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Vor 25 Jahren, von April bis Juli 1994, fielen in Ruanda hunderttausende Menschen einem Völkermord zum Opfer, während die Welt zusah. Seither ist das Land, das für viele vormals nur ein Name auf der ostafrikanischen Landkarte gewesen war, zum Inbegriff für einen landesweiten Massenmord geworden. Aber es steht auch für einen staatlichen Wiederaufbau, der Respekt abnötigt. Doch so beeindruckend der Fortschritt auch ist, die Vergangenheit verlangt nach Antworten, die sich nicht in Verweisen auf die wirtschaftliche Entwicklung, die verbesserte medizinische Versorgung oder die erfolgreiche…mehr

Produktbeschreibung
Vor 25 Jahren, von April bis Juli 1994, fielen in Ruanda hunderttausende Menschen einem Völkermord zum Opfer, während die Welt zusah. Seither ist das Land, das für viele vormals nur ein Name auf der ostafrikanischen Landkarte gewesen war, zum Inbegriff für einen landesweiten Massenmord geworden. Aber es steht auch für einen staatlichen Wiederaufbau, der Respekt abnötigt. Doch so beeindruckend der Fortschritt auch ist, die Vergangenheit verlangt nach Antworten, die sich nicht in Verweisen auf die wirtschaftliche Entwicklung, die verbesserte medizinische Versorgung oder die erfolgreiche Armutsbekämpfung erschöpfen. Opfer fordern weiterhin die Anerkennung des ihnen zugefügten Unrechts, eine immer noch gespaltene Gesellschaft wartet auf Erklärungen, die Sprachlosigkeit und Ausgrenzung überwinden helfen.Gerd Hankel verfolgt seit vielen Jahren die Entwicklung Ruandas. Er beschreibt, wie das Land wahrgenommen werden will - und wie es ist. Das verkürzte und aktualisierte Lesebuch zu Hankels 2016 erschienener Studie »Ruanda. Leben und Neuaufbau nach dem Völkermord. Wie Geschichte gemacht und zur offiziellen Wahrheit wird«.
Autorenporträt
Gerd Hankel, Gerd Hankel, M. A., Dr. jur., geboren 1957, studierte an den Universitäten Mainz, Granada und Bremen. Seit 1993 ist er freier Mitarbeiter des Hamburger Instituts für Sozialforschung, seit 1998 wissenschaftlicher Angestellter der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur. Er ist Autor zahlreicher Beiträge zum humanitären Völkerrecht, zum Völkerstrafrecht und zum Völkermord in Ruanda, dessen juristische Aufarbeitung er seit 2002 untersucht.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.07.2019

Sühne nach
Kagame-Art
Gerd Hankel beleuchtet die Zeit
seit dem Völkermord in Ruanda
Afrika, ein hoffnungsloser Fall, geplagt von Krisen, Kriegen und Katastrophen, oder Afrika als Chancenkontinent. Ruanda erscheint als Paradebeispiel für beide Narrative – mit dem grausamen Völkermord vor 25 Jahren, mit dem Wirtschaftswachstum, der Modernisierung und den guten Aufstiegsmöglichkeiten für Frauen in der Zeit danach.
Der Völkerrechtler Gerd Hankel hält von beiden Schablonen nichts. In seinem Buch „Ruanda. 1994 bis heute. Vom Umgang mit einem Völkermord“, einer Lesefassung seiner ausführlicheren Studie von 2016, plädiert er für einen differenzierteren Blick. Vor allem macht er deutlich, dass die Entwicklung des Landes seit 1994 nicht als Erfolgsgeschichte angesehen werden sollte.
Eher knapp schildert er den Verlauf des Völkermords, die hundert Tage von April bis Juli 1994, in denen Hunderttausende Angehörige der Minderheit der Tutsi und moderate Hutu ermordet wurden. Während die Vereinten Nationen von 800 000 Toten sprechen, weist Hankel darauf hin, wie schwer es ist, die Zahl der Opfer präzise zu benennen. Er geht von mindestens 500 000 Getöteten aus, von denen eine Vielzahl „mit der Machete zu Tode gehackt, mit der Keule erschlagen“ wurden. Dazu kommen Hunderttausende Frauen und Mädchen, die vergewaltigt wurden.
Ausführlicher widmet sich der Autor der Aufarbeitung der Verbrechen. Das macht sein Buch für die Gegenwart so wertvoll. Hankel beschreibt den immensen Aufwand, mit dem in Ruanda die Gacaca-Gerichte betrieben wurden. Bis 2012 ahndeten 130 000 Laienrichter in einzelnen Dörfern und Städten Verbrechen, Opfer kamen zu Wort, im besten Falle sollte der Mix aus Strafe und Amnestie Versöhnung ermöglichen. Ein beachtliches Unterfangen, doch Hankel begnügt sich nicht mit dem Urteil, Ruanda habe das für afrikanische Verhältnisse ganz gut hinbekommen. Er schaut genauer hin. Und da fällt auf, dass Verbrechen der vom heutigen Präsidenten Paul Kagame geführten Guerilla-Armee FPR vollständig ausgeklammert wurden. Das gilt im Wesentlichen ebenso für die Arbeit des Internationalen Strafgerichtshofs für Ruanda.
Auch den wirtschaftlichen Aufbruch des Landes und das Streben nach Gleichberechtigung unter der Herrschaft Kagames hält der Autor für zweifelhaft, solange das Regime menschenrechtliche Mindeststandards unterläuft. Hankel wirft selbst die Frage auf, ob dies nicht eher pingelige Kritik an einer ansonsten wohlmeinenden Entwicklungsdiktatur ist. Seine Antwort ist ein klares Nein, und dafür hat er ein zentrales Argument: Ruandas Menschenrechtsverstöße im Nachbarland Kongo. Diese seien so massiv und so gut belegt, dass sie jeden vermeintlichen Fortschritt entwerteten.
Der Autor ist so klar in seiner Haltung, dass für Grautöne etwas zu wenig Platz bleibt. Seine Vorbehalte gegenüber dem neuen Ruanda sind jedoch berechtigt, solange Präsident Kagame nicht von der absoluten Macht lässt, für die er auch über Leichen geht. Dafür gibt es bislang jedoch keine Anzeichen.
MORITZ BEHRENDT
Gerd Hankel: Ruanda 1994 bis heute. Vom Umgang mit einem Völkermord. Verlag Zu Klampen, Springe 2019. 160 Seiten, 16 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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»Hankel verfolgt die Entwicklung Ruandas. Er beschreibt, wie das Land wahrgenommen wird - und wie es ist.« AOL-Bücherbrief, Nr. 100, Jg. 38/19

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.04.2024

Der Horror der Todesschwadronen
Ein Buch über den Völkermord in Ruanda vor 30 Jahren und die Folgen für das afrikanische Land

Nach dem Tod der Präsidenten von Burundi und Ruanda droht ein Bürgerkrieg" lautete die Überschrift in der F.A.Z. am 8. April 1994. Zwei Tage zuvor war ein Flugzeug mit dem ruandischen Präsidenten Juvenal Habyarimana und seinem burundischen Amtskollegen Cyprien Ntaryamira über Kigali abgeschossen worden. Dass dieses Ereignis zu einer der größten Tragödien in der jüngeren Geschichte führen sollte, war noch nicht zu erahnen. Doch schon einen Tag nach dem Abschuss begann ein rasend schneller Völkermord. In 100 Tagen, zwischen April und Juli, wurden in Ruanda Hunderttausende Menschen auf bestialische Weise umgebracht. Die Opfer waren vor allem Tutsi, die Täter stammten wie der getötete Präsident aus der Bevölkerungsgruppe der Hutu, der mit Abstand größten des Landes. Sie hatte nach der Unabhängigkeit des Landes das Sagen.

An das dunkle Kapitel der Geschichte wird in Ruanda jedes Jahr gedacht. In diesem Jahr, zum 30. Jahrestag des Beginns des Völkermordes, ist die Aufmerksamkeit besonders groß. Die Zeitung "New Times" kündigte hochrangige internationale Besucher an, aus den Vereinigten Staaten wird Bill Clinton mit einer Delegation anreisen. Für Clinton ist es ein schwieriger Besuch, denn die Vereinigten Staaten wie die übrige internationale Gemeinschaft hatten damals nichts unternommen, um den Völkermord effektiv zu stoppen.

"Nicht einmal eine Stunde später waren Straßensperren errichtet und die Todesschwadronen begannen, gezielt Menschen zu ermorden", so beschreibt Gerd Hankel in einer überarbeiteten Neuauflage seines 2019 erschienenen Buchs "Ruanda. 1994 bis heute", wie sich die Ereignisse danach überschlugen. Der deutsche Völkerrechtler hat das Land seit 2002 mehrere Male bereist, hat dort mit Männern, Frauen, Kindern gesprochen, hat die vielen Gedenkstätten besucht, an den jährlichen Trauerfeiern teilgenommen und sich mit Geschichte und Kultur intensiv befasst.

In packender Weise beschreibt er in diesem Buch zunächst wie in einer Reportage seine Eindrücke, faktenreich, präzise, aber trotzdem nah an den Menschen. Das Ausmaß der Gewalt ist bis heute nicht vorstellbar. Doch aus den Schilderungen seiner Gesprächspartner erhält der Leser ein vielschichtiges Bild der Ereignisse, der Angst, der Fassungslosigkeit und die heutige Sicht vieler Menschen in einem Land, das Touristen meist nur wegen der dort lebenden Gorillas besuchen.

30 Jahre später wird Ruandas Genozid häufig holzschnittartig dargestellt, vor allem Szenen aus dem Kinofilm "Hotel Ruanda" dürften viele noch im Gedächtnis haben. Wie komplex die Hintergründe dieses Völkermords gewesen sind, lässt sich erahnen, wenn der Autor etwa gleich zu Beginn des Buches erwähnt, dass auch sehr viele Hutu dem Morden zum Opfer gefallen seien, denn längst nicht alle Hutu seien mit dem Massenmord einverstanden gewesen. In einem späteren Kapitel beschreibt er die Vorgeschichte des Konflikts zwischen den Ethnien, der weit in die Vergangenheit, noch in vorkoloniale Zeiten, zurückreicht. Jahrhundertelang hatte die Tutsi-Minderheit das Sagen, auf die sich später auch die belgische Kolonialmacht stützte. Das verstärkte die Spannungen.

Dem Autor, der zahlreiche Beiträge zum Völkerrecht verfasst hat, geht es in dem Buch jedoch um mehr als die Erinnerung an den Völkermord und die äußerst schwierige juristische Aufarbeitung ("eine verpasste Chance"). Das verrät schon der Untertitel "Vom Vorhof der Hölle zum Modell für Afrika - Wahrheit und Schein in Ruanda". Ruanda wird manchmal mit dem Etikett "die Schweiz Afrikas" versehen, weil die Straßen in der Hauptstadt Kigali pieksauber sind, weil die Verwaltung funktioniert und sich die Menschen kaum über Kriminalität Gedanken machen müssen. International ist das Land ein umworbener Partner in Afrika, ob es um Impfstoffproduktion, UN-Friedensmissionen oder um die mögliche Aufnahme von Asylbewerbern geht.

Hankel spricht von einer "eindrucksvollen Bilanz", blickt aber auch hinter die glatte Fassade des von Präsident Paul Kagame mit harter Hand geführten Staates, erwähnt die Verfolgung von Oppositionellen, schreibt an einer Stelle von einem "beinahe totalitären Zugriff auf die Bevölkerung". Das wirft grundsätzliche Fragen auf wie diejenige, ob wirtschaftliche Entwicklung auch zulasten demokratischer Werte Priorität haben darf oder: "Wie viel Unrecht verträgt der Fortschritt?" Dass die Antwort darauf nicht leicht ist, zeigt die Kapitellänge von 13 Seiten.

Zum Schluss kehrt das zu Debatten anregende Buch zu jenem 6. April zurück. Wer die Täter waren, ist ungeklärt. "Ein Gewirr aus Wahrheit und Lügen" umgebe den Abschuss des Flugzeugs, stellt Hankel fest. Tatsächlich treibe die Frage aber auch niemanden mehr um. Im "neuen Ruanda" nach dem Völkermord hätten die Menschen schlicht andere Sorgen. CLAUDIA BRÖLL

Gerd Hankel: "Ruanda 1994 bis heute.

Vom Vorhof der Hölle zum Modell für Afrika - Wahrheit und Schein in Ruanda". zu Klampen! Verlag, Springe, 180 S., 18,- Euro.

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