Der Staatssekretär im Reichsministerium des Innern Wilhelm Stuckart (1902-1953) war einer der wichtigsten juristischen Interpreten und Legitimatoren des NS-Staates. Als Mit-Autor der Nürnberger Rassegesetze goss er dessen biologistische Grundlagen in Gesetze und begleitete später die Vorbereitungen zum Genozid. Im Frühjahr 1942 vertrat er auf der Endlösungskonferenz am Wannsee sein Ressort. Nach dem Krieg gehörte Stuckart zu den Schöpfern der Legende von der "sauberen Verwaltung", die sich den rassistischen Ansprüchen der NS-Machthaber widersetzt habe. Die biographische Auseinandersetzung mit…mehr

Produktbeschreibung
Der Staatssekretär im Reichsministerium des Innern Wilhelm Stuckart (1902-1953) war einer der wichtigsten juristischen Interpreten und Legitimatoren des NS-Staates. Als Mit-Autor der Nürnberger Rassegesetze goss er dessen biologistische Grundlagen in Gesetze und begleitete später die Vorbereitungen zum Genozid. Im Frühjahr 1942 vertrat er auf der Endlösungskonferenz am Wannsee sein Ressort. Nach dem Krieg gehörte Stuckart zu den Schöpfern der Legende von der "sauberen Verwaltung", die sich den rassistischen Ansprüchen der NS-Machthaber widersetzt habe. Die biographische Auseinandersetzung mit Stuckart belegt nicht nur die prägende Funktion von führenden Juristen in der NS-Verwaltung, sie untersucht auch die Rolle der Innenverwaltung und ihre Mitwirkung am Genozid.

Hans-Christian Jasch, geboren 1973, Jurist, ist Regierungsdirektor im Bundesministerium des Innern, langjähriger freier Mitarbeiter in der Gedenkstätte Haus der Wannseekonferenz in Berlin und arbeitete von 2007 bis 2011 als entsandter nationaler Experte bei der Europäischen Kommission in Brüssel.
Autorenporträt
Hans-Christian Jasch, geboren 1973, Jurist, Regierungsdirektor im Bundesministerium des Innern, langjähriger freier Mitarbeiter in der Gedenkstätte Haus der Wannseekonferenz in Berlin, arbeitete von 2007 bis 2011 als entsandter nationaler Experte bei der Europäischen Kommission in Brüssel.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.04.2012

Der normale Beamte
Hans-Christian Jasch über einen
NS-Täter in gehobener Position
Diesem Buch – viel zu teuer, in einem wissenschaftlichen Verlag erschienen – droht das übliche Schicksal: dass es in einer Handvoll Bibliotheken verstaubt. Und dabei hätte es alle Aufmerksamkeit verdient. Der Autor Hans-Christian Jasch, selber ein Beamter, hat sich Leben und Wirken eines typischen deutschen Beamten vorgenommen, eines Rechtsanwalts und Richters, der im Innenministerium des „Dritten Reiches“ rasch zum Staatssekretär aufstieg und es von 1943 an, als es von Heinrich Himmler übernommen wurde, faktisch führte.
Dieser Wilhelm Stuckart, der an der Entstehung der „Nürnberger Gesetze“ beteiligt war und sie zusammen mit dem Oberregierungsrat Hans Globke kommentierte, dieser Stuckart, der früh in die NSDAP eingetreten war und in der SS den Rang eines Obergruppenführers erreichte, der an der Wannseekonferenz teilnahm und die Tötung angeblich minderwertigen Lebens so fanatisch unterstützte, dass er sogar sein eigenes Kind in die Mordmaschine gab, weil dieser Sohn den Standards des staatlichen Rassewahns nicht entsprach, dieser mustergültige Beamte konnte sich nach Kriegsende auf ein Entlastungskartell von Kollegen verlassen, die ihrerseits auf die Fortsetzung ihrer Laufbahn in der endlich demokratischen Bundesrepublik hoffen durften. Globke brachte es zum Staatssekretär Adenauers, für den er erfolgreich und beamtenfleißig die Geschäfte führte.
Sein ehemaliger Vorgesetzter Stuckart, den Jasch als „juristischen Täter“ be-greift, war ein gewöhnlicher Rassist und stritt nach 1945 eine Kenntnis vom Massenmord ab. Dafür wurde er als „Mitläufer“ eingestuft und zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt, die er mit Rücksicht auf seine angegriffene Gesundheit nicht antreten musste. Ehe er noch aktiver in der NS-Nachfolgepartei SRP werden konnte, starb Stuckart 1953 bei einem Unfall, allerdings nicht, ohne sich noch beamtenrechtliche Versorgungsbezüge erstritten zu haben.
Jasch lässt in seinem Buch größte Gerechtigkeit walten, er billigt Stuckart zu, dass ihn manchmal doch das Gewissen schlug; aber er kann nicht anders, als in Stuckart den typischen Beamten zu sehen, der karrierebewusst mitmachte und hinterher das Schlimmste verhindert haben wollte.
WILLI WINKLER
HANS-CHRISTIAN JASCH: Staatssekretär Wilhelm Stuckart und die Judenpolitik. Der Mythos von der sauberen Verwaltung. Oldenbourg, München 2012. 536 Seiten, 74,80 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.08.2012

Advokat der Ausgrenzung und Verfolgung
Staatssekretär Wilhelm Stuckart, das Reichsinnenministerium und die nationalsozialistische Judenpolitik

Der Mythos vom sauberen Beamtenapparat im NS-Staat bröckelt nicht nur, nein, er stürzt ein. Das zeigen neuere Untersuchungen, die sich der "normalen Verwaltung" widmen. Der Jurist und langjährige freie Mitarbeiter der "Gedenkstätte Haus der Wannsee-Konferenz" in Berlin, Hans-Christian Jasch, befasst sich mit der Rolle des Reichsministeriums des Inneren in der Judenpolitik 1933 bis 1945, und zwar fokussiert auf die Person des Staatssekretärs Stuckart. Jasch legt überzeugend dar, dass die Nationalsozialisten gerade "solcher Akteure" bedurften, "die Eigeninitiative entwickelten und antizipierten, was die Führung von ihnen wollte".

Wilhelm Georg Josef Stuckart, 1902 in Wiesbaden geboren, gehörte einer Generation an, die für die Teilnahme am Ersten Weltkrieg zu jung war, aber das volle Ausmaß der Kriegsfolgen an der Schwelle zum Erwachsenenalter erlebte. Der Jurist war dem Nationalsozialismus schon vor der "Machtergreifung" zu Diensten, indem er beispielsweise in Stettin SA-Leute verteidigte. Der völkischen Bewegung hatte er sich bereits Anfang der 1920er Jahre angeschlossen, der NSDAP trat er 1930 heimlich ("unter dem Namen seiner Mutter") bei. Als die neuen Machthaber 1933 einen Mangel an "fähigen" Juristen in den Ministerien feststellten, stieg Stuckart rasch auf - so rasch, dass er als Staatssekretär im Preußischen Kultusministerium im Herbst 1933 wegen Überarbeitung sechs Wochen pausieren musste.

Im Preußischen Kultusministerium wirkte er maßgeblich an der Anwendung des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums mit. Durch das Gesetz konnten Stuckart und seine Mitarbeiter jüdische und politisch missliebige Beamte vom Dienst suspendieren; so musste in Berlin fast ein Drittel des Lehrpersonals die Friedrich-Wilhelms-Universität verlassen. Dass Stuckart der "richtige" Mann für diese Aufgabe war, beweist auch sein 1934 erschienenes Büchlein "Geschichte und Geschichtsunterricht". Hier empfahl er, die "biologischen, seelischen und geistigen Rassemerkmale und Rassewerte der nordischen Rasse in ihrer geschichtsbildenden Kraft" im Unterricht zu thematisieren.

Aufgrund seines Zerwürfnisses mit Reichserziehungsminister Bernhard Rust wechselte Stuckart das Ressort. Im März 1935 wurde er Leiter der Abteilung I - Verfassung und Gesetzgebung - im Reichs- und Preußischen Ministerium des Inneren, das Wilhelm Frick unterstand. Stuckart durfte in dieser Funktion den Titel des Staatssekretärs weiter führen. Als willfähriger juristischer Vollstrecker der nationalsozialistischen Ideologie konnte er trotz schrumpfenden Einflusses seiner Abteilung innerhalb des NS-Staats die Zuständigkeit für "Rasserecht und Rassepolitik", "Reichsbürgerrecht, Reichs- und Staatsangehörigkeit" sowie "Wehrmacht und Reichsverteidigung" an sich ziehen.

1935 war er federführend an der Ausarbeitung der Nürnberger Rassegesetze beteiligt, somit daran, der Judenverfolgung einen rechtlichen Rahmen zu geben. In seinen Aufgabenbereich fiel die "Sortierung" der deutschen Juden in "Halbjuden", "Volljuden" und "Dreivierteljuden". Gemeinsam mit Hans Globke - dem späteren Chef des Bundeskanzleramtes während der Adenauer-Ära - verfasste er den ersten Kommentar zu den Rassegesetzen, der, wie Globke nach dem Kriege behauptete, "einer extensiven Auslegung der Gesetze durch die Partei und die von ihr beeinflussten Behörden" entgegenwirken sollte. Jasch bezweifelt das.

Wie schon in seiner Amtszeit als Staatssekretär im Preußischen Kulturministerium beteiligte sich Stuckart auch wieder an der Durchführung der von ihm mitgestalteten antijüdischen Gesetze. Als "Präsident des Reichsausschusses zum Schutze des deutschen Blutes" entschied er, ob "Halbjuden" als "ehewürdig" galten oder nicht. Der Ausschuss tagte während seines Bestehens bis 1937 insgesamt nur zwölfmal, wobei die meisten Anträge abgelehnt wurden oder Uneinigkeit über die Auslegung der Fälle herrschte.

Während der Wannsee-Konferenz wurde auch die "Mischehe" abgeschafft - in Anwesenheit von Stuckart, der bei dieser von Reinhard Heydrich einberufenen Konferenz am 20. Januar 1942 mit Kollegen aus anderen Ressorts und SS- Dienststellen in nur anderthalb Stunden das weitere Vorgehen bei der "Endlösung der Judenfrage" abstimmte. Die nach dem Zweiten Weltkrieg und in dem Spielfilm von Frank Pierson über "Die Wannsee-Konferenz" (2001) verbreitete Legende, Stuckart habe angeregt, die "Halbjuden" zu sterilisieren, statt zu deportieren, ist nicht zu belegen. Vielmehr sicherte Stuckart mit seinen Rechtsvorschriften die Schoah ab. Jasch legt nahe, dass Stuckart bereits während seiner Mitarbeit am Euthanasieprogramm, als er 1939 in Vertretung von Frick den Erlass zur "Meldepflicht über missgestaltete Neugeborene" unterzeichnete, eine Vorstufe zum Holocaust beschritt. Nach Angaben von Stuckarts drittem Sohn Rüdiger Stuckart soll der Staatssekretär seinen eigenen zweitgeborenen Sohn Gunther dem "Euthanasiearzt" Professor Werner Catel überlassen haben.

Während des Wilhelmstraßen-Prozesses in Nürnberg 1948/49 leugnete Stuckart, von dem Massenmord an den Juden gewusst zu haben (der Begriff "Endlösung" sei während der Wannsee-Konferenz nie erläutert worden); allerdings hatte er 1941 zu dem Ministerialrat im Reichsinnenministerium Bernhard Lösener gesagt, dass man die weltgeschichtliche Notwendigkeit einsehen müsse und nicht ängstlich fragen dürfe, ob denn gerade dieser oder jener Jude, den "das Schicksal ereile", persönlich "schuldig" sei.

Auch Globke, der zugunsten seines früheren Chefs Stuckart als Zeuge im Wilhelmstraßen-Prozess auftrat, bestätigte, dass die "Ausrottung der Juden systematisch vorgenommen worden" sei, was er selbst jedoch nicht als Genozid erkannt habe. Insofern erscheint es wenig glaubwürdig, dass ausgerechnet der Karrierist Stuckart nichts von der Judenvernichtung mitbekommen haben wollte, zumal er bis zum Ende der nationalsozialistischen Diktatur immer höher aufstieg. Als Hitler im August 1943 Frick als Reichsinnenministers ablöste und durch Himmler ersetzte, wurde aus dem Titularstaatssekretär Stuckart der "Staatssekretär des Innern". Im Mai 1945 amtierte er in der 23-Tage-Regierung Dönitz als Reichsminister des Inneren. Vor der Absetzung am 23. Mai 1945 hatte er versucht, die Legitimität der Regierung Dönitz aus den umfassenden Vollmachten Hitlers abzuleiten und den Fortbestand des Deutschen Reiches politisch-völkerrechtlich zu begründen.

Die amerikanischen Richter im Wilhelmstraßen-Prozess verurteilten Stuckart 1949 zu drei Jahren, zehn Monaten und zwanzig Tagen Haft, die durch seine Internierung als verbüßt betrachtet wurde. Zu verdanken hatte er das milde Urteil einem Zusammenschluss ehemaliger Mitarbeiter des Reichsinnenministeriums, den Jasch treffend als "Leugnungskartell" beschreibt. Dieses wirkte bis in die frühe Bundesrepublik, als sich Kanzleramtschef Globke mit seiner Vergangenheit im "Dritten Reich" konfrontiert sah.

Stuckart, 1950 als "Mitläufer" entnazifiziert, musste sich noch in Sühneverfahren verteidigen. Wegen seiner Rolle in der Judenpolitik und der Teilnahme an der Wannsee-Konferenz verhängte die Berliner Spruchkammer eine Geldstrafe von 54 400 DM gegen ihn. Kurz darauf sprach ihm aber das Verwaltungsgericht Hannover "ruhegehaltsfähige Dienstbezüge in Höhe der Gruppe B 5 der Reichsbesoldungsordnung" zu. Davon profitieren konnte er nicht mehr: Er verunglückte Ende 1953 tödlich.

CHARLOTTE JAHNZ

Hans-Christian Jasch: Staatssekretär Wilhelm Stuckart und die Judenpolitik. Der Mythos von der sauberen Verwaltung. Oldenbourg Verlag, München 2012. 534 S., 74,80 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Charlotte Jahnz scheint diese Buch des Juristen und langjährigen Mitarbeiters der Gedenkstätte Wannsee-Konferenz, Hans-Christian Jasch gut zu gefallen. Dass der Autor einmal mehr aufräumt mit dem Mythos des sauberen Beamten im NS-Staat, indem er das Reichsinnenministerium zwischen 1933 und 1945 in den Fokus der Betrachtung rückt und besonders die Person des Staatssekretärs Wilhelm Stuckart, hält Jahnz nur für billig. Im Verlauf der Lektüre erkennt sie nicht nur, wie sehr die Nationalsozialisten auf die Eigeninitiative williger Beamten angewiesen waren, sondern auch, dass Stuckart maßgeblich am Entwurf der Rassegesetze beteiligt gewesen ist. Dass er dafür kaum je zur Verantwortung gezogen wurde, schmerzt umso mehr.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Dieses Buch muss jeder lesen, der glaubt, es hätten nur wenige Nazis die Morde geplant." The European Circle, 01.03.12